veröffentlicht in: Klarofix 12/01, verteilt auf einer Veranstaltung der Antinationalen Gruppe Leipzig
Die Tastaturanschläge der ANG & das besinnunglose Diffamieren des harmlosen linken Streichelzoos als wilden Safaripark durch ANG-Mitglieder
(10 Thesen zur heutigen Veranstaltung der Antinationalen Gruppe Leipzig (ANG) zu den "Terroranschlägen vom 11. September" und der "antirassistischen" Mitschuld)
"Die Bomberpiloten der NATO und mit ihnen die deutschen Helden saßen nach getaner Arbeit schon wieder zu Hause beim Kaffee, da debatierten die Antinationalen immer noch über die wahre Ursache des Krieges. ... Mit dem militärischen Eingreifen der Nato gegen Ex-Jugoslawien trat die Schwierigkeit zu Tage, daß mit dem alleinigen Blick auf die deutsche Politik, die Welt nicht zu erklären ist."
(ANG-Referat "Was taugt die antideutsche Position noch?", CEE IEH #60)
"Der linke Antirassismus ... hat ... seine naive Unschuld verloren. Er ist gefährlich geworden, weil er ein Denken nach Auschwitz verhindert und stellt eine große Gefahr für Israel dar. Kurzum: er kann seine Nähe zur deutschen Ideologie nicht länger verbergen." (ANG-Veranstaltungsankündigung)
Damit sind wir gemeint?!
Da wir noch nicht in Gänze erahnen können, welche Thesen und T-Shirts uns heute präsentiert werden, können wir nur auf die Texte, die im Vorfeld zu lesen waren, Bezug nehmen. Die neuen Helden der Antirassismus-Kritik heißen - ginge es nach der ANG - Türcke, Pohrt, Ralf, Elsässer, Wertkritik (ein automatisches Subjekt), Bruhn, Bahamas (eine nichtidentische Insel) und Adorno. Da die ersten vier eher der Proll-Fraktion zuzurechenen sind, deren geistiges Niveau dem unsrigen entspricht, wollen wir zuerst auf diese eingehen.
"Es ist keine neue Methode, die Überzeugungskraft des eigenen Arguments scheinbar dadurch zu vergrößern, daß das Gegenargument idiotisch formuliert wird" (Bettina Hoeltje in der Türcke-Debatte, 17°C)
Laßt uns die Waffen der ANG gegen sie wenden!
Thesen:
1.
Christoph Türcke brillierte auf dem KONKRET-Kongreß im Jahre 1993 mit der Behauptung, daß es drei oder vier Menschenrassen gäbe (bei den "rothäutigen" war er sich nicht sicher, die anderen sind: "gelbe, schwarze, weiße"), die von den Klimazonen, in denen sie leben würden, geprägt seien. Die Hautfarbe habe Auswirkungen auf "Temperament, Neigung, Begabung, Charakter ... körperliche und geistige Aktivität" und dies sei vererbbar. Die "Natur (habe) ihre Huld innerhalb der Rassen wie auch zwischen ihnen nicht so gleichmäßig verteilt wie eine Firma ihre Postwurfsendungen." Außerdem stellt er noch eine Theorie der Rassenmischung auf. So sei das "moderne Wirtschaftsgesetz rasseauflösend".
Die rechtsradikale Szene ist für ihn genauso marginalisiert, wie es Ausländer sind (1993!) - einen deutschen Nationalismus kann er nicht ausmachen, höchstens Sozialneid. Doch die "Fremdenfurcht", die er für einen der menschlichen Urtriebe hält, ist auch berechtigt: "Der ‚Einwanderungsdruck verelendeter Massen' existiert wirklich". Er selbst sei natürlich kein Rassist, sondern nur Materialist. (konkret 08/1993)
Die beiden Flagschiffe der antinationalen Publizistik, 17OC und Bahamas, kritisierten damals vehement das Referat von Türcke. Welch' ein Zufall, daß es jetzt wieder hervorgekramt wird. Von einem ANG-Autor war schon zu vernehmen, daß "der Waldboden mit seiner Humuserde nun mal objektiv fruchtbarer ist als der brennend heiße Wüstensand" und daß es "natürliche Unterschiede (zwischen) Mann und Frau, schwarz und weiß" gäbe (CEE IEH #81, #82). Klar, genauso wie es "natürliche" Unterschiede zwischen der ANG und uns gibt. Welcher Polit-Gruppe gegenüber sich die Natur als huldvoller erwiesen hat, wird sich zeigen...
2.
Wolfgang Pohrt kritisiert in einem Interview (konkret 08/1998) die bundesdeutsche Menschenrechtspolitik, die nur dazu diene, Interventionsmöglichkeiten zu schaffen und andere Länder zu destabilisieren. Soweit - so gut. Im Übereifer sieht er jedoch in jedem politischem Flüchtling einen "potentielle Agenten, Kollaborateur, Geschäftspartner, Stoßtrupp, Brückenkopf", "der in seinem Herkunftsland ein Regime errichten möchte, wie es das in seinem Aufnahmeland schon gibt." Antirassistisches Engagement diffamiert er als Bändigung der Angst vor den Flüchtlingen - "etwa so, wie kleine Kinder große Tiere streicheln, die ihnen nicht ganz geheuer sind." Bange mache "Einfallsreichtum, Findigkeit, Vitalität und Tatkraft" der Flüchtlinge, die ein mit ihrer Flucht ein "Überlebenstraing absolviert (haben), wie es bei manchen Firmen heute zum Selektionsverfahren für Führungskräfte zählt. Es sind die Fittesten, die sich durchgeschlagen haben bis hierher. Und sie werden Karriere machen"
Pohrt weiter: "Um an die Spitze von Daimler-Benz zu kommen, braucht man das Naturell eines Rausschmeißers im Rotlichtmilieu" - und das ist, das sagt uns nicht nur Pohrt, sondern auch täglich die BILD-Zeitung, fest in der Hand der kriminellen Ausländerbanden, die "uns Kapitalismus pur beibringen" können.
Die logische Schlußfolgerung, den Kapitalismus an seiner Wurzel, d.h. im Rotlichtmilieu, zu packen, will er nicht ziehen, allerdings gibt er zu bedenken: "Aber warum soll unsereiner diesen Prozeß", das vermeintliche Flüchtlingselend, "mit rührseligen Kommentaren begleiten?" Er plädiert also für eine Entsolidarisierung gegenüber den MigrantInnen. Allerdings hat er übersehen, dass es Flüchtlinge trotz ihres Überlebenstrainings in der Regel weder an die Spitze von Daimler-Benz noch in die Redaktion links-deutscher Zeitschriften schaffen - insofern ist es auch verständlich, dass er noch nie einen getroffen hat, um sich vom Gegenteil zu überzeugen.
3.
Ralf hat klare Feindbilder: Moslems, HausbesetzerInnen, PazifistInnen und AntirassistInnen (alles fein säuberlich getrennt in vier Artikeln im aktuellen CEE IEH nachzulesen). Er hat nicht nur Kritik an ihnen, die wir teilen würden, nein: diese Menschengruppen stünden für den neuen Faschismus und seien somit vehement zu bekämpfen. Der uns, den AntirassistInnen, unterstellte "dichotome Idealismus von Gut und Böse, von Unterdrückten und Unterdrückern" ist die zentrale Denkkategorie von Ralf: Die einzigen "Verdammten dieser Erde" seien die "Jüdinnen und Juden", die AntirassistInnen würden jedoch einen "Massenbegriff (als) Fortsetzung des Romantizismus vom kollektiven gemeinschaftlichen Revoluzzer-Subjekt über den Bankrott des Antiimperialismus der zu befreienden Völker" hinüberretten wollen, weil sie in den Flüchtlingen das "archaisch-natürliche ... das Heimatprogramm des Volkstums als Liebe zur Askese gegen das grenzenlos Böse" sehen würden. Über Antisemitismus in der Linken wird selbst innerhalb der antiimperalistischen Fraktion seit spätestens 1990 heftige Kritik geübt, ebenso verhält es sich mit der Verklärung von nationalen Befreiungsbewegungen. Dies soll nicht heißen, daß damit diese Denkfiguren aus der Welt geschafft sind. Diese Auseinandersetzung jedoch zu negieren, die Antira-Szene als Erbe der Antiimps zu bezeichnen (was ideologisch und personell nur teilweise stimmt), gleichzeitig mit den zivilgesellschaftlichen NGO's, die in Durban ihrem Antisemitismus freien Lauf gelassen haben, in eins zu setzen und zu unterstellen, "Israel ist dem Antirassismus ein besonderes Übel", ist unredlich. Selbst noch unsere Kritik an rassistischen Multi-Kulti-Konzepten wird gegen uns gewendet, weil sie angeblich auf den linken Antirassismus genauso zutreffen würde, wie auf die von uns kritisierten. Doch Ralf bleibt uns eine genaue Erklärung schuldig, wo der linke Antirassismus eine "Betonung der kulturellen und ethnischen Andersartigkeit" vornimmt, welche wiederum als "Ausgangsposition (für die antirassistischen) Gleichheitsbestrebungen als Verdopplung bürgerlicher Herrschaft" genutzt werden würde. Er verschließt bewußt die Augen davor, daß Antirassismus genau das praktiziert, was er für eine kritische Linke einfordert: "Die Verwirklichung dieses (Glücks-)Versprechens ist nur durch das bürgerliche Glücksversprechen hindurch und nicht etwa an ihm vorbei möglich." Er jedoch sieht weit und breit nur die USA, die diese Rolle auszufüllen vermag. AntirassistInnen und FeministInnen unterstellt er dagegen eine "ultrabrutale, menschenverachtende ... gnadenlose kriegerische Jagd auf alles Abtrünnige" (gemeint sind an der Stelle Vergewaltiger) und empfiehlt ihnen, lieber gleich am 13. Februar "zum Gedenken an die Opfer des anglo-amerikanischen" Bombardements auf die Straße zu gehen.
Für einen geistigen Höhenflug mag es Ralf halten, Flughafenblockaden mit den Flugzeugattentaten gleichzusetzen, und uns, die wir den Terroristen lieber in den Bauch getreten hätten, Rückendeckung für ebenjene zu unterstellen. Und wahrlich: wir kämpfen in einem Zweifrontenkrieg: Nicht nur die "Terroristen" unterstützen wir, sondern wir dienen auch der "Vervollkommnung der Ausbeutung."
4.
Jürgen Elsässer unterliegt ebenso dem Pohrtschen Kurzschluß, die Antirassismus-Arbeit mit der regierungsamtlichen Politik der BRD gleichzusetzen. Seine Beweisführung (konkret 09/2001) ist so banal wie bestechend: Eine Losung des Antirassistischen Grenzcamp "no border, no nation" (er unterschlägt dabei das "stop deportation") sei identisch mit der deutschen Außenpolitik, die Grenzen und Nationen (Jugoslawienkrieg) zerstört. Er ruft zu einer Verteidigung der nationalen Souveränität auf und plädiert für die Unterstützung von nationalistischen und rechten Parteien, Personen und Positionen - Hauptsache sie stellen sich dem deutschen Großmachtstreben entgegen. Dies mag ja aus taktischen Gründen gerechtfertigt sein (obwohl es auf dem selben Trugschluß hinausläuft, wie die antiimperialistische Solidarität mit nationalen Befreiungsbewegungen) - er übersieht dabei aber galant, daß es den GrenzcamperInnen um die deutsche Grenze und Nation ging. Die abzuschaffen, müßte eigentlich eine Herzensangelegenheit von Elsässer sein! Außerdem halten wir trotz realpolitischer Abwägungen (die eine Verteidigung von Israel gegen antisemitischen Terrorismus, von Jugoslawien gegen deutsche Militärschläge oder der USA gegen antiamerikanische Angriffe notwendig machen) an einer prinzipiellen Kritik an Nation und Grenzen fest. Schließlich sind die im allgemeinen nicht Garant für Zivilisation und Fortschritt, sondern für deren Gegenteil - Ausnahmen bestätigen die Regel.
5.
Ein kurze Modeshow-Einlage zur Auflockerung: Während uns auf der letzten ANG-Veranstaltung mit stolz geschwellter Brust ein T-Shirt der US-Army präsentiert wurde, welches zu tragen angesichts des Krieges gegen Barbarei moralische Pflicht sei, empfehlen wir für den heutigen Tag ein grünes T-Shirt der Marke BGS, passend dazu eine Schirmmütze mit liebevoller Stickerei, einer legeren Uniformhose und einem Schlagstock sowie einem Nachtsichtgerät (die coole Sonnenbrillenalternative für den Winter). Letzteres eignet sich zur Verteidigung des Abendlandes vor Horden Hamburger und Bochumer Studenten sowie neuer Vorstandsvorsitzender von Daimler-Benz.
6.
Kommen wir jetzt zu dem Teil, der uns in Teilen unverständlich blieb. Die Wertkritik ist sicherlich eine schlauere Theorie als die Ergebnisse der ANG-Interpretation vermuten lassen. Wir halten die ökonomischen Grundlagen für ein zentrales Moment der Gesellschaft, jedoch nicht für das einzige. Wir stellen deshalb in Frage, aus der Wertkritik alles ableiten zu wollen und zu können. Für uns ist Rassismus kein eigenständiges Unterdrückungsverhältnis, welches ahistorisch und eigenmächtig im gesellschaftlichen Raum wirkt. Wir wollen nicht das eine mit dem anderen erklären und nicht dem Irrglauben aufsitzen, daß eine Kritik der Wertvergesellschaftung ausreicht, um dem Kommunismus näher zu kommen. Wer den Begriff der "gesellschaftlichen Totalität" ernst nimmt, muß anerkennen, daß dazu mehr gehört, als die Arbeit und das Tauschverhältnis. Wer die "Totalität" angreifen will, muß auch ihrer Herrschaftsmethoden angreifen, um sie wehrlos zu machen. Wir schlagen der Wertkritik eine Arbeitsteilung vor: Wir halten den rassistischen Arm fest, damit die Wertkritik dann ungestört in den Magen schlagen kann.
7.
Joachim Bruhn (Was deutsch ist. ca ira: 1994) versucht sich an einer Rassismustheorie und einer Kritik an der antirassistischen Praxis. Erstere würden wir gern teilen, wäre sie nur etwas verständlicher. Zweitere delegitimiert sich selber. Als Kronzeugen für Antirassismus-Theorie fährt Bruhn ausschließlich Albert Memmi auf. Nun muß mensch wissen, daß Memmi so antirassistisch und links ist, daß sein Buch das einzige zum Thema ist, welches seit Jahren von der Bundeszentrale für politische Bildung verlegt wird. Wenn Bruhn damit beweisen will, daß er kein Geld hat, sich Bücher zu kaufen, dann ist ihm das gelungen - eine Kritik an antirassistischen Theorien hingegen nicht, schließlich beruft sich keine davon auf Memmi, und wenn, dann nur in negierender, abgrenzender Absicht.
Bruhn wirft allen emanzipatorischen Bewegungen vor, das Geschäft des Staates zu betreiben. Tatsächlich kann Politik nur systemimmanent agieren. Allerdings heißt das nicht automatisch, daß damit jede Form von Politik zur Festigung der bürgerlichen Demokratie beiträgt. Genauso wie es stabilisierende Momente gibt, kann es auch destabilisierende geben. Welche das sind, wäre auszudiskutieren. Grundlage dafür ist aber, nicht zu unterstellen, linker Antirassismus wäre identisch mit dem bürgerlichen, der Rassismus "als überkommenes Relikt und Produkt nicht verallgemeinerungsfähiger Interessen, die sich mit archaischen Trieben amalgieren" begreift - dies jedoch tut Bruhn durchgehend.
8.
Die Bahamas (36/2001) bezeichnet den Antirassismus als "windige, affirmative und herrschaftskompatible Veranstaltung", weil er die Grundprämisse der rassistischen Gesellschaft: "Für die fremde Kultur, gegen die Ausländer" teilen würde. Es verhält sich zwar genau andersherum ("Gegen die fremde und eigene Kultur, für offene Grenzen"), aber sei es drum. Weiter schreibt die Bahamas: "Wer die Welt statt als globale kapitalistische Wertvergesellschaftung als Geflecht rassistischer Diskriminierung identifiziert" (wir tun beides), "entwickelt damit nämlich einen Maßstab, an dem gemessen Deutschland lange nicht so rassistisch erscheint wie z.B. Israel und USA. Und diese Entlastung war dann wohl auch der geheime Zweck der Übung, wie sich spätestens auf der sogenannten ‚Antirassismus-Konferenz' der UN in Durban herausgestellt hat." Nun war weder eine deutsche linke Antira-Gruppe in Durban (bzw. hat die Positionen der dortigen NGO's unterstützt) noch gibt es unseres Wissens eine einzige Antira-Gruppe, die Israel als rassistisch kritisiert hat oder die USA als mehr rassistisch als die BRD. Die meisten Antira-Gruppen schaffen nicht mal den Blick über den Tellerrand ihrer Stadt mit Ausländerbehörde und Asylheim.
Diese Unterschiede zwischen den Antira-Gruppen, den NGO's und dem deutschen Staat betonend, teilen wir die Kritik der Bahamas an der Friedensbewegung sowie an dem Verständnis von Menschenrechten, welches schnell zu einem von "Völkerrechten" verkommt. Es ist nicht von ungefähr, daß ein 68er-Militanter jetzt Außenminister ist. Er mußte nur seinem Gewaltbegriff abschwören (genauer gesagt: diesen transformieren - nur daß er nicht mehr Mollies wirft, sondern Bomben), nicht jedoch seiner Begeisterung für das palästinensische Volk. Das "Trauma Fischer" sollte jedoch nicht dazu führen, Genscher für den besseren Politiker und die gesamte Linke für Fischers geistige Verwandtschaft zu halten.
9.
Theodor W. Adorno würde sich im Grabe rumdrehen, müßte er die ganzen Texte lesen. Er hat wahrhaft bessere ApologetInnen, aber auch bessere KritikerInnen verdient. Da wir seine Gesamtausgabe noch studieren, können wir im Moment nicht mehr dazu sagen. Leider hat unsere politische Sozialisation nur mit Adorno angefangen hat, während die der ANG bei ihm aufgehört hat. Das sind von beiden Seiten keine guten Voraussetzungen, ihm gerecht zu werden.
Wir erkennen an, daß es albern ist, von revolutionärer Politik zu reden und sich einzubilden, unsere Aktionen könnten unseren linksradikalen Ansprüchen gerecht werden. Auch wir denken, daß die radikale Kritik der Verhältnisse nur im Kopf möglich ist. Warum daraus folgend die Hände in den Schoß zu legen seien, ist uns nicht plausibel. Bruhn betont, daß praktizierte Antirassismus "humanitär sein (kann), human" jedoch nicht. Was ist falsch daran, humanitär zu sein? Die dringend notwendige Verteidigung Israels ist im Bruhnschen Sinne auch nicht mehr (d.h. "humanitär", aber nicht revolutionär). Bei der Bekämpfung des Rassismus verhält es sich ebenso. Die antirassistische Praxis gepaart mit einer grundlegenden Kritik der Verhältnisse, scheint uns der richtige Weg zu sein. Wir wollen die bestehende Gesellschaft natürlich nicht verbessern, sondern deren Grenzen aufzeigen, um zu deren Überwindung und damit Aufhebung der herrschenden Ordnung anzuregen. Aber auch die Ablehnung konkreter Verbesserung verkommt zum zynischen, bürgerlichen Nihilismus, der negiert, daß gleiche (Menschen-)Rechte und sozialer Wohlstand die Grundlage für eine Überwindung der Gesellschaft sind. (Schon ein Blick auf Bruhn zeigt, daß, wer nur von Almosen und Werbegeschenke lebt, keine richtige Kritik üben kann.) Wir behaupten weder, in der Praxis keine Fehler zu machen oder gemacht zu haben, noch die Kritik schon in aller Schärfe formulieren zu können. Uns diesen Willen jedoch abzusprechen oder ins Gegenteil zu verkehren, sei der ANG erlaubt - aber kann nicht unwidersprochen bleiben.
10.
Zur Versöhnung: Wie empfinden tiefen Respekt gegenüber der Leistung der ANG, in drei Sätzen die gesamte linke, französische Nachkriegsphilosophie als irrsinnig zu verdammen. Andere studieren jahrelang, um auch nur drei Sätze von einem der Philosophen ehrfürchtig zu interpretieren. Letzteres mag ineffektiv erscheinen, hat allerdings den Vorteil, daß mensch dann wenigstens die Namen der Philosophen (z.B. Foucault) richtig zu schreiben gelernt hat. Aber im Ernst: Wer das abgehobene, metaphernangereicherte und fremdwortgespickte "Gequatsche" der ANG und ihrer AutorInnen kritisiert, gebärdert sich gerade nicht intellektuellenfeindlich. Schließlich liefert die ANG lediglich eine Parodie auf Intellektualismus, den es zu verteidigen und nicht zu verhohnepiepeln gilt - wie es die ANG mit ihrem zusammengewürfelten Adornozitaten immer wieder aufs Neue praktiziert. Dies geht inzwischen sogar den geistigen Zieheltern der ANG so auf den Keks, daß sie sich gezwungen sahen zu intervenieren. (Bahamas Nr. 34).
Da wir die Mitglieder der ANG jedoch als schlaue ZeitgenossInnen schätzen, vermuten wir, daß sie das, was sie schreiben, nicht wirklich so meinen. Sie üben sich in der Polemik, die jedoch als solche nicht gekennzeichnet ist, was angesicht der Humorlosigkeit der LeserInnen oft auf Mißverständnisse stößt. Wessen Schuld das ist, darüber mag mensch streiten. Allerdings sollte die ANG, die es ja gerade für das letzte Politikfeld hält, Kritik zu üben, sich dabei etwas mehr Mühe geben. D.h. zum Beispiel die Kritik konkret zu machen und nicht alle, die sich vermeintlich mit einem Thema beschäftigen, in einen Topf zu hauen. Außerdem empfehlen wir zur Unterstützung einer besseren Rezeption der ANG-Texte einen Beipackzettel mit folgender Warnung: "Die autonomen Gesundheitsminister warnen: Lesen bildet. Eine Seite dieses Artikels enthält 5,2 g bittere Polemik und 1,2 ml beißenden Spott. Bei Nebenwirkungen wenden sie sich bitte an die Originale Adorno und Marx, die etwas mehr Ernst an den Tag zu legen in der Lage sind."
Die ANG-Kritik meint uns also nicht! Die ganze Aufregung umsonst...
Welch' ein phantastische Verdrängungsleistung. Mit freundlichen Grüßen an Sigmund Freud.
Diskursrunde "pars pro toto" innerhalb der Antirassistischen Gruppe Leipzig (z.Zt. heimatlos)
Quellen:
ANG-Thesen zu den Veranstaltungen: http://www.left-action.de/archiv/0110251531.htm
CEE IEH-Texte: http://www.nadir.org/ci
Bahamas: http://www.nadir.org/nadir/periodika/bahamas
Bruhn-Text: http://www.isf-freiburg.org/Leseproben/Bruhn_Deutsch.htm
Grenzcamp: http://www.nadir.org/camp01
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