»Die karthatische Wirkung der Wehrmachtsausstellung«

Erklärung des BgR zur Wehrmachtsausstellung in Leipzig


Als die deutschen Truppen im April 1941 Jugoslawien überfielen und im Anschluß daran das Staatsgebiet aufteilten, lebten in dem unter deutsche Militärverwaltung gestellten Serbien etwa 17.000 Juden. Ein Jahr später war Serbien "judenfrei".
Walter Manoschek "Gehst mit Juden erschießen?" in: Heer/Naumann, "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944"

Ausdrücklich möchte ich mich der so häufig vertretenen Auffassung entgegenstellen, daß die Deutschen als willenlose Rädchen einer Maschinerie gleichsam automatenhaft gehandelt hätten. Ich sehe sie vielmehr als verantwortlich Handelnde, die durchaus in der Lage waren, sich zu entscheiden, und die insofern auch als Urheber ihrer eigenen Taten betrachtet werden müssen.
Daniel Jonah Goldhagen, Vorwort zur deutschen Ausgabe von "Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust"



Die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges von 1941-1944" kommt nach Leipzig. Es handelt sich um die völlig überarbeitete Version der Wanderausstellung, die zwischen 1995 und 1999 für Schlagzeilen sorgte. Als die Ausstellung 1999 zurückgezogen wurde, war Deutschland wieder aktiv an vorderster Front im Einsatz. In Jugoslawien, welches knapp 60 Jahre zuvor von der Wehrmacht überfallen wurde, führte Deutschland seinen ersten Angriffskrieg nach der Niederlage im zweiten Weltkrieg und den darauffolgenden Siegen am Verhandlungstisch (Potsdamer Abkommen, Londoner Schuldenkonferenz, Wiederbewaffnung, Wiedervereinigung). Nicht zuletzt durch den gesellschaftlichen Diskurs über die Wehrmachtsausstellung konnte Deutschland wieder unbefangener, ja "in einem guten Sinn vielleicht sogar deutscher sein" (Schröder) und zur Tat schreiten.


    Ohne Wehrmacht kein Holocaust

Eines muss man der alten Ausstellung lassen: sie hat mit dem gesellschaftlichen Mythos der "sauberen Wehrmacht" aufgeräumt. Sie hat die bis dato gültigen Trennung zwischen "böser SS / SA" auf der einen Seite und der Wehrmacht als "normaler, unschuldiger" Kriegsarmee auf der anderen Seite aufgehoben. Des weiteren hat sie den Zusammenhang zwischen Wehrmacht und Holocaust erstmals in die öffentliche Diskussion gebracht, indem sie klarstellte, dass der Holocaust nicht nur im Schutz der Wehrmacht stattfand, sondern dass diese daran aktiv teilgenommen hat. Der ehemalige Titel "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht" war entscheidend. Es war kein normaler Krieg, in dem diverse Grausamkeiten geschehen, sondern von Anfang an ein rassenideologisch motivierter Vernichtungskrieg, der die systematische Ausrottung des europäischen Judentums zum obersten Ziel hatte, sich aber auch gegen Sinti und Roma, PartisanInnen und Zivilbevölkerung richtete.
Die Ausstellung begrenzt die Darstellung der Verbrechen der Wehrmacht auf die Jahre 1941-1944. Neben der Nichtthematisierung der traditionellen und personellen Kontinuitäten der Bundeswehr fehlen dadurch auch die Verbrechen der Wehrmacht bei der Besetzung der Tschechoslowakei und in den ersten beiden Kriegsjahren. Nach dem Überfall auf Polen am 1.9.1939 war die Wehrmacht dort u.a. für die Absicherung der Verhaftungen von Juden verantwortlich. Im Reichsgebiet und in den besetzten Gebieten hatte die Wehrmacht außerdem im Rahmen der Arisierungs- und Enteignungsaktionen die Aufgabe, die Räumung von jüdischen Wohnungen vorzunehmen, wobei sie auch materiell belohnt wurden, indem sie sich Sachen aus den Wohnungen sichern konnten.


    Die neue Ausstellung und die Hamburger Makroverbrechen

Die neue Ausstellung hält zwar an der Grundaussage ihrer Vorgängerin, dass nämlich die Wehrmacht einen Vernichtungskrieg geführt hat, fest. Sie ist jedoch politisch entschärft. Die Verbrechen der Wehrmacht werden jetzt in einen historischen Kontext gestellt, der die verschiedenen Verbrechen des 20. Jahrhunderts darstellen will. Mit diesem Nebeneinanderstellen von Verbrechen der Wehrmacht und solchen z.B. der Roten Armee werden die ideologischen Grundlagen, Begründungen und Dimensionen völlig ausgeblendet. Der Holocaust wird außerdem durch diesen Vergleich als allgemeingültige Metapher des Bösen historisiert. Er steht nun in einer Reihe von Zivilisationskatastrophen, die auch heute noch überall auf der Welt anzutreffen seien. Damit ist die neue Wehrmachtsausstellung dort angekommen, wo sie, wenn es nach ihren UrheberInnen gegangen wäre, schon immer hingehört hat. Sie war ursprünglich ein Teil des dreiteiligen "Projekt 1995. Zivilisation und Barbarei, Zwischenbilanzen zu einer Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts". Das Hamburger Institut für Sozialforschung stellte in seinen Räumen mittels dreier Ausstellungen die entscheidenden "Makroverbrechen der Geschichte des 20. Jahrhunderts" dar: Auschwitz, Hiroshima, Gulag. Hier offenbart sich die vom Institut vertretene Totalitarismustheorie. Da jedoch lediglich die Ausstellung zu den Wehrmachtsverbrechen die Räume des Instituts verließ, verzerrte diese das eigentliche Anliegen der InitiatorInnen. War das Gesamtprojekt eine theoretische Gleichmacherei der - unvergleichbaren - Verbrechen, konnte die Wehrmachtsausstellung alleine als Bekenntnis zur Singularität der Verbrechen des Nationalsozialismus gedeutet werden. Jan Philipp Reemtsma hat diesen "öffentlichen Prozess der Aneignung der Ausstellung" dann auch beklagt. Dieser "Prozess verändert den Charakter der Ausstellung. Was sie im Effekt bewirkte, wird uns jetzt als Intention zugeschrieben". Und genau weil er die Ansicht der Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit der deutschen Verbrechen scheinbar nicht teilt, ist die jetzige Ausstellung wieder eine, die laut Reemtsma die generelle "Destruktivität der Moderne" darstellt. Negiert wird damit bewusst die Singularität der Vernichtung. Bei allen anderen Zivilisationskatastrophen war die Vernichtung menschlichen Lebens ein "Nebenprodukt". Der deutsche Nationalsozialismus hingegen war ein irrationales Vernichtungsprojekt, in dem die wirtschaftlichen und kriegsstrategischen Interessen zum "Nebenprodukt" der Judenvernichtung wurden. Das Institut für Sozialforschung fasst nicht den leidenschaftlichen Antisemitismus, den Hass der Deutschen auf die "jüdischen Bolschewisten" als Motiv für den brutalen Vernichtungskrieg im Osten.


    Walsers Moralkeule,

Gegen die Ausstellung formierte sich von Beginn an ein konservativer Widerstand. In München marschierten überlebende Täteropas, die durch die Ausstellung ihre Ehre verletzt sahen, NPD-Nazis und die politische Rechte und allen voran die CSU, gemeinsam. Stellvertretend für diese Gruppen und deren Geschichtsverständnis steht einer der deutschesten Dichter, Martin Walser.
Walser möchte von Auschwitz nichts mehr wissen. Er wehrt sich gegen eine öffentliche Auseinandersetzung mit den deutschen Verbrechen, diese darf maximal im privaten Gewissen stattfinden. Gleichzeitig wehrt er sich gegen die seiner Meinung nach vorhandene "Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken", womit er neben dem Holocaustmahnmal auch die Forderungen der ZwangsarbeiterInnen meinte, es sich aber nicht zu sagen traute. Völlig zurecht hat ihm Ignatz Bubis daraufhin geistige Brandstiftung vorgeworfen. Walser wandte sich gegen die halluzinierten Meinungssoldaten, die aus Auschwitz politisches und materielles Kapital schlagen wollen. Fischer und Scharping, die 1999 ein neues Auschwitz und KZs im Kosovo entdeckt haben, konnte er damals noch nicht gemeint haben. Walser Schlussstrichmentalität ist genau die derjenigen, die gegen die Ausstellung der Wehrmachtsverbrechen demonstriert haben. Walser möchte den Schatten von seinem Land genommen wissen, das er so sehr lieb hat. Auschwitz war gestern und hat mit dem heutigen Deutschland in seinen Augen nichts mehr zu tun. Seine Position und gleichzeitig die der politischen Rechten hat er bereits 1979 formuliert: "Wenn wir Auschwitz bewältigen könnten, könnten wir uns wieder nationalen Aufgaben zuwenden". Walsers "Bewältigung" von Auschwitz hat er erst jüngst in dem Gespräch mit Gerhard Schröder am 8. Mai weitergehend erläutert. Jetzt möchte er nicht nur von der "Schande" nicht mehr belästigt werden, sondern er relativiert die deutschen Verbrechen, indem er diese als Resultat des "Verdiktes von Versailles" bezeichnet. Die Deutschen wurden also von bösen Mächten in den Krieg getrieben - fehlt nur noch die Personifikation der bösen Mächte in Gestalt der Verschwörung des internationalen Weltjudentums, um die antisemitische Propaganda nahezu eins zu eins übernommen zu haben. Doch Walser steht mit seiner Position - trotz allem Beifall in der Paulskirche - nicht für die gesellschaftliche Mehrheit, sondern eher für die konservativen "Kräfte der Vergangenheit" (Schröder).


    die gesellschaftliche Situation in der Berliner Republik

Ein Einschnitt in die Verdrängungs- und Verleugnungspolitik war der Wegfall der Blockkonfrontation mit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Diese hatte zur Folge, dass bis dahin zurückgestellte Interessen endlich wahrgenommen werden konnten. Im Kalten Krieg wurden der Westzone die Reparationsleistungen fast vollständig erlassen, um den Frontstaat im Kampf gegen den "Kommunismus" nicht zu schwächen. Außerdem wurden individuelle Schadenersatzforderungen der Opfer auf der Londoner Schuldenkonferenz auf unbestimmt zurückgestellt. Der große Mehrheit der überlebenden Opfer, nämlich die, die östlich der deutsch deutschen Grenze wohnte, war aufgrund der Systemkonfrontation sowieso außen vor gelassen. Einzig und allein eine erzwungene, ökonomisch irrelevante "Wiedergutmachungszahlung" an Opfer westlicher Staaten hatte die BRD zu leisten. Nach der Wiedervereinigung eröffnete sich jedoch für die ehemaligen NS-Verfolgten (v.a. aus der GUS) die Möglichkeit Schadenersatzforderungen zu stellen. Als die ZwangsarbeiterInnen nach über 50 Jahren endlich eine geringe "Entschädigung" verlangen konnten, gab es zuerst die gewohnten Abwehrreaktionen im Stile Walsers und Noltes ("Vergangenheit, die nicht vergehen will"). Nachdem jedoch klar wurde, dass Sammelklagen gegen deutsche Unternehmen in Amerika alles andere als gute Zugangsvoraussetzungen zum dortigen und globalen Markt sind, änderte sich die deutsche Strategie. Mit der Summe von insgesamt 10 Mrd. DM haben sich die deutsche Wirtschaft und der deutsche Staat nun einen ungehinderten Zugang zum amerikanischen Markt und vor allem Rechtssicherheit vor weiteren Klagen erkauft.


    und die Wiedergutwerdung der Deutschen

Wenn Deutschland sowohl wirtschaftlich wie auch militärisch wieder unbeschwert agieren will, muss es seine Vergangenheit auch im internationalen Kontext glaubhaft aufarbeiten. Während in der Bonner Republik die "dunkle Zeit der deutschen Geschichte" nur zu gerne verschwiegen oder gar verleugnet wurde, dient diese jetzt quasi als "Startkapital" für die deutsche Außenpolitik. Grundlage dafür ist die Historisierung des Nationalsozialismus, seine Einordnung als ein Menschheitsverbrechen der Geschichte und die Argumentation, dass Deutschland gerade wegen seiner Geschichte eine besondere Verantwortung für die Zukunft habe. Ausgelöst durch äußere Zwänge (z.B. die Sammelklagen in den USA), entwickelte sich allmählich eine politische Strategie der "Wiedergutwerdung der Deutschen". Hierbei spielte die Wehrmachtsausstellung eine nicht unwesentliche Rolle, ebenso wie die Debatten um das Holocaustmahnmal, die spätere Goldhagenrezeption und die "Zwangsarbeiterentschädigung".
Wurde früher die Vergangenheit verdrängt und lieber auf die jeweils aktuellen Erfolge des Wirtschaftswunderlandes verwiesen, gibt es jetzt den offensiveren Umgang mit der eigenen Geschichte. Die "Aufarbeitung" dieser gehört mittlerweile zum politischen Grundwerkzeug der Berliner Republik. Dabei wird das Bild des "geläuterten Deutschland" gefestigt und dadurch eine moralische Überhöhung "gerade der Deutschen" geschaffen. Diese sollen von nun an - aufgrund ihrer angeblich besonderen Sensibilisierung - in aller Welt darauf achten, dass sich ähnliches nicht wiederhole.
Hauptakteurin der außen- und innenpolitischen Transformation vom völkisch geprägten Nachkriegsdeutschland zur aktuellen Version eines modernen, "geänderten" Deutschlands ist die Zivilgesellschaft, repräsentiert in der rot-grünen Bundesregierung. Die Zivilgesellschaft hat das antiquierte völkische Staatsbürgerschaftsrecht reformiert, die Homosexuellen-Ehe eingeführt; sie will Deutschland zu einer modernen Verfassungsnation machen. Mit ihr ist eine Kritik an einem Deutschland, das nicht mit seiner Nazi-Vergangenheit gebrochen hat, offizielle Regierungspolitik geworden. Aber sie steht noch für mehr: sie hat an die Stelle des alten nationalen Projekts völkischer Prägung das Projekt einer Nation von verantwortungsbewussten VerfassungsbürgerInnen gesetzt, das aber nichtsdestotrotz ein nationales Projekt bleibt und auf den nationalen Konsens zielt. Es wird ein Wandel bemüht, um den Staat nicht als die Allgewalt, die er nach wie vor ist, erscheinen zu lassen. Dabei werden allerdings nur die alten autoritären Konzepte auf eine breitere gesellschaftliche Basis gestellt. Die BürgerInnen Deutschlands sollen für die Entwicklung ihres Landes in die Pflicht genommen werden, nicht anders ist die propagierte Bürgerarbeit zu verstehen, aber eben auch die Aufrufe zu mehr Zivilcourage, ob gegen KampfhundebesitzerInnen, Umweltverschmutzung und eben auch gegen Nazis.
Aus den ehemaligen Verbrechen wird die Vollmacht für eine besondere Stellung in der heutigen Weltordnung gezogen. Auschwitz wird nicht mehr nur als negativer Bestimmungspunkt deutscher Geschichte begriffen, sondern auch als Voraussetzung für heutige Politik. In diesem Zusammenhang muss auch die Wehrmachtsausstellung als eine Voraussetzung der deutschen Beteiligung am Kosovokrieg erfasst werden. Vor zwanzig Jahren wäre sie wohl im stillen Kämmerlein des Hamburger Instituts verstaubt. Zwischen 1995 und 1999 wurde sie jedoch von knapp einer Million Menschen in über 30 Städten besucht und hätte es beinahe auch nach Amerika geschafft (einen Monat nach der Bekanntgabe der vorläufigen Schließung wäre die Ausstellung in New York gezeigt worden).
Das Anfangs zitierte Wüten der deutschen Wehrmacht in Serbien hätte ohne die Wehrmachtsausstellung einem deutschen Einsatz wahrscheinlich im Wege gestanden. Aber mit dem Argument, gerade aufgrund dieser Verbrechen und der daraus folgenden Verantwortung angebliche neue KZs im Kosovo verhindern zu müssen, war die moralische Integrität wiederhergestellt und hinterließ nur bei den abermaligen Opfern deutscher Angriffsfreudigkeit einen bitteren Nachgeschmack. Es verwundert nicht, dass dabei die ehemaligen 68er "in einem guten Sinn vielleicht sogar deutscher" sind als ihre konservativen VorgängerInnen. Sie können glaubhafter vertreten, aus der deutschen Geschichte gelernt zu haben. Sie haben 68 ihre Väter angegriffen und dürfen jetzt als "antifaschistische" Kraft im Kosovo und anderswo agieren. Sie haben erkannt, dass die Vergangenheit nicht vergehen will, wenn sie nur verdrängt wird. Um mit ihr abzuschließen, muss sie aufgearbeitet und eingeordnet, eben "bewältigt" werden. Die FAZ hat es anlässlich des Kosovokrieges in Bezug auf die Wehrmachtsausstellung auf den Punkt gebracht: "Die Frage nach deutscher Schuld ist endgültig in die Frage nach deutscher Verantwortung übersetzt. Die Ausstellung und der Streit um sie sind selbst Geschichte geworden".


    Krieg wegen Auschwitz

Hinter der Menschenrechtsrhetorik ("Rampe von Srebrenica") stehen andere Gründe der Intervention: die rechtliche Absicherung des Warentauschs und -verkehrs, die Schaffung von Rechtssicherheit für Investitionen, kurz: die Voraussetzungen für die Teilnahme am globalen Kapitalismus. Die "ethnisierte" Zerstückelung Jugoslawiens muss unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden: dem der Eingliederung Jugoslawiens, welches sich diesem Interesse immer widersetzt hatte, in den Binnenmarkt der EU, innerhalb dessen Deutschland, aufgrund seiner ökonomischen Potenz, ganz klar den Gewinner darstellt.
Die Etablierung deutscher "out of area"-Einsätze vollzog sich schleichend, aber doch wahrnehmbar:
Bereits kurz nach der Wiedervereinigung wurde die Bundeswehr mit dem Argument der "gewachsenen internationalen Verantwortung" zur Unterstützung der UN-AbrüstungskontrolleurInnen im Irak eingesetzt. Danach folgten bis 1998 zehn UN-Missionen (als "peace keeping mission") in Somalia, Ruanda, Kambodscha und Bosnien-Herzegowina.
Aber mit dem ersten Angriffskrieg seit '45, für den weder ein UN-Mandat noch eine Kriegserklärung benötigte wurde, konnte Deutschland wieder als souverän und weitestgehend normalisiert gelten, was eben auch militärische Mittel als Regelfall und nicht als Ausnahme mit einschließt. Normalisierung bedeutet in diesem Zusammenhang , z.B. laut dem ehemaligen Außenminister Kinkel "nach außen (...) etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: Im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potential entspricht. Die Rückkehr zu Normalität im Inneren wie nach außen entspricht einem tiefen Wunsch unserer Bevölkerung seit Kriegsende."
Als der Kosovo-Krieg dann gewonnen war, wartete auch schon die nächste Aufgabe auf die deutschen SoldatInnen: in Mazedonien sollte die Bundeswehr im Rahmen des "Essential Harvest"-Einsatzes die UCK, die ihr im Kosovo noch behilflich war, entwaffnen. Mittlerweile ist die Bundeswehr im Zuge des "Krieg gegen den Terror" nach dem Anschlag vom 11. September an zahllosen Orten weltweit im Aufmarsch - natürlich nur für die Menschenrechte.

Die Bombardierung Belgrads entwickelte allerdings auch eine starke geschichtspolitische Wirkung: Wenn der Staat Jugoslawien, der aus dem Widerstand gegen das Dritte Reich hervorgegangen ist, von Deutschland "zur Verhinderung eines Auschwitz im Kosovo" angegriffen wird, ist damit das Land, das vor 60 Jahren die Shoah auf dem Balkan organisierte, vollkommen rehabilitiert.
Diese Art des Geschichtsrevisionismus, dessen Effizienz für die Durchsetzung deutscher Interessen ungemein größer als der Noltes und Konsorten ist, wäre nur noch durch den Einsatz deutscher Truppen in Israel zu toppen. Die "Normalisierung" wäre vollendet, wenn aus den ehemaligen Opfern Tätern konstruiert geworden wären, die durch deutsches Militär gezügelt werden müssten.
Als Schröder vor kurzer Zeit ankündigte, er wolle deutsche SoldatInnen im Rahmen einer UN-Mission nach Israel zu schicken, hat er das getan, um zu testen, wie stark der Widerstand gegen einen eventuellen Einsatz der Bundeswehr im Nahen Osten ist. Nebenbei bediente er damit, intendiert oder nicht, die offen antisemitischen Potentiale in Deutschland. Wie zu sehen war, kam der einzig nennenswerte Protest aus der konservativen Ecke, während die Zivilgesellschaft, die nach jedem Waffenrasseln der USA, z.B. gegenüber dem Irak, zur Mäßigung aufruft, Beifall klatschte, bzw. sogar ein entschlosseneres Vorgehen gegen den "Vernichtungskrieg"(N. Blüm) der Israelis in den besetzten Gebieten einfordert.



no germans, no holocaust
gegen die relativierung der shoah
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