d2/ratingen
text in englisch
(13.03.01) Ich arbeite ueber eine Zeitarbeitsfirma bei D2 in Ratingen. Folgender Bericht sollte euch ein Ueberblick geben ueber die Taetigkeit und die Konflikte, die dadurch entstehen, als Beispiel fuer die Auseinandersetzungen im Bereich "Informationsarbeit".
"Wir geben ja zu: die Arbeit ist, naja, etwas stupide." (D2-Teamleiter)
Ich arbeite bei D2 als Datentypist. Der Stundenlohn (brutto) liegt bei 17 DM. Der Lohn bei den Zeitarbeitskraeften geht von 13 DM bis 18-19 DM. Die festangestellten Arbeiter bei D2 bekommen von 20 DM bis 25 DM.
Es arbeiten ca. 300 Leute im D2-Buerokomplex in Ratingen. Ist schwer zu sagen, weil es 3 Schichten gibt, und sehr viele TeilzeiterInnen, die nur ein paar Stunden da sind. Es gibt eine "Kernmannschaft" von erfahrenen und langjaehrigen D2-Leuten, hoechstens ein Drittel der Belegschaft. Der Grossteil sind junge StudentInnen usw., die als TeilzeiterInnen arbeiten. Ausserdem gibt es ca. 50 ZeitarbeiterInnen.
Zwei Gruppen dominieren: junge StudentInnen und Frauen, die alleinerziehend sind oder sich etwas zum Familieneinkommen dazuverdienen wollen. Beide haben nicht viel miteinander zu tun. Da wo ich arbeite, sind sie auf zwei verschiedene Schichten verteilt: die "Hausfrauen" kommen um ca. 8 und bleiben bis 14-15 Uhr, die Studis kommen erst um 16 Uhr. Die Zeitarbeiter sind ziemlich gemischt, aber eher schon junge Leute, die irgendwie kein Bock haben sich festzulegen, oder auf was anderes warten, einen besseren Job, Zivildienst, Studien-Platz usw.
Meine "Aufgabe" besteht darin, die Handy-Kuendigungen, die per Brief oder Fax an D2 kommen, in den PC einzugeben. Dazu gibt es spezielle Masken, wo man nur die richtigen Zahlen eintippen braucht. Meistens muss man die Kundendaten, die man braucht, sehr muehselig suchen. Die KundInnen schreiben viel zu viele Zahlen auf, die ihnen einfallen, nur nicht die, die man braucht. So muss ich oft ueber Namen usw. die Kundendaten raussuchen. Die Arbeit ist ziemlich stupide, ein Arbeitschritt dauert ca. 38,5 Sekunden. Ich muss nur die Kuendigungsfristen beachten und ueberpruefen ob derjenige, der den Brief schrieb auch wirklich der Kunde ist. Es gibt eine genau definierte Vorgehensweise, die auch durch die Programme und Masken vorgegeben ist.
Wenn alles glatt laeuft, kann ich die "Aufgaben" alleine erledigen. Da dies aber selten der Fall ist, gibt es einige Formen der Zusammenarbeit. Die einfachste ist, dass ich KollegInnen frage, wenn ich bei den Kundenbriefen die Adresse oder den Kundennummer nicht genau lesen kann.
Wenn ich technische Probleme habe (PC stuerzt ab, Netzwerkverbindung klappt nicht, usw.), quatsche ich diejenigen an, die laenger im Laden arbeiten. Entweder sie koennen das Problem loesen, oder sie kennen Leute, die es koennen.
Unsere Taetigkeit ist nur ein Schritt in der Informationsverarbeitung. Was wir tippen oder anklicken, entscheidet darueber, was mit den Kunden passiert. Entweder wird der Kunde von Call-Center Agents angerufen, um den Kunden zurueckzugewinnen, oder die Info ueber die Kuendigung geht weiter an eine "Fachabteilung", wo dann die eigentliche Kuendigung durchgefuehrt wird. Die Verarbeitungsschritte werden im Kundendatenbank festgehalten, wo hauptsaechlich alles gespeichert wird, was mit den KundInnen passiert.
Es gibt zwei Konfliktpunkte. Der wichtigste Konflikt fuer die "Festangestellten" ist die Frage der Kompetenzen. Diejenigen, die schon laenger bei D2 sind, haben meistens eine kaufmaennische Ausbildung und Berufserfahrung. Sie sind mit den Aufgaben unterfordert, weil sie jetzt als Datentypisten arbeiten und im Prinzip das gleiche machen, wie die ZeitarbeiterInnen und TeilzeiterInnen. Sie stehen im Spannungfeld zwischen Firmenpropaganda ("If the customer wants it, forget about the cost!", "If it is right for the customer, forget the company procedures and rules") und Arbeitsalltag, wo ihre Taetigkeit begrenzt und vorgeschrieben ist.
Die festangestellten ArbeiterInnen sind frustiert darueber, dass ihre Taetigkeit nicht ihrer "Qualifikation" entspricht, und die Motivation ueber den "Kundenservice" kann dies auch nicht ausgleichen, weil im Alltagsablauf der "Service" meistens auf der Strecke bleibt.
Der Hauptkonflikt bei ZeitarbeiterInnen ist die Legitimierung von Lohndifferenzen. Lohndifferenzen bestehen sowohl zwischen ZeitarbeiterInnen und Festangestellten, als auch zwischen ZeitarbeiterInnen von unterschiedlichen Leiharbeitsfirmen. Besonders bei der Spaetschicht, die das Management gerade mit jungen StudentInnen aufzubauen versucht, fiel das auf. Die ZeitarbeiterInnen, die weniger Lohn bekommen, als die neuen StudentInnen, haben durch ihre Arbeitserfahrung ein besseren Ueberblick ueber die Arbeitsorganisation - und dass ohne zusaetzliche Schulung durch das Management. Vielfach mussten die StudentInnen die Zeitarbeitskraefte fragen, weil sie nicht weiterkamen und der Teamleiter nicht da war. Wie soll man dann jemand erklaeren, warum die StudentInnen mehr verdienen als ZeitarbeiterInnen? Jedenfalls wurde der Austausch zwischen den Zeitarbeitern und der zweiten Schicht dadurch abgebrochen, dass der Teamleiter praesent und bei Problemen sofort zur Stelle war, weil die Geschaeftsleitung kein Bock darauf hatte, dass die ZeitarbeiterInnen den StudentInnen auch die Tricks beibringen, mit den sie weniger arbeiten konnten.
Die Strategien und Ziele der Unternehmensleitung sind klar: Auf der einen Seite versuchen sie alle ArbeiterInnen durch unterschiedliche Vertraege unter Druck zu setzen. Ein kleiner Kern von festangestellten ArbeiterInnen soll durch niedriger bezahlte Studies und ArbeiterInnen von unterschiedlichen Leiharbeitsfirmen ergaenzt werden. Das soll den Arbeitsdruck auf alle erhoehen, da die festangestellten ArbeiterInnen ihre Besserbezahlung "rechtfertigen" muessen und fuer die LeiharbeiterInnen die Uebernahme in ein festes Arbeitsverhaeltnis winkt, wenn sie denn ordentlich Handyvertraege kuendigen.
Offensichtlich ist der Job doch nicht so verlockend, und deswegen die Fluktuation bei den ZeitarbeiterInnen sehr hoch. Daher ist die Unternehmensfuehrung auf der anderen Seite ziemlich abhaengig von der Loyalitaet der festangestellten ArbeiterInnen. Deren tristen Arbeitsalltag versuchen sie durch Massnahmen wie die "Empowerment-Kampagne" (mehr Kompetenzen im Umgang mit den KundInnen etc.) etwas aufzuhellen. Durch besondere Befugnisse gegenueber den "ungelernten" LeiharbeiterInnen sollen die festangestellten ArbeiterInnen das Gefuehl bekommen, trotz "unqualifizierter" und eintoeniger Arbeit doch etwas mehr zu sein, als blosse DatentypistInnen.
Die Probleme fuer uns ArbeiterInnen sind klar: Ob diese Spaltungen zu mehr Stress fuer alle fuehren, haengt davon ab, wie wir auf sie reagieren. Ein erster Schritt waere ein offenes Verhaeltnis untereinander, unabhaengig von unterschiedlichen Vertraegen und Firmenfirlefanz. Wir muessen alle die gleiche Maloche machen, also ist nicht einzusehen, warum sie uns unterschiedlich bezahlen. Es ist auch nicht einzusehen, warum manche ArbeiterInnen meinen, andere rumscheuchen oder kommandieren zu koennen, nur weil irgendein Chef ihnen die Erlaubnis dazu gegeben hat. Auch sollten wir vermeiden, dass manche "HeldInnen der Arbeit" 300 Kuendigungen am Tag in den PC kloppen und damit alle anderen zu aehnlichen Hochleistungen zwingen. Lasst uns ueberlegen, was wir dagegen machen koennen.
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