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Hannover: Diskussionveranstaltung zum Definitionsrecht am 03.12.2001

Definitionsrecht: Notwendige Antwort auf sexuelle Gewalt gegen Frauen
oder Teil eines das Geschlechterverhältnis konservierenden Diskurses?

Wer vergewaltigt wurde und dies zur Anzeige bringt, hat noch einiges an Torturen vor sich – das Aufrollen der gesamten schmerzhaften Geschichte vor Gericht, die Beweislast auf Seiten der Betroffenen, die Suche nach einer eventuellen Mitschuld des Opfers etc. In vielen linken Zusammenhängen wird
daher zum Schutz der Betroffenen ein anderer Umgang mit einer Vergewaltigung praktiziert, der anstrebt, der Betroffenen die größtmögliche Unterstützung zuteil werden zu lassen. Mit diesem Anspruch wurde das Definitionsrecht ursprünglich eingeführt. Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht solle innerhalb
der „Szene„ jeder Frau, die einen Vergewaltigungsvorwurf äußere, unbedingt Glauben geschenkt werden; denn sie allein wisse, was passiert sei und müsse das Vorgefallene nach ihrem subjektiven Empfinden definieren dürfen. Damit sollte jene erniedrigende Praxis der bürgerlichen Justiz wenigstens im
Schutzraum emanzipatorischer Polit-Gruppen umgangen werden. Keine lange Diskussion, kein Anhören des Täters, der das Geschehene ohnehin nur leugnen werde, sondern dessen sofortiger Ausschluss aus allen politischen Zusammenhängen.
Einmal durchgesetzt, lässt sich mitnichten feststellen, dass das Thema Definitionsrecht heute noch ein heiß diskutiertes ist. Längst entschieden scheint, dass dieses Recht einzig legitimes und sinnvolles Mittel „der„ Linken im Kampf gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen sein soll und muss. Wer daran
zweifelt oder auch nur den Anspruch eines kritischen Hinterfragens dieser Selbstverständlichkeit hegt, gilt bestenfalls als EwiggestrigeR, der/die offenbar die letzten 20 Jahre feministischer Diskussion verpasst habe, und schlimmstenfalls als antifeministisch, sexistisch, gleichzusetzen mit
FaschistInnen und dementsprechend zu bekämpfen. Ausschluss oder gewaltsames Aufhalten von Gruppen, die es dennoch wagen, ihre Kritik zu Papier oder zu Gehör zu bringen, sind die Folge. Schließlich dürfe man nicht hinter das einmal Erreichte zurückfallen und wer diese tue, stelle sich auf die Seite
der Täter und verhöhne die Betroffenen, um die es ja eigentlich gehen solle.
Ob diesen mit der gängigen Praxis überhaupt geholfen ist, ob sie das Erlebte nun besser verarbeiten, ob sie mit ihren Schilderungen das Geschehene zutreffend wiedergegeben haben, spielt dabei aber offenbar nur eine zweitrangige Rolle. Stattdessen wird der Mann qua Geschlechtszugehörigkeit zu den
Herrschenden, den Unterdrückern, kurz, den „Bösen„ gerechnet, und hat, einmal beschuldigt, kein Chance mehr auf einen den Einzelfall berücksichtigenden Umgang. An ihm als dem personifizierten Patriachat wird ein Exempel statuiert, sollte er auch unschuldig oder willens sein, auf sein Verhalten zu
reflektieren. Erwünscht ist da offenbar nur Rache bzw. Strafe und nicht eine (eventuelle) Veränderung dieses Verhaltens.
Über diese Umgangsweise und das hier eingeforderte Recht auch jetzt noch zu kritisch diskutieren, lohnt sich unseres Erachtens angesichts der hier nur angedeuteten Problematik allemal, zumindest mit allen, die den Anspruch haben, die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Sexismus und sexuelle Gewalt
hervorbringen, abzuschaffen, was ohne ein Bewusstsein darüber, wie sie zustande kommen und wie sie in jeder/m Einzelnen wirken, schlecht möglichen sein dürfte. Ein bloßes Verharren im status quo wird die Emanzipation aller Menschen von eben jenen Verhältnissen kaum vorantreiben.

Wir laden daher alle, die dies aber ihrem politischen Handelns zum Ziel setzen und deren Argumente nicht nur aus Boykott, Farbbeuteln und Trillerpfeifen bestehen, ganz herzlich dazu ein, mit uns zu diskutieren. Damit sind explizit auch all jene gemeint, die eine andere Ansicht als die referierende
Gruppe vertreten und ihrer diesbezüglichen Kritik öffentlich vorbringen möchten bzw. sollten - Schweigen hat schließlich noch nie jemanden überzeugt. Um Interessierten und gerade auch KritikerInnen eine Vorbereitung auf die in der Veranstaltung referierte Position zu ermöglichen, wurde das Referat
bereits vorab veröffentlicht und ist im AStA Hannover und im Internet erhältlich.

Diskussionsveranstaltung mit der Gruppe
"Les Madelaines"
am Montag, dem 03.12.2001 um 19.00 Uhr
im Foyer vor dem Niedersachsensaal
(Conti-Campus, FBR Wirtschaftswissenschaften)
Den Ausschilderungen folgen

 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/les_madeleines/

 

28.11.2001
"Les Madelaines"   [Aktuelles zum Thema: Gender & HERRschaft]  Zurück zur Übersicht

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