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Aus: | Antifaschistische Informationen, Rechte Organisationen in Hamburg, Nummer 1 |
Erscheinungsdatum: | 2. Juni `95 |
Herausgegeben von: |
Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten,
c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46,
20357 Hamburg e-mail: kfdf@krabat.nadir.org |
Online im Archiv seit: | 1995-08-08 03:28:22 +0200 |
Nachträgliche Änderungen: | 2005-11-22 12:17:44 +0100: Personen-Anonymisierung |
neurechte Kaderschmiede an der Uni
Die Gruppe 146 existierte an der Hamburger Universität nur in den Jahren 1988 bis 1990, ist aber das bisher erfolg- reichste Projekt der sog. Neuen Rechten in akademischen Kreisen gewesen. Außerdem war sie eine Organistion von Funktionären, die bis heute noch in einschlägigen Organisationen tätig sind. Deswegen soll hier noch einmal kurz geschildert werden, was sich damals an der Uni abspielte.
Im Sommer 1989 wurde das Gesuch der Deutschen Volksunion Liste D, an der Uni eine Hochschulgruppe zu gründen, abgelehnt, weil ihre Parolen wie "Ausländer kassieren Milliarden - an uns Studenten wird gespart..."1 zu eindeutig rassistisch waren. Die Gruppe 146 machte dann erfolgreich vor, wie die Neue Rechte strategisch vorgeht, ohne sich durch plumpen Rassismus gleich selbst zu entlarven.
Sie nannte sich nach dem Artikel 146 des Grundgesetzes, in dem steht, daß das Grundgesetz an dem Tag seine Wirkung verliert, an dem sich das "wiedervereinigte Deutsche Volk" in freier Selbstbestimmung eine neue Verfassung gibt. Damit knüpften die 146er geschickt an die Diskussion im bürgerlichen Lager an, welches 1989 über die Möglichkeit der DDR-Annexion nach Art. 23 oder 146 diskutierte und verfolgten damit außerdem ihr eigenes Ziel. Ein Teil der Neuen Rechten setzt nämlich auf die "legale" Machtergreifung entweder durch Notstandsgesetze oder eben durch den erwähnten Artikel; welcher Art die neue Verfassung dann sein soll, erübrigt sich zu erläutern. Ein Ideologe, der diese Diskussion immer wieder in neurechten Publikationen vorantreibt, ist der Hamburger "Nationalmarxist" Dr. Reinhold Oberlercher. Er muß als Begründer und Kopf der Gruppe 146 angesehen werden, auch wenn er dieses damals leugnete.2
In einem ihrer ersten Flugblätter stellte die Gruppe 146 fest "... die beiden Staaten in Deutschland werden seit Kriegsende von den beiden Supermächten für deren militärische Interessen als Frontstaaten mißbraucht..." Mit der These der zweifachen imperialistischen Unterdrückung (US- und UdSSR-Imperialismus), versuchte die Neue Rechte insbesondere in der Friedensbewegung damals Fuß zu fassen. Ihr Konzept der nationalrevolutionären Befreiung aus der angeblichen Unterdrückung, forderte ein vereinigtes, militärisch und ökonomisch starkes Deutschland aufzubauen. Das die BRD schon immer eigene imperialistische Ziele verfolgte, verschwiegen die Neuen Rechten wohlweislich. Im Sinne dieser Querfrontstrategie nach links, forderten auch die 146er "... die Tabuisierung der Nationalen Frage in weiten Teilen der etablierten Linken..." aufzugeben. Explizit auf die Linke war auch die erste Großveranstaltung der studentischen Vereinigung zugeschnitten. Sie lud die DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier (die allerdings auch schon in neurechten Publikationen geschrieben hatte), den DKP-Erneuerer Peter Schütt (der heute seine intimen Kenntnisse nutzt, um gegen ehemalige GenossInnen zu hetzen) und den ALer Volker Schröder aus Berlin ein, der allerdings nach Warnung von der Antifa absagte. Motto der Veranstaltung war natürlich "Linke Deutschlandpolitik."
Zu ihrer zweiten Veranstaltung lud die Gruppe 146 massenhaft ahnungslose DDR-BürgerInnen ein, die als Claqueure dienen sollten. Da inzwischen Oberlerchers politische Heimat und ein Aufruf der Gruppe in der nationalrevolutionären Zeitschrift "Wir Selbst" bekannt geworden war, verboten die Veranstalter den AntifaschistInnen den Zutritt zu ihrer "Öffentlichen Veranstaltung" und ließen 30 Personen, z.T. aus der Deutschen Volksunion und der Hamburger Liste Ausländerstopp, als Saalschützer aufmarschieren. Während draußen die neue SA auf Antifas einprügelte, lauschte drinnen die selbsternannte deutschnationale Elite den Ergüssen von Prof. Seiffert.3 Diese Veranstaltung führte zum Verbot von öffentlichen Veranstaltungen durch die Uni-Leitung, jedoch nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung. Der Versuch eines CDU-Abgeordneten die neurechten Studis, mittels Anfrage in der Hamburger Bürgerschaft, von dem Neofaschismus-Vorwurf rein- zuwaschen mißlang. Der Senat erklärte: "In dieser Gruppe arbeiten Personen mit, die den Rechtsextremisten zugeordnet werden. Darüber hinaus findet eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen als rechtsextremistisch bewerteten Organisationen statt., An der öffentlichen Veranstaltung der `Gruppe 146' am 19.1. 1990 an der Universität Hamburg nahm eine größere Anzahl von Personen teil, die den Rechtsextremisten zugeordnet werden. An der Demonstration des Bürgerforums für deutsche Einheit am 3.2. 1990 in Hamburg waren neben Angehörigen der `Gruppe 146' überwiegend Rechtsextremisten, unter ihnen Mitglieder der Republikaner, Nationaldemokraten und Neonazis sowie Skinheads, beteiligt."4 Außerdem nahmen an der Demo noch Mitglieder der DVU, NL und der FAP teil, es war also das gesamte faschistische Spektrum Hamburgs vertreten.
Mit der erfolgreichen Brandmarkung wurde es ruhig um die Gruppe 146, sie machte nur noch eine Veranstaltung an der Führungsakademie der Bundeswehr mit Fregattenkapitän Löhlein, und seitdem ist sie nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten. Die ehemaligen Mitglieder sind jedoch immer noch aktiv in der rechten Szene und haben teilweise sogar Karriere gemacht5:
Volker Beeken
war 1979 stellvertretender Vorsitzender des Ostpolitischen Deutschen Studentenverbandes, dieser war außerordentlicher Mitgliedsverband des Bundes der Vertriebenen. Die Nachfolgeorganisation dieser revanchistischen Studentenorganisation ist der Gesamtdeutsche Studentenverband (GDS) in dem Beeken Mitglied ist. Außerdem war er Vorstandsmitglied des Unabhängigen Schülerbundes und ist Abonnent der Jungen Freiheit. Ein Herr Beeken ist auch Inhaber einer Firma namens Hansa Film GmbH, die alte Nazifilme vertreibt.
Ansgar Graw
ist seit längerem in der neurechten Szene tätig und publizierte in den Blättern Mut, Criticon und Junge Freiheit . Er begann seine publizistische Karriere beim Ostpreußenblatt, ist Mitglied in der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen, war Teilnehmer an den Berliner Dienstagsgespräch und Moderator beim Studienzentrum Weikersheim, seine Brötchen verdient er beim Sender freies Berlin, wo er angeblich das besondere Vertrauen des Intendanten genießt. Ende 1994 wurde Graw von der Bundeszentrale für politische Bildung beauftragt eine Ausgabe ihrer offiziellen Zeitschrift Parlament zu konzeptionieren.
Hans T. Heckel
war 1991 Pressesprecher der nationalistischischen Deutschen Burschenschaft und ist noch Korporierter in der Burschenschaft Holzminda Göttingen. In der Deutschen Umschau, dem Organ der Vertriebenen schrieb er: "... Am Reich kommen die selbsternannten Bundesrepublikaner ebensowenig vorbei, wie sie an Deutschland vorbei konnten." Heute ist er Redakteur für Politik und Zeitgeschichte beim revanchistischen Ostpreußenblatt, sein Bruder Lutz Heckel war presserechtlich verantwortlich für die Flugblätter der Gruppe 146.
Baldur Jahn
ist Multifuntionär aus Hamburg und studiert dort im 27. Hochschulsemester Politik.
Er war von Okt `91 bis Mai `92 Redakteur bei der Jungen Freiheit und schreibt noch heute ständig für die Zeitung, ebenso für Criticon. Jahn war Kreisvorsitzender der Deutsch Sozialen Union (DSU) in Gleitheim, gründete den Arbeitskreis Geschichte und Gegenwart, welcher eine Ortsgruppe der DSU in Hamburg werden sollte und ist Sprecher der Vereinigung der Opfer des Stalinismus.
Ralf Look
ist Mitglied des Gesamtdeutschen Studentenverbandes und Chefredakteur bei der Pommernzeitung, dem Blatt der Pommerschen Landsmannschaft, außerdem ist er Korporierter in der Burschenschaft Obotritia-Alte Rostocker und Abonnent der Jungen Feiheit.
P. R.
ist Mitglied des Gesamtdeutschen Studentenverbandes und Abonnent der Jungen Freiheit.
Ulrich Schacht
referierte bei einer Veranstaltung und soll ebenfalls Mitglied der Gruppe 146 gewesen sein. Er ist Redakteur bei der Welt am Sonntag und mit Zitelmann und Schwilk zusammen Initiator des Berliner Appells, einer schwarz-braunen Initiative die sich den bürgerlichen Anti-Antifaschismus auf die Fahnen geschrieben hat. Als Mitherausgeber ist er außerdem an dem Buch "Die selbstbewußte Nation", beteiligt, indem rechtsintellektuelle Vordenker von Ernst Nolte bis zum Redakteur der Jungen Freiheit schreiben.
1 Schreiben der Univerwaltung an die Hochschulgruppe der Deutschen Volksunion Liste D (DVU) z.H. Michael Andrejewski, vom 03.08. 1989
2 Inzwischen ist durch einen Brief von Dieter Stein, dem Chefredakteur der Jungen Freiheit, an Oberlercher eindeutig belegt, daß dieser der Drahtzieher war. Stein stellte auch einen Kontakt in die DDR über den NVA-Major der Reserve Kai Guleikoff, alias Alexander Marwitz,her, wo die Gruppe 146 versuchte Mitglieder zu werben.
3 Dieser war Mitglied im Deutschlandrat, einer rechtsextremistischen Professorenriege, deren Erklärung den REPs als Vorlage für ihre deutschlandpolitischen Grundsätze diente. Auch im wissenschaftlichen Beirat des Neuen Deutschen Nationalvereins und als Teilnehmer des Berliner Dienstagsgesprächs ist der ehemalige Honneker-Vertraute dabei. Seiffert schreibt gerne in MUT, Wir Selbst oder gibt der Jungen Freiheit Interviews.
4Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage des Abg. Dr. Kersten Rosenau, Drucksache 13/5466
5 Die Namen sind bis auf Ulrich Schacht aus einer Gegendarstellung der Gruppe 146 in der Hamburger Rundschau vom 1.3.1990.
[Aus: Antifaschistische Informationen, Rechte Organisationen in Hamburg, Nummer 1; Erscheinungsdatum: 2. Juni `95; Herausgegeben von: Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg; e-mail: kfdf@krabat.nadir.org]