Ein Auszug aus - kassiber 34 - Februar 98
Hausdurchsuchung im Antirassismus-Büro und Sielwallhaus
Alle Jahre wieder
Am 3. Dezember wurden das Antirassismus-Büro (ARAB) sowie alle anderen Räumlichkeiten des Sielwallhauses durchsucht. Der Durchsuchungsbeschluß wurde im Rahmen eines laufenden Ermittlungsverfahrens gegen mutmaßliche Verantwortliche des Antirassismus-Büros wegen "Beleidigung, Verleumdung u.a." erlassen.
Diese Vorwürfe beziehen sich auf Publikationen, die im Rahmen der Aktionstage gegen rassistische Polizeigewalt vom Antirassismus-Büro und anderen Gruppen veröffentlicht wurden, wie ein vierseitiges Flugblatt, das zu einer Demonstration am 19. September 1997 und den vorausgehenden Aktionstagen aufrief, sowie ein Flugblatt zur Erteilung von Fahrverboten gegen Schwarze in Bremer Bussen und Straßenbahnen.
Der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts Bremen vom 10. November soll wohl eine Art schlechter Scherz sein. Strafbar als "Beleidigung" und "Verleumdung" sollen inzwischen schon Formulierungen wie "rassistische Kriminalitätsdebatte" und "Polizeiterror" sein. Es ist pauschal die Rede davon, daß "Straftaten gebilligt" würden. Ein Beschluß, der nicht einmal konkret benennt, worum es eigentlich gehen soll, und sich stattdessen mit "u.v.a." behilft, hat mit der stets hochgehaltenen Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun. Offenbar scheint es inzwischen grundsätzlich strafbar zu sein, wenn sich das Antirassismus-Büro zum Thema Polizei und Rassismus äußert.
Es versteht sich von selbst, daß sämtliche in den Flugblättern gebrauchten Formulierungen von dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind. Etwaigen Gerichtsverfahren sehen wir von daher mit größter Gelassenheit entgegen. Es sei darauf verwiesen, daß das mit großem (finanziellen) Aufwand gegen ARAB-Mitarbeiter betriebene Verfahren wegen angeblicher "Volksverhetzung" (inkriminiert und zeitweise beschlagnahmt war die Broschüre Polizisten, die zum Brechen reizen) mit Freispruch endete. Die Kosten trägt die Staatskasse (Rechnungshof?).
Die Arbeit des ARAB ist richtig, fundiert und erfolgreich. Die vom Antirassismus-Büro angeprangerten Praktiken sind international (amnesty international) und bundesweit aufgegriffen worden. Die Brechmittelvergabe wurde in Hessen und Berlin beendet, nachdem eine Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei mit Unterstützung und Beratung des ARAB in einem konkreten Fall eine Grundsatzentscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt erwirkte. Kein Wunder, daß der besagte Anwalt in Frankfurt ähnlichen Anfeindungen seitens der Polizei ausgesetzt ist wie das ARAB in Bremen. Das Zwangsröntgen jugendlicher Flüchtlinge zum Zwecke der Altersfeststellung mit nachfolgender Anklage wegen schwerer mittelbarer Falschbeurkundung wurde nach Kritik und Protesten des ARAB im September 1995 von der Gesundheitssenatorin unterbunden. Die Kritik des ARAB an den Aufenthaltsverboten für Asylbewerber und den gegenüber Afrikanern ausgesprochenen Fahrverboten in Bussen und Bahnen der Bremer Straßenbahn AG ist bundesweit aufgegriffen worden - siehe einen großen Artikel in der Frankfurter Rundschau im Oktober 1997 sowie den Bericht in der ZDF-Sendung "Nachbarn" am 6. Dezember.
Die Bremer Innenbehörde und die Staatsanwaltschaft sind erkennbar daran interessiert, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln jegliche Kritik an den Praktiken der Bremer Polizei zu unterbinden. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß der Innensenator des kleinsten Bundeslandes mehrfach glaubte, mit wütenden Beschimpfungen ("Angriff auf den Rechtsstaat" etc.) die Glaubwürdigkeit von amnesty international in Zweifel ziehen zu können.
Wenn der Innensenator, der Bürgermeister, die Staatsanwaltschaft und die Polizeiführung tatsächlich ernsthaft behaupten wollten, es gäbe keine rassistischen Polizeipraktiken in Bremen, dann wäre das allerdings nichts weiter als interessengeleiteter, dumm-dreister Unsinn. Es sei daran erinnert, daß sich in Hamburg ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß zwei Jahre lang (Oktober 1994 bis Oktober 1996) mit dem Thema beschäftigt und einschlägige Ergebnisse zutage gefördert hat.
Die von der Medienrazzia am 19. August 1996 in Bremen zum Teil betroffene und insgesamt darüber empörte Presse sollte in diesem Zusammenhang zur Kenntnis nehmen, daß es bei den gegen das Antirassismus-Büro gerichteten Maßnahmen nicht um die Aufklärung von Straftaten geht, sondern einzig und allein darum, eine unbequeme und für die Behörden nervige Stimme mundtot zu machen. Die Durchsuchungen sind ein Angriff auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung.
Antirassismus-Büro
(redaktionell überarbeitet)
Kontakt:
Antirassismus-Büro (ARAB)
Sielwall 38
28203 Bremen
Telefon: 0421-706444
Fax: 0421-706445
eMail: arab@is-bremen.de
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kombo(p) - 16.02.1998