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Hamburg: Gegen das Verbot der Zerstreuung ! Gegen das Verbot des Ligna-Radioballetts !

Gegen das Verbot der Zerstreuung !
Gegen das Verbot des Ligna - Radioballetts !!

Zur Geschichte des Radioballetts. Das Ligna-Radioballett ist Teil der Veranstaltung Formierte Öffentlichkeit - Zerstreute Öffentlichkeit im Rahmen des Video Club 99 in der Galerie der Gegen­wart der Hamburger Kunsthalle veranstaltet von hybrid video tracks aus Berlin und Li"na aus Ham­burg. Es soll am 5. Mai 2002, ab 13.30 Uhr stattfinden. Das Radioballett sollte die zunehmende Privatisierung und Kontrollierung öffentlicher Räume thematisieren. Es ist zur Selbstverständlichkeit geworden, daß Videokameras Straßen und Plätze überwachen. „Unliebsame Verhaltensweisen" sollen verhindert werden. Am Hamburger Hauptbahnhof, einem Öffentlichen Raum, der in den Neunziger Jahren einem privaten Hausrecht unterstellt wurde, sind zum Beispiel folgende Gesten verboten: Die Hand aufhalten, Tauben füttern, auf Sitzgelegenheiten liegen, überhaupt alles, was unter unnötigen Aufenthalt fällt. Das Radioballett sollte eine Übung im unnötigen Aufenthalt sein. Während die Erlebniszonen dieser Welt die Langeweile zerstreuen, sollte das Radioballett in der Zerstreuung seiner Teilnehmerinnen den unnötigen Aufenthalt erfahrbar machen. Das Radioballett sollte die aus dem öffentlichen Raum verdrängten oder sogar ausgeschlossenen Gesten symbolisch in diesen zurückbringen. Dazu wurde eingeladen.
Was ist passiert? Die Einladung gelangte an die Deutsche Bahn AG die das Radioballett als „Versammlung", die darauf abzielt, „den normalen Reiseverkehr zu behindern" ansah. Deshalb hat sie dem Freien Sender Kombinat (FSK) unter Androhung rechtlicher Schritte "ausdrücklich untersagt", die „Veranstaltung" durchzuführen. Die Bahn kündigte an, das Radioballett als Verstoß gegen ihre Hausordnung anzusehen und gegen alle Teilnehmerinnen Strafanzeige zu erstatten. Dem Radioballett droht somit dasselbe Schicksal wie den Gesten, die es am Hauptbahnhof aufzeigen wollte. Der Hauptbahnhof zeigt sich so ein weiteres Mal als umkämpfter Ort, der seine paranoide innere Sicherheit über ständige Ausschlüsse reproduziert. Während der Staat und die Bahn die Bahnhöfe privatisieren (und auf Kosten der Öffentlichkeit kapitalisieren) wollen, steht das Radioballett dafür ein, daß die Bahnhöfe öffentliche Orte bleiben müssen.
Was wird passieren? Es kann sein, daß FSK gerichtlich untersagt wird, zum Radioballett am Hauptbahnhof aufzurufen und dieses am Hauptbahnhof durchzuführen. Deshalb fordern wir alle Hörerinnen des FSK dazu auf, sich, wo immer sie sich befinden, am Radioballett zu beteiligen!
Das Radioballett ist keine Versammlung, sondern eine Zerstreuung!
Deshalb fordern wir: Keine Zensur des gestischen Radiohörens!!
Hört FSK! 93,0 MHz, Sonntag, 5. Mai 2002, 13.30 Uhr!
Zerstreut Euch!

Ligna, Hamburg, den 30. April 2002

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**** UND SO GEHTS: ****
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Werdet Teil des Ligna - Radioballetts !
Was ist ein Radioballett? Ein Radioballett tanzt, anders als ein Fernsehballett, nicht als Massen­ornament. Es hat keine einheitliche Bühne. Es ist nicht gereiht, es bildet keine Figur, sondern existiert in der simultanen, aber zerstreuten Geste. Das Radioballett behindert Passanten nicht, sondern irritiert durch seine Gleichzeitigkeit. Es bewegt sich in der Grauzone zwischen erlaubten, zwielichtigen und verbotenen Gesten.
Wo findet das Radioballett statt? Überall, wo die Radiowellen des Freien Sender Kombinats 93,0
MHz hindringen. Tunnel, Faradaysche Käfige usw. sind aus diesem Grund ungeeignet. Wir rufen also zu keinem spezifischen Ort auf, an dem das Radioballett bevorzugt durchzuführen wäre. Es gibt um­kämpfte und weniger umkämpfte Räume. Es liegt an den Teilnehmerinnen des Balletts, welchen Ort sie für geeignet halten. Unbedingt sind auf die Durchsagen im Radio zu achten. Es kann sein, daß bestimmte Orte ausdrücklich problematisch sind. Grundsätzlich gilt: Die Besonderheit des Radiobal­letts existiert darin, daß es überall stattfinden kann. In den eigenen privaten vier Wänden, auf dem weitesten Platz der Stadt, auf der Fähre, am Elbstrand, oder auf dem Boulevard.
Wie ist der Ablauf des Balletts? Das Ballett besteht aus Gesten. Hände geben, Hände aufhalten usw., Gesten, die zumeist aus dem Alltag bekannt sind und keiner besonderer Eignung bedürfen. Es wird mehrere Durchläufe geben, so daß die Tänzerinnen des Alltags1 die Bewegungen einüben können.
Welche Kleidung ist zu tragen? Sie sollte bequem sein. Möglichst mit zwei Hosen-, Mantel-, oder Jacken-Tasche, in der sich ein Radio, ein rotes Tuch und eine Plastiktüte verstauen lassen.
Was ist mitzunehmen?
Ein Radio mit Kopfhörer. Natürlich kann auch Radio ohne Kopfhörer gehört werden. Zur
Verständlichkeit sind Kopfhörer aber ausgesprochen nützlich.
Eine Plastiktüte. Sie ist in einer Tasche greifbar mitzunehmen.
Ein rotes Tuch (aus Stoff oder auch eine Papierserviette). Es ist ebenfalls in einer Hosen- oder
Jackentasche greifbar zu halten. Alle drei accessoires sind in der Kunsthalle vorrätig.
Zerstreut Euch! Bringt Freunde mit! Achtet darauf, daß genügend Abstand um Euch herum ist. Seht niemandem in die Augen. Fokussiert Eure Augen auf nichts.
Sprecht mit niemandem. Konzentriert Euch auf das Hören. Konzentriert Euch auf Eure Bewegungen. Hört auf das Radio.

 

02.05.2002
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: ÖffentlicherRaum]  Zurück zur Übersicht

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