besetzt bericht/flugblatt | prols 2/2002
Nokia occupata
[english][prol-position]

Hier ein Bericht zu den Aktionen der ArbeiterInnen von Nokia-Nextrom, einer Spezialmaschinenfabrik im Norden Mailands, und ein Flugblatt, dass Leute aus dem Ruhrgebiet und aus Mailand dazu gemacht haben.

Die etwa 70 bei Nokia-Nextrom in Cusano Milanino bei Mailand Beschäftigten haben die Fabrik am 15. Februar besetzt, weil sie dichtgemacht werden soll (sofern sich kein Käufer findet). Sie arbeiten offiziell weiter - auch um Lohn zu kriegen - faktisch läuft aber ein Bummelstreik, es werden keine Maschinen rausgelassen... Die meisten ArbeiterInnen sind Männer, einige der Angestellten Frauen, alle haben einen italienischen Pass. Die ArbeiterInnen forcieren den Kampf, bekommen aber auch Unterstützung von einigen der Angestellten (die Hälfte der dortigen Belegschaft). Sie haben am 25. Februar eine Demo gemacht und Gleise am Bahnhof besetzt. Sie suchen Unterstützung bei allen: Kirche, Parteien, Medien, Bürgermeister... Das meiste steht im Flugblatt, weswegen wir den Bericht hier kurz halten können.

GenossInnen in Mailand hatten aus der Zeitung von der Besetzung der Fabrik erfahren und sind hingefahren. Sie wurden von einigen ArbeiterInnen in die Fabrik geholt. Diese haben von ihrem Kampf und ihren Aktionen erzählt, Material dazu weitergegeben usw. Sie hatten schon Emails und Faxe an alle Standorte von Nokia geschickt.

Die GenossInnen haben angeboten, ein Flugblatt zum Kampf bei der Fabrik von Nokia in Bochum zu verteilen.
Das Flugblatt sollte dazu beitragen,
- weitere Diskussion mit den ArbeiterInnen in Mailand anzuschieben,
- ihren Kampf durch eine direkte Verbindung mit der Situation der ArbeiterInnen in Bochum zu unterstützen und
- mit ArbeiterInnen in Bochum über die Bedingungen dort ins Gespräch zu kommen.

Wir haben das Flugblatt vor einigen Tagen bei Nokia in Bochum verteilt. Dort malochen etwa 3000 Leute, Festangestellte, Befristete, ZeitarbeiterInnen - darunter viele Frauen - die Handys produzieren. Auch dort wurden im letzten Herbst Leute entlassen (weitere Entlassungen werden erwartet) und etliche der Zwei-Jahres-Verträge laufen jetzt aus...

In Mailand sind die GenossInnen mit dem übersetzten Flugblatt wieder zu der Fabrik gefahren und haben es verteilt. Die ArbeiterInnen warten momentan auf eine weitere Verhandlung mit der Unternehmensleitung und wollen bei einem Scheitern ihre Aktionen intensivieren. Die GenossInnen haben sie aufgefordert, zu einer Versammlung kommen, die die kürzlich streikenden PutzarbeiterInnen der italienischen Eisenbahn organisieren. Einige wollen kommen - falls sich bis dahin die Sitution bei ihnen nicht zuspitzt und sie Tag und Nacht in der Fabrik bleiben müssen...

ein prol für 'ne mobile zukunft
[prols@prol-position.net]


(prols-fluchblatt, anfang märz 2002 bei nokia in bochum und mailand verteilt)

Nokia occupata...
ArbeiterInnen besetzen Nokia-Fabrik im Norden Mailands und
reagieren auch ansonsten mobil und flexibel auf neue Herausforderungen!


Vorgeschichte
Nokia-Maillefer kaufte 1997 die schweizer Firma Nextrom, die neben optischen Kabeln auch Maschinen für die Herstellung von Plastikfolien produziert. So in der Fabrik im Norden Mailands, in Cusano Milanino, wo bisher 67 Leute arbeiteten. Nokia-Maillefer hatte dort bereits eine Werkstatt dichtgemacht und die Aufträge an Fremdfirmen abgegeben.
Anfang des Jahres kündigte die Tochterfirma Nokia-Nextrom nun auch die Schliessung des Montage-Werks und damit die Kündigung der ArbeiterInnen bis Ende Mai 2002 an. Das ging diesen quer rein...

Reaktion der ArbeiterInnen
Nur drei ArbeiterInnen haben daraufhin gekündigt, alle anderen entschieden sich für gemeinsame Aktion gegen die drohenden Entlassungen. Sie lehnen das Angebot ab, sich nach einer Kündigung einzeln durch eine Auffanggesellschaft vermitteln zu lassen. Seit dem 15. Februar ist die Fabrik besetzt, d.h. die Leute sind tagsüber in der Fabrik, um zu verhindern, dass Maschinen aus der Fabrik geholt werden. Dort halten sie regelmäßig Versammlungen ab, um die nächsten Schritte zu diskutieren. So haben sie z.B. die Firmentechnologie benutzt, um E-Mails und Faxe an verschiedene Nokia-Fabriken in der Welt zu schicken oder die lokale und überregionale Presse zu kontaktieren.
Am 25. Februar haben sie eine Demo mit anschließender Gleisbesetzung des nahegelegenen Bahnhofs organisiert, um auf ihren Kampf aufmerksam zu machen. Demnächst wollen sie ein Konzert in einem befreundeten Kulturzentrum veranstalten, um mit mehr Leuten und UnterstützerInnen in Kontakt zu kommen. Momentan warten sie noch auf die Reaktion des Unternehmens. Solange wollen sie die Fabrik besetzt halten und noch andere Aktionen starten. Ein Arbeiter meinte, dass sie zwar die Fabrik besetzen, aber nicht weil sie denken, dass sie ihnen gehört. Der einzige, der hier was zu verlieren hätte, sei der Besitzer. Wenn sie den Job nicht werden behalten können, kann die Fabrik zum Teufel gehen...

Kontakt zu den Streikenden in Mailand:
[basta_nokia@yahoo.it]


Nokia / Connecting People

...wie andere Unternehmen verbindet auch Nokia Menschen,
- verbindet an Fließbändern ArbeiterInnen von Leiharbeitsfirmen und Festangestellte, um zu sehen, wer für weniger mehr arbeitet,
- verbindet über Transportketten verschiedene Produktionsstandorte, um sie um die Wette "rationalisieren" zu lassen.
Tritt die Krise ein - haben Nokia u.a. uns zu viel am Band zappeln lassen und den Markt mit Handynasenhaartrimmernoderhastenichgesehen überschwemmt - bringen sie uns auch wieder auseinander: schließen diese oder jene Fabrik, schicken diese oder jene ArbeiterInnen nach Hause.

In der Luft liegt aber nicht nur die Krise, nicht nur die Verschlechterung unserer Lebensbedingungen, sei es hier im Ruhrgebiet, in Tokyo, Mailand oder Los Angeles. In der Luft liegt was Neues: Mit der sich weltweit verschärfenden Krise hören wir aus verschiedenen Ecken der Erde von Versuchen seitens der ArbeiterInnen, auf die Angriffe der Unternehmen zu reagieren, ohne dabei auf irgendwelche aparten Apparate oder die nächste Regierung zu setzen.

In Argentinien besetzen Arbeitslose wichtige Zufahrtsstrassen, um gegen die Sparmaßnahmen des Staats zu reagieren, einige Betriebe werden von den ArbeiterInnen kontrolliert und hunderte Menschen nehmen statt an Wahlen an Versammlungen in Stadtvierteln oder Betrieben teil. In Südkorea gab es Ende Februar einen Generalstreik, der die Regierung ins Wanken brachte und einiges mehr. Wir sehen auch kleinere Auseinandersetzungen von ArbeiterInnen in verschiedenen Ländern, die unter ähnlichen Bedingungen ähnliche Antworten finden, seien es Putzkräfte in Mailand oder McDonald's-MalocherInnen in Paris (siehe auch [www.prol-position.net]).

Viele dieser Auseinandersetzungen bekommen wir aber gar nicht mit, weil weder die üblichen Medien, noch die gewerkschaftlichen Bürokratien ein Interesse daran haben, über offensive und selbstorganisierte Aktivitäten gegen verschärfte Ausbeutung zu berichten. Wir finden diese Infos wichtig, daher dieses Flugblatt. Das Beispiel der Streikenden bei Nokia im Norden Mailands zeigt, dass uns die (internationale) Organisation der Arbeit - "firmeneigene" Kommunikationsmittel, Verkehrswege, Zulieferstrukturen etc. - verschiedenste Möglichkeiten gibt, den Kampf zu organisieren. Es zeigt auch, dass wir die Isolation in einzelne Abteilungen, Betriebe, Regionen etc. durchbrechen müssen, um nicht geplättet zu werden.

Diese Isolation werden wir nur dadurch überwinden, in dem wir anziehend auf andere Ausgebeutete wirken: anziehend, weil wir durch unerwartete, spontane Aktionen den Bossen den Arsch auf Grundeis gehen lassen und wir durch die Selbstorganisierung des Streiks, der Besetzung, der Sabotage auch untereinander neue, intensivere Beziehungen entwickeln, die in unserem Arbeisalltag oft draufgehen. Nur so können wir die Frage nach dem Neuen stellen: nach der Bewegung für eine andere Gesellschaft, in der wir uns selbst verbinden und das nicht den Hamsterrädern von Nokia oder sonst einem Profitcenter überlassen!


Connecting Prols
Auch hier in der Region hören wir von vereinzelten Konflikten, z.B. von Aktionen gegen die Schliessung des Deutsche Bank 24 Call Centers in Duisburg, streikenden BusfahrerInnen im Winter 2001/2 in Düsseldorf oder von Auseinandersetzungen um befristete Verträge und Sonderschichten bei Opel in Bochum. Bleibt alles noch etwas defensiv und verstreut, aber wenn ihr aufregendere Geschichten von eurem Fließband oder aus eurer Putzkolonne auf Lager habt, schreibt uns: [prols@prol-position.net]
website: [www.prol-position.net]


Connecting Milano
Für ein ArbeiterInnen-Netz treffen wir uns jeden Dienstag um 21:30 Uhr in der Via Conterosso 20, Panetteria Occupata, Milano-Lambrate. [rossoconte@hotmail.com]


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