zum citibank-streik-bericht vom 26.06.01 (1)


(09.07.01)

Subject: Kampagne Citi-Critic
Email von: Sabine Morgenroth
(Sprecherin der IG ehemaliger Beschaeftigter der Citibank innerhalb der Kampagne Citi-Critic und Schriftfuehrerin des Vereins Citi-Critic e.V.)

Hallo Hotline-Leute,
mit Begeisterung habe ich bemerkt, dass ihr ueber uns berichtet. Leider stimmt hier aber einiges nicht. Ich bitte darum dies zu korrigieren.
1. Citi-Critic setzt sich nicht aus ehemaligen Betriebsratsmitgliedern aus Bochum und Gelsenkirchen zusammen sowie Mitgliedern aus katholischen Gemeinden und anderen sozialen Organisationen. Das ist, sorry, voelliger Quatsch!!! Die Kampagne Citi-Critic ist ein offenes Buendnis mit einem sozialen Netzwerk in dem folgende Gruppen/Organisationen vertreten sind: Kirchlicher Dienst der Arbeitswelt, Katholische Arbeitnehmerbewegung, Schuldnerberatung, Arbeitsloseninitiative AHA des evang. Familienbildungswerkes, Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft in der CDU, Arbeitsgemeinschaft fuer Arbeitnehmerfragen in der SPD, Jungsozialisten in der SPD, Buendnis90/Die Gruenen, PDS, Deutscher Gewerkschaftsbund, IG Metall Vertrauenskoerper Thyssen Krupp Stahl, IG MEtall Vertrauenskoerper Eisenbahn und Haefen und die Interessengemeinschaft ehemaliger Citibankbeschaeftigter.
2. Die beiden Standorte, die in Arbeitskampf gingen, waren Bochum und Duisburg. Aus dem Standort Gelsenkirchen war ueberhaupt niemand beteiligt!!!! Ferner gab es eine Zusammenarbeit mit dem Standort Duisburg. Bochum und Duisburg sind gemeinsam in den Arbeitskampf gegangen, haben gemeinsam gestreikt, haben gemeinsam Aktionen gestartet und wurden beide zum 30.06.1999 geschlossen! Alle Beschaeftigten an diesen beiden Standorten, die sich aktiv an den Arbeitskampfmassnahmen beteiligt haben, bekamen keine neuen Vertraege angeboten. Bei Bewerbungen waren, diese KollegInnen immer wahlweise ueber- oder unterqualifiziert, und das fuer Jobs, die sie bereits seit Jahren ausuebten.
3. Auch im Abschnitt 'Erfahrungen der ArbeiterInnen' ist manches nicht richtig wiedergegeben. Es gab nie Probleme mit dem Besuch von Betriebsversammlungen wegen Teilzeitarbeit. Die Betriebsversammlungen galten als Arbeitszeit und wurden entweder mit Freizeit oder Bezahlung ausgeglichen und wurden daher auch immer zahlreich von nicht disponierten Beschaeftigten besucht. Das gilt insbesondere fuer den Tag der Urabstimmung! Auch ist die anscheinend geringe Streikbeteiligung ein voellig falscher Eindruck! Es haben sich sehr viel an den Streiks in Duisburg und Bochum beteiligt. Da es aber mitunter saukalt draussen war, hat immer nur eine Abordnung vor den Toren gestanden, waehrend der Rest in einem Saal Informationen austauschte und das weitere Vorgehen austauschte. Ausserdem besuchten sowohl Bochumer die Duisburger Streikenden als auch umgekehrt. In den Belegschaften herrschte uebrigens eine grosse Einigkeit darueber, sich die Behandlung durch die Citibank nicht gefallen zu lassen. Es waren nur verschwindend wenige Beschaeftigte, die sich nicht an Aktionen beteiligten, da sie Angst hatten, keinen neuen Vertrag zu bekommen. Als Streikbrecher wurde denn auch hauptsaechlich Personal aus der Hauptverwaltung, den Zweigstellen und anderen Call-Centern der Bank, die nicht geschlossen werden sollten, eingesetzt. Ferner bildete man in aeusserst kurzer Zeit Leiharbeitskraefte aus, die den Service aufrecht erhalten sollten.
4. Streiks an Samstagen hatten einen ganz besonderen Sinn. Erstens waren an diesen Tagen nur wenige Beschaeftigte in den Call-Centern eingesetzt, zum zweiten hatten die Geschaeftsstellen geschlossen. Fuer die Bank stellte es also an Samstagen eine schwierigere Aufgabe dar, neue Telefonisten heranzuschaffen als an einem normalen Wochentag, wo die Call-Center voll besetzt und auch noch die Zweigstellen geoeffnet sind. Ausserdem hat die Bank der vermehrte Personaleinsatz an einem Samstag viel Geld gekostet. Viel Geld durch die Lappen ging ihnen auch durch die Streiks des Fachhaendler-Service Duisburg, da gerade an Samstagen die Leute gerne Einkaufen gehen und PC's, Stereoanlagen etc. auf Raten kaufen und die Haendler sich den Ratenkauf mal eben beim Fachhaendler-Service absegnen liessen. Ein Geschaeft, dass dann nicht zustande kam und die Haendler auf die Palme brachte, da auch ihnen Geschaefte kaputt gemacht wurden. Ihr seht, der Streik am Samstag hatte Konzept!
5. Das 'Weitertelefonieren bis zur Schliessung' hat ueberhaupt nichts mit Frust zu tun! Es war eine Entscheidung von uns, den Kunden trotz des Konfliktes einen guten Service zu bieten und sie fuer unseren Arbeitskampf zu gewinnen. Die Kunden hatten stets fuer uns Verstaendnis und haben sich auch fuer uns eingesetzt. Der Streik sollte in erster Linie dazu dienen, der Citibank unsere Konfliktbereitschaft zu zeigen und den Konflikt oeffentlich zu machen. Das diese Strategie ihre Wirkung nicht verfehlte wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die Bank sofort versucht hat, die Streiks fuer illegal zu erklaeren und gerichtlich verbieten zu lassen.
6. Citi-Critic hat Kontakte zu den Beschaeftigten in dem neuen Dienstleistungscenter in Duisburg. Dies wird aber nicht an die grosse Glocke gehangen, um diese KollegInnen vor Repressionen zu schuetzen.
7. Die Boykottkampagne von Citi-Critic richtet sich nicht gegen die Geschaeftspraktiken der Citibank im Kundenbereich! Zum Boykott wurde aufgerufen, um den Forderungen nach einem Tarifvertrag fuer das neue Gebaeude und der Wiedereinstellung der zu Unrecht Entlassenen Nachdruck zu verleihen. Nichtsdestotrotz beobachtet Citi-Critic auch andere Aspekte wie Schuldenproblematik oder Umweltsuenden der Citibank.
8. Sorry, aber euer Resuemee finde ich nun voellig daneben! Die Aussage 'dass ArbeiterInnen keine Macht gegenueber Unternehmen entwickeln koennen, wenn sie sich auf ihre gewerkschaftlchen Vertretungssinstanzen verlassen' ist wirklich Schwachsinn!. Ohne die logistische, organisatorische und vor allem auch finanzielle Unterstuetzung der HBV waere es nie zu einem Arbeitskampf gekommen und auch nicht zu einer erfolgreichen Arbeit von Citi-Critic. Die Gewerkschaft war es, die die Betriebsraete in die Lage versetzte zu erkennen, dass in jener Situation damals ein Aufstand und nicht ein schweigsames Untergehen angesagt war. Standorte, an denen es diese ueber Jahre hinweg gute Betreuung nicht gegeben hatte, waren nicht so gut vorbereitet und mutig, den Kampf aufzunehmen. Und mal ehrlich, was glaubt ihr wohl sollen ein paar Hundert Beschaeftigte in Bochum und Duisburg auf sich allein gestellt wohl fuer eine Macht gegenueber einen global player wie die Citibank entwickeln? Womit bitte sollten wir denn Druck ausueben? Im Zeitalter der modernen Telefontechnik ist es vollkommen egal, von wo man die eingehenden Telefonate bearbeitet. Bereits beim zweiten Streik hatte die Bank eine komplette zweite Ersatzbelegschaft notduerftig ausgebildet, so dass der Service fast problemlos weiterlief. Also Streik allein ist wirklich kein Druckmittel bei einem Call-Center. Hier mussten neue Formen des Arbeitskampfes her und die haben wir erprobt und unter Citi-Critic weiterentwickelt. Schade, dass es das soziale Netzwerk damals noch nicht gab!
Auch seid ihr doch wohl nicht wirklich ueberzeugt, dass die Beschaeftigten in Bochum und Duisburg so naiv gewesen sind, zu glauben, sie koennten die Schliessung ihrer Standorte verhindern!?! So blond waren wir nun wirklich nicht. Wir waren schon in der Lage, unsere Chancen richtig zu berechnen. Wir wollten uns so teuer und so lautstark wie moeglich verabschieden und ein Zeichen setzen, dass es sich lohnt zu kaempfen. Und es hat sich gelohnt! Unser Rueckgrat ist nicht gebrochen und wir kaempfen weiter!
Aus der Kampagne Citi-Critic ist am 30. Mai 2001 ein Verein geworden: 'Citi-Critic - Verein zur Foerderung von Demokratie in Arbeitswelt und Gesellschaft e.V.'.

Ich hoffe, meine Kritik hat euch jetzt nicht den Tag verdorben. Ich finde eure Arbeit wirklich gut, aber was ihr da geschrieben habt, stimmt eben nun mal nicht.

Gruss aus Duesseldorf
Sabine Morgenroth
(Sprecherin der IG ehemaliger Beschaeftigter der Citibank innerhalb der Kampagne Citi-Critic und Schriftfuehrerin des Vereins Citi-Critic e.V.)


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