brief zu medion/muelheim


[die beitraege auf der diskussionsseite geben ausschliesslich die meinung der jeweiligen autorInnen wieder]

(30.11.00) Es war eine positive Ueberraschung das Ihr meine e-Mail [Brief zu Medion vom 19.11] veroeffentlicht habt. So ist euer Forum wirklich offen fuer Diskussionen.

Ich stimme voll und ganz zu, das kein Betriebsrat besser ist als ein Geschaeftsleitung gesteuerter Betriebsrat! Keine Frage. Ich kann aber von einem Duesseldorfer Mobilfunkunternehmen berichten das in den ersten Jahren, um der Mitbestimmung genuege zu tun, einen Betriebsrat etablierten, der der Geschaeftsleitung sehr nahe stand. Dies funktionierte aber nur fuer knapp eine Legislaturperiode. Danach setzte sich der Betriebsrat aus Hotlinern, Aushilfskraeften (vorzugsweise Studenten) und weiteren ArbeitnehmernInnen zusammen. Jegliche Anfeindungen gegen diesen Betriebsrat wurden seinerzeit mittels enger Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes im Keime erstickt. Auch hier begann alles durch eine solidairsche Selbstorganisation und spaeter durch Hinzunahme der Deutschen Post Gewerkschaft (damals existierte die IG MEDIEN noch nicht). Durch die Gewerkschaft erlangte man die rechtliche Sicherheit und die Akzeptanz auf der Arbeitgeberseite.

Eben diese enge Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes hat nun auch bei MEDION zur Zuruecknahme einer ausgesprochenen Kuendigung gefuehrt. Dies war natuerlich auch nur moeglich, da jeder als gewerkschaftlichorganisiertes Mitglied nach 3 monatiger Zugehoerigkeit umfassenden Rechtschutz geniesst!

Diese Situationen sollte den MitarbeiternInnen der MEDION AG beweisen, was eine gute und starke Organisation fuer jeden einzelnen tun kann. Der vergebliche Versuch einer (ungerechtfertigten) Kuendigung zeigt die Wichtigkeit der gewerkschaftlichen Anbindung fuer den/die betroffenen MitarbeiterIn, den hierdurch erhielt er/sie die juristische Unterstuetzung seitens der Gewerkschaft.

Ihr habt geschrieben: "... Wichtig ist, die eigenen Belange nicht weiter zu delegieren, sondern selber dafuer zu sorgen, dass sich etwas aendert. Kleine Gruppen, die sich einig sind, koennen da schon eine Menge bewirken. Verabredetes Langsamarbeiten, gemeinsame Pausen oder andere organisierte alltaegliche Dinge koennen da zu grosser Bedeutung kommen."
Richtig ist, das man immer die eigenen Belange selbst regeln sollte und sich nicht hinter anderen verstecken sollte. Aber kleine Gruppen die verabredeter Weise Langsamarbeiten, gemeinsame Pause machen, koennen schnell abgemahnt werden und ueber kurz oder lang gefeuert werden. Da dies mittelbar die betrieblichen Ablaeufe stoert, den betrieblichen Erfolg gefaehrdet usw. Dies kann als Sabotage ausgelegt werden. Als Folge verliert ihr schnell den Boden unter den Fuessen. Denn eins steht fest, Arbeitskraefte fuer Call Centren findet man schnell und in genuegender Anzahl. Die momentane Arbeitsmarktsituation staerkt leider die Arbeitgeber und nicht die Arbeitnehmer.
Das amerikanische "Hire and Fire"-Prinzip wird auch bei uns immer populaerer. Bedauerlicherweise!

Ferner schriebt Ihr: "...Selbstorganisation ist - wie oben erwaehnt - erstmal der Versuch, aus unserem Zusammenhang bei der Arbeit - unser Kooperation, unserem direkten Bezug zueinander - heraus, die eigene Staerke zu entwickeln und jederzeit gegen die Chefs einzusetzen. Wenn wir das schaffen, brauchen wir die "juristische" Ebene wie Betriebsratsvertretung und Arbeitsgerichte nicht. Diese sollen Konflikte regeln und einzudaemmen. Sie sollen verhindern, dass groessere Auseinandersetzungen entstehen und darin ArbeiterInnen auf die Idee kommen, dass die kapitalistische Produktionsweise insgesamt abgeschafft werden kann."

Wenn ich eure Erlaeuterungen richtig verstehe, entstehen kleine Gruppen, die auch schon mal gemeinsam feiern, sich prima untereinander verstehen und das ein oder andere betriebliche Problem im direkten Dialog mit den Vorgesetzten regeln. Nun, das wird euch gelingen, wenn es darum geht, wer neben wem sitzen darf, wer mit wem Pause machen darf, etc.
Bei fundamentalen Belangen allerdings werdet ihr nicht ernst genommen. Warum, weil Ihr nichts in der Hand habt, was dem Arbeitgeber zum Einlenken bewegen koennte. Arbeitszeitregelungen, Urlaubsregelungen, Lohnentwicklung, Personalentscheidungen werden von einer Fuehrungsebene entschieden, mit denen ihr nie etwas zu tun haben werdet. Das sieht mit einem Betriebsrat anders aus, da dieser ein Mitbestimmungsrecht wahrnimmt. Es ist also an den ArbeitnehmernInnen eines jeden Betriebes dafuer zu sorgen, dass die richtigen Leute in den Betriebsrat gewaehlt werden. Da muss sicherlich Aufklaerungsarbeit geleistet werden und die ein oder andere Huerde genommen werden, aber am Ende lohnt es sich.

So, dass war´s fuers erste mal wieder. Entschuldigt die verspaetete Reaktion, bin bis dato ja nicht taeglich auf eurer Seite! Das wird sich jetzt aendern!


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