Drogen, Söldner und Konzerne
Neoliberale Globalisierung am Beispiel Kolumbiens
von Raul Zelik
Mit den Chicago Boys wurde die Entstaatlichung' zum Schlachtruf
der kapitalistischen Modernisierer. Seitdem wird privatisiert, was
sich privatisieren lässt: Gesundheit, Erziehung, Wasser; aber
eben auch Krieg, Unterdrückung, Terror. In Kolumbien zeigt
sich besonders deutlich, wie Privatarmeen, internationale Sicherheitsunternehmen',
organisierte Kriminalität und der Staat in den Ländern
des Südens miteinander kooperieren, um optimale Verwertungsbedingungen
für das Kapital zu schaffen.
Dass Söldnerarmeen in den afrikanischen Diamanten- und Erdölkriegen
eine Schlüsselrolle spielen, hat sich mittlerweile herumgesprochen.
Der Berliner Antimilitarismusforscher Ralf Bendrath spricht in diesem
Zusammenhang von "neuen Vergesellschaftungsformen jenseits
des modernen Staates". Das Auseinanderfallen von politischen
Territorien und wirtschaftlichen Räumen sowie die von IWF-
und Weltbank vorangetriebene Schwächung der Trikontstaaten
werte die "nichtstaatlichen Akteure auch in der Kriegführung
auf". Als Folge davon entstehen auf dem Tausch Diamanten
/ Öl gegen Waffen' basierende Kriegsökonomien, die den
ausländischen Konzernen häufig besonders günstige
Bedingungen für die Ausbeutung von Rohstoffvorkommen bieten.
Das kriegerische Chaos, das Hunderttausenden den Tod beschert, besitzt
eine überraschende Rationalität.
Am Fall Kolumbien, wo paramilitärische Verbände seit
mittlerweile 20 Jahren einen Vernichtungsfeldzug gegen die soziale
und politische Opposition führen, kann man beobachten, dass
diese Privatisierung von Krieg und Unterdrückung keineswegs
zu einem staatlichen Kontrollverlust führen muss, sondern auch
als eine Art geordnetes Outsourcing vor sich gehen kann. Die Gründung
der ersten Privattruppen in dem südamerikanischen Land 1982
geht auf das gemeinsame Interesse von Armee, Viehzüchtern,
Ölmultis und Drogenhändlern zurück, dem "Fisch",
d. h. einer wachsenden Aufstandsbewegung, "das Wasser"
zu entziehen. Ausgehend von der zentralkolumbianischen Garnisonsstadt
Puerto Boyacá begannen die Hintermänner des Paramilitarismus
damit, den Krieg (ähnlich wie in Kurdistan oder Guatemala)
aus dem Staatsapparat auszulagern und damit die Militärs zu
entlasten.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Obwohl staatliche und parastaatliche
Gruppen in Kolumbien seitdem weitaus mehr Menschenrechtsverletzungen
verübt haben als die chilenische Militärdiktatur unter
Pinochet, muss Kolumbien keine Boykottkampagnen fürchten. Die
Menschenrechtssituation wird vielmehr als Ausdruck eines "schwachen
Staates" interpretiert, was wiederum 2 Mrd. US-Dollar hohe
Militärhilfezahlungen im Rahmen des Plan Colombia legitimiert
hat. Und auch innenpolitisch erfüllt der outgesourcte Krieg
seine Funktion. Das Auftauchen neuer bewaffneter Akteure und die
wachsende Unübersichtlichkeit des Konflikts hat zur fast völligen
Entpolitisierung der kolumbianischen Gesellschaft geführt.
Doch der privatisierte Krieg erfüllt nicht nur Funktionen
der Aufstandsbekämpfung. Mit der Entstaatlichung einher geht
auch, dass die Kriegsführung selbst zunehmend von privatkapitalistischen
Interessen bestimmt wird. So treten die kolumbianischen Paramilitärs
in den vergangenen Jahren immer schamloser als Säuberungskommandos
transnationaler Konzerne und des einheimischen Kapitals auf. Sie
garantieren die Investitionssicherheit der Erdöl- und Kohlemultis,
beseitigen gewerkschaftlichen Widerstand, sorgen für die reibungslose
Abwicklung von Straßenbauprojekten, wie sie im Zusammenhang
mit der FTAA-Freihandelszone geplant sind, und verwandeln sich dabei
selbst in eine Art Raubbourgeoisie. Die Führung der Todesschwadronen
um den Viehzüchter Carlos Castaño soll sich durch die
Vertreibung von Kleinbauern mehrere Million Hektar Weideland angeeignet
haben - ein Prozess, den der Bauernverband ANUC als "umgekehrte
Landreform" bezeichnet. "Anderswo kommt es zu Vertreibungen,
weil Krieg geführt wird. In Kolumbien führt die Oberschicht
Krieg, damit es zu Vertreibungen kommt."
Neben den Bauern - mehr als 2 Millionen Menschen sind in dem Land
auf der Flucht - trifft es v. a. Gewerkschafter. Nach Angaben der
ILO sterben in keinem anderen Land der Welt so viele Arbeiteraktivisten
bei Anschlägen wie in Kolumbien - letztes Jahr waren es über
150 Menschen, und das obwohl der Organisierungsgrad mit unter 5
Prozent der Belegschaften extrem niedrig ist. Besonders stark verwickelt
in Menschenrechtsverletzungen sind Coca Cola und British Petroleum.
Gegen den Getränkekonzern, der über Anteile am kolumbianischen
Lizenznehmer Panamco mehrere Abfüllfabriken in Kolumbien unterhält,
hat die US-Gewerkschaft United Steel Workers mittlerweile eine Klage
vor dem Distriktgericht von Südflorida eingereicht. 120 Angriffe
und Morde hat die Nahrungsmittelgewerkschaft SINALTRAINAL seit 1990
bei Coca Cola erlitten. In der nordkolumbianischen Kleinstadt Carepa
wurde die Gewerkschaft im Dezember 1996 im wörtlichen Sinne
physisch eliminiert. Todesschwadronen ermordeten den regionalen
SINALTRAINAL-Sekretär, ein weiterer Funktionär konnte
einer Entführung nur knapp entkommen. Nach dem Anschlag setzten
die Paramilitärs das Gewerkschaftsgebäude in Brand und
zwangen die Arbeiter der Abfüllanlage, "bis 4 Uhr nachmittags
aus der Gewerkschaft auszutreten".
Das Ergebnis dieser Firmenpolitik ist das, was im Wirtschaftsteil
der Tageszeitungen gerne als Deregulierung und Flexibilisierung
der Arbeitsmärkte bezeichnet wird. "Anfang der 90er Jahre",
erklärte ein SINALTRAINAL-Funktionär unlängst in
einem Interview, " arbeiteten in den verschiedenen Coca-Cola-Niederlassungen
Kolumbiens etwas über 10.000 Arbeiter, sie verfügten alle
über unbefristete Verträge und ein durchschnittliches
Einkommen von 600-700 US-Dollar. Heute ... haben nur noch etwa 2.500
Arbeiter Verträge von Coca-Cola und nur 500 davon feste Verträge;
weitere 7.500 sind über Subunternehmer beschäftigt. Ihr
durchschnittliches Monatseinkommen beträgt etwa 150 US-Dollar
... Über 6000 der insgesamt 10.000 Beschäftigten wurden
während des vergangenen Jahrzehnts ausgetauscht. Die Zahl unsrer
Mitglieder bei Coca-Cola sank von ehemals 2.500 auf nur noch knapp
500."
Während sich bei Coca Cola eine Art verlängerter Werkschutz
etabliert hat, begreift man den Aufgabenbereich Investitionssicherheit'
bei British Petroleum noch etwas umfassender. Für den Ölmulti
arbeiten in allen Teilen der Welt moderne Sicherheitsunternehmen,
deren Verbindungen tief hineinreichen in den Sumpf der Geheimdienste,
Waffen- und Drogenhändlerringe. Im Oktober 1998 berichtete
ein gemeinsames Recherche-Team vom britischen Guardian und der kolumbianischen
Tageszeitung El Espectador über die Praktiken des von BP angeheuerten
Sicherheitsunternehmens Defence Systems Limited (DSL). Dieses in
der Thatcher-Ära von ehemaligen SAS-Agenten gegründete
und mit besten Beziehungen zur britischen Regierung ausgestattete
Unternehmen hatte Anfang der 90er Jahre von dem Ölkonzern den
Auftrag erhalten, Sicherheitskonzepte für die ostkolumbianischen
Vorkommen bei Cusiana zu erarbeiten. BP, der größte Einzelinvestor
in Kolumbien, fürchtete die Anschläge der ELN-Guerilla,
die die Ausbeutung der Bodenschätze durch transnationale Unternehmen
seit Jahren mit Pipeline-Sprengungen effektiv zu unterbinden versteht,
aber auch die Politik der Erdölgewerkschaft USO, die eine Nationalisierung
der kolumbianischen Ressourcen zugunsten der kolumbianischen Unterschichten
fordert. Vor diesem Hintergrund übernahm der ehemalige britische
Geheimdienstoffizier Roger Brown den Schutz der BP-Anlagen. 1996,
als das Konsortium OCENSA (an dem BP maßgeblich beteiligt
ist) den Bau einer 800 km langen Pipeline zwischen dem Ölfeld
in Cusiana und dem Karibikhafen Covenas in Angriff nahm, setzte
sich Brown als Vertreter der DSL-Tochter Defence Systems Colombia
u. a. mit dem israelischen Sicherheitsunternehmen Silver Shadow
zusammen, das für den Pipelinebau ein Papier mit dem Titel
"The Turn Key Project" erstellte. Bestandteil dieses Plans
war die "Lieferung von speziellen Anti-Guerilla-Waffen und
-Ausrüstung", darunter Nachtsichtgeräte, Spionage-Dronen
und Kommunikationstechnologie. Die Übergabe erfolgte an die
damals wegen mehrerer Massaker von der kolumbianischen Justiz untersuchte
14. Armeebrigade mit Sitz in Segovia / Antioquia. Außerdem
wurden die Durchführung von Seminaren zu den Themen Verhörtechniken,
Informationsbeschaffung und "psychologische Operationen",
Trainingsprogramme für lokale Polizei- und Armeeeinheiten sowie
der Aufbau eines "Informantennetzes" im Umfeld der BP-Anlagen
vereinbart. Es ist nicht genau bekannt, in welcher Form die Pläne
umgesetzt wurden, doch auffällig ist, dass während des
Pipelinebaus allein in der als rote Zone' geltenden Region
um die Kleinstadt Segovia 140 Menschen von Paramilitärs ermordet
wurden - darunter alle Mitglieder des örtlichen Menschenrechtskomitees.
Auch BP selbst wurde offensichtlich aktiv. Der Vorstand der Ölarbeitergewerkschaft
USO warf dem Konzern im Februar 1999 vor, die Aktivitäten der
Gewerkschaft in Cusiana bespitzeln zu lassen und Informationen an
Armee und Polizei weiterzugeben.
Dass die zum Schutz des Konzerns ergriffenen Maßnahmen häufig
illegal waren, interessierte bei BP offensichtlich niemanden. Ende
der 90er Jahre ermittelte die kolumbianische Justiz wegen illegaler
Zahlungen an Armee- und Polizeieinheiten gegen den Ölkonzern
- BP hatte die Sicherheitsorgane faktisch für Dienstleistungen
gekauft. Das für den Ölkonzern tätige Unternehmen
Silver Shadow wiederum ließ sich u. a. vom Paraguayer Ricardo
Zayas Marini vertreten, gegen den in Kolumbien zwar ein Haftbefehl
wegen Drogenhandels vorlag, der aber dennoch problemlos an Treffen
mit kolumbianischen Regierungsstellen teilnehmen konnte. Und das
britische DSC schließlich nahm für seine Operationen
ausgerechnet den kolumbianischen Ex-General Herman Guzmán
Rodríguez unter Vertrag, den Menschenrechtsorganisationen
für 149 politische Morde in den Jahren 1987-90 verantwortlich
machen.
Umso genauer man die Aktivitäten des kolumbianischen Paramilitarismus
unter die Lupe nimmt, desto mehr obskure Querverbindungen zu Söldnerunternehmen,
Waffenhändlerringen und Geheimdiensten fördert man zutage.
So erst wieder vor wenigen Wochen. Ende April 2002 wurden Panama
und Nicaragua von einem Skandal erschüttert, bei dem es um
eine der größten illegalen Waffenlieferungen in der Geschichte
geht. Unter Vermittlung des in Guatemala ansässigen Waffenhändlerunternehmens
GIR S. A. exportierte die nicaraguanische Polizei offensichtlich
im November vergangenen Jahres 5000 Gewehre sowie die dazu gehörigen
Bajonettes und Munition Richtung Panama. Im Gegenzug erhielt Nicaragua
von GIR S. A., einer Tochter der staatlichen Israel Military Industries
Ltd., polizeitaugliche Schnellfeuerwaffen im gleichen Wert. Allerdings
kamen die nicaraguanischen Kalaschnikows nie in Panama an. Stattdessen
wurden sie über den von der kolumbianischen Armee kontrollierten
Hafen in Turbo an die Paramilitärs von Carlos Castaño
übergeben. Als der Waffendeal dann im Frühjahr 2002 aufflog,
schoben sich die Beteiligten gegenseitig die Verantwortung zu. Der
Polizeipräsident von Panama, Carlos Barés, behauptete,
die in Nicaragua vorgelegten panamesischen Papiere seien gefälscht
worden und bezichtigte seinen nicaraguanischen Amtskollegen der
Lüge, in Nicaragua gab man sich überrascht, und der Vertreter
von GIR S. A. Ori Zoller erklärte, sein Unternehmen habe das
Waffengeschäft ganz transparent und gesetzestreu abgewickelt.
Unabhängig von der Frage, wer von den Beteiligten lügt
oder ob nicht alle von den Waffenlieferungen an die Todesschwadronen
wussten, weist das Dreiecksgeschäft auffällige Parallelen
zu früheren Waffendeals in der Region auf, die wiederum einige
Querverweise zur berüchtigten Iran-Contra-Connection besitzen.
Zur Erinnerung: Im Rahmen des Iran-Contra-Handels versorgte die
US-Regierung die nicaraguanische Contra durch eine Geheimdienstoperation
mit Waffen und bereitete der Verbreitung von Crack in den afroamerikanischen
Communities in den USA den Boden (siehe konkret 11/96). Die Aufrüstung
der kolumbianischen Ultrarechten erfolgte auf ähnliche Weise.
So entdeckten Polizisten 1989 beim Überfall auf die Finca des
Drogen-Capos Carlos Rodríguez Gacha 178 automatische Gewehre,
die IMI ein Jahr zuvor in die Antillenrepublik Antigua geliefert
hatte. In den Folgemonaten stellte sich heraus, dass Rodríguez
Gacha, militärischer Chef des Medellín-Kartells und
enger Vertrauter von Pablo Escobar, die Waffen von einer Gruppe
Söldner um den israelischen Sicherheitsexperten Yair Klein
erhalten hatte. Bei den Ermittlungen der kolumbianischen Justiz
stellte sich weiterhin heraus, dass Kleins Leute auch für das
Training der ersten paramilitärischen Verbände im zentralkolumbianischen
Magdalena-Tal und in den Bananen-Anbaugebieten Urabás verantwortlich
gewesen waren - offensichtlich in Absprache mit hochrangigen kolumbianischen
Militärs. Als Kontaktmann bei der Einreise von Klein im Jahr
1987, die auf Initiative des Plantagenbesitzerverbandes UNIBAN und
verschiedener Viehzüchter erfolgte, fungierte nämlich
der Ex-Offizier Luís Meneses, der später weitreichende
Aussagen über die Struktur des Paramilitarismus machte. Meneses
zufolge wurden die Aktivitäten der Todesschwadronen zunächst
über das Geheimdienstbataillon Charly Solano koordiniert. 1986
dann habe man einen geheimen Koordinierungsrat in der Armee eingerichtet.
Der hochrangige Paramilitär Jesús Alonso de Baquero
alias Vladimir, der in den 80er Jahren an den meisten Massaker in
der Region um den Magdalena-Strom direkt beteiligt war, ergänzte
diese Version. Vladimir erklärte, seine Befehle von den Armeegenerälen
erhalten zu haben und von Klein in "englischen und deutschen
Taktiken" ausgebildet worden zu sein, "die darin bestehen,
den Gegner mir der Wurzel auszulöschen". Klein war dabei
nicht der einzige ausländische Sicherheitsexperte'. Zeitgleich
im Land war eine Gruppe britischer Söldner um den Sergeant
i. R. Peter Stuart McAlesse, der 1976 die UNITA für den Kampf
gegen die linke Regierung in Angola fit gemacht hatte. Doch weder
Klein noch McAlesse wurden wegen dieser Aktivitäten jemals
belangt. Die britische Regierung ignorierte die Anfragen der kolumbianischen
Justiz, und Yair Klein kam, nachdem er 1999 im westafrikanischen
Sierra Leone wegen Kooperation mit der (von Liberia und Libyen unterstützen)
"Rebellenarmee" RUF verhaftet worden war, nach nur 15
Monaten wieder frei. Nach eigenen Angaben war Klein in Sierra Leone
ins Diamantengeschäft eingestiegen, stand in dem Konflikt jedoch
offensichtlich auf der falschen Seite: USA und Großbritannien
unterstützten in dem westafrikanischen Bürgerkrieg die
Regierungsseite.
Die Tatsache, dass ein per Haftbefehl gesuchter Ausbilder von Todesschwadronen
mit Verbindungen zum Medellín-Kartell nach derart kurzer
Zeit wieder frei kommt und heute unbehelligt in Jaffa leben kann
(obwohl auch in Israel gegen ihn ermittelt wurde), lässt eigentlich
nur eine vernünftige Erklärung zu: Der Mann weiß
zu viel über die Hintergründe der Drogen-Counterinsurgency-Verbindungen
in der Karibikregion. Es gibt nämlich eine Reihe interessanter
Details im Zusammenhang mit der von Klein eingefädelten Waffenlieferung,
die darauf hindeuten, dass die US-Regierung nicht nur zur Unterstützung
der nicaraguanischen Contra schmutzige Terrorallianzen mit dem Drogenhandel
unterhalten hat oder bis heute unterhält.
Im Herbst 1988 fragte der Geschäftsmann Maurice Sarfati, offiziell
Melonenzüchter in Antigua und Partner Kleins, bei IMI nach,
ob man interessiert sei, 500 automatische Gewehre zu verkaufen.
Ursprünglich sollte das Geschäft mit der Regierung des
panamesischen Präsidenten Noriega abgewickelt werden. Doch
Klein und Sarfati erfuhren, dass Noriega die Waffen möglicherweise
für eigene Zwecke verwenden wollte - es war die Zeit, als der
ehemalige CIA-Mann Noriega der Kontrolle der US-Regierung zu entgleiten
begann. Vor diesem Hintergrund wurde der Waffendeal schließlich
über die Republik Antigua abgewickelt: 500 Kriegsgewehre gingen
an eine Armee, die zu diesem Zeitpunkt gerade einmal eine Truppenstärke
von 90 Mann besaß. Die Waffen gelangten ohne Zwischenstopp
in die Hände der kolumbianischen Paramilitärs, das - offensichtlich
aus Drogengeschäften stammende - Geld wurde der Jerusalem Post
zufolge über diverse Banken in den USA gewaschen.
Die Sache flog nur deshalb auf, weil das Medellín-Kartell
im Verlauf des Jahres 1988 in einen Konflikt mit dem kolumbianischen
Staat schlitterte. Bis dahin hatten die Capos Escobar und Gacha
beim Aufbau der Todesschwadronen mit der Armee zusammengearbeitet
und möglicherweise sogar noch mehr nützliche Dienste verrichtet,
denn das von der nicaraguanischen Ultrarechten gehandelte Kokain
der Iran-Contra-Affäre stammte schließlich auch aus kolumbianischen
Quellen.
Im 1992 vorgelegten Untersuchungsbericht der US-Senatoren John
Kerry und Hank Brown zum Skandal um die BCCI-Bank wurden Sarfatis
Geschäfte noch einmal beleuchtet. Dem Bericht zufolge hatte
der Geschäftsmann 1983 von Overseas Private Investment Corporation
(OPIC), einer US-Agentur, die "in Amerikas wirtschaftlichem
und strategischem Interesse liegende Privatinvestitionen in Übersee"
fördert, einen 2 Mio Dollar-Kredit für den Aufbau einer
Melonenfarm erhalten. Von Sarfatis Obst war danach nie wieder die
Rede. Bekannt wurde jedoch, dass Partner Klein, der in den 80er
Jahren auch die Contra in Honduras trainierte, in Antigua Trainingskurse
durchführen wollte oder durchgeführt hat. Im US-Untersuchungsbericht
ist außerdem die Rede davon, dass die pakistanische BCCI-Bank
gegenüber OPIC für Sarfati bürgte. Über die
nach ihrem Zusammenbruch als internationale Geldwaschanlage bekannt
gewordene BCCI-Bank finanzierten die US-Geheimdienste ihre verdeckten
Operationen in Nicaragua und Afghanistan. (Eine durchaus amüsante
Hintergrundinformation ist in diesem Kontext, dass 20 Prozent der
Anteile an BCCI in den Händen von Scheich Mahfouz lagen, der
wegen der BCCI-Affäre in den USA 170 Millionen US-Dollar Strafe
zahlen musste und in den letzten Monaten wieder ins Gespräch
kam - als angeblicher Verbündeter Osama Bin Ladens.) Als Sarfati
seinen Kredit nicht zurückzahlen konnte, übernahm der
Geschäftsmann Bruce Rappaport Sarfatis Schulden mit 50 Prozent
Wertminderung. Der Untersuchungsbericht der Senatoren besagt, dass
Rappaports Geschäfte eng mit der BCCI-Bank verwoben gewesen
seien, und bezeichnet ihn als "Vertrauten" des damaligen
CIA-Chefs William Casey. Die Melonenfarm' besitzt alle Merkmale
einer Briefkastenfirma für verdeckte Operationen.
Man darf aus solchen Puzzlestücken sicherlich keine Weltverschwörungstheorien
basteln. Doch es spricht einiges dafür, dass der Aufbau der
kolumbianischen Paramilitärs ebenso wie der der Contra mit
Hilfe westlicher Militärexperten vonstatten ging. Und es gibt
weiterhin ernstzunehmende Indizien dafür, dass die US-Regierung
die damals existierenden Verbindungen zum Drogenhandel in der Karibikregion
auch nach Veröffentlichung der Iran-Contragate-Affäre
nicht gekappt hat. Im Jahr 2000 veröffentlichte die spanischsprachige
Ausgabe des Miami Herald, El Nuevo Herald, Informationen über
Kontakte zwischen kolumbianischen Drogenhändlern, Paramilitärs
und der Drug Enforcement Agency (DEA). Der Model-Fotograf Baruch
Vega, der nach eigenem Bekunden lange für den US-Geheimdienst
gearbeitet hat und zuletzt als DEA-Informant tätig war, wurde
festgenommen, weil er Treffen zwischen der DEA und kolumbianischen
Drogen-Capos organisiert hatte. Im Zusammenhang mit diesem "Resozialisierungsprogramm
für Drogenhändler" (Baruch Vega), dessen Aufdeckung
nebenbei zur stillschweigenden Entlassung des kolumbianischen Polizeikommandanten
José Rosso Serrano und der zuständigen Drogenstaatsanwältin
von Florida führte, kamen auch Informationen über geplante
Gespräche zwischen US-Behörden und den Kommandanten der
Paramilitärs ans Tageslicht. Der Chef der kolumbianischen Ultrarechten
Carlos Castaño hat den US-Behörden seit 1999 mehrmals
- inzwischen auch öffentlich - vorgeschlagen, für eine
Unterwerfung des Drogenhandels unter die Justiz zu sorgen. Das Angebot
wirkt ein bisschen an wie in dem Hollywood-Schinken "Das Kartell"
mit Harrison Ford: Was würden Sie tun, wenn ich Ihnen
verspreche, den Drogenhandel um 50 oder 60 Prozent zu verringern?'
Castaño wäre zu einer derartigen Disziplinierung tatsächlich
in der Lage: Der als Chef des wichtigen Cartel del Norte geltende
Drogenhändler Hernando Gómez ist für die Finanzen
der Paramilitärs verantwortlich. Außerdem weiß
man, dass sich die größten Drogenhändler Kolumbiens
auf Vorschlag Castaños mehrmals getroffen haben, zuletzt
im März dieses Jahres.
Die Verbindungen der US-Behörden reichen sogar noch weiter
in den Sumpf hinein. Dem in dieser Hinsicht ausgesprochen gut informierten
Nuevo Herald zufolge waren US-Ermittler im Jahr 2000 Gerüchten
über eine obskure Drogenhändlerverbindung mit dem reißerischen
Namen "Kartell der Teufel" auf der Spur - einer Allianz,
die aus dem Cartel del Norte, Teilen der kolumbianischen Polizei,
US-Offizieren und Paramilitärs bestehen soll. Tatsächlich
hat es ein ähnliches Bündnis Anfang der 90er Jahre zu
einem anderen Zweck bereits einmal gegeben. Im Krieg gegen das Medellín-Kartell
von Pablo Escobar arbeitete die DEA nicht nur mit der Polizei-Sonderheit
Bloque de Búsqueda, sondern auch mit den so genannten Pepes
(Perseguidos por Pablo Escobar - Verfolgte von Pablo Escobar) zusammen.
Unter diesem Namen versammelten sich Drogenhändler aus Cali
und Abtrünnige des Medellín-Kartells, unter ihnen auch
die Gebrüder Fidel und Carlos Castaño, die damals das
Kommando über die Pepes innehatten. Nach Angaben von US-Menschenrechtsorganisationen
waren diese Todesschwadronen verantwortlich für 1000 Morde
an mutmaßlichen Angehörigen des Medellín-Kartells
und konnten bei ihren Operationen auf volle Unterstützung der
Polizeispezialeinheiten zählen. Der damalige Kontaktmann der
DEA zu dieser berüchtigten Truppe war Javier Peña, heute
deputy director im DEA-Büro in Bogotá. Der Nuevo Herald
zitierte weiterhin einen Zeugen, demzufolge Peña, wenn er
im Bunker der Sondereinheit übernachtete, im gleichen Gebäude
schlief wie die Castaño-Brüder, die auf dem Polizeigelände
ein und ausgingen. Außerdem ist bekannt, dass einer der wichtigsten
Führer der Pepe-Kommandos, der Chef der Medelliner Terraza-Bande,
Don Berna, zur Fußballweltmeisterschaft 1994 ein Visum für
die USA erhielt - wahrscheinlich als Belohnung für seine Arbeit.
Amnesty International hat mehrmals die Veröffentlichung der
Geheimdienstakten aus jenen Jahren gefordert - ohne Erfolg versteht
sich. Offiziell stehen die kolumbianischen Paramilitärs auf
der US-Terrorliste. Doch von den US-Behörden wird halböffentlich
auch immer mal wieder darauf verwiesen, dass man sich bei der Bekämpfung
des Drogenhandels die Verbündeten nicht unbedingt aussuchen
könne. Nach der gleichen Logik werden die Verantwortlichen
- wenn auch nicht öffentlich - wohl auch bei der Bekämpfung
der Linken argumentieren. In einem Land wie Kolumbien, in dem in
70-80 Prozent des Territoriums wegen Guerilla-Aktivitäten keine
Investitionssicherheit besteht, wo die Gewerkschaften immer wieder
die IWF-Politik anzugreifen verstehen, das eine lange und unkontrollierbare
Grenze zum größtem Ölproduzenten des Kontinents,
nämlich zu Venezuela, besitzt und in dem darüber hinaus
große, strategische Erdölreserven lagern, muss man zur
Stabilisierung der Verhältnisse mit all denjenigen zusammen
arbeiten, die in Frage kommen. Noam Chomsky mag eine Neigung zu
Verschwörungstheorien haben, aber seine Aussage "es gibt
gute Gründe, warum der CIA und die Drogen so eng miteinander
verbunden sind: Klandestiner Terror erfordert geheime Geldmittel"-
lässt sich mit zahlreichen guten Beispielen belegen.
Wie weit die Verbindungen im kolumbianischen Fall tatsächlich
reichen, wird man wohl wieder erst mit 10 Jahren Zeitverzögerung
erfahren. Heute schon bekannt ist hingegen die Tatsache, dass die
USA bei der Umsetzung des Plan Colombia offen auf die entstaatlichte
Variante der Kriegsführung setzen und es potenziellen Gegnern
damit schwerer machen, Washington für die Konsequenzen seiner
Militärhilfe zu kritisieren. Drogenzar Barry McCaffrey, dem
Kolumbien den kometenhaften Aufstieg zum drittgrößten
Empfänger von US-Militärhilfe in der Welt verdankt, äußerte
schon vor zwei Jahren freimütig vor der Presse, dass "es
wenige Dinge gebe, die man nicht outsourcen könne." Er
sei "ein großer Freund des Outsourcing." So wird
mittlerweile ein erheblicher Teil der Militärhilfe über
verschiedene US- Söldnerunternehmen abgewickelt. Die Firma
DynCorp etwa ist mit 80 Piloten und Mechanikern im Land vertreten,
um Herbizidsprühungen gegen Koka- und Lebensmittelpflanzungen
durchzuführen. Immer deutlicher wird bei diesen Einsätzen,
dass es sich nicht nur um Drogenbekämpfung, sondern - ähnlich
wie in Vietnam - um eine chemische Kriegsführung gegen aufständische
Gebiete handelt. Aviation Development, ein Unternehmen mit Sitz
in Alabama, ist für die Sicherung der kolumbianischen Außengrenzen
zuständig und trug im April 2001 zum Abschuss einer mit US-Missionaren
besetzten Zivilmaschine an der Grenze zu Peru bei. Die Firma AirScan
ist mit der Luftüberwachung Kolumbiens beauftragt und konzentriert
sich v. a. auf die Sicherung der Erdölpipelines, die von US-Botschafterin
Ann Patterson unlängst zum Hauptinteresse der US-Regierung
erklärt worden sind. Doch der wichtigste Teil des Programms,
die strategische Planung, scheint MPRI zu obliegen. Die in Virgina
ansässige Firma, in der Dutzende von ehemaligen US-Generälen
heute ihre Arbeit verrrichten, unter ihnen der Kommandant des Desert
Storm, Carl Vuono, und der ehemalige Chef des Militärgeheimdienstes
DIA, Ed Soyster, kann man mittlerweile als vorgelagertes Büro
des Pentagon bezeichnen. In der Ausgabe der Military Review von
April 1998 schrieb der US-Offizier Thomas Milton über das Verhältnis
von Firmen wie MPRI zur US-Sicherheitspolitik: "Es gibt Unternehmen,
die nicht nur zugunsten von US-Interessen arbeiten, sondern sogar
Teil der vom Verteidigungsministerium erarbeiteten Pläne sind
... Diese Sicherheitsunternehmen sind zu einem integralen Bestandteil
der Pläne und Operationen des Verteidigungsministeriums geworden."
Tatsächlich war MPRI an der Vorbereitung der kroatischen Offensive
gegen die Krajina 1995 maßgeblich beteiligt. Gleiches gilt
nicht nur für die Modernisierung der kolumbianischen Armee
in den vergangenen 4 Jahren, sondern auch für die Erarbeitung
von Sicherheitskonzepten in den Erdölstaaten Nigeria, Äquatorialguinea,
Saudi-Arabien und Kuwait.
Insofern ist es wirklich amüsant, dass Ed Soyster seinen neuen
Arbeitgeber MPRI unlängst als "ein ganz normales Unternehmen"
bezeichnete und ausgerechnet mit Coca Cola verglich. Manchmal stecken
in den schlichtesten Aussagen doch die größten Wahrheiten.
Ob Vorbereitung zum Massenmord oder Herstellung von koffeinhaltiger
Limonade - im Kapitalismus kommt alles warenförmig daher und
wird, wenn nötig, schon auch mal mit Mord und Folter durchgesetzt.
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