Subject: Kampagne Citi-Critic
Email von: Sabine Morgenroth
(Sprecherin der IG ehemaliger Beschaeftigter der Citibank innerhalb der
Kampagne Citi-Critic und Schriftfuehrerin des Vereins Citi-Critic e.V.)
Hallo Hotline-Leute,
mit Begeisterung habe ich bemerkt, dass ihr ueber uns berichtet. Leider
stimmt hier aber einiges nicht. Ich bitte darum dies zu korrigieren.
1. Citi-Critic setzt sich nicht aus ehemaligen Betriebsratsmitgliedern
aus Bochum und Gelsenkirchen zusammen sowie Mitgliedern aus katholischen
Gemeinden und anderen sozialen Organisationen. Das ist, sorry, voelliger
Quatsch!!! Die Kampagne Citi-Critic ist ein offenes Buendnis mit einem
sozialen Netzwerk in dem folgende Gruppen/Organisationen vertreten sind:
Kirchlicher Dienst der Arbeitswelt, Katholische Arbeitnehmerbewegung,
Schuldnerberatung, Arbeitsloseninitiative AHA des evang.
Familienbildungswerkes, Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft in
der CDU, Arbeitsgemeinschaft fuer Arbeitnehmerfragen in der SPD,
Jungsozialisten in der SPD, Buendnis90/Die Gruenen, PDS, Deutscher
Gewerkschaftsbund, IG Metall Vertrauenskoerper Thyssen Krupp Stahl, IG
MEtall Vertrauenskoerper Eisenbahn und Haefen und die
Interessengemeinschaft ehemaliger Citibankbeschaeftigter.
2. Die beiden Standorte, die in Arbeitskampf gingen, waren Bochum und
Duisburg. Aus dem Standort Gelsenkirchen war ueberhaupt niemand
beteiligt!!!! Ferner gab es eine Zusammenarbeit mit dem Standort
Duisburg. Bochum und Duisburg sind gemeinsam in den Arbeitskampf
gegangen, haben gemeinsam gestreikt, haben gemeinsam Aktionen gestartet
und wurden beide zum 30.06.1999 geschlossen! Alle Beschaeftigten an
diesen beiden Standorten, die sich aktiv an den Arbeitskampfmassnahmen
beteiligt haben, bekamen keine neuen Vertraege angeboten. Bei Bewerbungen
waren, diese KollegInnen immer wahlweise ueber- oder unterqualifiziert,
und das fuer Jobs, die sie bereits seit Jahren ausuebten.
3. Auch im Abschnitt 'Erfahrungen der ArbeiterInnen' ist manches nicht
richtig wiedergegeben. Es gab nie Probleme mit dem Besuch von
Betriebsversammlungen wegen Teilzeitarbeit. Die Betriebsversammlungen
galten als Arbeitszeit und wurden entweder mit Freizeit oder Bezahlung
ausgeglichen und wurden daher auch immer zahlreich von nicht
disponierten Beschaeftigten besucht. Das gilt insbesondere fuer den Tag
der Urabstimmung! Auch ist die anscheinend geringe Streikbeteiligung ein
voellig falscher Eindruck! Es haben sich sehr viel an den Streiks in
Duisburg und Bochum beteiligt. Da es aber mitunter saukalt draussen war,
hat immer nur eine Abordnung vor den Toren gestanden, waehrend der Rest
in einem Saal Informationen austauschte und das weitere Vorgehen
austauschte. Ausserdem besuchten sowohl Bochumer die Duisburger
Streikenden als auch umgekehrt. In den Belegschaften herrschte uebrigens
eine grosse Einigkeit darueber, sich die Behandlung durch die Citibank
nicht gefallen zu lassen. Es waren nur verschwindend wenige
Beschaeftigte, die sich nicht an Aktionen beteiligten, da sie Angst
hatten, keinen neuen Vertrag zu bekommen. Als Streikbrecher wurde denn
auch hauptsaechlich Personal aus der Hauptverwaltung, den Zweigstellen
und anderen Call-Centern der Bank, die nicht geschlossen werden sollten,
eingesetzt. Ferner bildete man in aeusserst kurzer Zeit Leiharbeitskraefte
aus, die den Service aufrecht erhalten sollten.
4. Streiks an Samstagen hatten einen ganz besonderen Sinn. Erstens waren
an diesen Tagen nur wenige Beschaeftigte in den Call-Centern eingesetzt,
zum zweiten hatten die Geschaeftsstellen geschlossen. Fuer die Bank
stellte es also an Samstagen eine schwierigere Aufgabe dar, neue
Telefonisten heranzuschaffen als an einem normalen Wochentag, wo die
Call-Center voll besetzt und auch noch die Zweigstellen geoeffnet sind.
Ausserdem hat die Bank der vermehrte Personaleinsatz an einem Samstag
viel Geld gekostet. Viel Geld durch die Lappen ging ihnen auch durch die
Streiks des Fachhaendler-Service Duisburg, da gerade an Samstagen die
Leute gerne Einkaufen gehen und PC's, Stereoanlagen etc. auf Raten
kaufen und die Haendler sich den Ratenkauf mal eben beim
Fachhaendler-Service absegnen liessen. Ein Geschaeft, dass dann nicht
zustande kam und die Haendler auf die Palme brachte, da auch ihnen
Geschaefte kaputt gemacht wurden. Ihr seht, der Streik am Samstag hatte
Konzept!
5. Das 'Weitertelefonieren bis zur Schliessung' hat ueberhaupt nichts mit
Frust zu tun! Es war eine Entscheidung von uns, den Kunden trotz des
Konfliktes einen guten Service zu bieten und sie fuer unseren
Arbeitskampf zu gewinnen. Die Kunden hatten stets fuer uns Verstaendnis
und haben sich auch fuer uns eingesetzt. Der Streik sollte in erster
Linie dazu dienen, der Citibank unsere Konfliktbereitschaft zu zeigen
und den Konflikt oeffentlich zu machen. Das diese Strategie ihre Wirkung
nicht verfehlte wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die Bank sofort
versucht hat, die Streiks fuer illegal zu erklaeren und gerichtlich
verbieten zu lassen.
6. Citi-Critic hat Kontakte zu den Beschaeftigten in dem neuen
Dienstleistungscenter in Duisburg. Dies wird aber nicht an die grosse
Glocke gehangen, um diese KollegInnen vor Repressionen zu schuetzen.
7. Die Boykottkampagne von Citi-Critic richtet sich nicht gegen die
Geschaeftspraktiken der Citibank im Kundenbereich! Zum Boykott wurde
aufgerufen, um den Forderungen nach einem Tarifvertrag fuer das neue
Gebaeude und der Wiedereinstellung der zu Unrecht Entlassenen Nachdruck
zu verleihen. Nichtsdestotrotz beobachtet Citi-Critic auch andere
Aspekte wie Schuldenproblematik oder Umweltsuenden der Citibank.
8. Sorry, aber euer Resuemee finde ich nun voellig daneben! Die Aussage
'dass ArbeiterInnen keine Macht gegenueber Unternehmen entwickeln koennen,
wenn sie sich auf ihre gewerkschaftlchen Vertretungssinstanzen
verlassen' ist wirklich Schwachsinn!. Ohne die logistische,
organisatorische und vor allem auch finanzielle Unterstuetzung der HBV
waere es nie zu einem Arbeitskampf gekommen und auch nicht zu einer
erfolgreichen Arbeit von Citi-Critic. Die Gewerkschaft war es, die die
Betriebsraete in die Lage versetzte zu erkennen, dass in jener Situation
damals ein Aufstand und nicht ein schweigsames Untergehen angesagt war.
Standorte, an denen es diese ueber Jahre hinweg gute Betreuung nicht
gegeben hatte, waren nicht so gut vorbereitet und mutig, den Kampf
aufzunehmen. Und mal ehrlich, was glaubt ihr wohl sollen ein paar
Hundert Beschaeftigte in Bochum und Duisburg auf sich allein gestellt
wohl fuer eine Macht gegenueber einen global player wie die Citibank
entwickeln? Womit bitte sollten wir denn Druck ausueben? Im Zeitalter der
modernen Telefontechnik ist es vollkommen egal, von wo man die
eingehenden Telefonate bearbeitet. Bereits beim zweiten Streik hatte die
Bank eine komplette zweite Ersatzbelegschaft notduerftig ausgebildet, so
dass der Service fast problemlos weiterlief. Also Streik allein ist
wirklich kein Druckmittel bei einem Call-Center. Hier mussten neue
Formen des Arbeitskampfes her und die haben wir erprobt und unter
Citi-Critic weiterentwickelt. Schade, dass es das soziale Netzwerk
damals noch nicht gab!
Auch seid ihr doch wohl nicht wirklich ueberzeugt, dass die Beschaeftigten
in Bochum und Duisburg so naiv gewesen sind, zu glauben, sie koennten die
Schliessung ihrer Standorte verhindern!?! So blond waren wir nun wirklich
nicht. Wir waren schon in der Lage, unsere Chancen richtig zu berechnen.
Wir wollten uns so teuer und so lautstark wie moeglich verabschieden und
ein Zeichen setzen, dass es sich lohnt zu kaempfen. Und es hat sich
gelohnt! Unser Rueckgrat ist nicht gebrochen und wir kaempfen weiter!
Aus der Kampagne Citi-Critic ist am 30. Mai 2001 ein Verein geworden:
'Citi-Critic - Verein zur Foerderung von Demokratie in Arbeitswelt und
Gesellschaft e.V.'.
Ich hoffe, meine Kritik hat euch jetzt nicht den Tag verdorben. Ich finde eure Arbeit wirklich gut, aber was ihr da geschrieben habt, stimmt eben nun mal nicht.
Gruss aus Duesseldorf
Sabine Morgenroth
(Sprecherin der IG ehemaliger Beschaeftigter der Citibank innerhalb der
Kampagne Citi-Critic und Schriftfuehrerin des Vereins Citi-Critic e.V.)