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letzte Änderung: 11/07/02 09:36
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Antifa
Demokratie und Freiheit nicht zum Nulltarif
11.07.2002, 09:36, Südkurier
Vom Widerstand des urdemokratischen Hermann Venedey gegen den NS-Staat
Nicht nur Graf von Stauffenberg, die Studenten um die Ulmer Geschwister Hans und Sophie Scholl, der aus Heidenheim stammende Hitlerattentäter Georg Elser, der in Konstanz verhaftet wurde, oder die Mitglieder der "Weißen Rose", die in der Münchener Universität mit Flugblättern protestierten, haben gegen das System der Nazis Widerstand geleistet. Viele, heute fast schon vergessene Menschen, auch aus dem Südwesten, haben sich mutig gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gestellt. Immer im Bewusstsein dessen, dass sie sich dadurch einer großen Gefahr für Leib und Leben aussetzen, verfolgt werden oder mit nicht unerheblichen persönlichen Konsequenzen zu rechnen haben. Nicht wenige mussten ihr mutiges Handeln mit dem Leben bezahlen.
Am Montag, 13. März 1933, setzte der damals 29jährige Lehramtsassessor Dr. Hermann Venedey an der Ober-Realschule in Konstanz (seit 1948 Alexander von Humboldt Gymnasium) ein Zeichen gegen die Unfreiheit und Undrückung der Nazis.
Als am fraglichen Tag auf dem Schulgebäude, nach der großen Pause, auf Erlass des Reichspräsidenten die Hakenkreuzfahne aufgezogen werden sollte, teilte Hermann Venedey in einem Protestschreiben der Schulleitung mit, dass dieses Spektakel ein glatter Bruch der Weimarer Verfassung sei, auf die er seinen Treueid geleistet habe. Im Augenblick der Flaggenhissung lege er sein Lehramt nieder und verlasse das Schulgebäude. In einer kurzfristig einberufenen Lehrerkonferenz hatte der Direktor das Kollegium hiervon in Kenntnis gesetzt. Der Protest beschränkte sich auf das Handeln dieses jungen Lehrers und Familienvaters.
In der in Konstanz erscheinenden "Bodensee-Rundschau" - die offizille NS-Zeitung - beschimpfte ein anonymer Autor Venedey als "Salonbolschewisten". Er wurde öffentlich aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Nachdem er wiederholte, keinen Dienst unter der Hakenkreuzfahne zu leisten, wurde Hermann Venedy aus dem Schuldienst entlassen.
Exil in Basel
Zwölf lange, von der Ungewissheit der Verfolgung geprägten Jahre sollten vergehen, eher er wieder an seine Schule zurückkehren sollte. Im Juni 1933 emigrierte Hermann Venedey mit seiner Frau und dem einjährigen Sohn aus Angst vor den Nazis in die nahegelegene Schweiz nach Basel. Als politischer Flüchtling anerkannt, verdiente er sein Geld als Journalist, als besonders geschätzter Mitarbeiter an der Uni-Bibliothek in Basel und als Korrektor eines Verlages.
Im September 1945 kehrte Hermann Venedey in den Schuldienst an den Bodensee zurück. Zunächst wurde ihm im Mai 1946 die Leitung der Radolfzeller Realschule übertragen, im Jahr darauf wurde er Chef der Mädchen-Oberrealschule in Konstanz (heutiges Ellenrieder-Gymnasium) und schließlich 1948 als Oberstudiendirektor an seinen ehemaligen Arbeitsplatz, an die damalige Ober-Realschule versetzt. Noch im gleichen Jahr bekam diese Schule auf Initiative Hermann Venedeys den Namen, den sie heute noch trägt: Alexander-von-Humboldt-Gymnasium.
Er wurde Direktor seiner Konstanzer Schule bis zu seiner Pensionierung 1969. Im Jahre 1980 verstarb Dr. Hermann Venedey in Konstanz als hochgeschätzter Lehrer und Verfechter der Demokratie und Freiheit.
Das Verhalten des jungen Lehrers Venedey war der mutige Schritt eines Einzelnen - aber er zeigt uns, dass es sich lohnt, sich mit einem hohen Maße an Verantwortungsgefühl und Zivilcourage für Freiheit, Frieden und Demokratie einzusetzen. Auch die jüngste Geschichte gibt uns hierfür viele Beispiele.
David Liehner