komitee der prekaeren bei tim

text in italienisch

Dieses Flugblatt wurde von AktivistInnen bei TIM (Telecom Italia Mobile) in Mailand verteilt (November 2000):

Bei TIM gegen die prekaere Arbeit

Die Mobiltelefonie ist einer der Sektoren, die in den letzten Jahren am meisten expandierten. Nicht zufaellig ist es aber einer der Sektoren, in denen das Instrument der Flexibilisierung, die die Arbeitsbedingungen aeusserst prekaer macht, am meisten eingesetzt wird.
1999 hat TIM Ertraege in Hoehe von 14.425 Milliarden Lire (1) erzielt, im ersten Drittel diesen Jahres einen Zuwachs von 14,1 Prozent gegenueber demselben Zeitraum des letzten Jahres. Der Nettogewinn betrug 1999 2994 Milliarden Lire und im ersten Drittel des Jahres 2000 wuchs er gegenueber demselben Zeitraum des vergangen Jahres um 19,1 Prozent.

Und fuer die etwa 9400 Arbeiter?
Hoeheres Arbeitstempo und zunehmende Prekarisierung (2). TIM ist eine der Firmen, in denen besonders viele Zeitvertraege abgeschlossen und Leiharbeit eingesetzt wird, besonders im Call-Center-Service. Leiharbeit ist allgemein schon prekaer und setzt Arbeiter zweifellos unter Druck, das Arbeitstempo zu erhoehen. Strategie von TIM ist, nur einen kleinen Teil der Leiharbeiter zu uebernehmen. Fast alle bekommen Zeitvertraege oder werden in Teilzeit eingestellt. Das wir dazu benutzt, die (in den meisten Faellen enttaeuschte) Hoffnung auf Uebernahme in die »privilegierte« Elite zu wecken. So erklaert sich, dass im Beschaeftigungsbericht vom 31. Maerz 1999 die Anzahl der Angestellten 1678 betrug und zum selben Zeitpunkt diesen Jahres 2049.

Man kann hoeren, es sei besser, dass es prekaere Arbeiter gibt, als arbeitslose. Das wird Luegen gestraft, wenn man den Fall der Gruppe Telecom genauer analysiert. Gerade TIM ist das Ergebnis der 1995 bei Telecom stattgefundenen Spaltung, die in den letzten Jahren Tausende von Arbeitern, die einen unbefristeten Vertrag hatten, in die Arbeitslosenkasse (3) geschickt hat (und die Restrukturierungsplaene sind noch nicht beendet). Das Ergebnis dieser Operation haben wir vor Augen: weniger feste Arbeit, mehr prekaere!
Der neue Vertrag fuer den Telekommunikationsbereich, den die Gewerkschaften, die CGIL eingeschlossen, unterschrieben haben, ist darueberhinaus ein totaler Ausverkauf an die Firma (4)! Ein Vertrag, der vorsieht, dass bis zu 35 Prozent der Arbeitskraefte mit befristeten Vertraegen (Zeitvertraegen, Leiharbeitsvertraegen) eingestellt werden duerfen, ist ein beispielloser Sachverhalt! Und die Arbeiter erwarten nach diesem Vertrag weitere Ueberraschungen in der naechsten Lohntuete. Eine Senkung des Lohns (der sich heute schon im Schnitt um 800.000 bis 900.000 Lire bewegt) waere nach all dem noch der Gipfel!

In den zwei Filialen von TIM in Bologna sind in den letzten zwei Jahren mehrere hundert Arbeiter des Multis Adecco beschaeftigt worden, fast alle in Teilzeit. Gegenwaertig sind im Service etwa 200, was aber schwer zu sagen ist, weil es das staendig wechselt.
Bis heute sind die Probleme, die es gab, nicht geloest (auch wenn es jetzt moeglich ist, einen Lohnvorschuss zu erhalten!). Im Gegenteil, es sind noch andere dazu gekommen.
Die Arbeiter koennen hoechstens zwei Tage im Monat frei bekommen, die man auch nicht ansammeln kann. Darueberhinaus wird die Planung der freien Tage durch die TIM-Beschaeftigten behindert. Es ist schwierig, in den Monaten Juli und August frei zu kriegen.
Es bleiben unakzeptable Unterschiede zwischen dem Lohn der Festeingestellten und dem der Leiharbeiter. Den letzteren wird ein Teil der Zulagen immer noch nicht bezahlt.
Die Anlernzeit, die normalerweise bezahlt wird, wurde durch eine Anlernzeit von 120 Stunden ersetzt, die nicht bezahlt wird und offensichtlich der Auslese dient.
Das sind einige Probleme, denen sich die Arbeiter am Arbeitsplatz gegenueber sehen (es gibt ein Dokument von CGIL-NidiL, CISL-Alai und UIL-Cpo (5) das noch mehr ins Detail geht). Ausserdem wechseln die Zustaendigkeiten zwischen TIM und Adecco staendig, was die Arbeiter zusaetzlich verwirrt. Nach mehreren negativen Reaktionen von Adecco auf die Klagen der Gewerkschaften machen weitere formalen Forderungen keinen Sinn mehr. Die Miteinbeziehung aller Arbeiter ist unaufschiebbar. Die Gewerkschaft ist dabei, einen korrekten Aufruf in diesem Sinne zu erlassen, in der Ueberzeugung, dass es keine Alternative gibt.
Es wurde ein Komitee von Gewerkschaftsmitgliedern und -nichtmitgliedern gebildet. Das ist damit befasst, Informationen in Umlauf zu bringen und das Verfahren in Gang zu kriegen und aufrecht zu erhalten, das zur Einberufung von Versammlungen, zu einer Plattform und vor allem zur aktiven Einbeziehung aller Arbeiter fuehrt. Es faengt bei den Festeingestellten bei TIM an, die eine relative Arbeitsplatzsicherheit haben und die eine wichtige, ziehende Rolle spielen koennen.
Die festeingestellten Arbeiter treiben seit Monaten eine wichtige Mobilisierung voran, die auch die prekaeren Arbeiter betrifft. Dabei geht es z.B. um das Problem der Versetzungen, der entscheidenden Rolle der Beurteilungsboegen und das schikanoese Verhalten der Vorgesetzten. Es geht darum, dieses Programm auszudehnen und Voraussetzungen fuer eine Einigkeit zu schaffen.
TIM hat mehrere Male Leiharbeiter nicht uebernommen, die sich gewehrt haben und in Gewerkschaftsversammlungen aufgetreten sind. Das kann nicht mehr zugelassen werden!
Es ist wichtig, diese Diskussion auch in den anderen ueber das Land verstreuten Filialen zu verbreiten. Auf die Vertragsbrueche der Adecco und der TIM in Bologna und im uebrigen Italien kann man eine richtige Antwort geben und alle Vertraege, die die prekaere Arbeit und die Unsicherheit im Leben aller Arbeiter ausweiten, in Frage stellen.

Kontaktadresse: comitatoprecaritim@yahoo.it

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Anmerkungen:

(1) 1000 Lire = ca. 1 DM
(2) "prekaer", "Prekarisierung" steht fuer "unsicher", oder "ungesichert", und beschreibt die Schaffung befristeter Beschaeftigungsverhaeltnisse, Zeitarbeit, Teilzeitjobs, Praktika, usw., bei denen im Vergleich zu Vollzeitjobs die Loehne niedriger und die Absicherung ueber Sozialversicherungen schlechter ist.
(3) cassa-integrazione
(4) un'ennesima manna dal cielo per l'azienda
(5) Organisationen der drei wichtigsten Gewerkschaftsverbaende fuer die sogenannten "untypischen Arbeiter" = "lavoratori atipici".


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