citibank/duisburg (3)
(21.02.01) Unten findet ihr einen Bericht von der Citibank. Seit ca. zwei Monaten machen Trainer mit den ArbeiterInnen von Citiphone sogenannte "one-to-one"-Gespraeche (auf deutsch: Gespraech unter vier Augen). Da sitzt mensch dann alleine vor jemandem aus der Personalabteilung und muss Fragen beantworten: Gefaellt Ihnen die Arbeit? Wo gibt es Probleme? usw.
Die Fragen hoeren sich zunaechst ganz harmlos an, sind sie aber nicht. Im Endeffekt versuchen sie herauszufinden, wie gerade die Stimmung ist, wie wir uns mit "unerlaubten Mitteln" die Arbeit erleichtern, wo die Grenzen unserer Belastbarkeit liegen, etc. Viele dieser Informationen nutzen sie dann spaeter gegen uns, um rationalisieren und uns noch mehr Arbeit aufzudruecken zu koennen.
Es ist sehr problematisch, wenn wir uns auf diese Gespraeche einlassen. Anfangs laesst die Geschaeftsleitung das so erscheinen, als ob alles freiwillig waere. Spaeter dann werden diese Gespraeche zur Pflicht fuer alle. Und es ist schwer, ihnen nichts zu verraten, was sie zur Intensivierung der Arbeit nutzen koennten. Diese "Trainer" haben in der Regel Kurse in Gespraechsfuehrung und Psychologie mitgemacht. Sie kennen also Fragetechniken, von denen du noch nie etwas gehoert hast.
Sprecht zunaechst mit euren KollegInnen und lasst euch nicht auf diese Gespraeche ein. Wir muessen untereinander bequatschen, wo Probleme liegen und was wir (!) daran aendern wollen.
Hier nun der Bericht von einer, die bereits bei solch einem Gespraech war:
1:1 bei der Citibank
Freundliche Begruessung an die Leute vom Wachdienst am Eingang und einige KollegInnen, die ich noch nie gesehen habe. Rein in den vollen Fahrstuhl. Komische Blicke, als ich den Knopf fuer die zweite Etage druecke (wir Leute aus dem Call Center gelten bei einigen als der Muelleimer der Citibank). Raus aus dem Fahrstuhl und rein in den Glaskasten, um meine Anwesenheit zu quittieren. Was ist denn das fuer ein rotes Kuerzel hinter meinem Namen? "One-to-one"-Gespraech, Dauer eine Stunde? Frage also den Teamleiter, der mir nichts sagen will. Bloss dass
ich zum angegebenen Zeitpunkt in dem Raum sein soll. Die von der Personalabteilung wollen sich ein bisschen mit uns unterhalten. Waere aber nichts Schlimmes. Dass ich nicht lache.
Jetzt stehe ich vor ihm und blicke in dieses unscheinbare Laecheln. Der sieht aus wir der Traumschwiegersohn. Toller Anzug, glatte Haut, frisierte Haare etc. Er stellt sich vor und meint ich soll mich entspannen. In dem Gespraech ginge es darum "Potential zu erkennen, und zu sehen, wie motiviert wir sind". Dann bittet er mich, aus meinem Lebenslauf zu berichten, da er mich noch nicht kennt. Ich komme mir vor wie in einem Bewerbungsgespraech. Ich versuche, nicht aufzufallen, und zaehle meine Eckdaten auf: wann geboren, Schulbildung, Ausbildung etc. Dann fragt er mich, wie es mir bei der Citibank gefiele und ob ich in der Abteilung bleiben moechte. Und da ist sie schon die Zwickmuehle, denn sage ich ihm, dass es mir gefaellt weiss er sehr wahrscheinlich, dass ich Luege: welcher einigermassen gescheite Mensch verbloedet nicht beim staendigen Aufsagen von Kontostaenden und Bankleitzahlen. Sage ich ihm, dass ich etwas anderes machen moechte, weiss er, dass ich auf Dauer keine "Topmitarbeiterin" sein werde, wie sie es von mir erwarten. Dann gehen die Krankenscheine nicht mehr so einfach durch. Ich versuche mich da durch zu lavieren und sage ihm, dass ich gerne bei der Citibank arbeitete, doch gaebe es da ein paar Dinge, die mich stoerten. Das laesst er nicht durchgehen und fragt genauer. Ehe ich es realisiere, bin ich in eine Sackgasse geraten. Er fragt immer weiter und weiter und ich verstricke mich immer weiter und weiter in meiner Argumentation, bis ich schliesslich vergessen habe, worum es eigentlich geht.
Eine Stunde ist vorueber und schon gibt er mir die Hand zur Verabschiedung. Ich glaube, ich habe mich um Kopf und Kragen geredet. Besonders bei der Frage, ob wir uns um die Kunden bemuehten, oder auf unsere Aufgaben beschraenkten, um den Servicelevel zu erreichen, wusste ich nicht, was ich sagen soll. Dabei habe ich ihm dann meine ganzen Tricks verraten, die ich bei den Kunden anwende. Haette ich doch mal meine Klappe gehalten. Den KollegInnen erging es aehnlich. Manche haben gemeckert und gesagt was ihnen alles nicht passt. Dabei bringt das uns gar nichts. Wir duerfen ein bisschen Frust loswerden, doch wird sich insgesamt nichts an der Arbeit aendern. Ich denke, wir sollten in Zukunft gar nichts mehr sagen.
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