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In den letzten zwei Monaten ist Klausmartin
Kretschmer zur Zielscheibe von Kritik aus verschiedenen Richtungen
geworden. Uns ist es wichtig klarzumachen, dass es verkürzt
wäre, die Kritik allein auf Kretschmer als Person zu richten.
Stattdessen muss gesehen werden, dass sich seine privaten ökonomischen
Interessen mit den StandortInteressen der Stadt überschneiden
und er gerade deshalb von der Stadt protegiert wird. die Stadt,
der Standort und Gentrification
Eines der primären Ziele städtischer Politik ist heute
die Sicherung und Aufwertung des eigenen Wirtschaftsstandorts. In
einigen für den neoliberalen Standortwettbewerb zentralen Wirtschaftszweigen
gehen Arbeit und Leben/Freizeit immer mehr ineinander über
bzw. liegen geografisch näher beieinander. Dadurch gewinnen
gegenüber den harten Standortfaktoren wie Gewerbesteuern, städtischen
Subventionen und Infrastruktur besonders in Metropolen wie Hamburg
weiche Standortfaktoren wie Kulturangebot, Gastronomie, Urbanität
immer mehr an Gewicht. Diese weichen Standortfaktoren sind dabei
allerdings nur insofern interessant, als sie ein ganz bestimmtes
Klientel ansprechen, nämlich diejenigen Arbeitskräfte,
die im KonkurrenzKampf der Metropolen zentrale Rollen spielen. Für
die MedienStadt Hamburg ist das heute unter anderem die NewEconomyBranche.
Um im Standortwettbewerb die Nase vorn zu behalten, muss Stadtentwicklungspolitik
darauf abzielen, interessante Stadtteile bzw. solche, die das Potential
dazu haben, für genau solche Klientel nutzbar und attraktiv
zu machen. Diese Politik zeigt sich im Moment besonders deutlich
im Schanzenviertel.
Dabei haben sich die Strategien, die von Stadtentwicklungspolitik
zum Zweck der Aufwertung von Stadtteilen verfolgt wurden, in den
letzten 10 bis 15 Jahren aus mehreren Gründen qualitativ verändert.
Zum einen gab es die Erfahrung, dass eine Umstrukturierungspolitik
mit der Brechstange mitunter zu massivem Widerstand führen
kann: Der Versuch, Ende der 80er im damals noch relativ verarmten
Schanzenviertel ein MusicalTheater für Besserverdienende anzusiedeln,
endete mit der von breiten Teilen der Bevölkerung unterstützten
Besetzung des alten Flora-Theaters. Zum anderen hat sich gezeigt,
dass gerade alternativ und subkulturell geprägte Stadtteile
wie z.B. das Schanzenviertel mit ein bisschen staatlichem Nachhelfen
fast von selbst und insofern sehr kostengünstig einen schleichenden
AufwertungsProzess durchlaufen, bei dem alternative Strukturen,
multikulti-Flair und Sub-Kultur gerade der Motor für eine Entwicklung
sind, die genau dies irgendwann selbst verdrängt. Dieser Prozess
wird oft mit dem Begriff Gentrification bezeichnet.
Deshalb betreibt die Stadt heute sog. "soziale Stadtteilentwicklung":
Über die von ihr eigens dazu gegründete STEG (Stadtentwicklungs-
und Erneuerung-Gesellschaft) versucht die Stadt Umstrukturierung
den AnwohnerInnen schmackhaft oder zumindest akzeptabel zu machen.
Über BürgerInnen-Nähe und vermeintliche BürgerInnenbeteiligung
(wie z.B. durch die "AG Umgestaltung Schulterblatt") wird
den Menschen vorgegaukelt, sie könnten an wesentlichen Punkten
die Entwicklung des Aufwertungsprozesses mitbestimmen. Die Erfahrung
hat bestätigt, dass dabei immer diejenigen Vorschläge,
die in die AufwertungsInteressen der Stadt hineinpassen, aufgenommen
werden, alle anderen sang- und klanglos verschwinden. So wird damit
im Idealfall nicht nur potentieller Widerstand von Anfang an ausgebremst,
sondern auch das Engagement der BewohnerInnen als Ideenpool für
einen Prozess nutzbar gemacht, der sie selbst langfristig verdrängt.
Parallel zu dieser integrierenden Bewegung werden bestimmte Gruppen,
die schon jetzt nicht mehr ins Bild passen (wie Obdachlose, KonsumentInnen
illegalisierter Drogen und Menschen schwarzer Hautfarbe) von solchen
Beteiligungsverfahren ausgeschlossen und stattdessen zum Sicherheitsrisiko
erklärt und immer weiter kriminalisiert und vertrieben oder
abgeschoben. Längerfristig werden aber auch alle, die sich
die überproportional steigenden Mieten nicht mehr leisten können,
verdrängt. Das BeteiligungsAngebot an große Teile der
AnwohnerInnen ist also immer nur die andere Seite von Ausgrenzung
und Verdrängung derer, für die das Angebot eben nicht
gilt. Und aus diesem Grund hat die Flora auch jede solche Beteiligung
konsequent abgelehnt.
der private Investor und die Stadt.
Doch für die Durchsetzung von Aufwertungsprozessen ist nicht
nur ein Akzeptanz-Management á la STEG wichtig sondern auch
private Investoren. Zum einen braucht die Stadt Menschen oder Firmen,
die in die betreffenden Stadtteile ihr Geld investieren, zum anderen
folgt aus der Sachzwang-Logik des Neoliberalismus, die Steuerungsinstrumente
für solche Aufwertungsprozesse selbst zunehmend in private
Hände zu geben. Das tut der verfolgten Politik vor allem deshalb
keinen Abbruch, weil die ökonomischen Interessen der privaten
Investoren meist mit den StandortInteressen der Stadt zusammenpassen:
Wenn z.B. die Überwachung und Kontrolle der Innenstädte
immer mehr von privaten Sicherheitsdiensten übernommen und
dadurch auch verschärft wird, so dient das im Denken der dort
ansässigen Gewerbetreibenden ihrem Umsatz genauso wie im Denken
der Metropolen dem Standort.
Der Verkauf der Flora an Klausmartin Kretschmer passt wunderbar
in diese Entwicklung: Das, was die STEG in zehn Jahren nicht geschafft
hat, nämlich die Rote Flora zu befrieden, soll jetzt der private
Investor übernehmen. Durch die Privatisierung von gesellschaftlichen
Konflikten wird vor allem auch eine Entpolitisierung dieser Konflikte
angestrebt. Der Legitimationsdruck für eine Politik, die sich
mehr an Standortkriterien orientiert als an den Bedürfnissen
der Menschen, soll aufgelöst werden, indem die Verantwortung
für diese Politik privatisiert wird: Wenn ein privater Investor
ausschließlich nach ökonomische Gesichtspunkten agiert
wer sollte ihm das übel nehmen?
Auch wenn Kretschmer offensichtlich deutlich skrupelloser vorgeht
als die STEG, verfolgt er doch eine ähnliche Strategie: Diejenigen,
die für seine kulturellökonomischen Interessen nützlich
sind, versucht er zu integrieren solange sie dazu nützlich
sind - die anderen werden übergangen, verdrängt, über
den Tisch gezogen. Solange eine bestimmte Sub-Kultur Ambiente und
Anziehungspunkte schafft, die (ob gewollt oder ungewollt) als Motor
für eine Aufwertung dienlich sind wie z.B. im Moment
Flora oder Pudels wird versucht Kontakt aufzunehmen und gemeinsame
Projekte aufzuziehen. Ist der Aufwertungsprozess einen Schritt weiter,
werden diese Projekte genauso wie viele andere jetzt schon über
den Tisch gezogen oder plattgemacht.
Wenn der Anthroposoph Kretschmer Orte wie die Flora als "Kraftorte"
bezeichnet, so meint er damit offensichtlich das Bronx-Feeling für
Besserverdienende, mit dem sich prima Geld machen lässt. Und
so wie im Schanzenviertel soll offenbar auch in St. Pauli Süd
die Mischung aus sozialer Ungleichheit und Subkultur zur interessanten,
authentischen Hintergrundkulisse für ein chices und kaufkräftiges
Publikum gemacht werden.
Kretschmer und wir
Damit ist klar, was vom selbst ernannten Wohltäter Klausmartin
Kretschmer zu halten ist. Eine Zusammenarbeit kann nie die von ihm
oft vorgetäuschte gleichberechtigte Partnerschaft sein, da
er als Investor, rechtlicher Besitzer und von der Stadt Protegierter
immer in der machtvolleren Position steht. Vor allem aber bedeutet
eine solche Zusammenarbeit sich zum Teil des beschriebenen Zusammenspiels
von Aufwertung, Integration und Verdrängung machen zu lassen.Deshalb
fordern wir alle kulturellen und politischen Projekte und Initiativen
auf, jeden Annäherungsversuch von Kretschmer konsequent abzublocken.
Lasst die Spaltungs- und Vereinnahmungs-Politik von Stadt, Kretschmer
und Konsorten ins Leere laufen!
Kretschmer will Eurhythmie mit "Kraftorten, die Energien bündeln"
wir werden ihm dabei solange auf die Füße treten
bis er sein wie er es nennt -"Gutes im Stillen tun"
für sich behält!
Kretschmer, wir dissen dich!
Rote Flora
19. Juni 2001
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