Linz: FriWe zu Flugzeug-Anschlägen in USA
Die Friedenswerkstatt Linz zu den Flugzeug-Anschlägen in New York und
Washington:
Vor dem Abgrund
Die entsetzlichen Flugzeug-Anschläge bzw. Mega-Attentate (keines dieser
Worte trifft die riesige Tragödie richtig) auf das World Trade Center
und das Pentagon am 11. September 2001 sind aufs Schärfste zu
verurteilen. Unsere ganze Solidarität und unser Mitgefühl gilt den
Ermordeten, den Verletzten, ihren Angehörigen und FreundInnen. Diese
terroristischen Anschläge sind menschenverachtend. Genauso
menschenverachtend wie der Terrorkrieg der USA und vieler EU-Staaten
gegen die irakische Bevölkerung 1991 und gegen die jugoslawische
Bevölkerung 1999. Im Golfkrieg wurden 200.000 Iraker aus der Luft
abgeschlachtet, humanitäre Organisationen schätzen, dass infolge der
vollkommenen Zerstörung der Infrastruktur und des folgenden UN-Embargos
mittlerweile eine Million Iraker getötet wurden. Der Friedensforscher
Robert Jungk hatte damals davor gewarnt, dass durch den Golfkrieg der
?3. Weltkrieg zwischen Nord und Süd? ausgelöst wurde. Die Masse der
Bevölkerung in den USA und Europa blieb teilnahmslos. Die Machteliten
suggerierten lange Zeit erfolgreich, dass man den Krieg an die
Peripherie exportieren kann, ohne eigene Opfer beklagen zu müssen. Diese
Illusion ist nun zerbrochen. Der Krieg kehrt in die Zentren zurück.
Weder präzisionsgesteuerte Marschflugkörper noch Raketenabwehr im All
können das verhindern.
Wir stehen vor einer dramatischen Entscheidungssituation: entweder jetzt
noch massiver den Krieg in den Süden und Osten zu exportieren, die
Ungleichheit zwischen arm und reich noch weiter zu verschärfen und im
Inneren der reichen Länder einen totalitären ?Sicherheitsstaat? aufbauen
oder Sicherheit durch Kooperation, sozialen Ausgleich,
vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung. Die Welt ist zu vernetzt und
zu verletzlich geworden, als dass es noch Sicherheit gegen andere und
durch Unterdrückung anderer geben könnte, es kann sie nur mehr mit
anderen und auf gleicher Augenhöhe geben. Eine Politik der Vergeltung
der Vergeltung bringt uns dem Abgrund weltweiter Barbarei immer näher.
Eine Welt, in der 385 Einkommensmilliardäre über dasselbe Vermögen
verfügen, wie die unteren 45 Prozent der Weltbevölkerung, eine Welt, in
der das oberste Fünftel der Menschheit das 75-fache des untersten
Fünftel besitzt, eine Welt, in der eine Milliarde hungert und jährlich 7
Millionen Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung oder
Medikamentenmangel sterben, kann keine friedliche sein. USA und EU
produzieren 4/5 des weltweiten Kriegsgerätes und sind für 4/5 der
weltweiten Waffenexporte verantwortlich. Mit einem Bruchteil dieser
Ausgaben könnte das schlimmste soziale Elend überwunden werden. Der
Friedensforscher Johan Galtung ist der Meinung, dass der Westen die
Gelegenheit trotz aller Tragik als ?Riesenchance? zur Lösung des
Konfliktes mit dem Islam und zu einer ?Weltdiskussion? über die globale
Umverteilung zugunsten der Ärmsten nutzen sollte.
Derzeit deutet jedoch alles darauf hin, dass die Machthaber dieser Welt
den barbarischen Anschlag auf New York und Washington nutzen wollen, um
den Teufelskreislauf noch weiter anzuheizen: Die US-Führung hat bereits
den Krieg erklärt und kündigt heftigste und langandauernde
Militäraktionen an; und in der EU mehren sich die Kommentare, die
fordern, dass die EU die ?Machtlücke? füllen muss, die eine
angeschlagene USA hinterlassen. Spätestens seit dem Jugoslawienkrieg
läuft auch in der EU die Aufrüstungsmaschinerie auf Hochtouren. Bis 2003
wird eine Euro-Armee aufgestellt, die erklärtermaßen für Kriege im Nahen
Osten, Zentralafrika und Kaukasus bereitsteht. Die Gewalt wird auch auf
Europa zurückschwappen.
Die rauchenden Trümmer des Word Trade Center sind ein Menetekel:
entweder jetzt die Spirale der Gewalt zu durchbrechen oder auch der
Nordwesten der Weltkugel rast auf eine Katastrophe zu, die für viele in
der süd-östlichen Hemisphäre bereits Wirklichkeit ist. Nur starke
Friedensbewegungen können jetzt noch der Vernunft zum Druchbruch helfen,
die den Machteliten völlig abhanden gekommen ist.
(Beschlossen auf der 8. ordentlichen Vollversammlung der
Friedenswerkstatt Linz am 13. September 2001)
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