Frankfurt, im März 1998
Der Fall Monika Haas nähert sich seinem Ende. Und damit die schier unglaubliche Geschichte eines Gerichtsverfahrens, in dem die Anklage bis heute mit allen Mitteln versucht, Beweise und Zeugen zu produzieren.
Seit der Entlassung von Monika Haas aus 2 ½ jähriger Untersuchungshaft im März 1997 ist der Prozeß fast völlig aus den Medien verschwunden. Wir wollen Sie deshalb über die Entwicklung der vergangenen Monate informieren.
Die von der Bundesanwaltschaft als Hauptbelastungszeugin präsentierte Souhaila Andrawes hat in ihrer Aussage folgendes berichtet:
Sie sei am Nachmittag des 7. Oktober 1977 mit ihrem Begleiter Akache im Hotel (gemeint ist das Hotel Saratoga) angekommen. In der gleichen Nacht sei später Monika Haas mit einem Kinderwagen, mehreren Bonbondosen, in denen Waffen versteckt gewesen sein sollen sowie einem als Waffenversteck dienenden Radio in das Hotelzimmer gekommen. Außer ihr seien noch die beiden Männer des Kommandos anwesend gewesen.
Dieser Aussage widersprechen u.a. die Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes:
Demnach ist Souhaila Andrawes in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1977 zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr nachts im Hotel eingecheckt und zusammen mit ihrem Begleiter auf das von ihm gemietete Zimmer gegangen.
Die Aussagen des Nachtportiers, der 1977 vernommen wurde, ergaben weiterhin, daß in dieser Nacht keine weiteren Vorkommnisse, also auch keine nächtlichen Besucher mit Kinderwagen,zu verzeichnen waren.
Die Halle des Hotel Saratoga ist klein und überschaubar, die Aufzüge liegen unmittelbar neben der Rezeption. Falls diese nachts kurz nicht besetzt war, wurde die Eingangstür abgeschlossen und Besucher mußten sich mit einer Klingel bemerkbar machen. Diese Recherchen der Verteidigung bestätigte der damalige Tagportier des Hotel Saratoga. Der am 7. Oktober 1977 diensthabende Nachtportier, 1980 verstorben, berichtete bei seiner Vernehmung 1977 nichts über zwei nächtliche Besucher.
Warum lügte Souhaila Andrawes in ihrer Aussage? Wollte sie sich als Kronzeugin einen Strafnachlaß erkaufen?
Bei der Verkündung ihres Urteils am 19. November 1996 hat Souhaila Andrawes in mehreren Sprachen laut gerufen: Monika Haas hat die Waffen nicht nach Mallorca gebracht! Doch das Frankfurter Oberlandesgericht weigerte sich, diese klare Aussage zu berücksichtigen; sie wurde als unerhebliches Detail zurückgewiesen.
Die Bundesanwaltschaft reagierte schnell auf den offensichtlichen Verlust ihrer Belastungs- zeugin. Zwei Tage nach der Urteilsverkündung gegen S. Andrawes zauberte sie im Verfahren gegen Monika Haas einen neuen Kronzeugen aus dem Hut: den Libanesen Said Ali Slim.
Said Ali Slim, der im Libanon wegen Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst Mossad in Haft sitzt, hat seither mehrere, sich gegenseitig ausschließende Aussagen über seine angebliche Beteiligung an der Entführung der Lufthansamaschine Landshut im Oktober 1977 gemacht.
Die Protokolle seiner Vernehmung - im Beisein von BKA-Beamten - verraten die gleiche Taktik, die auch schon bei der Vernehmung von Souhaila Andrawes zum Erfolg führte: Said Ali Slim wurde wiederholt mit angeblichen Tatsachen konfrontiert, die ihm als erwiesen präsentiert wurden. Folgerichtig ist seine Aussage - wie bereits bei Souhaila Andrawes - eine Nacherzählung vorgehalter Tatsachen, die Monika Haas belasten. Die Befragung wurde schleunigst beendet, als er die einzige echte Frage (wann er Amal (Monika Haas) kennengelernt habe) so beantwortete, daß sie der zeitlichen Rekonstruktion der Bundesanwaltschaft über den Ablauf widerspricht.
Auch die Identifizierung mit Hilfe von Bildern spricht einem objektiven Verfahren Hohn:
Dem Zeugen wurde eine Lichtbildmappe mit 12 Bildern vorgelegt. In dieser Lichtbildmappe befanden sich drei Fotos von Monika Haas und neun von jeweils einer Vergleichsperson. Said Ali Slim konnte sich nicht erinnern, irgendeine dieser Personen schon einmal gesehen zu haben.
Daraufhin wurde ihm eine zweite Mappe präsentiert, diesmal mit sieben Lichtbildern. Fünf davon zeigten Männer, auf zwei Bildern sind Frauen zu sehen, eine Palästinenserin und Monika Haas. Bei der Vorlage dieser Mappe identifiziert Said Ali Slim Monika Haas sofort.
Die ursprüngliche Strafe von Said Ali Slim, zehn Jahre Zwangsarbeit, wurde zwischenzeitlich auf vier Jahre reduziert. Zur Begründung wurden humanitäre Gründe angegeben.
Monika Haas wird eine strafbare Handlung zur Last gelegt, die zwanzig Jahre zurückliegt - Grund genug, das Erinnerungsvermögen von Zeugen sehr genau zu prüfen. Ein Gericht ist per Gesetz verpflichtet, Aufklärung zu betreiben und Widersprüche zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie sich nicht ausräumen lassen.
Anders der 5. Strafsenat. Wann immer die Verteidigung von ihrem Fragerecht Gebrauch macht, kommt es zu massiven Störungen, Unterbrechungen, Nichtzulassung von Fragen, Dispute mit der Verteidigung über Formalien etc. Kommt ein Zeuge in Bedrängnis, hilft die Bundesanwaltschaft und das Gericht sekundiert bis hin zur Aufforderung an den Zeugen, die gestellte Frage nicht zu beantworten. Beweisanträge der Verteidigung werden abgeschmettert, von der Verteidigung gewünschte Entlastungszeugen werden nicht geladen. Jedes Mittel wird genutzt, um entlastende Fakten nicht zu Gehör zu bringen.
Bei Prozessen vor Oberlandesgerichten werden Zeugenaussagen sowie der Verhandlungsverlauf nicht protokolliert. Bei Beschlüssen des 5.Strafsenats wurde offenbar, daß die fünf Richter an entscheidenden Punkten eine Erinnerung an Zeugenaussagen haben, die von den Mitschriften der Verteidigung erheblich abweicht.
Im gesamten letzten Jahr war die Prozeßführung äußerst schleppend, die durchschnittliche Verhandlungsdauer pro Termin betrug eine Stunde. Der Wille des Gerichts, eine Verurteilung zu erreichen, scheint trotz der Beweislage nach wie vor ungebrochen, dies wird besonders durch die unverhohlene Voreingenommenheit des Gerichts demonstriert.
Die Aussichten auf ein Strafmaß, das Monika Haas zurück in den geschlossenen Vollzug bringt, sind gering. So könnte der Eindruck entstehen, alles sei gar nicht mehr so schlimm. Für Monika Haas hat eine Verurteilung jedoch einschneidende Konsequenzen.
Während sie in Untersuchungshaft saß, wurde Monika Haas von ihrem Arbeitgeber, dem Land Hessen, fristlos gekündigt. In erster Instanz ist diese Kündigung zurückgewiesen worden, dagegen hat das Land Hessen Berufung eingelegt. Der Richter des Landesarbeitsgerichtes hat das Berufungsverfahren ausgesetzt und seine Entscheidung an das Urteil im Strafverfahren gebunden. Eine Verurteilung des 5. Strafsenats würde also automatisch die fristlose Kündigung von Monika Haas nachträglich legitimieren. Angesichts der Arbeitsmarktsituation auch eine Verurteilung zur Arbeitslosigkeit.
Im Falle einer Verurteilung muß Monika Haas die Prozeßkosten tragen, die inzwischen zu einem siebenstelligen Betrag aufgelaufen sind. Auch wenn Monika Haas wieder eine Anstellung fände, würde sie lebenslang an diesen Schulden tragen. Zwei ihrer Kinder sind in der Ausbildung (Schule und Studium), seit der Verhaftung 1994 lebt die Familie von Sozialhilfe. Aus dieser Situation käme Monika Haas nicht mehr heraus.
Monika Haas tritt weiter für ihr Recht ein - doch das kostet Geld.
Wir bitten Sie deshalb um Spenden, die eine weitere Verteidigung (d.h. auch die Möglichkeit einer Revision) sicherstellen.
Gleichzeitig ist es gerade in der Schlußphase sehr wichtig, daß viele Menschen den Prozeß beobachten und auch öffentlich deutlich machen, daß sie das Verfahren aufmerksam und kritisch verfolgen.
Die nächsten Prozeßtermine sind:
Donnerstag 09. April 98 um 12:00 Uhr
Montag 20. April 98 um 13:30 Uhr
Donnerstag 23. April 98 um 10:15 Uhr
Montag 04. Mai 98 um 13:00 Uhr
jeweils im Gerichtsgebäude E, Saal II, Eingang Konrad-Adenauer-Straße, Frankfurt am Main.
E-mail: monika.haas@t-online.de
Postadresse: FORUM FÜR MONIKA HAAS, Postfach Bodo Lube
180 148, 60082 Frankfurt, Telefon/Fax: 069/635244
Spendenkonto: Cornelia Spohn, FORUM FÜR MONIKA HAAS,
Konto-Nr. 610 6510, BLZ: 500 901 00, Ökobank Frankfurt