Antifa, worum geht's da eigentlich
Sind wir die, die einzig und allein dazu "bestimmt" sind, den Nazis hinterherzuhecheln, um ihre Aktionen zu verhindern und ihre Organisierungsformen zu zerschlagen? Oder steckt da noch mehr dahinter? Natürlich ist es mehr - vielmehr sogar.
Seit geraumer Zeit zwingen uns die Nazis immer öfter, auf ihre Aktionen reagieren zu müssen. Das liegt letztlich daran, daß die Nazi-Szene in den letzten Jahren zusehends an Größe gewonnen hat. Es ist ihr gelungen, ein subkulturelles jugendliches Umfeld entstehen zu lassen, für das sie sich in unverfroren frecher Weise bei der Linken bedient: Sie bedient sich des Gegenkultur-Modells, versucht, die von "uns" entwickelten Organisationsformen zu kopieren, klaut unsere Demosprüche und füllt sie mit ihrem Naziinhalt. Als besonders krasses Beispiel sei hier die Verwendung des Symbols der "Arbeiterfaust" genannt, einem von seiner Geschichte her urlinkem Symbol. Die Nazis haben es zum Zeichen ihrer "White Power"-Rassenlehre gemacht und viele Kids, insbesondere in der Ostzone, assoziieren tatsächlich damit nur noch den Rassistendreck. Nun ist es ein offenes Geheimnis, daß die Linke, insbesondere die radikale Linke, spätestens seit 1989 in eine tiefe Krise geraten ist, aus der sie wohl kaum so ohne weiteres herauskommen kann. Die kritische Aufarbeitung der linken Geschichte steckt immer noch in den Kinderschuhen. Nicht zuletzt deshalb ist auch die Verteidigung historisch linker Symboliken schwach ausgeprägt. Und mit ihr auch die Möglichkeit, durch öffentliche Transparenz der eigenen Symbolik für die eigene Sache zu werben, Interesse zu wecken und die eigenen Inhalte vermitteln zu können. Die Antifa-Gruppen in nah und fern tun sich allesamt schwer damit. Und wenn sie es mal nicht tun, kommt aus einer gewissen vorauseilenden unkritischen Solidarisierung mit der Geschichte des antifaschistischen Widerstandes eine perspektivisch nicht weiterbringende Verkürzung heraus. Doch damit nicht genug. Das Problem oder besser: das zunehmende Manko antifaschistischer Arbeit liegt in den inhaltlichen Defiziten und klaffenden Lücken. Die eigenen Akzente fallen immer öfter bei den gewählten Aktionsformen unter den Tisch. Die tendenzielle Beschränkung auf den Widerstand gegen die (leider) vielzähligen Naziaktionen vermittelt den öffentlichen Eindruck, Antifa-Gruppen lägen nur auf der Lauer, um gegen die Nazis vorzugehen. Nun ist es so, daß die Aufgabenstellungen für Antifa-Gruppen immer mehr geworden sind. Wir alle können ein Liedchen davon singen, wieviele Anläufe unternommen werden müssen, bis die geneigte Öffentlichkeit bereit ist, überhaupt ein bestehendes Nazi-Problem zur Kenntnis zu nehmen. Haben wir das geschafft, sind letztlich nur wir es, die Aktionen und Kampagnen gegen die Nazis anschieben und durchführen. Wenn es gut läuft, werden wir von einer handvoll restliberal-linker Einzelpersonen unterstützt. In dieser Situation müssen wir mit Weitblick agieren. Es bedarf einer intensiven Diskussion über unsere perspektivischen Ziele, einer Diskussion über unsere Inhalte und der Symboliken, die diese repräsentieren sollen. So müssen wir uns fragen, ob die Antifa-Bewegung grundsätzlich in der radikalen (Rest-)Linken eingebettet sein soll, welchen Part Antifa-Gruppen für die radikale Linke übernehmen sollten, welche Position wir zu Kapitalismus und Lohnarbeit einnehmen, welche Politikfelder die unsrigen sein sollen, ob wir uns grundsätzlich als antistaatliche außerparlamentarische Bewegung begreifen, welchen Geschichtsbezug wir herstellen, wie - nicht ob - wir Jugendarbeit machen oder wie wir mit dem Schwerpunkt Anti-Nazi-Politik gegen den staatlichen Rassismus und die Politik von Law and Order vorgehen können. Als Antifas müssen wir uns der geschichtlichen Verantwortung stellen, die aus der Tatsache erwächst, daß Antifaschismus in Deutschland keinerlei Lobby kennt. Dazu gehört in erster Linie organisierte und kontinuierliche Politik sowie die öffentliche Transparenz, die über Inhalte Identifikationsangebote geben muß. In diesem Sinne: Organisiert Euch in Antifa-Gruppen, setzt eigene Akzente und beschränkt Euch nicht alleinig auf die Verhinderung von Naziaktionen! Und denkt daran: Antifa ist da, wo Action ist! Und nicht anders!
Bündnis gegen Rechts Leipzig
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