Seit kurzem nehmen deutsche Internetdienstanbieter für sich das Faustrecht im internationalen Datennetz Internet in Anspruch. Mit der vor kurzem gegründeten privatwirtschaftlichen Zensurbehörde "ICTF" (die selbsternannte "Internet Content Task Force") besitzen alle bundesweiten Internetprovider (mit Ausnahme der Deutschen Telekom AG) ein Forum, via Marktmacht und Quasi-Monopolstellung ihre eigenen Vorstellungen von Recht und Unrecht im weltweiten Netz durchzusetzen.
Als erste Maßnahme macht es die ICTF Ihren Kunden unmöglich, ca. 3100 Internetseiten des niederländischen Anbieters XS4ALL abzurufen. Grund dafür war das Schreiben eines Staatsanwaltes, der der ICTF seine Meinung über die Internetadresse "http://www.xs4all.nl/~tank/radikal//154/" (sic!) darlegte. Seiner Meinung nach sind Teile dieser Internetseiten strafrechtlich relevant nach StGB §129a Abs. 3 und §130a Abs. 1 (Werbung für eine terorristische bzw. kriminelle Vereinigung). Unter http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/ findet sich die Online-Ausgabe der in Deutschland verbotenen Zeitschrift "radikal".
Ohne richterlichen Beschluß, ohne Verhandlung und ohne Urteil entschloß sich der ICTF-Verband, die Meinung des Staatsanwaltes zu Ihrer eigenen Rechtsauffassung zu machen. In vorauseilendem Gehorsam zensierte die ICTF nicht nur die (nicht benannten) "Teile" der beanstandeten Internetadresse, sondern alle Seiten von Stichting XS4ALL Netwerk, Amsterdam. Ein Zugriff auf eine mit "http://www.xs4all.nl/" beginnenden Internetadresse ist somit in Deutschland nur noch über Universitäten und Leitungen der Telekom AG möglich.
Die Stichting XS4ALL Netwerk hatte sich im Kampf gegen Scientology bereits einen Namen gemacht und internes Schulungsmaterial der Sekte im Internet veröffentlicht. Neben persönlichen Seiten von Benutzern des XS4ALL- Netzwerkes und kommerziellen Angeboten sind kritische Stimmen zu Scientology nach Meinung der ICTF wohl ebenso illegal wie Computerspielhitlisten (http://www.xs4all.nl/~jojo/) und Chipkataloge (http://www.xs4all.nl/~ganswijk/chipdir/). Aus technischen Gründen werden die ICTF-Zensurversuche jedoch nur teilweise oder gar nicht fruchten. Die "radikal"-Seiten sind u.a unter
Wir lehnen die von der ICTF vorgenommenen Maßnahmen als klar verfassungsfeindlich ab (GG Art. 5, Abs. 1: "Eine Zensur findet nicht statt."). Es ist zu überprüfen, ob die ICTF aufgrund dieser Tatsache im Zusammenhang mit der offensichtlichen Vernachlässigung Ihrer Rechte und Pflichten als Betreibe von Telekommunikationsanlagen nach dem Telekommunikationsanlagengesetz selbst eine kriminelle Vereinigung darstellt. Der FoeBuD e.V. wird eine entspechende Strafanzeige vorbereiten und beim Bundesinnenministerium wegen eines möglichen Verbots der ICTF bzw. einer Beobachtung dieser Vereinigung durch den Verfassungsschutz anfragen.
Die zu schaffende Informationsgesellschaft ist nicht nur ein strategisches Ziel der Europäischen Union, sondern durch die Enquete-Komission "Zukunft der Medien" auch Thema im deutschen Bundestag. Ein selbstherrlich regierender Lynchjustiz-Verein wie die ICTF gefährdet nicht nur diese wichtigen Ziele, sondern bedroht auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Eine Bundesrepublik, in der sich ein Verband von Internetanbietern nach eigenem Gutdünken über geltende Gesetze hinwegsetzt, ist für Firmen, die sich im Bereich der Neuen Medien engagieren, jedenfalls nicht tragbar.
FoeBuD e.V.