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Antifaschistisches Infoblatt - Den Bock zum Gärtner gemacht
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Ein Beitrag des Antirassimus-Büros Bremen (ARAB).
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Schwerpunkt
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Den Bock zum Gärtner gemacht
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Ein Beitrag über die Geschichte der IOM als internationale
Abschiebeinstitution und ihre Rolle bei der Entschädigung
ehemaliger ZwangsarbeiterInnen im Nationalsozialismus.
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»Die Bundesregierung und die
Bundesstiftung »Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft« entschieden
vor zwei Jahren, die Entschädigung
der nicht-jüdischen und nicht in
Osteuropa lebenden ehemaligen
ZwangsarbeiterInnen der International
Organisation for Migration (IOM)
zu übergeben. Viele Verbände, die
ehemalige ZwangsarbeiterInnen vertreten,
warnten davor, einer mit der
Materie unvertrauten Organisation
diese Aufgabe zuzuweisen. Die IOM
wurde gebeten, der Transparenz zuliebe
lokale Büros einzurichten. Sie
lehnte dies ab und bearbeitet stattdessen
alle Anträge zentral in ihrem
Genfer Hauptquartier. Seitdem haben
viele ehemalige ZwangsarbeiterInnen
und ihre HelferInnen oft erfolglos
versucht, im Genfer Büro weiterzukommen.
Dementsprechend wird viel
über die langsame Auszahlung der
IOM und die Qualität der Fragebögen,
die inzwischen zurückgezogen wurden,
geklagt. Inwieweit die IOM überhaupt
in der Lage und willens war,
Aufklärungsmaterial über die Entschädigungsmöglichkeiten
innerhalb
der Communities der Betroffenen zu
verteilen, bleibt im Nebel. So sind
beispielsweise aus Rumänien bislang
nach Eigenangaben der IOM lediglich
rund 1.000 Anträge gestellt worden,
von denen zum Jahreswechsel
2002/2003 nur 13 positiv beschieden
worden waren.
Die Vorläufer der IOM
Die offizielle IOM-Geschichte1 beginnt
mit einer auf US-Initiative einberufenen
Konferenz in Brüssel im
Dezember 1951. Dort wurde die
Gründung eines Provisional Committee
for the Movement from Migrants
from Europe (PICMME) beschlossen.
Zwischen der PICMME und der heutigen
IOM gab es noch zwei Umbenennungen,
die aber nichts an der Kontinuität
der Organisation ändern. In der
Selbstdarstellung der IOM werden die
Vorläufer kaum erwähnt, obwohl
deren Betrachtung ein besonderes
Licht auf die Beauftragung der IOM
mit der ZwangsarbeiterInnenentschädigung
wirft. Der eigentliche
Ursprung der IOM ist die von den USA
einberufene Evian-Konferenz von
1938. Dort sollte geklärt werden, was
mit den Juden Österreichs geschehen
sollte, die aufgrund des deutschen
Einmarsches fliehen mussten. Die
Aufnahme einer großen Zahl von
Flüchtlingen lehnten die westlichen
Staaten ab. Um dies nicht zu offensichtlich
werden zu lassen, gründeten
sie das Intergovernmental Committee
on Political Refugees (IGC) mit Sitz in
London. Das von den Konferenzstaaten
gemeinsam betriebene IGC
betrieb eine Politik der Abweisung
verfolgter Juden - selbst als in der
westlichen Welt erste Nachrichten
über den Holocaust bekannt wurden.
Das IGC steht heute für das Versagen
der westlichen Welt im Angesicht des
Holocaust.2
Das IGC wurde 1947 aufgelöst und in
die zur UN gehörende International
Refugee Organisation (IRO) überführt.
Die IRO wurde später auf
Betreiben der USA aufgelöst, weil
darin auch die Ostblockstaaten vertreten
waren. Daraufhin wurden
wesentliche Teile der westlichen
Organisation der IRO und auch die
Transportschiffe der Organisation an
das PICMME übergeben.3 Das PICMME
ähnelte auch vom Aufbau her dem
IGC.4 Während in den Statuten der
United Nations High Commission for
Refugees (UNHCR) ein humanistischer
Anspruch und eine politisch neutrale
Rolle festgeschrieben waren, war das
PICMME auf die ökonomischen und
politischen Wünsche der Mitgliedsstaaten
festgelegt, hinter denen
humanitäre Erwägungen, wie schon
1938, zurückzustehen hatten.
Abschiebehelfer IOM
Heute hat die IOM 86 Mitgliedsstaaten,
41 Staaten haben zudem
Beobachterstatus. Mit einem Jahresbudget
von 36 Millionen Schweizer
Franken verfügt sie weltweit über
sogenannte »Field Offices«. Was
macht die IOM mit den Ressourcen? In
Deutschland ist sie vor allem mit der
Abschiebung von Kosovo-Flüchtlingen
beschäftigt. Im Jahr 2000 wurden
etwa die Hälfte der abgeschobenen
KosovarInnen mit Hilfe der IOM
abgeschoben. Dagegen protestieren
insbesondere Roma und Sinti, die von
den Abschiebungen der IOM betroffen
sind.5 In einem Aufruf des Roma
National Congress (RNC) heißt es:
»Die IOM ist uns seit Jahren als eine
Organisation bekannt, die auf Anweisung
von verschiedenen Staaten
gegen Roma-Flüchtlinge arbeitet.«6
Rudko Kawczynski (RNC) bezeichnete
die IOM als »Söldner NGO«.7
IOM gegen Flüchtlinge weltweit
In anderen Ländern ist die IOM für
noch drastischeres Vorgehen gegen
Flüchtlinge bekannt. So betreibt sie
im Auftrag der australischen Regierung
Internierungslager für unerwünschte
Flüchtlinge auf der Insel
Nauru. Der Inselregierung wurden 30
Millionen US-Dollar zur Verfügung
gestellt, damit Australien dort die
Lager betreiben kann. Diese liegen in
einer Wüste mit Temperaturen von
meist 40 Grad. Leiter der Lager ist der
IOM-Direktor auf Nauru, Cy Winter. Er
hat auch die Befehlsgewalt über die
australischen Polizeitruppen, die das
Lager bewachen. JournalistInnen und
AnwältInnen werden nicht hereingelassen.
Inhaftierte berichteten einer
britischen Journalistin, die sich ins
Lager schmuggeln konnte, von
Schlagstockeinsätzen und Psycho-
Folter.8
Handlanger der Bundesregierung
Was die Bundesregierung und die
Bundesstiftung bewogen hat, gerade
die Organisation auszuwählen, deren
Vorläufer eine wesentliche Rolle bei
der Nichtaufnahme jüdischer Verfolgter
spielte und die heute für Folter
und Abschiebung von Flüchtlingen
verantwortlich ist, bleibt unklar. Der
von der IOM verwaltete Topf für die
ZwangsarbeiterInnenentschädigung
ist am schlechtesten von allen Töpfen
ausgestattet, was auch daran liegt,
dass die von der IOM zu entschädigenden
Opfergruppen bei den Verhandlungen
am schlechtesten repräsentiert
waren. Von Beginn an war der
IOM-Topf für die Auszahlung von
Entschädigungen an 68.000 AntragstellerInnen
gedacht. Inzwischen
sind aber etwa 325.000 Anträge bei
der IOM eingegangen. Aber auch in
ihrer jüngsten Veröffentlichung zum
Jahreswechsel wird von nur etwa
70.000 positiv beschiedenen Anträgen
ausgegangen.9 Um dies zu erreichen,
hatte der Rechtsbeauftragte der
Bundesregierung die Entschädigung
der italienischen Militärinternierten
ausgeschlossen. Dieses Unrecht ist
allerdings nicht der IOM sondern der
Bundesregierung und der deutschen
Industrie zuzuschreiben, die sich weigert,
die einzuzahlenden Beträge an
die Zahl der Berechtigten anzupassen.
Aber die IOM macht sich wieder einmal
zum Handlanger der deutschen
Selektionspolitik, die die Opfer spaltet
und entscheidet, wer genug gelitten
hat, um anspruchsberechtigt zu
sein.
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1| Vgl. die Homepage: www.iom.int
2| Vgl. Shlomo N. Katz,
Public Opinion in Western
Europe and the Evian
Conference of July 1938,
in: Yad Vashem Studies, Jg.
9 (1973), S. 105-132. Vgl.
auch Ralph Weingarten, Die
Hilfeleistung der westlichen
Welt bei der Endlösung der
Judenfrage. Das
»Intergovernmental
Committee on Political
Refugees« (IGC) 1938-
1939, Bern 1981.
3| Vgl. Michael Marrus, Die
Unerwünschten - The
Unwanted. Europäische
Flüchtlinge im 20.
Jahrhundert, S. 414.
4| Die Gründungsnationen
der PICMME waren:
Australien, Belgien,
Bolivien, Brasilien, BRD,
Chile, Frankreich,
Griechenland, Italien,
Kanada, Luxemburg,
Niederlande, Österreich,
Schweiz, Türkei und die
USA.
5| Des weiteren sind die
Aktivitäten der Gruppen
des internationalen
noborder-Netzwerkes zu
nennen. Deren zahlreichen
Aktionen gegen die IOM
sind nachzulesen unter:
www.noborder.org.
6| Vgl. Roma-Proteste
gegen IOM, unter www.romnews.com
7| So im Interview des
Bremer Antirassismusbüro
mit Rudko Kawczynski.
8| Vgl. die Dokumentation
auf BBC 2 im Oktober 2002
von Sarah MacDonald:
»The Pacific Solution«.
9| Vgl. IOM Compensation
News, Issue 2/2002.
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