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Köln: Demo 25.5.02: Auslaenderzentralregister abschalten

Ausländerzentralregister abschalten

Für den 25. Mai rufen antifaschistische, antirassistische und
BürgerInnenrechts-Gruppen zu einer zentralen Demonstration gegen das
Ausländerzentralregister (AZR) in Köln auf.

Das Ausländerzentralregister ist das zentrale Instrument der
rassistischen Sondererfassung aller Menschen ohne deutschen Paß.

In den 50er Jahren bestand aus Sicht des Bundesinnenministeriums die
"Notwendigkeit einer verstärkten Überwachung der Ausländer im
Bundesgebiet". Sie erwarteten Widerstand der angeworbenen ausländischen
Arbeitskräfte gegen ihre schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen. Dies
hatte die Einrichtung des Ausländerzentralregisters zur Folge. Das AZR
wurde bereits am 1. August 1967 auf ein automatisiertes Verfahren
umgestellt.


Mit dem AZR wurde ein Informationsverbund von Ausländerbehörden,
Bundesgrenzschutz (BGS), Zoll, Justiz, Arbeitsämtern, Geheimdiensten
(BND, BfV, MAD) und Polizei geschaffen, und das machte es zu einem
zentralen Netzknoten der staatlichen Sicherheitsorgane. Das Register
ermöglichte auch "online" den Zugriff auf den/die Erfaßte/n mittels
einer Art Personenkennziffer (AZR-Nummer) und wurde auch in Form der
"Gruppenerfassung" genutzt. Nicht nur das verfassungsrechtlich
verankerte Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten wurde hierbei
aufgehoben, sondern neben Personalien, Herkunftsland, Aufenthaltsstatus
(Asylantrag, Ablehnung, Abschiebung) wurden auch ungesicherte
Informationen über die Person und ihre familiäre und soziale Situation
gespeichert. Kurz: die gesamten persönlichen Verhältnisse wurden und
werden registriert.

Nachdem das AZR über 40 Jahre ohne gesetzliche Grundlage sozusagen im
"rechtsfreien Raum" existierte, wurde dieser Zustand mit dem
Inkrafttreten des "Gesetzes über das Ausländerzentralregister" (AZRG)
am 1. Oktober 1994 im nachhinein legalisiert.

Die Erfassung zur Ausgrenzung gesellschaftlicher Minderheiten hat in
Deutschland Tradition die bis zur Reichsgründung zurückreicht. Im
"Nationalsozialismus" diente die Erfassung der Ausgrenzung sowie der
rassistischen und antisemitischen Behandlung, der gewalttätigen
Unterdrückung, der Vorbereitung der Deportationen und Vernichtung, aber
auch der "Effektivierung" des Arbeitskräfteeinsatzes (z. B. der
Zwangsarbeit) für die Vorkriegs- und die Kriegswirtschaft

Nun schlägt Bundesinnenminister Schily mit Hochgeschwindigkeit Maßnahmen
zur "Bekämpfung des Terrorismus" vor, die augenscheinlich entweder
längst in der Schublade schlummerten (Abschaffung des
Religionsprivilegs, Telefonüberwachung) oder solche, die eine Grauzone
legalisieren sollen, in der sich die Sicherheitsbehörden bereits
praktisch bewegen - wie bei der informationellen Zusammenarbeit mit den
Ausländerbehörden.

Die neuen Sicherheitspakete ermöglichen der Polizei, dem BGS, dem Zoll,
den Arbeitsämtern, den Staatsanwaltschaften und den Geheimdiensten den
Zugriff auf die Datenbanken des AZR auch ohne konkreten Verdacht oder
Gefahr. Die Sozialämter wurden als Übermittlungsempfänger in den
Datenverbund mit einbezogen. Diesen Behörden sowie den Sozial- und
Ausländerbehörden wird nun ein automatisierter Online-Zugriff
ermöglicht. Des weiteren darf der Bundesnachrichtendienst selbständig
den Datenbestand rastern.

Die Einladenden und der angegebene Aufenthaltszweck sowie die hier
lebenden Bezugspersonen sollen von der Ausländerbehörde überprüft
werden. Die Fingerabdrücke von Flüchtlingen sollen nach der
Asylentscheidung künftig zehn Jahre lange gespeichert werden und vom
Bundeskriminalamt automatisch mit dem polizeilichen Tatortspurenbestand
abgeglichen werden. Des weitern sollen neben dem Bild sowie den Angaben
zur Person und Fingerabdrücken nun auch biometrische Merkmale wie Hand-
und Gesichtsform gespeichert werden. Die erhobenen Daten sollen
maschinenlesbar und codiert auf den vorgesehen Visa- und
Aufenthaltsplaketten sowie in Ausweisersatzpapieren aufgenommen werden.

Relevant ist dies nicht nur für Kontrollen und Behördenkontakte, sondern
auch bei digitalem Bildabgleich im öffentlichen und halböffentlichen
Raum. Bei komplett mit Kameras überwachten Bahnhöfen, Einkaufspassagen
etc. könnte das Bild einer Person mit der AZR-Datei abgeglichen werden
und bei Erfolg gleich alle über die Person gespeicherten Daten
mitliefern. Diese orwellsch anmutende Vision ist keineswegs aus der Luft
gegriffen, im Londoner Stadtteil Newham ist sie gängige Praxis. Hier
werden ca. 200.000 EinwohnerInnen flächendeckend videoüberwacht. Mit
derartigen Mitteln können auch die schon längst zur Routine gewordenen
"ver-dachtsunabhängigen" Kontrollen des BGS an deutschen Bahnhöfen
optimiert werden. Zur Identifizierung von sog. Verdächtigen bedarf es
einer Datenbank, wo die Gesichter abgeglichen werden können.

Mit Hilfe dieser Repressionsmaßnahmen wird ein präventiv-polizeiliches
Konzept verfolgt. Nicht-Deutsch sind somit per se "tatverdächtig". Die
Überwachungsmaßnahmen, die später einmal alle betreffen könnten, sind
nicht neu; die bereits entwickelten Maßnahmen sind Trendsetter für die
Erfassung anderer sozialer Minderheiten. Beispiel: In manchen US-Staaten
werden bereits biometrische Merkmale von SozialhilfeempfängerInnen
erhoben, um einen "Missbrauch" von So-zialleistungen zu vereiteln

Bereits jetzt ist der Prozeß der Erweiterung der Kontroll- und
Erfassungsmechanismen erkennbar. Demnächst sollen in Pässen und
Personalausweisen neben dem Lichtbild und der Unterschrift auch
biometrische Merkmale von Fingern, Händen oder Gesicht gespeichert
werden. Bereits vor Jahren ließ die Bundesdruckerei durchblicken, die
Biometrie in ihre Druckerzeugnisse zu integrieren, um der zunehmenden
Mobilität der BürgerInnen gerecht zu werden. Ebenfalls bietet die
gesamte Smart-Card-Technologie ein enormes Ausweitungspotential.

Beispiele: Die Asylcard - in den Niederlanden müssen sich
AsylbewerberInnen bis zu viermal täglich an entsprechenden "Terminals"
melden, die Identifizierung läuft über den digital abgespeicherten
Fingerabdruck; Krankenversichertenkarte - als lebensbegleitende
elektronische Krankenakte, einschließlich der Einführung von Gentests im
Vorfeld, um den Versicherungssatz an das Krankheitsrisiko anzugleichen;
die Sozialhilfe-Karte - um den angeblichen Mißbrauch einzudämmen;
Chipkarte an den Hochschulen - diese soll eingeführt werden, um genau
festzuhalten, wer wann und wo ein Seminar besucht hat.

Das rot-grüne Sicherheitsprojekt perfektioniert die Verwertung von
Menschen. Die genannten Kontrollmechanismen dienen der sozialen
Kontrolle und der Bevölkerungsplanung. Mit dem Datenaustausch zwischen
allen Behörden kann die Gesellschaft diszipliniert werden. Wer
Sozialhilfe beantragt, häufig zu spät zum Seminar kommt oder oft krank
ist, wird zum potentiellen Leistungsverweigerer - und somit zum
Sicherheitsrisiko für den reibungslosen Verwertungsprozeß. Von der Norm
abweichendes Verhalten wird dann mit entsprechenden Sanktionen
gemaßregelt, wie z.B. der Kürzung von Sachleistungen. Sozialhilfe,
Bafög, Krankengeld etc. werden zukünftig noch enger an die
Leistungsbereitschaft gekoppelt sein.

In Straßburg steht nun der große Bruder des AZR. Damit die Migration
auch in Europa genau beobachtet und kontrolliert werden kann, wurde am
26. März 1995 das Schengener Informationssystem (SIS) in Betrieb
genommen worden. Es ist ein computergestützter Informationsverbund. Die
Vertragsstaaten geben in den Zentralcomputer auf elektronischem Weg
Informationen über Personen und Sachen ein, nach denen gefahndet wird.
Außerdem speichern sie dort Angaben über Menschen, die aus einem Land
ausgewiesen wurden bzw. werden sollen oder denen die Einreise bereits
einmal verweigert wurde. Jede zuständige Stelle in den Mitgliedsländern
kann die Informationen abrufen. Vom 19. Juli - 28. Juli 2002 findet in
Straßburg das diesjährige Grenzcamp statt.

Es gab immer wieder Proteste von BürgerInnenrechtsgruppen,
DatenschützerInnen und antirassistischen und antifaschistischen Gruppen
gegen diese Form der rassistischen Sondererfassung von Flüchtlingen und
MigrantInnen.

1986 war das AZR Ziel eines Sprengstoffanschlages der Revolutionären
Zellen (RZ). Viele Datenbestände wurden dabei zerstört und das AZR war
mehrere Wochen außer Betrieb. In der Erklärung der Gruppe hieß es: "Im
Ausländerzentralregister beim Bundesverwaltungsamt in Köln ist das
gesamte Herrschaftswissen über alle Nichtdeutschen, die in der BRD
,aufhältig' sind oder es jemals waren, in einem gigantischen Pool
konzentriert [...] Das Ausländerzentralregister ist ein rassistisches
und totalitäres Register. Es muß deshalb weg."

Die Demonstration gegen das AZR soll einerseits die rassistische
Sonderbehandlung von MigrantInnen deutlich machen, andererseits aber
auch die Vorstellung von Totalerfassung konkretisieren und den
Widerstand dagegen formieren.

Schaltet das Ausländerzentralregister ab!

Demonstration
gegen das AZR

am 25. Mai 2002 in Köln

Auftakt 11.00 Uhr vor dem AZR
Amsterdamer Ecke Barbara Str.
(zu erreichen von Köln Hbf mit U19 / U17 Haltestelle Amsterdamer Gürtel)
ab 13.00 Uhr Demonstration ab Ebertplatz in Köln
ab 16.30 Uhr Konzert mit Egotronic, uva.
am Containerlager Kunftstraße (Haltestelle Kalk-Post aussteigen)


Mehr zum AZR unter www.infoladen.net/koeln. Plakate und Aufrufe sind zu
bestellen unter  delete-AZR@gmx.net


 

20.04.2002
AG3F   [Email] [Aktuelles zum Thema: Antirassismus]  Zurück zur Übersicht

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