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Flora bleibt Rot!Zwei Schritte vor und drei zurück - das Scheitern städtischer Privatisierung als Konfliktregulationsmodell2010-06-02
Wir begrüßen dieses Scheitern und hoffen, dass die privatwirtschaftliche Deregulierung auch an anderen Punkten rückgängig gemacht wird, etwa bei Krankenhäusern, den Wasserwerken oder der öffentlichen Grundversorgung. Privatisierungen treiben die Durchsetzung kapitalistischer Verwertungsprinzipien voran und verschärfen gesellschaftliche Ungerechtigkeiten. Sie dienen der Aushebelung einer kritischen Öffentlichkeit durch eine Verschiebung der Auseinandersetzung aus dem Bereich des Öffentlich-Politischen in die entpolitisierte Sphäre des privaten Eigentums, die heilige Kuh der bürgerlichen Gesellschaft. Wir sehen einen Rückkauf der Flora gleichzeitig jedoch nicht als einen Akt der Entspannung. Auch nach dem Auslaufen der bisherigen vertraglichen Regelungen von Stadt und Investor im März 2011 bleibt die Rote Flora besetzt und der lebendige Ausdruck unseres Aufbegehrens gegen die Verhältnisse. Bezirk und Senat sind für uns keine Partner, mit denen es etwas auszuhandeln gäbe, sondern die Verantwortlichen für eine Politik von Standortdenken und Marktradikalität auf der einen, von Ausgrenzung, Vertreibung und Repression auf der anderen Seite. Unsere Vorstellung von Stadt, von Teilhabe und Anwesenheit auf den Straßen, Grundversorgung und gesellschaftlicher Veränderung unterscheidet sich radikal von denen der etablierten Politik. Wir verweigern uns einer Logik der Standortinteressen, die das Soziale dem Ökonomischen unterordnet und auf Widerstände mit einer Zunahme von Repression und Mitwirkungspflichten reagiert. Durch den Verkauf der "Immobilie Flora" an Investor Kretschmer hat sich 2001 für uns weder das Besitzverhältnis noch der Status Quo verändert: Das Projekt ist besetzt und geht keine Kooperation mit dem Investor ein. Gleichzeitig begreifen wir uns politisch weiterhin im Konfliktfeld mit der Stadt, da wir Privatisierungen als Variante von Konfliktregulierung und gesellschaftlicher Steuerung generell ablehnen. Der Verkauf öffentlicher Institutionen, Gebäude und Grundstücke dient in erster Linie der Deregulierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen sowie der Ausweitung von Kontrolle und Repression unter dem Feigenblatt des Schutzes von Privateigentum. Sollte die Stadt die Rote Flora zurückkaufen, ist die Auseinandersetzung auch förmlich wieder dort angelangt, wo sie sich nach unserem Verständnis immer befand. In der Auseinandersetzung um das Recht auf Stadt und die Frage der Aneignung des öffentlichen Raumes. Wir sind auf eine mögliche Auseinandersetzung um die Rote Flora vorbereitet. Wir sehen die Offerte der Stadt auch als Reaktion auf die unmissverständliche Haltung, am unverträglichen Status Quo des Gebäudes festzuhalten. Wir werden auch in Zukunft weder den ökonomischen Standortinteressen der Stadt noch denen anderer Investoren nachgeben oder sonst wie Kreide fressen und einen systemoppositonellen Ort wie die Rote Flora ruhig stellen lassen. Mag ja sein, dass Investoren und Bezirk gerne hätten, dass sich im Schanzenviertel die Uhren anders drehen und nun der gesamte Stadtteil zur gleichgeschalteten Konsummeile durchstrukturiert wird. Zu einem Ort, an dem noch mehr Freizeitindustrie angesiedelt und die Marke Hamburg aufgeblasen wird, bis sie vor Überheblichkeit platzt. Doch diese Entwicklung findet nicht ohne Widerstände statt. Das Schanzenfest, die geplante Music Hall im Real Markt, die Außengastronomie in der Susannenstraße, das Bernhard-Nocht-Quartier oder die Ansiedlung von Ikea markieren politische Konflikte zwischen Stadt und Anwohner_innen, die sich weiterdrehen werden. Dabei wird sich die hier grundsätzliche Frage nach einem Recht auf Stadt nicht im Rahmen von Runden Tischen oder durch Verfahren mit Bürgerbeteiligung beantworten lassen. Die städtischen Partizipationsangebote sind darauf gerichtet, den neoliberalen Umbau der Stadt zu optimieren und Zustimmung zu erzeugen. Sie suggerieren demokratische Mitbestimmung, die es in Wirklichkeit aufgrund der Rahmenbedingungen überhaupt nicht gibt und die auch gar nicht angestrebt wird. Ist das Ergebnis solcher Regulationsprozesse aus Sicht des Senates positiv, dient es der Durchsetzung umstrittener Entscheidungen, ist es negativ, wird es eben übergangen. Alternativen zu der Ungerechtigkeit des Kapitalismus gibt es stattdessen nur außerhalb bestehender Sachzwangdiskussionen und weichgeklopfter Symptomfrickelei.
Protestformen wie Hausbesetzungen sind kein Anachronismus, sondern auf der Höhe der Zeit. Dies hat zuletzt die Besetzung des Erotic Art Museums gezeigt. Wir wünschen den Aktivistinnen beim Kampf gegen das Bernhard-Nocht-Quartier viel Erfolg bei zukünftigen Aktionen und Besetzungen und verstehen uns als Teil dieser Kämpfe. Die Auseinandersetzungen, die mit einer Räumung der Flora zu Recht befürchtet werden, sind längst im Gange, lodern auf und tauchen wieder ab, um an anderen Stellen wieder sichtbar zu werden. Es geht dabei aus linksradikaler Perspektive nicht um einzelne Projekte oder Interessen, sondern eine kollektive Infragestellung der herrschenden Werte, Normen und Besitzverhältnisse. Es geht darum, ein anderes Leben denk- und vorstellbar zu machen, Orientierungspunkte und Aussichtstürme zu besetzen, die radikale Kritik am Bestehenden und den Blick auf andere Verhältnisse möglich machen. Wir geben uns nicht der Illusion hin, mit einem Rückkauf der Roten Flora durch die Stadt wäre die Option einer gewaltsamen Räumung vom Tisch und aus dem Horizont städtischer Begehrlichkeit verschwunden. Ein Projekt wie die Rote Flora, das sich als Spiegelbild gesellschaftlicher Kämpfe und Veränderungen sieht, kann nie wirklich sicher sein, bleibt immer prekär und in Bewegung. Wir werden weiterhin ein Störfaktor im kapitalistischen Normalbetrieb sein. Ort der Intervention, des Aufruhrs und der Unruhe, rauschende Ballnächte feiern und das Leben auf uns regnen lassen. Wir wissen nicht, wie sich die Situation in den nächsten Monaten entwickelt. Wir wissen aber, dass wir etwas daran ändern können, sollte sich das Händereiben hinter den Kulissen in irgendeiner Art zu einem polizeilichen Angriff entwickeln, mit dem Ziel, den besetzten Status zu beenden. Wir bereiten uns deshalb weiter darauf vor, das Projekt zu verteidigen, die Ordnung der Stadt von oben nach unten zu krempeln und herrschende Machtdiskurse zu unterlaufen. Organisiert den Widerstand und seid solidarisch! Support your local squats!
Kampagne "Unverträglich glücklich"
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