Das starke Wachstum des Call Center-Sektors in den letzten Jahren ist ohne Zweifel ein neuer und wichtiger Faktor. Es handelt sich um einen "asset", der in bedeutender Weise die Strategie einer Reihe grosser Unternehmen bestimmt und ein deutliches Wachstum der Profite ermoeglicht.
Aber die Frage, auf die wir eine Antwort finden muessen, ist, ob damit eine Aenderung der Produktionsablaeufe einherging und ob die entsprechenden Arbeitsbeziehungen in dem Sektor sich im Vergleich mit denen, die wir bisher kannten, geaendert haben.
Im Jahr 2000 gab es 73.000 Beschaeftigte mit einem erwarteten Wachstum von 34 Prozent fuer das gleiche Jahr. Die Zahl der Call Center hat 1.080 erreicht, die Schaetzung fuer 2001 liegt bei 1.280. 1994 waren es wohl noch 39, leicht, hier die Wachstumsrate zu errechnen.
Die Call Center-Industrie umfasst immer mehr produktive Bereiche, weil eine wachsende Zahl von Unternehmen sich auf Kommunikation und die Kommerzialisierung von Produkten und Dienstleistungen konzentriert, um im Konkurrenzkampf den Kopf vorne zu haben. Wir sehen eine Anstieg der Beschaeftigtenzahlen in den Call Centern im Kommunikationsbereich, der oeffentlichen Verwaltung, im Finanz- und Versicherungssektor, aber auch im Verkauf und in der Industrie.
Wie immer braucht der Kapitalismus eine Restrukturierung, um voranzukommen. Die New Economy ist tatsaechlich ein Resultat dieses Prozesses der letzten Jahrzehnte, und die Call Center sind dabei einer der stategisch wichtigsten Sektoren. In einem oekonomischen System, das auf den Mechanismen der Ausbeutung der Arbeitskraft beruht, sind die neuen Technologien vor allem Instrumente fuer die Erhoehung der Produktivitaet und den Zuwachs der Profite durch die Intensivierung der Ausbeutung der ArbeiterInnen.
Es ist wichtig festzustellen, dass eine stetig wachsende Anzahl von Firmen auf Auslagerung (Outsourcing) von Arbeiterinnen und auf Dienstleistungen konzentrierte Firmen zurueckgreift. Von den 73.000 Agents arbeiten 22.000 in Unternehmen, bei denen die Call Center- Dienstleistungen ausgelagert wurden. Sie sind aber nicht in allen Regionen gleich verteilt: zur Haelfte im Norden, zur Haelfte im Zentrum/Sueden. Nach der Lombardei und Lazio sind die Regionen mit mehr ArbeiterInnen Kampanien und Sizilien, mit einer groesseren Dichte als in "reichen" Regionen im Zentrum und Nordosten, auch Dank der staatlichen, regionalen Foerderungen.
Es ist offensichtlich, das diese Entwicklung eine exponentielle Steigerung der Prekarisierung des Arbeitsmarktes ermoeglicht hat, mit Unterstuetzung der gemeinsamen Politik der Gewerkschaftsfuehrungen. Die Prekarisierung und andere Faktoren bewirken, dass die Arbeit der Call Center-Beschaeftigten alles andere als beneidenswert ist. Die Unsicherheit des Arbeitsplatzes zwingt die ArbeiterInnen, dem Druck der Chefs nachzugeben und eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinzunehmen. Oft verdienen die Agents nur 10.000 Lire in der Stunde [10 DM] oder 800.000 Lire [800 DM] im Monat. Vor allem im Sueden erlaubt das den Unternehmern enorme Profite.
Besonders der ununterbrochene Gebrauch der Headsets und die Auswirkungen der Computerarbeit machen die Arbeit unertraeglich. Es ist praktisch unmoeglich, dies Art von Arbeit mehr als vier oder fuenf Stunden am Tag zu leisten. Oft sitzen die ArbeiterInnen auf engem Raum zusammen: in Bueros voll mit Computern, Telefonen, Headsets und Stuehlen sitzen oft 10, 15 ArbeiterInnen auf einem Quadratmeter oder weniger, die immer wieder dasselbe machen, viele Male am Tag.
Oft sind die beruflichen Anforderungen aeusserst gering und im Allgemeinen die berufliche Entwicklung nicht existent. Die Arbeit wird immer mehr standardisiert, und die Firmen neigen dazu, die eingehenden Anrufe vor der Entgegennahme durch den Agent zu "sortieren" und in vorgegebenen Kanaele zu leiten. Es ist ueblich, dass die Fluktuation bei ueber 30 Prozent im Jahr liegt. Die Technologie ermoeglicht unter anderem eine unmittelbare Kontrolle der Arbeitsleistung und auch das Mithoeren der Telefonate und die nachtraegliche Kontrolle, die ueber die Informationen ueber die Dauer der Gespraeche, Datum, Uhrzeit und Anzahl der Anrufe und andere Daten laeuft. Davon ausgehend fragen wir uns, wo die Unterschiede zwischen diesen Produktionsverhaeltnissen und denen liegen, die wir vom Anfang des gerade vergangenen Jahrhunderts kennen, allgemein bekannt als "tayloristisch-fordistische" Methode".
In diesem Sektor liegt das Durchschnittsalter sehr viel niedriger. Das Personal ist in der Regel 23, 24 Jahre alt und besteht sehr oft aus StudentInnen, die aufgrund der Kosten des Studiums zur Arbeit gezwungen sind. Oft handelt es sich auch um junge Leute, die gerade den Studienabschluss in der Tasche haben, einen mageren Lebenslauf haben und Arbeitserfahrungen suchen.
Wie typischerweise im klassischen Kapitalismus - und hier bildet die "New Economy" keine Ausnahme - laufen Prozesse, die das oekonomische System am Laufen halten und ihrerseits Widersprueche schaffen, die eine neue Instabilitaet zur Folge haben. Die Instabilitaet des industriellen Oekosystems ergibt sich aus der Entwicklung einer jungen ArbeiterInnenklasse, die auf ihren Schultern die Ungerechtigkeit einer Oligo-Oekonomie spuert, der es einzig um die Anhaeufung von reinem Mehrwert geht, um es mit Marx zu sagen. In den USA, wo die Entwicklung dieses Sektors zuerst einsetzte, sehen wir schon einen deutlichen Anstieg der gewerkschaftlichen Organisierung dieser jungen ArbeiterInnen und die Anfaenge von Formen der Mobilisierung.
Dieses Bild finden wir bald auch in Italien, eine neue "ArbeiterInnen"-Bewegung, die keine schlechten Erfahrungen mitschleppt und die wieder eine Diskussion anfangen kann - die schon oft in den letzten Jahrzehnten lief - ueber die Notwendigkeit der Transformation der Gesellschaft und die Suche eine fortschrittlichen Alternative zum kapitalistischen System.
Nichts Neues unter der Sonne! Der Philosoph aus Trier spricht in den "Grundrissen" von den "dure repliche della storia" [duro: hart, schwierig; replica: Wiederholung, Widerspruch; della storia: der Geschichte / jetzt puzzeln oder 959 Seiten "Grundrisse" durchsehen, um das Zitat zu finden!], was sich mal wieder als richtig erwiesen hat, auch in der weiteren historischen Perspektive!
Quadrongolo