deutsche bank 24/bonn (2)

text in englisch
(16.11.00 / eine gekuerzte Version erschien in hotlines-Flugblatt Nr.2 zu Arbeitsintensivierung)

Der folgende Bericht beruht auf einem Interview mit einer Call Center-ArbeiterIn der Deutschen Bank 24 in Bonn:
Bis September 1999 war das Call Center noch Teil der Bank 24, die als Tochter der Deutschen Bank im Bereich Online- und Telefonbanking taetig war. Nach der Fusion mit der Deutschen Bank wurde die Bank 24 mit den Telefonbanking-Call Centern in Duisburg-Rheinhausen und Berlin-Tempelhof zusammen zum Direktbankbereich der Deutschen Bank 24.

In Bonn arbeiten etwa 15 bis 20 Prozent Vollzeit, der Rest Teilzeit, vor allem StudentInnen und Alleinerziehende. Die Loehne fuer die Call Center Agents liegen beim Einstieg bei 19 DM und dann gestaffelt bei bis zu 23,50 DM.

Bei der Fusion uebernahm die Bank 24 die Deutsche Bank, weil die Unternehmensleitung verhindern wollte, dass die von der Bank 24 automatisch in den Banktarif reinkommen. Dann haetten sie naemlich gleich 30 Prozent mehr verdient. Bei der Bank 24 in Bonn hat die Geschaeftsleitung gedroht: "Fuegt euch, oder geht!". Der Betriebsrat von der Bank 24 hat kaum auf die Fusion reagiert. Unter den ArbeiterInnen war es einigen egal, andere sich von selber gegangen.

Nach der Fusion wurden etliche Abteilungen neu organisiert, wobei die Agents jeweils mehr Aufgaben zugewiesen bekamen... ohne Lohnerhoehung! Der "Kontenservice" (Ueberweisungen...) wurde zum "Konten- und Depotservice" und die Agents muessen nun auch Wertpapiergeschaefte abwickeln, wenn die Wertpapierabteilung ("Broking Service") ueberlastet ist. Ueber eine Wandanzeige koennen die Agents sehen, wieviele Anrufe beim Broking in der Warteschleife sind und wie lange die warten. Wer die Anrufe weiter ins Broking durchstellt, wenn die ueberlastet sind, kriegt Stress mit den Teamleitern. Spaeter kamen dann noch Aufgaben wie Kredite, Kreditkarten etc. dazu. Die dafuer zustaendige Abteilung ("Banking Service") wurde aufgeloest. Ausserdem muessen die Agents im "Konten- und Depotservice" nun auch den Ueberlauf des "Online-Service" (Fragen zum Online-Banking) bearbeiten. Das alles ohne richtige Schulung.
Etliche ArbeiterInnen haben Aufgaben verweigert und die Anrufe weiter in andere Abteilungen gestellt, wo das moeglich ist. Das wurde zum Teil stillschweigend geduldet.

Druck gibt es aber ueber die verschiedenen Formen der Qualitaetskontrolle. Einmal im Monat ist ein "Coaching", bei dem die fachliche Kompetenz bewertet wird: ein "Coach" setzt sich neben dich, hoert sich ein paar Gespraeche an, fuellt einen Bewertungsbogen aus und bespricht den dann mit dir. Ebenfalls einmal im Monat gibt es eine "Supervising", wo es um die sprachliche Kompetenz geht: ein "Supervisor" hoert sich Gespaeche an und erzaehlt dir dann, dass du zuviele Negativausdruecke benutzt, du Konjunktivformen vermeiden musst, und dass die WPAs fehlen (Worte persoenlicher Anerkennung, z.B. "Das haben sie gut gemacht", "Vielen Dank fuer ihre Vorschlaege"...).
Das "Supervising" entscheidet auch, ob ein Agents in der Lohnstaffel hoeher eingestuft wird. Die sprachliche Bewertung ist subjektiv und wenn der Supervisor dich nicht mag oder es irgendwelche anderen Gruende gibt, wird das einfach genutzt, um dir eine hoehere Einstufung zu verweigern.
Ausserdem gibt es dann noch alle zwei Monate Einzelgespraeche mit den Supervisoren, wo sie Gespraeche von dir vom Band abspielen und das dann "analysieren". Damit werden die Agents in peinliche Situationen gebracht, weshalb es auch etliche verweigern.
Statistiken ueber Gespraechsanzahl, -dauer, Nachbearbeitungszeit, Pausenzeit, usw. bekommen vor allem die im "Konten- und Depotservice". Mit Hinweisen darauf, dass die Nachbearbeitung zu lange dauert und mensch die Pausen dreimal um 25 Sekunden ueberzogen hat!

Nach der Fusion wurde auch die Sitzordnung geaendert. Vorher gab es offene Raeume mit Tischen ohne Zwischenwaende und freier Platzwahl. So haben sich die befreundeten ArbeiterInnen zusammengefunden und konnten miteinander quatschen. Jetzt wurden Vierergruppentische reingestellt mit Zwischenwaenden und die Agents mussten zusammen mit ihren willkuerlich zusammengestellten Teams sitzen. Offensichtlich sollte vermieden werden, dass die ArbeiterInnen Spass zusammen haben. Seitdem nehmen diese immer wieder die Zwischenwaende raus... und nachts werden sie von irgendwem wieder eingesetzt.

Die Fluktuation hat insgesamt seit der Fusion zugenommen. Manche haben gekuendigt, andere sind in die neuen Abteilungen versetzt worden, sodass du als Agent immer mit neuen Leuten zu tun hast. Von den bisherigen Teamleitern sind etliche ins Call Center nach Berlin gegangen. Viele von den Vollzeitern haben sich auf Teamleiter-Stellen beworben. Als Vollzeiter haelt niemand den Job laenger als zwei oder drei Jahre durch. Entweder hoert mensch dann auf oder wird Teamleiter. Jetzt werden die Vollzeit-Agents aber nicht mehr genommen. Die Teamleiter kommen nun von aussen. Sie kennen die Agents nicht. Der Ton untereinander hat sich gewandelt. Bisher wurden auch die Teamleiter geduzt, jetzt bestehen mehr und mehr drauf, gesiezt zu werden.

Offensichtlich gilt es, das kulantere Regime aus alten Bank 24-Tagen durch ein neues, haerteres zu ersetzen. In manchen Abteilungen koennen die Agents noch mehr oder weniger selbst ueber die Pausen bestimmen und die Qualitaetskontrollen umgehen. Das stinkt der Geschaeftleitung. Vor allem im "Konten- und Depotservice" hat sie die Kontrolle verschaerft.

So wie die Arbeit organisiert ist, mit vielen Calls, direkt aufs Headset, mit wenigen, klar definierten Arbeitsschritten, mit vorgeschriebener Wortwahl und genauer Reglementierung sind die Agents eigentlich nur die zweitbeste Loesung. Eine Maschine koennte das besser. Du wirst funktionalisiert, du bist ein Faktor in der Statistik. Du wirst kontrolliert und es gibt Druck, wenn du angeblich zu langsam bist.


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