Selbstorganisation - Radikale Demokratie

Das zweite Referat (Anm.: zu diesem Thema beim Kongreß) werde ich in drei Teile unterteilen: Der erste Teil soll sein, was dieses Thema jetzt nun mit autonomer Antifapolitik zu tun hat, wie wir darauf kommen, wie wir dazu stehen, was Marc gerade vorgestellt hat, wie das im Prinzip funktioniert. Der zweite Teil soll darin bestehen, Probleme aufzuzeigen die dabei zwangsläufig auftreten, auch grundsätzliche Probleme. Und im dritten soll es um die Möglichkeiten gehen, die in so einem Projekt stecken und warum es notwendig erscheint.

    Was hat das alles eigentlich mit uns zu tun?

Zum einen denke ich, daß die Einschätzung richtig ist, daß, wo ein rechter Konsens zu finden ist, auch immer - so ist es zumindest empirisch bei unserer Arbeit gewesen - Autoritätsdenken eine ganz starke Rolle spielt, und immer auch die Forderungen nach einem starken Staat zu verzeichnen waren und immer auch, ein Demokratiedefizit herrschte. Also nicht nur bei Leuten auf der Straße, bei irgendwelchen Faschos in irgendwelchen Jugendclubs, sondern ein Demokratiedefizit, das gesamtgesellschaftlich zu verzeichnen war. Ein Demokratiedefizit, das sich auch in den Institutionen des Staates gezeigt hat. Nun könnte man gegen so ein Demokratiedefizit, gegen solche autoritären Strukturen und Gesellschaftsvorstellungen sogar mit bürgerlichen Idealen argumentieren. Linksradikale Gruppen haben aber den Begriff des revolutionären Antifaschismus geprägt, um ihre Politik gegen diese gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse zu kennzeichnen, die in einer Antinazipolitik immer mitschwingt. Nun stellt sich die Frage, was bedeutet das, so eine Phrase vom Revolutionären Antifaschismus - also zunächst mal Phrase. Eine Antwort findet sich in der Broschüre der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) Das Konzept Antifa. Ich zitiere: “Revolutionär bedeutet, die Ausrichtung auf grundsätzliche, fundamentale Umwälzung der bestehenden Lebensverhältnisse. Mit eingeschlossen ist dabei die Weigerung, sich auf die Spielregeln des Bestehenden einzulassen. Die einzige Zukunft, für die sich politische Anstrengung in welcher Form auch immer lohnt ist das gründlich Andere.“
Ich könnte das unterschreiben, ich weiß nicht wie es euch geht? Das Problem, das ich mit diesem Zitat habe, ist, das es erstens im Dunkeln läßt - also vieles im Dunkeln läßt - was diese grundlegenden Veränderungen sein sollen und wie die zustande kommen sollen. Das andere Problem ist, das es auch Gruppen gibt, wie z.B. dasBgR, die sich nicht als revolutionäre Antifagruppen verstehen, die aber, im Vergleich etwa zur AAB, gar keine andere Praxis haben.
Was bedeutet das? Zunächst möchte ich einen anderen Ansatz vorschlagen, sich dem Thema zu nähern. Dieser andere Ansatz besteht darin, Widersprüche zu suchen, die eine Motivation für unsere Politik sein können. Einer dieser Widersprüche, der - so die These in dem Referat das ich hier gerade halte - grundlegend zu sein scheint, ist der Widerspruch in den unsere Politik zu einer allgemein bestehenden Herrschaft immer wieder gerät. Herrschaft bedeutet zum einen kapitalistische Herrschaft ganz klar. Da wird entscheiden, wie produziert und was produziert wird. Da wird über Leute entschieden, wie sie zu arbeiten haben, unter welchen Bedingungen sie ihr Leben reproduzieren können. Das ist ein großer Bereich, in dem in unserer Gesellschaft Herrschaft zu verzeichnen ist. Es ist Herrschaft aber auch in anderen Bereichen, außer im ökonomischen, zu verzeichnen z.B. im gesamten öffentlichen Bereich. Verwaltungsapparate üben dort Herrschaft aus - Bürokratien - das, was uns häufig als Sachzwänge gegenüber oder sagen wir besser, entgegengestellt wird, ist so ein Ausdruck von Herrschaft. Im privaten Bereich, genauso wie im öffentlichen Bereich, treten uns Traditionen und Ideologien gegenüber, die ebenfalls Ausdruck von Herrschaft sein können. An all diesen Punkten zeigt sich für uns immer wieder, daß sich die Machtfrage stellt. Immer dann, wenn wir versuchen, uns von Herrschaft zu emanzipieren und immer, wenn unsere Politik mit so einer Emanzipation verbunden ist, tritt uns die Herrschaft gegenüber. Das ist die Machtfrage. Unser Ziel dagegen, ist immer in gewisser Weise, Selbstbestimmung - autonomes Handeln - durchzusetzen. Und bei dem Versuch unsere eigenen Ideen, unsere eigenen Projekte zu verwirklichen, stellen wir eben genau das fest. Das wir zwangsläufig diese Erfahrung machen, der Herrschaft immer wieder gegenüber zu stehen, teilweise auch, als eine sehr sinnliche Erfahrung, einer Erfahrung, der wir nicht ausweichen können. Und das wiederum soll als Beleg für die These gelten, daß es sich hier um einen grundlegenden Widerspruch in der Gesellschaft handelt, denn auch, wenn ich jetzt die ganze Zeit von unserer Politik geredet habe, klar ist, das es nicht daran liegt, daß wir es sind, die eigene Projekte durchsetzen wollen und damit auf diesen Widerstand stoßen, sondern das es allen so gehen wird, die sich daran versuchen, eigene Vorstellungen, eigene Projekte, sofern sie nicht konform gehen mit dem, was besteht, zu verwirklichen.
Es ist für uns und alle, die ähnliches vorhaben, auch deshalb so ein drängender Widerspruch, weil er immer mit der Androhung oder auch durchgeführten Gewalt des Staates verbunden ist. Das kann man bei autonomen Jugendzentren sehen, die immer ein bißchen von der Gnade der jeweiligen Verwaltung leben bzw. wie sie politisch durchgesetzt werden. Und wenn die Gruppen, die diese Zentren politisch durchsetzen schwächer werden bzw. wenn in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung ihre Position nicht günstig ist, dann passiert es ganz schnell, daß eben dort gewaltsam Räumungen durchgesetzt und diese Zentren geschlossen werden. Natürlich läßt sich dieses Beispiel der Jugendzentren auf alle möglichen Bereiche der Politik übertragen, in denen wir eigene Projekte verwirklichen.
Die Alternative, die wir dazu hätten, uns dieser Auseinandersetzung zu stellen, ist nur eine Scheinalternative, die bedeutet, daß wir versuchen müßten, uns in das Bestehende zu integrieren, die Spielregeln zu akzeptieren. Und das ist ja das, was schon in der AAB-Broschüre steht, wofür sich Politik eigentlich nicht lohnt. Soweit also das erst mal, warum so ein Eintreten für Selbstbestimmung - und Selbstbestimmung soll hier als ein Synonym für Radikale Demokratie verstanden werden - wieso sich das für uns lohnt, wieso das für uns notwendig ist.

    Das problematische der Selbstorganisation

Jetzt zum zweiten Teil, zu den Problemen. In Deutschland von Selbstbestimmung zu reden, ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Wir reden hier nicht von solchen Sachen wie Volksentscheid. Die Diskussion über die Volksentscheide hat - glaube ich - ziemlich deutlich gemacht, wo ein schwerwiegendes Problem liegt. Würden heute in Deutschland Volksentscheide eingeführt werden, dann - unabhängig davon, daß es sich um Mehrheitsentscheide handelt - würde dieses Element von Selbstbestimmung dazu führen, das einem Angst und Bange werden könnte. Rassismus wäre sofort Politik, die Todesstrafe würde wieder eingeführt werden. Es ist davon auszugehen, daß eine reine Volksherrschaft in Deutschland, also hier, wo wir Politik machen, daß es einem davor mehr grauen müßte, als vor dem, was es jetzt ohnehin schon gibt.
Abgesehen davon gibt es in diesem Zusammenhang noch ein zweites Problem, nämlich daß das gar nicht so ohne weiteres umzusetzen wäre. Wenn man die Leute auf der Straße fragen würde, würden sie immer sagen, daß sie lieber beherrscht werden würden. Hier in Leipzig und überhaupt im ganzen Osten sind diese Erfahrungen vor 10 Jahren gemacht worden, da - unabhängig wie man das jetzt bewertet, was da für andere Kräfte noch im Hintergrund standen, die historisch wirksam waren - war es auf jeden Fall so, daß die Mehrheit der Bevölkerung gesagt hat: Alles, bloß nicht dieses Chaos, laßt so schnell wie möglich das neue System über uns hereinbrechen, damit endlich wieder Ordnung herrscht. Wenn hier also in diesem Zusammenhang darüber geredet werden soll, wogegen wir sind, dann muß eine Unterscheidung eingeführt werden zwischen dem üblichen Reden von den Herrschenden, um die geht es glaub ich weniger, es geht vielmehr um das Herrschende, d.h. was uns hier allgemein umgibt an Bedingungen für unsere Politik. Und etwas anderes folgt natürlich auch noch aus dem, was ich gerade gesagt habe, also dieser Problematik, das die Selbstbestimmung des deutschen Volkes nicht gerade ein Ziel sein kann. Ein Prinzip der Selbstbestimmung muß auf jeden Fall auf Werte zurückgreifen, die erhalten bleiben müssen. Und kurioserweise oder vielleicht auch nicht kurioserweise sind es solche bürgerlichen Werte wie Universalismus. Gleichberechtigung ist ja zunächst mal ein grundsätzlich bürgerlicher Wert. Wir müssen uns fragen, welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die bürgerlichen Werte. Sie müssen auf jeden Fall verteidigt werden, gegen Leute, die sie von rechts angreifen, da kann es überhaupt keine Frage geben. Auf der anderen Seite muß man sich natürlich im klaren sein, das sie eine sehr starke legitimierende Funktion haben.
Eine andere Frage, die ich daran interessant finde, ist, ob diese bürgerlichen Werte nicht Ideale sind, die immer wieder von einer bürgerlichen Demokratie vor sich her getragen werden, wo sich alle einig sind, sie sind nicht verwirklicht und ob sie in diesem Fall nicht auch ein Potential darstellen, daß sich gegen diese bürgerliche Demokratie richten kann, aus dem einfachen Grund, weil sie ja offiziell akzeptiert sind. Das wie gesagt, sind Punkte, die diskutiert werden müßten.
Ein zweites Problem, das sich in dem Zusammenhang ergibt, ist, daß Selbstbestimmung als politisches Projekt eine Form braucht, die Form der Selbstorganisation. So schwammig erst einmal formuliert. Die Selbstorganisation hat ihre problematische Seite. Wie jede Organisationsform oder wie jede Form, die darauf angelegt ist, sich zu erhalten, um eben Politik möglich zu machen, birgt sie die Gefahr zum Selbstzweck zu werden und am Ende der eigentliche Wert zu sein, den es zu erhalten gilt. Also gerade solche Sachen, die in Richtung einer Organisierungsdebatte gehen, sind in gewisser Weise unverzichtbar für eine Politik, die auf Selbstbestimmung steht. Denn wie anders sollte so eine Politik gemacht werden, wenn nicht in eigenen Formen. Auf der anderen Seite ist die Betonung der Organisation, der Notwendigkeit der Organisation, ein Zungenschlag, der die Gefahr in sich birgt, daß die Organisation als das Wichtige daran gilt.
In dem Zusammenhang stellen sich die klassischen Probleme, die mit Organisation schon lange verbunden werden, daß Organisationen die Tendenz haben, vereinheitlichend zu wirken, sowohl was die Aktionen betrifft, als auch die grundsätzlichen Ausgangspunkte. Organisationen können außerdem, gerade wenn sie sich in Opposition befinden, einfach nur darüber definiert werden, das sie sich negativ bestimmen, daß sie gegen etwas gerichtet sind, das sie also so ein innen und außen konstruieren und dann nicht mehr als produktiver politischer Raum verstanden werden. Natürlich ist für uns auch die Frage, wenn wir eine Organisation als Form finden, ob wir damit nicht versteckt das einschleppen, was allgemein schon existiert, also das allgemein gültige in der Gesellschaft durch die Form, die wir ja auch nicht so ohne weiteres neu erfinden, in unsere Politik Einzug erhält. Auch alle möglichen Fragen, die mit Machtkonstellationen verbunden sind, sind klassische Fragen, die sich eine Organisationsform stellen lassen muß.
Beim Projekt Selbstbestimmung/ Radikale Demokratie ist klar, daß eine Organisationsform es schaffen müßte, dissidente Positionen einzubeziehen und nicht aus sich auszuschließen und das wäre ja gerade der Punkt, der das politische Projekt Selbstbestimmung vorangetrieben hat, der also von der Organisationsform berücksichtigt werden müßte.
Ein drittes Problem ist - ich bin immer noch bei Problemen von Radikaler Demokratie/Selbstbestimmung - daß dieses Selbst überbetont werden könnte und das Selbst einfach zu einem Rückzug aus der Gesellschaft werden kann. Das Schlagwort das es da gibt, sind Landkommunen, wo Leute selbstbestimmt ganz glücklich zusammenleben, aber raus sind aus der Gesellschaft. Zu DDR-Zeiten war es ein gängiges Thema davon zu sprechen, daß eine Nischenkultur herrscht, bei der sich Leute aus der Gesellschaft zurückziehen, aus den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. In solchen Nischen dann Selbstbestimmung zu leben ist nicht das, was uns hier interessieren sollte.
Und dann gibt es noch ein viertes Problem das ganz eng damit zusammenhängt. Daß Leute dazu neigen, in solche Nischen zu gehen und sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen, hängt damit zusammen, daß diese Gesellschaft eine sehr große Macht besitzt, einfach durch die Faktizität, die sie hat, also die Wirklichkeit, die uns umgibt, die uns immer wieder zwingt, bestimmte Sachen zu machen, die gar nicht mit dem zusammenpassen, was wir uns vorstellen würden, wenn wir eine Utopie formulieren müßten. Es gibt den Zwang der realen Verhältnisse, der sich zum Beispiel in den kapitalistischen Beziehungen ausdrückt. Ich kann hier lange gegen Lohnarbeít reden und bin am Ende, doch dazu gezwungen, sie auszuführen. Dieser Zwang und diese Stärke der Realität herrscht in allen Lebensbereichen.
Selbstbestimmung/ Radikale Demokratie kann also nur als Ziel formuliert werden, das utopisch ist. Eine Utopie wird dieser unheimlich vielfältigen zwingenden Welt, die uns gegenübertritt, nie so ausgemalt gegenübertreten können, daß sie damit konkurrieren könnte.
Soviel zu dem Problem und ich komme jetzt zum dritten Teil: Was ist eigentlich - trotzdem - die Notwendigkeit und die Möglichkeit?

    Warum dann überhaupt?

Bezogen auf das letzte Problem, das ich genannt habe, ist es so, daß radikale Demokratie einen Lösungsansatz bietet. Entwicklung politischer Praxis und Organisation hilft dagegen, sich nur auf Utopien zurückziehen zu können, die letztendlich an der Realität immer scheitern müssen, denn wenn ich politische Praxis entwickle, wenn ich Organisationsformen entwickle, dann entwickle ich gleichzeitig ein Stück Realität, die sich in die Gesamtrealität einfügt. Es entsteht eine Entwicklung von Veränderungspotentialen. Dazu ist es notwendig, um die genannten Probleme zu berücksichtigen, bei dieser Form von Selbstbestimmung/ Selbstorganisation ganz klar ein Primat der Politik zu setzen und zwar ein Primat auf eine Politik, die authentisch ist. Stellvertreterpolitik kann kein Element von selbstbestimmter Politik sein. Nun spreche ich hier vom Primat der Politik, von der Wichtigkeit des Politischen, dem Räume eröffnet werden sollen. Was aber soll das eigentlich bedeuten?
Wenn hier vom Politischen gesprochen wird, dann ist gemeint, das es um konkrete Auseinandersetzungen mit Widersprüchen in der Gesellschaft geht. Diese Widersprüche müssen der Inhalt der jeweiligen Organisationsform sein, d.h. die Form ist dazu da, nicht immer wieder von vorn anfangen zu müssen, sie hat die Vorteile, bestehen zu können, politische Räume dauerhaft zu eröffnen. Sie muß aber immer wieder davor zurücktreten, das es diesen jeweiligen Inhalt der Politik geben muß. Wenn es uns gelingt, eine Politik zu machen, die an diesen Widersprüchen, die unsere eigenen Widersprüche sind, orientiert ist, hat das den Vorteil, daß sich die Motivationsfrage überhaupt nicht mehr stellt, weil es eben die Widersprüche sind, die wir lösen wollen. Zum anderen eben auch, das wir die Erfahrbarkeit unserer Politik und ihre Vermittelbarkeit gewährleisten. Zumindest prinzipiell, also Vermittlungsprobleme wird es trotzdem geben. Von konkreten Auseinandersetzungen zu sprechen, birgt natürlich die Gefahr eines Mißverständnisses in sich. Es geht nicht darum, immer im Konkreten verhaftet zu bleiben, d.h. im eigenen Stadtteil, am eigenen Kleinkram, die eigene Politik auszurichten - das ist nicht gemeint. Natürlich soll es ein Abstraktionsniveau geben, natürlich geht es darum, auch die eigene Politik auf einer abstrakteren Stufe weiterzuführen. Natürlich ergeben sich dort auch die Möglichkeiten - dazu gab es vorhin diese Rede gegen die Stellvertreterpolitik - Solidarität auszuüben. Einfach weil man sieht, das es bei einer Politik, die etwas mit uns zu tun hat, die auch mit unserer eigenen Politik zu tun hat, Übereinstimmungen gibt. Das ist das, was alles erhalten bleiben soll, aber diese Politik sollte sich eben nicht verselbständigen. Das Abstrakte sollte sich nicht verselbständigen, sollte gebunden bleiben an konkrete Widersprüche, die unsere Widersprüche sind. Das Verhältnis von Politik und Organisation sollte dieses sein, daß die politischen Auseinandersetzungen, der jeweilige Inhalt, eine Triebfeder für die Entwicklung der jeweiligen Organisation ist. Ich habe schon gesagt, daß es in diesem Modell dann darum gehen würde, das die Organisation deshalb entsteht, weil wir Politik machen wollen. Die Organisation sollte sich damit verändern, wie wir Politik machen, eben aus diesen Erwägungen heraus. Noch ein Vorteil, den ich gerne erwähnen möchte ist, daß wir mit so einem Politikverständnis nicht mehr darauf angewiesen sind, Politik für eine Utopie von morgen zu machen, sondern daß wir im Hier und Jetzt, Politik für sofort machen können und das wir uns nicht mehr fragen müssen, erlebe ich diese Veränderungen überhaupt noch, sondern diese politischen Ziele sind dann sofort erkennbar.
Die große Schlußfolgerung daraus wäre, daß die Antifabewegung in den letzten 10 Jahren ihr linksradikales Potential durch ihre Form behalten hat, also die Form der Selbstorganisation, die Durchsetzung von Selbstbestimmung in Antifagruppen, auch als Selbstbestimmung gegen das Herrschende. Sie konnte diese Form nur behalten, weil sie sich auf diese Antinazi-Auseinandersetzungen eingelassen hat. Und andererseits, daß diese Auseinandersetzungen auch nur dadurch möglich waren, weil die Antifa diese linksradikale Form behalten hat. Ich will es jetzt nicht im Detail ausführen, aber ich denke, evident wird so etwas dadurch, daß man sich andere linksradikale Ansätze anguckt, die gescheitert sind, weil sie die konkrete Auseinandersetzungen nicht mehr gesucht haben. Andererseits sind Leute, die Antifapolitik gemacht haben - aber nicht in einem linksradikalen Ansatz - irgendwann stecken geblieben, auch mit diesem Antifaansatz, weil sie ein Manko bei der Form hatten.
Das ist die positive Lehre der letzten 10 Jahre und um auf die revolutionäre Politik zurückzukommen: Der Ansatz eröffnet unserer Politik eine Perspektive. Weit in die Ferne geschaut mag es auch sein, daß es irgendwann einmal eine revolutionäre Perspektive wird. Wir sind jetzt nicht an dem Punkt, sagen zu können: Wir haben so viele gesellschaftliche Auseinandersetzungen, daß jetzt die gesellschaftliche Umwälzung bevorsteht, deswegen ist es beim BgR so, das wir nicht davon sprechen, revolutionäre Antifapolitik zu machen.

Bündnis gegen Rechts Leipzig
Oktober 1999

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