include("../../includes/1.php");
?>
Antifaschistisches Infoblatt - »Wiedergutmachung« - Entschädigung - Restitution
include("../../includes/2.php");
?>
Download
Download dieses Artikels im PDF-Format
Dies ist die vollständige Version des im Heft nur gekürzt abgedruckten Beitrags.
include("../../includes/3.php");
?>
Schwerpunkt
include("../../includes/4.php");
?>
»Wiedergutmachung« - Entschädigung - Restitution
include("../../includes/5.php");
?>
Eine Woche vor der Unterzeichnung
des Entschädigungsabkommens hatte
der Bundestag die Einrichtung der
Stiftung »Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft« beschlossen, die die
Auszahlung von insgesamt 10 Milliarden
D-Mark an die ca. 1,2 Millionen
noch lebenden ZwangsarbeiterInnen
koordinieren soll. Diese Entscheidung
und die Unterzeichnung des Abkommens
stellten das vorläufige Ende der
zähen Verhandlungen zwischen Bundesregierung
und deutscher Wirtschaft
sowie NS-Opferverbänden,
Rechtsanwälten und der US-Regierung
dar.
include("../../includes/6.php");
?>
Die »Wiedergutmachung« - Eine
»Erfolgsgeschichte«?
Auf deutscher Seite war in diesem
Zusammenhang viel von »politischer
und moralischer Verantwortung für
die Opfer des Nationalsozialismus«
die Rede. Pathetische Floskeln, die
darüber hinwegzutäuschen versuchten,
dass die Verhandlungen über
weite Strecken von deutschen Verweigerungshaltungen
geprägt waren. In
diesem Sinne konnte das Zustandekommen
der Stiftung tatsächlich als
ein »historisches Ereignis« bezeichnet
werden. Dennoch oder gerade
deshalb gewinnen in den politischen
Diskursen verstärkt Interpretationen
an Einfluss, die die Geschichte der
»Wiedergutmachung« als eine weitere
Facette der »Erfolgsgeschichte der
Bundesrepublik« beschreiben. So
sprach die Bundesregierung in einer
umfangreichen Bilanz der »Wiedergutmachung
« schon im Jahr 1986 von
einer »historisch einzigartigen Leistung
[...], die auch die Anerkennung
der Verfolgtenverbände im In- und
Ausland gefunden hat«. Eine Einschätzung,
die zahlreichen NS-Opfern
als blanker Hohn erscheinen muss.
Die Geschichte der Wiedergutmachung
in der BRD ist auch die Geschichte
eines »Kleinkriegs gegen die
Opfer«, die sich allzu oft Ressentiments
und behördlicher Willkür ausgesetzt
sahen.
»Arisierung«, Restitution und das
BEG
Bereits die vor allem von der USMilitärverwaltung
(OMGUS) forcierten
Bemühungen, eine Rückerstattung
»arisierter« Vermögenswerte an ihre
früheren Eigentümer durchzusetzen,
stießen auf heftigen Widerstand in
großen Teilen der Bevölkerung, der
Politik und bei jenen Deutschen, die
sich an der Ausplünderung der Juden
bereichert hatten. OMGUS versuchte
zunächst in Kooperation mit den
deutschen Behörden ein Rückerstattungsgesetz
zu entwerfen. Aus diesem
Grund war seit 1946 der Stuttgarter
Länderrat, die Vertretung der vier
Ministerpräsidenten in der US-amerikanischen
Besatzungszone, in die
Vorbereitungen mit einbezogen. Die
Auffassungen, welche Regelungen
das Gesetz enthalten sollte, gingen
jedoch weit auseinander. Während
man auf deutscher Seite lediglich
»Arisierungen« durch den NS-Staat
wieder rückgängig machen wollte,
beabsichtigte die amerikanische Militärverwaltung
auch privat erworbenes
Vermögen wieder zu restituieren. Der
von OMGUS vorgelegte Gesetzesentwurf
sah die Rückerstattung aller
»arisierten« Vermögenswerte seit dem
15. September 1935 vor, dem Tag, an
dem die »Nürnberger Rassegesetze«
verabschiedet wurden.
Die Deutschen drängten dagegen
darauf, lediglich die »Arisierungen«
seit dem 9. November 1938 zu berücksichtigen.
Da keine Einigung zu erreichen
war, erließ die amerikanische
Militärverwaltung im November 1947
das Restitutions-Gesetz (US-REG) im
Alleingang. In den anderen Besatzungszonen
traten in den folgenden
Jahren Regelungen in Kraft, die sich
an den Bestimmungen des US-REG
orientierten. Die deutsche Öffentlichkeit
reagierte auf diese Gesetze mit
oftmals aggressiv-antisemitischen
Protesten. Schon bald begannen sich
die Rückerstattungspflichtigen in
Verbänden zu organisieren. Die »Arisierungs«-Profiteure traten in der
Zeitschrift Die Restitution für Entschädigungszahlungen
an diejenigen
ein, die angeblich unberechtigterweise
durch das Restitutionsgesetz getroffen
wurden. Eine Forderung, die
auch in den Unionsparteien sowie in
der FDP Sympathien fand.
Einer Umfrage vom August 1949
zufolge empfanden es nur 39 Prozent
der Befragten als gerecht, das »arisierte
« Vermögen zu gleichen Bedingungen
zurückzugeben. Es wurden
aber auch Stimmen laut, die ein bundesweit
einheitliches Entschädigungsgesetz
forderten. Vor allem NSOpferverbände
wie etwa die VVN forderten,
nicht nur die »Arisierungen«
rückgängig zu machen, sondern auch
diejenigen zu entschädigen, deren Leben,
Gesundheit und berufliches
Fortkommen durch das NS-Regime
beeinträchtigt worden war. 1949 verabschiedete
der Länderrat der amerikanischen
Zone ein entsprechendes
Gesetz, das als Vorbild für das 1953
erlassene Bundesentschädigungsgesetz
(BEG) diente. »Rassisch, religiös
rend Ministerpräsident Ben Gurion
sich für die Verhandlungen aussprach,
forderte die Cherut-Partei (Teil des
späteren Likud): »Keine Gespräche
mit einer Mörder-Nation!« Vor der
Knesset kam es zu Auseinandersetzungen
zwischen DemonstrantInnen
und der Polizei, bei denen
mehrere hundert Personen verletzt
wurden. Schließlich setzte sich jedoch
die Linie Ben Gurions durch. Auf
deutscher Seite wurden, besonders im
Lager der Regierungsparteien CDU/
CSU, FDP und DP zahlreiche Stimmen
laut, die sich - oftmals mit antisemitischen
Untertönen - gegen ein Wiedergutmachungsabkommen
mit Israel
wandten. Zum einen verwies man darauf,
dass der materiellen und finanziellen
Versorgung der eigenen Kriegsopfer
Priorität eingeräumt werden
müsse, zum anderen fürchtete man
durch Entschädigungszahlungen an
Israel die (Wirtschafts)beziehungen
zu den arabischen Staaten zu belasten.
In einer Regierungserklärung
(1951) betonte Bundeskanzler Adenauer:
»Das deutsche Volk hat in seiner
überwiegenden Mehrheit die an den
Juden begangenen Verbrechen verabscheut
und hat sich an ihnen nicht
beteiligt. [...] Hinsichtlich des Umfangs
der Wiedergutmachung [...]
müssen die Grenzen berücksichtigt
werden, die der deutschen Leistungsfähigkeit
durch die bittere Notwendigkeit
der Versorgung zahlloser
Kriegsopfer und der Fürsorge für die
Flüchtlinge und Vertriebenen gezogen
sind.«
Entsprechend dieser Auffassung
hatte Adenauer bereits 1949 versucht,
Israel mit Warenlieferungen im Wert
von 10 Millionen D-Mark abzuspeisen.
Das Angebot wurde von israelischer
Seite umgehend zurückgewiesen. Es
erscheint verwunderlich, dass die
Konferenz bei Den Haag überhaupt zu
einem Abschluss kam. Vor allem
Bundesfinanzminister Fritz Schäffer
(CSU) hatte immer wieder Vorstöße
unternommen, die Verhandlungen zu
und politisch Verfolgte« konnten von
nun an Entschädigungsansprüche geltend
machen. Freilich war das Spektrum
derjenigen, die Zahlungen auf
Grundlage des BEG erwarten konnten,
beschränkt. Zum einen galt das
»Territorialprinzip«, demzufolge nur
Deutsche oder Personen mit »räumlicher
Beziehung« zu Deutschland Anträge
stellen konnten. NS-Opfer im
Ausland wurden durch das Gesetz
nicht berücksichtigt. Zum anderen
schloss das BEG etliche Opfergruppen
von vornherein aus wie etwa
Homosexuelle, Deserteure, Euthanasieopfer
oder sogenannte »Asoziale«.
Aber auch Entschädigungsberechtigten
konnte aufgrund ihrer politischen
Aktivitäten ihre Bezüge verweigert
werden. Ähnlich wie die Restitutionsgesetze
wurden auch die Entschädigungsleistungen
an NS-Opfer
attackiert. Mehrheitlich herrschte die
Ansicht, dass vor den Geschädigten
des NS-Regimes erst die Ausgebombten,
die Vertriebenen und Flüchtlinge
versorgt werden müssten. Selbstviktimisierungen
und die Aufrechnung
der nationalsozialistischen Verbrechen
mit dem selbst erfahrenen Leid
dienten als zentrale Argumentationsmuster,
mit denen die Forderungen
nach »Wiedergutmachung« zurückgewiesen
wurden.
»Wiedergutmachung« gegenüber
Israel?
Ungefähr zeitgleich mit den internationalen
Verhandlungen um die
deutschen Reparationsleistungen
begann 1952 bei Den Haag eine
Konferenz, an der Vertreter der BRD,
Israels und der Jewish Claims
Conference teilnahmen, um über
Entschädigungszahlungen an den
Staat Israel und an jüdische NS-Opfer
außerhalb Deutschlands zu entscheiden.
In beiden Ländern war die
Aufnahme der Verhandlungen höchst
umstritten gewesen. Im israelischen
Parlament hatten sich an dieser Frage
erbitterte Debatten entzündet. Wäh-
blockieren. Im Luxemburger Abkommen
(1952) verpflichtete sich die
Bundesrepublik, eine Globalentschädigung
an Israel in Höhe von 3
Milliarden D-Mark zu leisten. Zusätzlich
unterzeichnete die deutsche
Delegation zwei Protokolle mit der
Jewish Claims Conference, in der
Entschädigungszahlungen von insgesamt
450 Millionen D-Mark für in der
Diaspora lebende jüdische NS-Opfer
sowie eine Verbesserung der deutschen
Wiedergutmachungsgesetze zugesagt
wurden.
Die Ratifizierung der Verträge
durch den Bundestag geriet zur Farce:
Während die oppositionelle SPD-Fraktion
das Abkommen geschlossen
unterstützte, enthielten sich 86 Abgeordnete
der Regierungskoalition
oder stimmten dagegen, genauso
übrigens wie die 13 Vertreter der KPD,
die erklärten, die Gelder würden dazu
beitragen, Israel zu einem US-Stützpunkt
im Nahen Osten auszubauen.
Dieser krude Antiimperialismus war
auch charakteristisch für die Haltung
der DDR, die sich der Forderung nach
Entschädigungszahlungen an Israel
konsequent verweigerte.
»Schlussstriche« und »vergessene
Opfer«
Durch die Globalabkommen mit
Israel und anderen Staaten, den Hinweis
auf die Friedensvertragsklausel
im Londoner Schuldenabkommen, die
eng gefassten Opfer-Kategorisierungen
des BEG sowie das BEGSchlussgesetz
von 1965 versuchte die
BRD, die Dimensionen der Wiedergutmachungsleistungen
zu begrenzen.
Ein Konzept, das auch über Jahrzehnte
weitgehend aufging. Klagen
von ehemaligen ZwangsarbeiterInnen
wurden von deutschen Gerichten konsequent
abgewiesen. NS-Opfer in den
osteuropäischen Staaten waren von
Entschädigungszahlungen im allgemeinen
ausgeschlossen.
Erst seit Beginn der 80er Jahre, als
man vor allem auf staatlicher Seite
begann, die Wiedergutmachungspolitik
der Bundesrepublik als Erfolgsstory
darzustellen, kam wieder Bewegung
in die Diskussionen. Verfolgtenverbände,
örtliche Initiativen und die
entstehenden Geschichtswerkstätten
machten verstärkt auf die bisher »vergessenen
Opfer« des Nationalsozialismus
aufmerksam. Dabei wurden zum
einen Forderungen nach angemessenen
materiellen Entschädigungen für
diese Personengruppen erhoben, zum
anderen sollte deren fortwährende
Marginalisierung durchbrochen werden.
Zu einem umfassenden Entschädigungsgesetz,
wie es z.B. die Grünen
im Bundestag in den achtziger Jahren
und noch einmal 1995 vorschlugen,
kam es aber nicht. Statt dessen richteten
Bund und Länder »Härtefonds«
ein, aus denen NS-Opfer, die jahrzehntelang
nicht berücksichtigt worden
waren, Wiedergutmachungszahlungen
erhalten sollten. Diese lagen
allerdings deutlich unter den Leistungen,
die BEG-Berechtigte geltend
machen konnten.
Alles-wieder-gut-gemacht?
Seit den politischen Umbrüchen in
Osteuropa rückte auch das Schicksal
der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen
aus Osteuropa ins Zentrum der Debatten.
Die Verhandlungen im Rahmen
des Zwei-plus-Vier-Vertrages ȟber
die abschließende Regelung in Bezug
auf Deutschland« zwischen den vier
ehemaligen Alliierten, der BRD und
der DDR setzte die im Londoner
Schuldenabkommen ausgeklammerte
Frage nach deutschen Reparationszahlungen
wieder auf die Tagesordnung.
Die Bundesregierung konnte
jedoch durchsetzen, dass alle etwaigen
Wiedergutmachungsansprüche
aufgegeben wurden. Die Entschädigung
osteuropäischer NS-Opfer sollte
durch »Versöhnungsfonds« geleistet
werden, die in Polen, Russland, der
Ukraine, Weißrussland, Estland, Litauen
und Tschechien entstanden und
in die die Bundesrepublik insgesamt
etwa 1,8 Milliarden D-Mark einzahlte.
Mit diesem lächerlich niedrigen
Betrag hoffte man in Deutschland,
endgültig einen Schlussstrich unter
das Thema »Wiedergutmachung« gezogen
zu haben. Zudem betonte die
Bundesregierung in den Verhandlungen,
Zwangsarbeit sei kein »NStypisches
« Unrecht gewesen, aus dem
sich weitere Entschädigungsansprüche
ableiten ließen.
Die deutschen Unternehmen verhielten
sich gegenüber der Forderung,
ehemalige ZwangsarbeiterInnen
zu entschädigen, zumeist vollkommen
abweisend. Allerdings geriet die
jahrzehntelang vorgetragene Schutzbehauptung,
die Firmen hätten lediglich
als »agencies of the Reich« fungiert,
spätestens mit Abschluss des
Zwei-plus-Vier-Vertrages ins Wanken.
Internationale Proteste, die Furcht
vor Boykott-Drohungen und nicht
zuletzt die angekündigten Sammelklagen
vor US-Gerichten brachten die
deutsche Wirtschaft von ihrer Blockadehaltung
ab.
Eine Bilanz der »Wiedergutmachung
« in der Bundesrepublik fällt
demnach ernüchternd aus: Ohne die
ständigen Proteste der Opferverbände
und ohne den wiederholten Druck aus
dem Ausland, hätte es für die
Verfolgten des NS-Regimes vermutlich
fast überhaupt keine Entschädigungsleistungen
gegeben. Mit anderen
Worten: Zahlreiche Opfer mussten
sich in zermürbenden Auseinandersetzungen
mit den jeweiligen Regierungen,
den Behörden und nicht zuletzt
einer desinteressierten, oftmals
abweisenden Mehrheitsbevölkerung
ihre Anerkennung erst erkämpfen.
Kämpfe, die bis heute andauern.
include("../../includes/7.php");
?>
Nachdem am 17. Juli 2000 im Auswärtigen Amt
Vertreter der USA, Israels, Deutschlands, fünf mitteleuropäischer
Staaten sowie Sprecher der deutschen
Industrie, der Jewish Claims Conference und der USamerikanischen
Anwälte zusammen gekommen waren,
um das lange umkämpfte Abkommen über die
Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen zu
unterzeichnen, sprachen sowohl der amerikanische
Verhandlungsführer Stuart Eizenstat als auch Bundesaußenminister
Joschka Fischer von einem »historischen
Ereignis«.
include("../../includes/8.php");
?>