Ich bin Kundenanwerberin bei IFB, werde nach dem SMIC-Mindestlohn bezahlt und habe seit meiner Einstellung das Recht auf eine miserable Prämie von 380 Francs (ca. 63 Euro) netto pro erfolgreichen Verkauf! Denn das Ziel des Spiels ist es, leitende Angestellte, Handwerker, Freiberufler, große Bosse oder einfache Privatleute telefonisch zu erreichen, um ihnen ein „kostenloses Beratungsgespräch zum Steuerrecht“ vorzuschlagen. Das soll ihnen ermöglichen, weniger Steuern zu zahlen, dank einer individuell zugeschnittenen Prüfung, die 103 Gesetzestexte berücksichtigt.
Das ist nichts als Verarsche! Im Endeffekt wird ein einziges Gesetz beachtet und der Ratschlag der Vertreter ist einfach: Er schlägt eine Investition in Immobilien vor, d.h. eine Wohnung zu kaufen (für ca. 600.000 Franc = 100.000 Euro). Er schildert, wie die Wohnung vermietet wird und man mit den Mieteinnahmen den Kredit zurückzahlt. Dazu kommt man dann in den Genuss einer Steuersenkung, die in diesem Fall durch das Gesetz „Besson“ gewährleistet wird. Kurzfristig kann das funktionieren, aber auf lange Sicht ist das sehr riskant - genauer gesagt, für die Zeit, die benötigt wird, um den Bankkredit zurückzuzahlen.
Natürlich basiert das Ganze auf einer bewährten Methode: Alle haben eine Gesprächsanleitung, in der die Formulierungen stehen, die für eine bestimmte Form der "Kundenwerbung" eingesetzt werden müssen; je nach der Reaktion, die man bekommt, die Worte, die man sagen muss, und die, die verboten sind, wie zum Beispiel "Steuerbefreiung" [defiscalisation].
Die KundenanwerberInnen sind verpflichtet, ein Minimum an Beratungsgesprächen pro Monat zu vereinbaren : 83 Beratungstermine jeden Monat bei 35 Stunden in der Woche. Was darüber hinaus geht, wird mit 20 Franc (ca. 3,30 Euro) pro zusätzlichem Termin vergütet. Für jeden realisierten Vertragsabschluss gibt es normalerweise eine Prämie von 380 Franc (63 Euro).
Wenn Ihr Euch bei der Firma bewerbt, wirbt man mit den Prämien, die es für jeden Verkauf gibt, und verspricht Euch Aufstiegschancen im Unternehmen. Mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun: Seit meiner Einstellung habe ich nur eine einzige Prämie gekriegt, und das, nachdem ich eine Zeitlang ständig darauf hingewiesen habe, dass es sehr erstaunlich ist, dass es bei den ganzen Terminen, die ich herbeitelefoniert habe, zu keinem Vertragsabschluss gekommen ist. Was die Aufstiegschancen angeht: Die KundenanwerberInnen, die ich zu TeamleiterInnen oder ins Personalbüro habe aufsteigen sehen, machen 35 Stunden oder mehr die Woche für kaum mehr als den Mindestlohn (SMIC) (in sechs Monaten habe ich zwei aufsteigen sehen). Außerdem wurde das Gehalt der TeamleiterInnen, die mit der Betreuung der KundenanwerberInnen betraut sind, seit Mai 2001 gekürzt.
Die Einstellung von kleinen Angestellten geht weiter, meistens von StudentInnen. Sie benötigen ständig neues Personal. Was auch immer Ihr während des Vorstellungsgesprächs macht, ihr habt große Chancen, dass sie Euch eine Einstellung mit Probezeit vorschlagen: Je mehr KundenanwerberInnen die Firma hat, die noch an sie glauben, desto mehr Verträge kann er abschließen.
Am anderen Ende der Leiter lässt der Grosse Boss es sich nicht entgehen, seinen Erfolg zur Schau zu stellen, indem er regelmäßig einen seiner drei Ferraris vor dem IFB-Gebäude parkt! Was zeigt, dass es tatsächlich zu Vertragsabschlüssen kommt, auch wenn wir KundenanwerberInnen das nicht mitkriegen und sie es auch meist zu verbergen suchen.
Und das ist nicht alles! Neben der Ausbeutung gilt es noch, miserable Arbeitsbedingungen zu ertragen. Es fehlt noch, dass die TeamleiterInnen (eine Art von Wachleuten) die Zeit stoppen, wenn wir pissen oder rauchen gehen! Die Pausenzeiten sind sehr kurz und im Pausenraum für Raucher dürfen sich maximal vier Personen aufhalten. Nebenbei gesagt, das ist kein Raum sondern ein Flur.
Wenn ein Termin falsch in den Rechner eingegeben wurde (Fehler bei Namen, Adresse oder Telefonnummer), wird er der KundenanwerberIn abgezogen und das als Eingabefehler festgehalten.
Was das reichhaltige Arbeitsmaterial angeht: Die Rechner sind praktisch jeden Tag mal kaputt, die Telefone oft defekt... Das wäre kein Problem, wenn der Lohn nicht von der Anzahl der vereinbarten Termine abhängig wäre. Aber Verwarnungen regnen nur so: Selbst in den Monaten Juli und August, wo bekanntermaßen Flaute ist, kann man eine Verwarnung wegen zu wenig vereinbarter Termine kassieren. Und nicht dass die Arbeitszeit nicht über eine Stechuhr kontrolliert würde, weil wir nach Terminen bezahlt werden. Wenn wir eine bestimmte Zahl von Minuten zu spät gekommen sind, wird das bei der Lohnabrechnung abgezogen. Man muss einen wichtigen Grund für Fehlzeiten vorweisen: Fehlen wegen eines Streiks der SEMVAT [öffentliche Nahverkehrsbetriebe von Toulouse] wird nicht akzeptiert und die Zeit nicht bezahlt.
IFB ist wie McDonald's und alle diese Läden, deren Profit auf übelster Ausbeutung gründet. Ihr werdet unbefristet eingestellt und dann nicht mehr entlassen. Ihr müsst selbst kündigen. Und die Fluktuation ist sehr hoch: Kaum jemand bleibt länger als zwei Jahre. Das ist das Beste, was dem Laden passieren kann: Bei der Einstellung ist man so leistungsfähig wie nie, naiv und voller Illusionen.
Lulu
Dies ist am 20. Oktober 2001 ins Netz gestellt worden von dem Syndicat d l' Yonne CNT AIT, 7 rue St Remesy, 31000 Toulouse
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