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Erklärung zur verhinderten und erneuten Vorführung des Films "Warum Israel"

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2009-11-25

Am 25.10.2009 wurde die Vorführung des Films "Warum Israel" von Claude Lanzmann mit Gewalt von Menschen aus dem Internationalen Zentrum B5, der Sozialistischen Linke SoL und der Tierrechts-Aktion Nord TAN verhindert. Vor dem Eingang zum B-Movie wurde ein israelischer Checkpoint nachgebaut, mit dem der Zugang zum Kino blockiert wurde, so dass die Veranstalter_innen, die Gruppe Kritikmaximierung und das B-Movie, die Filmvorführung absagen mussten. Im Anschluss daran eskalierte die Situation weiter: in zunehmend aggressiverer Stimmung wurden Kinobesucher_innen mit "Nazis raus"-Sprüchen bepöbelt, einer Person rief "Judenschweine", und im folgenden Gerangel wurden Personen geschlagen. Das ist absolut inakzeptabel!

Genauso inakzeptabel ist der Umgang mit dieser Auseinandersetzung in den Erklärungen des Internationalen Zentrums B5 und der Kommunistischen Assoziation Hamburg Anfang November:

Anstatt sich von der antisemitischen Äußerung ihres Genossen/ihrer Genossin zu distanzieren und offen zu legen, wie eine Klärungsprozess mit dieser Person aussehen wird, ziehen sich die Gruppen allein darauf zurück, dass sie solche antisemitischen Sprüche nicht rufen würden, also auch kein "Judenschweine" gefallen sein könne. Das ist zu billig!

Die körperlichen Übergriffe werden in den beiden Erklärungen reduziert auf "kleinere Rangeleien" und "Rempeleien, Schubsereien und vier Backpfeifen". Es ist völlig irrelevant, ob es eine "Backpfeife", eine blutige Nase oder Schlimmeres ist – körperliche Aggression (und dazu gehört auch, wenn sich ein Mensch von TAN in der Situation einen Mundschutz reinschiebt!) sind als Mittel der Auseinandersetzung in der Linken nicht hinnehmbar! Spätestens seit dem Auftauchen der Revolutionären Kommunisten RK (RIM) in den 90er Jahren ziehen sich periodisch gewalttätige Angriffe durch die Hamburger Szene, z. B. in den FSK-Auseinandersetzungen 2002 oder durch einige Vergewaltigerverteidiger u. a. aus der TAN 2007. Egal, ob emotionsgeladen oder nicht: wer links und rechts, Worte und Fäuste verwechselt, ist für uns politisch – auch in breiten Bündnissen - untragbar.

Die Dramatik dieser Auseinandersetzung resultiert allerdings aus dem 'Stein des Anstoßes': der 1973 gedrehte Film "Warum Israel" von Claude Lanzmann, einem jüdischen Franzosen, der im Widerstand gegen den Nationalsozialismus gekämpft hat. Bei aller Kontroverse um Lanzmanns Spätwerk "Tsahal" von 1994 handelt es sich bei "Warum Israel" eben nicht um einen Propagandafilm. Es ist auch völlig unerheblich, wenn das Internationale Zentrum B5 jetzt erklärt, dass nicht der Film, sondern die Veranstalter_innen und das zu erwartende Publikum der Grund für die Blockadeaktion gewesen seien. Den Akteur_innen hätte klar sein müssen, dass die gewaltsame Blockade des Films eines jüdischen Regisseurs in Deutschland letztendlich im Kontext der Auseinandersetzung um Antisemitismus zu sehen ist und gesehen wird (z. B. Le Monde vom 12.11.2009). In Deutschland kann und darf es keine derartigen antisemitischen Verhinderungen von Filmvorführungen geben!

Aus diesem Grund unterstützen wir die Vorführung(en) von "Warum Israel" von Claude Lanzmann. Dies impliziert jedoch keineswegs eine automatische Solidarisierung mit dem B-Movie – im Gegenteil: Im Oktober 2005 zeigte das Kino unter dem verharmlosenden Programmtitel "Schmuddelfilme" eine Pornofilmreihe, um die "Kulturrevolution des Pornokinos" (B-Movie Programmflyer) zu untersuchen. Dabei wurde auch der Film "Deep Throat" vorgeführt, dessen Hauptdarstellerin 1980 erklärte, dass sie mit Gewalt zum Dreh gezwungen wurde und "dass jedes Mal, wenn jemand den Film Deep Throat sieht, er jedes Mal ihre Vergewaltigung mitsieht" (Zeck Nr. 129, S. 5). Die folgende Kritik beantwortete das B-Movie dann in der "Stellungnahme zum Sexismusvorwurf" ausweichend mit Rechfertigungen und der wiederholten Bekundung pseudowissenschaftlichen Interesses ("Unser Interesse an diesen Filmen war nicht geheuchelt. Wir waren neugierig auf die Bildsprache der damaligen Pornographie …"). Das größte Zugeständnis, zu dem sich das B-Movie dann hinreißen ließ, betraf ihren zweifellos sexistischen Programmflyer: "Sowohl die grafische Darstellung als auch die Wortwahl unseres Oktoberprogramms waren unsensibel und möglicherweise missverständlich." Dieser 'Selbstkritik' folgte aber umgehend das Beharren auf die Programmfreiheit: "Wir behalten uns jedoch das Recht auf unsere eigene Programmgestaltung vor. Das schließt 'schwierige' oder provokante Programme ausdrücklich mit ein." Mit seiner Erklärung hat das Kino also nicht nur die Kritik unbeantwortet gelassen, sondern kündigte weitere "provokante" Filme für die Zukunft an! An den Umständen, weshalb ein Boykott des B-Movie von feministischen Zusammenhängen gefordert wurde, hat sich also nichts geändert (Zeck Nr. 129, S. 4f, Nr. 131, S. 10f).

Daher können wir als gesamtes Plenum der Roten Flora auch nicht den Aufruf "Es darf keine antisemitische Filmzensur in Hamburg geben!" unterschreiben: Weder stellen wir uns, wie dort gefordert, hinter das Kino, noch unterstützen wir die generelle Forderung nach der "Programmfreiheit Hamburger Kulturschaffender", solange ein solches Recht u. a. vom B-Movie in Anspruch genommen wird, um sexistischen Dreck vorzuführen. Dass ein Teil des Floraplenums diese Bedenken kurzfristig zurückgestellt und den Aufruf unterzeichnet hat, liegt daran, dass in der jetzigen Situation die Vorführung des Films "Warum Israel" dringend geboten erscheint.

25.11.2009 Plenum der Roten Flora