20 Jahre AG/R

 
 

"Uns gibt es erst seit 1 1/2 Monaten, deswegen habt Ihr wahrscheinlich noch nichts von uns gehört, und nicht etwa, weil wir nichts tun würden." So stellte sich die frisch gebackene Gruppe Junger Anarchisten (GJA, unser Jugendname) erstmals einer staunenden Öffentlichkeit vor. In einem Flugblatt zum 1. September 1983, gemeinsam mit Kommunistischer Jugend Deutschlands (KJD, gehörte zur KPD, bekannter als KPD/ML) und Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) Zelle Schüler. Wir hielten es seinerzeit für nötig, sich revolutionär als Jugendliche, die wir damals waren, zu organisieren, "um mit vereinten Kräften den Kampf gegen dieses unmenschliche System aufzunehmen", wie es in dem Flugblatt weiter hieß.
 Ziel war für uns eine in Räten organisierte Gesellschaft, in der die Betroffenen ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen ohne sie fernen Institutionen zu überantworten. Anarchie im besten Sinne also. Darüber haben wir zu Beginn viel diskutiert und geschrieben. Und obwohl Fragen einer künftigen freiheitlichen Gesellschaft in unseren heutigen Diskussionen kaum noch eine Rolle spielen, sind die seinzeit formulierten Gedanken noch immer die (unsichtbare) Grundlage unserer politischen Tätigkeit.
 Daneben gehörte zu unserem politischen Selbstverständnis die Zusammenarbeit mit anderen Revolutionären, wodurch wir uns von vielen anarchistischen Gruppen unterschieden, die antikommunistisch waren. Allererster Ansprechpartner war die Freie Arbeiter-Union/Rätekommunisten (FAU/R), die ganz ähnliche Ideen wie wir vertrat. So kam es denn auch, daß, nachdem auf einer Podiumsdiskussion ein Anarchist die beknackteste Position vertreten hatte, wir uns auch ein R für Rätekommunisten an den Namen hefteten. So war für eine — wie wir es sahen — hinreichende Präzisierung unserer Anarchismus-Vorstellungen gesorgt. Und wir hießen künftig GJA/R. Und da wir annehmen mußten, die ganze Welt würde sich fragen, warum dieses neue R, schrieben wir eine ganze Broschüre. "Das R, das aus der Kälte kam" erschien in der Reihe "Theorie muß sein", in der insgesamt drei Hefte 'rauskamen.
 Jetzt brauchten wir für lange Zeit den Namen nicht mehr zu ändern. Allerdings funktionierte die Sache mit uns als informeller Jugendorganisation der FAU/R nicht mehr lange. Als wir noch auf jeder Demo 'rumsprangen — und damals gab's noch viele —, ließen die GenossInnen der FAU/R merklich nach — bis sich die FAU/R dann Anfang der 90er auflöste. Und wir standen allein da. Als dann auch noch an uns der Zahn der Zeit zu nagen begann (nicht mehr so viel action, keine neuen Mitglieder mehr, dafür aber erste graue Haare), war es erneut Zeit zu handeln: Wir nannten uns jetzt Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AG/R). Und so heißen wir noch heute!
Doch zurück zum Projekt Zusammenarbeit der Revolutionäre. Es gab viele Versuche, Linksradikale zusammenzubringen, an einigen waren wir beteiligt. Um es vorwegzunehmen: Letzten Endes sind sie alle gescheitert. An der Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg, in der v.a. KPD, BWK und FAU/R zusammenarbeiteten, und an den Gesprächen zwischen den eben genannten zur Vereinigung revolutionärer Sozialisten, bei der immerhin eine "gemeinsame Beilage" als Diskussionsorgan, das den Organisationszeitungen beiglegt wurde, herauskam, war die GJA/R noch nur randständig involviert. Die Hamburger "roten runden Tische" fanden auch nur kurz statt und waren unproduktiv. Intensiver waren wir um das Treffen der Föderation Anarchistischer Schüler und Studenten (FASS, etwa 1986) bemüht. Das entpuppte sich aber als nur sporadischer Ansatz, und auch hier standen wir allein gegen die K-Gruppenfeindlichkeit der Mehrheit. Ähnlich rasch endete die Zusammenarbeit mit der Zeitung Kämpfende Jugend aus dem Umfeld des Arbeiterbunds zum Wiederaufbau der KPD. Sie luden uns zur Teilnahme ein, wir waren einverstanden, hatten aber das Glück, daß das erste Heftthema, an dem wir mitmachen sollten, die Oktoberrevolution war. Wir betrachteten diese kritisch (wegen Staat statt Selbstorganisation), und siehe da: die Zusammenarbeit wurde aufgekündigt, bevor sie richtig begonnen hatte. Anarchisten, so hatte man nämlich inzwischen herausgefunden, gehören nicht zum Proletariat, sondern sind Kleinbürger!
 Aber zwei erfolgreichere Projekte sollen hier auch erwähnt werden. Zum einen das Revolutionäre Jugendplenum (RJP), zum anderen die Zeitung armes deutschland (nicht mit dem gleichnamigen Blatt der APPD zu verwechseln). Das RJP (1986—1988) bildete sich in Norddeutschland auf Einladung von jungen BWKlern aus Schleswig. Außer denen waren v.a. die Jugend des Kommunistischen Bundes (KB) und wir daran beteiligt. Es gab etliche Treffen, und trotz aller Schwierigkeiten sind daraus Diskussionen, Anregungen, Lerneffekte und ein vierseitiges Flugblatt zur Situation der Jugend herausgekommen. Auch, wenn sich das RJP bald auflöste, bleibt doch, daß es reichlich Organsationsbemühungen gab, bei denen weniger herausgekommen ist.
Vom armen deutschland gab es 6 Ausgaben, die mit hoher Auflage vertrieben wurden, weil einer der Beteiligten sie zum Selbkostenpreis drucken konnte. Es waren die Reste der KJD, die verschiedene andere zum Mitmachen eingeladen hatten. Darunter waren — neben unserem Dauerpartner BWK-Jugend — auch autonome und anarchistische Jugendliche. Die Zeitung ist dann wohl an allgemeiner Trägheit eingeschlafen. Nichts Neues also, was das Kontinuitätsproblem betrifft.
Andere Zeitschriftenprojekte zeigten und zeigen zwar nicht mehr Erfolg im Sinne von größerer LeserInnenschaft oder politischem Einfluß, aber deutlich mehr Kontinuität. (Wahrscheinlich ging es immer dann, wenn die Dauerhaftigkeit nicht in erster Linie von uns abhing?!) Seit 1989 geben wir die Lokalberichte Hamburg mit heraus. Hatten wir damit Anfangs hochfliegende Pläne in Richtung einer größeren und breiter getragenen Zeitschrift, stritten wir deshalb gerne um eine konsumtenfreundlichere Gestaltung, so haben wir uns mit dem Istzustand abgefunden und wissen zu schätzen, daß es in Hamburg ein Gemeindeblatt gibt, indem wir schreiben können und aus dem wir Informationen aus den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern und Spektren erhalten. Wir wünschen uns aber immer noch eine größere Beteiligung der "Szene" an den Lokalberichten. Wir wünschen uns auch mehr Debatten in der Zeitung. Aber wir wissen auch, daß wir nicht mehr tun können, als dieses Angebot zu formulieren und aufrechtzuerhalten!
Die Antifaschistischen Nachrichten bieten zweiwöchentlich eine Fülle von Informationen zum antifaschistischen Kampf. Obgleich das sehr wertvoll ist, müssen wir feststellen, daß die Auflage dem nicht entspricht. Coole Szenezeitungen, die häufig sporadisch erscheinen, aber von heldenhaften Auseinandersetzungen zu berichten wissen, sind da viel begehrter.

In den vergangenen 20 Jahren war die AG/R in den verschiedensten Bereichen aktiv, wir demonstrierten für die Hafenstraße und die Bambule-Bauwagenplätze oder unterstützten die Hungerstreiks der politischen Gefangenen. Einmal haben wir auch eine Zeitung, nur von uns allein gemacht, herausgegeben. Die Feuer und Flamme. GJA-Zeitung jenseits von Kälte und Eis verkaufte sich durchaus gut, kam aber über die eine Ausgabe nicht hinaus. Positionspapiere z.B. zum Revanchismus oder auch zum Nationalismus gab es immer wieder (allerdings haben wir den Eindruck, sie hatten kaum Resonanz). Theoretische Debatten haben wir immer wieder geführt oder zumindest zu führen versucht. Themen waren dabei das Patriarchat, immer wieder Adorno, Antisemitismus. Die letzten drei Jahre waren wir an der Blue Note-Gruppe beteiligt, die Diskussionsveranstaltungen organisierte. Wir referierten zur Dialektik der Aufklärung, zum Arbeitsbegriff des Marxismus, zur Soziologie der Western und Country-Szene, zur Montenegro-Politik der Imperialisten und — wie könnte es anders sein — zur Antifa-Bewegung. Leider sieht es so aus, als hätte dieser Debattenclub sich etwas überlebt. Neues ist noch nicht in Sicht.

Antiimperialismus
Die weltweiten Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse sind für eine sozialrevolutionäre Gruppe natürlich ein wichtiges Terrain. Schon zu Beginn waren wir darum bemüht, den Imperialismus analytisch zu erfassen, aber auch durch Unterstützung von Befreiungsbewegungen im Trikont zu seiner Überwindung beizutragen. 1984 brachten wir ein Heftchen heraus, das Lenins Imperialismustheorie vereinfacht wiedergab, einfach weil wir sie für richtig hielten (was sich wahrlich nicht von allen Ideen Lenins behaupten läßt). Kurze Zeit darauf gab es eine Broschüre über die Ausbeutung Brasiliens, die die Theorie über den Imperialismus an einem praktischen Beispiel veranschaulichen sollte.
 Unter internationaler Solidarität verstanden wir die Unterstützung von Befreiungsbewegungen (v.a. durch Öffentlichkeitsarbeit und Demos). Schwerpunkte der ersten 10 Jahre waren dabei Südafrika, Palästina und Kurdistan. Auf Friedensdemos gingen wir mit einem Transparent mit dem Mao-Spruch: "Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen!" Das löste bei den FriedensfreundInnen den (erwarteten) Protest aus, der kurdische Block grüßte uns mit erhobener Faust.
 Auch in diesem Arbeitsbereich trat bei uns um 1990 ein Paradigmenwechsel ein. Anlaß waren die Wahlen in Nicaragua, bei denen die Bevölkerung unter dem massiven Druck der USA (die die Contras bewaffneten) die Konterrevolution an die Macht wählte. Wir begannen, über die Chancen, die ein Sozialismus in der "3. Welt" hat, nachzudenken (zumal ja auch die UdSSR, die, aus welchen Gründen auch immer, Sozialismusversuche unterstützte, weggefallen war). Der Kampf um Befreiung ist berechtigt, daran zweifeln wir nicht. Allerdings meinen wir, daß eine sozialistische Revolution, also eine wirkliche grundlegende ("nachhaltige") Veränderung und Verbesserung der Verhaltnisse nur von den industriellen Zentren ausgehen kann.
 Wir betreiben jetzt weniger Soli-Arbeit mit den (ebenfalls weniger gewordenen) Befreiungsbewegungen, sondern bemühen uns mehr um die Analyse (und Bekämpfung) imperialistischer Vorhaben. "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" (Karl Liebknecht), heißt für uns, dem Imperialismus (jedem: dem der USA, dem der EU und besonders dem Deutschlands) entgegenzutreten. Die Zielrichtung des deutschen Imperialismus drückt sich in der Zerschlagung Jugoslawiens besonders deutlich aus: Zur Beherrschung Südosteuropas mußten nicht-willfährige Staaten, zumal wenn sie über ein nennenswertes ökonomisches oder militärisches Potential verfügten, ausgeschaltet werden. Die innerjugoslawische Krise, mit ihrem Streit um die Verteilung der Produkte und Ressourcen des Landes, ermöglichte der BRD, Slowenien und Kroatien zur Abspaltung aufzufordern. (Genaueres auf unserer Web-Site www.agr.de.vu.) Ähnlich verhielt es sich im Kosovo-Krieg, wo die BRD Kriegstreiber Nr. 1 war. Hier gelang es endlich, auch an aktiven Kriegshandlungen beteiligt zu werden — eine der letzten Fesseln der Niederlage des 2. Weltkrieges war zerschnitten!
 Der Irakkrieg, so meinen wir, wurde deutscherseits nicht aus Friedensliebe abgelehnt, sondern weil ihre Interessen in der Region andere sind, als die der USA. Ganz grob: Deutschland und die EU bekommen eigentlich alles, was sie wollen, durch ihre guten Handelsbeziehungen. Den USA ermangeln diese zu einem Teil, zum anderen Teil müssen sie befürchten, in der Region von der EU ökonomisch zurückgedrängt zu werden. Uns war auch hier wichtig, in der Friedensbewegung, gegen jeden Imperialismus und gegen Illusionen in den deutschen zu argumentieren.
 "Gegen den deutschen Imperialismus!" ist zur Zeit eine der uns wichtigsten Parolen! Und das dürfte in nächster Zeit auch so bleiben. Derzeit erscheint im GNN-Verlag Hamburg ein Broschüre "Die EU, 'Kerneuropa' und Osterweiterung. Geschichte, Entwicklung und Perspektiven eines imperialistischen Blocks unter deutsch-französischer Hegemonie".

Antifa
Der über die Jahrzehnte für uns wichtigste, auf jeden Fall aber arbeitsintensivste Bereich ist der Antifaschismus. Angefangen hatte es durchaus unspektakulär: Natürlich waren wir in den 80ern auf jeder Anti-Nazi-Demo und so mancher Gedenkveranstaltung. An der Organsiation hatten wir uns indes kaum einmal beteiligt. Die Bedeutung, die die Bekämpfung des Neofaschismus in seinen verschiedenen Facetten hatte, veränderte sich um 1988/1989.
 1988 griffen rechte Hooligans nach einem Fußballänderspiel die Hafenstraße an und konnten erst nach mehrstündigen Auseinandersetzungen vertrieben werden. Die Polizei ließ die Hooligans angreifen, und wenn diese sich zurückzogen, schützte sie sie vor den AntifaschistInnen. Künftig verwandten wir diese Erfahrungen in bald jedem Artikel zum Thema Antifa, um damit zu belegen, daß es nicht ausreicht, an den Staat zu appellieren, gegen nazistische Gewalttäter vorzugehen. Vielmehr sahen wir alle AntifaschistInnen aufgefordert, sich zu organisieren und den Faschisten gegebenenfalls auch militant entgegenzutreten.
 Im April 1989 erhielten die REPs bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen 7,5 % — ein deutlicher Fingerzeig, daß Antifaschismus nicht auf "Straßenkampf" reduziert werden darf, sondern insbesondere faschistischer Ideologie gesellschaftlich entgegengetreten werden muß. Das trug dazu bei, daß sich die GJA/R endlich auch an Organisation, Gestaltung und Mobilisierung intensiv beteiligte. Unser Ziel war es, zur Kooperation eines breiten politischen Spektrums beizutragen und zugleich autonom-antifaschistische Positionen in Bündnissen gleichberechtigt zu verankern.
 Die "Wiedervereinigung" führte zur Erstarkung der Neonazis (nicht nur im Osten), wodurch Antifa das Thema der 90er wurde. Die traditionelle autonome Antifapolitik stieß hier an ihre Grenzen. Mit kurzfristigen Aufrufen an die eigene Szene ließ sich der Bedrohung immer weniger begegnen: Die Nazis waren stärker geworden, Gerichte genehmigten ihre Aufmärsche und die Polizei sorgte für ihren Schutz, und auf unserer Seite wurde diese Art der Mobilisierung schwächer, die organisatorischen Strukturen der Autonomen waren zu locker geworden.
 Die autonome Antwort auf diese Situation war die intensivere Mobilisierung z.B. gegen Nazizentren, die politische Beobachtung und Enttarnung von Nazistrukturen. Antifagruppen schossen Ende der 80er wie Pilze aus dem Boden — und verschwanden fast genauso schnell wieder. Nur wenige dieser Gruppen existierten länger, wie die Antifa Jugendfront. Immer wieder wurde versucht, die Gruppen zu koordinieren, was meist nur kurzzeitig gelang. Dieses Schicksal wiederfuhr allerdings auch den "breiten Bündnissen", die nach anfänglichen Erfolgen zu einem Thema (z.B. Gegenaktion gegen angekündigten Naziaufmarsch, Kampagne gegen die Wahlbeteiligungen von DVU und REPs) keine Verstetigung hinbekamen. Geblieben ist dennoch etwas: Der Kontakt zwischen den unterschiedlichen Gruppen und Organsationen, ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen Spektren, die einander früher verachtet hatten. Davon profitieren wir noch heute.
 Eine Chronologie, die wir für eine Diskussionsveranstaltung der Blue Note-Gruppe angefertigt haben, weist für den Zeitraum 1989 bis Januar 2002 für Hamburg 59 antifaschistische oder antirassistische Demonstrationen unterschiedlicher Größe aus, an denen wir auf die eine oder andere Weise beteiligt waren.
 Antifa bleibt ein zentrales Thema für uns. Zur Zeit scheinen die Stiefelfaschisten nicht mehr das Hauptproblem zu sein, sondern die gesellschaftliche Verschiebung nach rechts, die ihren Ausdruck in so etwas wie der Schill-Partei findet. Wir haben von Anfang daran mitgewirkt, Protest gegen dieses Parteibildungsprojekt rechts der Union zu entwickeln und ihren politischen Charakter, der nicht auf Rassismus und Repression zu reduzieren ist, aufzudecken. (Dazu gibt's auf unserer Website — www.agr.de.vu — mehr.) Uns war wenig Erfolg beschieden, vor den Wahlen blieb der Protest gegen diese Partei eher mau. Die Szene war auf einem Tiefpunkt angelangt und fand das ganze unwichtig, übertrieben... Um so größer war dann das Erschrecken, als Schill 19,4 % einfuhr.
 Und auch ohne Schill als Innensenator wird uns seine Partei wahrscheinlich noch einige Zeit Arbeit machen. Auch die Neonazis warten immer mal wieder mit Aufmärschen auf. Revanchistenverbände und Burschenschaftler, REPs und DVU und, und, und... sind noch im Geschäft. Versteht diese Aufzählung ruhig als Aufforderung...

Bildung und Soziales
Da wir uns als Jugendgruppe (manchmal auch etwas großspurig: -organisation) verstanden, spielte Bildungspolitik in den ersten Jahren eine Rolle. Unser allererstes eigenständiges Flugblatt befaßte sich mit der Lehrstellennot. "Du suchst eine Lehrstelle? Viel Spaß!". Damit ausgerüstet standen wir Anno 1984 tatsächlich mehrere Tage vor dem Berufsinformations-Zentrum. Gegen Bildungsabbau gab es in den 80ern einige Schulbesetzungen, an denen auch GJA/Rler beteiligt waren. Wir machten bei der Alternativen Jugendinitiative mit, einem Versuch, linke SchülerInnen zusammenzuschließen. Zuletzt gab es noch das bereits erwähnte Flugblatt zur Lage der Jugend des Revolutionären Jugendplenums. Danach kamen die letzten von uns aus der Schule — und das Thema Schule trat in den Hintergrund.
 Erst Ende der 90er Jahre widmeten wir uns ein wenig der Unipolitik oder riefen zur Unterstützung von SchülerInnenprotesten gegen Bildungsabbau auf. Auf einer solchen Demo hatten wir ein Transparent, auf dem zu lesen war: "Die Durchkapitalisierung von Uni und Gesellschaft zurückdrängen!" Man freut sich ja, wenn andere DemonstrantInnen mal nachfragen. Das aber ausgerechnet Lehrer sich erkundigten, was unsere Worte bedeuteten, überraschte schon ein bißchen. Nach erteilter Auskunft brach ihr Interesse an unserem Transparent abrupt ab. Auch die Studierenden gaben zu Ernüchterung Anlaß. Das politische Bewußtsein, so meinten wir feststellen zu müssen, war auf einem Tiefpunkt angelangt. Gegen Elitebildung an der Uni war der Großteil sich zu engagieren nicht bereit. Der Grund: Sie glaubten tatsächlich, zu dieser Elite zu zählen und begriffen nicht, daß der Mehrzahl der heute Studierenden der Unizugang erheblich erschwert werden sollte. Daher versuchten wir Linke zur Unterstützung der studentischen Aktivitäten zu gewinnen, denn "die Doofies brauchen Eure Hilfe!"
 Obwohl wir uns bis heute der proletarischen Revolution verschrieben haben, machten wir kaum etwas im Bereich Arbeiter- und Gewerkschafts-, oder auch Sozialpolitik. Zu nennen ist hier der Häuserkampf, insbesondere die Unterstützung von Hausbesetzungen. Es ging uns dabei nicht um ein vermeintlich "kollektives, selbstbestimmtes Leben", sondern um eine soziale Auseinandersetzung für das Recht aller auf preiswerten Wohnraum.
 Außerdem war der 1. Mai sehr wichtig für uns. Häufig riefen wir mit Flugblättern und Plakaten "Heraus zum 1. Mai". Manchmal auch zusammen mit befreundeten Gruppen wie der Antifa Jugendfront oder der Gruppe Revolutionärer Sozialisten (RES). In den 90ern gab es etliche Male den "Internationalen Block", ein Bündnis aus K-Gruppen, teilweise der DKP und türkischen und kurdischen KommunistInnen. Obwohl die Bündnisverhandlungen immer außerordentlich schwierig, zäh und enervierend waren, beteiligten wir uns lange daran, weil es gelang, auf den DGB-Demos über die Hälfte der TeilnehmerInnen zu stellen: Immerhin ein paar Tausend GenossInnen. Aber das ist auch schon wieder vorbei.
 2003 gab es den bisherigen Höhepunkt. Endlich hatten wir und andere aus dem autonomen und anarchistischen Spektrum es mal gewagt, nicht nur zu einem eigenen Block auf der DGB-Demo aufzurufen, sondern eine eigene Anschlußdemo zu organisieren. Während der DGB-Demo bestand unser "Bündnis für einen sozialrevolutionären 1. Mai" noch aus maximal 500 Leuten, zur eigenen Demo kamen dann unglaubliche 1500 Menschen. Ein Erfolg, der zum Weitermachen auffordert!
 Und vielleicht führt der 1. Mai 2003 auch zur Wiederaufnahme unserer Suche nach engerer organisatorischer Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, die wir wegen schlechter Erfahrungen und Chancenlosigkeit so lang kaum noch betrieben haben.

Wir werden sehen...