(Januar 2001) Wir sollen aufstehen, um am Computer zu arbeiten, immer dümmere Fragen beantworten, und vielleicht eine Technik wie bei der NASA bedienen, um den bürokratischen Anforderungen der Firma gerecht zu werden. Die will uns alle immer weiter fortbilden (eine andere Art zu sagen, dass sie uns weiter bei der Arbeit langweilen uns stressen werden). Irgendwie sieht das aus wie eine Tretmühle, wobei offensichtlich wir ArbeiterInnen die Mehrschweinchen sind. Viele "KollegInnen" (ein Begriff, den wir verabscheuen) sind erstmal zufrieden damit, ihre Aufgaben erledigen zu können, der Firma ihre Treue zu beweisen und vielleicht sogar einen Kaffee als Prämie zu bekommen. Aber in hellen Momenten sagen sie dann, dass ihnen die Arbeit dort auf die Nerven geht und sie viel Zeit vor einem Monitor verbringen und nicht nur vom Reingucken müde sind...
Doch wenn wir wollen, können wir die Strategie der Unternehmen umdrehen und gegen diese wenden, die unterschiedlichen Vertragsverhältnisse bezüglich Lohn, Arbeitszeit, usw... Wir können Wege finden, die Produktion zu blockieren. Es gibt viele Methoden, die nicht unbedingt auf Streik herauslaufen müssen... Die industrielle Arbeit in Call Centern bietet viele Bruchpunkte im Arbeitsfluss, Formen der Kollektivität, wie die im Büro erzwungene, die wir zu unseren Gunsten umdrehen können, und die Möglichkeit, die Computer für was Besseres zu nutzen als den Verkauf. Was wir untersuchen müssen und uns auch Mut machen sollte, sind nicht die Organisationsvorgaben der Firma, sondern die Schwachpunkte derselben. Wenn wir uns schon ins Zeug legen müssen, dann für unsere Interessen und nicht die des Chefs.
Call Center-ArbeiterInnen sehen sich mit vielen Angriffen auf Vertragsverhältnisse und Lohn konfrontiert (siehe die hohe Zahl von ZeitarbeiterInnen). Der beste Weg, das Unterdrückungsverhältnis zwischen Firma und ArbeiterInnen umzudrehen, liegt in der gemeinsamen Aktion von Festangestellten und Prekären.
Die Reaktionen und Kampfformen, die Call Center-ArbeiterInnen bisher hervorgebracht haben, sind noch zu schwach. Es gibt ein Gemisch von Gewerkschaften, von den vereinten Gewerkschaften [DSIL, CGIL, UIL] über sogenannte Alternativgewerkschaften bis hin zu gewerkschaftliche Strukturen für ZeitarbeiterInnen (z.B. Nidil von CGIL). Hier in Bologna hat sich innerhalb des Sektors vor einiger Zeit ein Oppositionsnetz entwickelt (siehe z.B. das Material des ehemaligen Kollektivs ipitim und ihre Website; diese Gruppe bestand aus Call Center-ArbeiterInnen, die auch die Zeitung "call up" gemacht haben; Kopien davon könnt ihr bei der Redaktion der zona industriale bestellen). Aber es wurde nicht geschafft, Aktionen zu machen, die mit den veralteten, bürokratischen Strukturen der Gewerkschaften brechen. Gesetzestreu zu bleiben, in einem Sektor, in dem eine rapide Aushöhlung der Arbeitsverträge abläuft, ist lächerlich. Es ist wichtig, in erster Person zu handeln und kollektive Aktionen zu machen, die diesen Mantel der Unbeweglichkeit abwerfen.Wenn wir das bei TIM nicht schaffen, wird es noch schwerer für die ArbeiterInnen kleinerer Call Center, sich zu bewegen und zu handeln. Die Gewerkschaften machen nichts, was den Firmen weh tut. Und die Alternativgewerkschaften sind eine Kopie dessen, was die Gewerkschaften in einem demokratischen Sinne sein sollen. Wir sollten merken, dass die Gewerkschaften keinen autonomen Standpunkt vertreten können, der mit der Firma bricht und als erstes die Konflikte und das Unterdrückungsverhältnis zwischen Unternehmen und ArbeiterInnen angeht. Wenn wir die Fähigkeit haben, in den Call Centern ein (von Gewerkschaften und Unternehmen) unabhängiges Kollektiv aufzubauen, können wir einen Weg einschlagen und verfolgen, bei dem die beteiligten ArbeiterInnen in erster Person auftreten und es um unsere Interessen geht. Wir wollen keine neue Gewerkschaft gründen, sondern den ArbeiterInnen einen Raum geben, wo sie rausfinden können, wie sie auf die Uebermacht der Unternehmen reagieren können und dabei im Kopf behalten, dass unsere Interessen denen der Chefs gegenüberstehen.
Der Aufbau einer internationalen Website und die Schaffung eines Netzes von ArbeiterInnen unterschiedlicher Call Center geht in diese Richtung. Der eingeschlagene Weg bietet die Möglichkeit, einen gewissen Dogmatismus, der sich in unseren Bereichen hält, zu überwinden, um alle Bewegungen von ArbeiterInnen und die fortschrittlichen und radikalen Gruppen auf lokaler und internationaler Ebene zusammenzubringen. Deshalb sollte sich niemand wundern, wenn unsere Materialien, die vor den Türen von TIM verteilt wurden, auch an ArbeiterInnen aus anderen Sektoren gehen. Es geht darum, sich der Repression der Unternehmen zu entziehen, die ausgeübt werden kann, wenn eine Gruppe von ArbeiterInnen den Kopf hebt.
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