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Profis, Geld und Subkultur
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Anmerkung: Inzwischen ist der Prozess gegen Landser beendet. Die Band wurde als »kriminelle Vereinigung« eingestuft.
Das Gericht verurteilte Bandleader Michael Regener zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten, Schlagzeuger Christian Wendorff zu einem Jahr und zehn Monaten und Bassist Andre Mörike zu einem Jahr und neun Monaten Haft. Die beiden letzteren Strafen setzte der Senat zur Bewährung aus. Zudem haben sie jeweils 90 Stunden gemeinnütziger Arbeit in einer jüdischen oder in einer Ausländer integrierenden Einrichtung abzuleisten.
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NS-Szene
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Profis, Geld und Subkultur
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Die Strukturen der Band Landser und ihr Versagen: Seit Ende Juni 2003 stehen in Berlin mehrere
Neonazis vor Gericht, denen die
Generalbundesanwaltschaft die Mitgliedschaft und
Unterstützung einer kriminellen Vereinigung der
Band Landser vorwirft. Annähernd neun Jahre
konnte die bekannteste deutsche Neonaziband mit
Hilfe eines verdeckt arbeitenden und international
organisierten Netzwerkes ihre menschenverachtende
Musik verbreiten. Jetzt sitzen ihre maßgeblichen
Köpfe vor Gericht, weil die konspirative Struktur ab
Mitte der 90er Jahre beständig wegbrach, das große
Geld lockte und manch eigener Kamerad seine
Kollegen verpfiff. Ein guter Grund für das
Antifaschistische Infoblatt, die Strukturen um
»Landser« und ihr Scheitern näher zu beleuchten.
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Die Gründung und das politische
Umfeld
Die Geschichte von Landser begann
im Jahr 1992, als sich Sören Brauner,
Horst Schott und Andreas Lenhard zur
Ur-Formation der Band1 zusammenschlossen.
Regelmäßig verkehrten die
drei im Judith-Auer-Klub in Berlin-
Lichtenberg, wo die Band ihren ersten
Übungsraum hatte. In diesem berlinweit
bekannten Nazitreff hing auch
Michael Regener ab, damals schon
führendes Mitglied der Neonazigruppe
»Die Vandalen«. »Lunikoff«, so
Regeners Spitzname, wurde recht
schnell als Gitarrist in die Band aufgenommen.
Ihr erstes Konzert gaben Landser am
12. September 1992 in Hennigsdorf,
wo die Band Lieder wie »Kanake verrecke
« spielte. Anlass für das Konzert
war der 19. Geburtstag von Nicole
Mierke. Unter den Konzertbesuchern
war damals u.a. Andreas Siegfried
Pohl, der in seiner Rolle als ehemaliges
Mitglied der Neonaziband Kraft
durch Froide gemeinsam mit Landser
das Lied »Kraft durch Froide« (KdF)
zum besten gab.2
Organisatorisch waren viele der genannten
Neonazis in der Nationalistischen
Front (NF) bzw. deren Abspaltung
Sozialrevolutionäre Arbeiterfront
(SrA) aktiv. Die SrA entstand im
August 1992 mit der Spaltung der
Nationalistischen Front in einen
aktionistischen Flügel (NF) und die
eher verdeckt agierende SrA.3 Als SrAVorsitzender
agierte der ehemalige KdF-Drummer Pohl, für das »Referat
Beschaffung« zeichnete der Landser-
Schlagzeuger Schott verantwortlich.
Die NF-Strukturen in und um Berlin,
zu denen auch Nicole Mierke gehörte,
schlossen sich mehrheitlich den neuen
SrA-Strukturen an.4
1995: Der Aufbau eines professionellen
Netzwerkes
Im Jahr 1995 begann die Band mit
den Aufnahmen zu ihrer CD »Republik
der Strolche«.5 Hierfür organisierten
Michael Regener, Horst Schott und
Andre Möhricke, der ab 1993 als
Bassist in der Band tätig war, den Produktionsablauf
in konspirativer Form.
Schon zu den Proben in der Sewanstraße
in Berlin-Lichtenberg waren
Zuschauer nicht zugelassen. Bandintern
wurden die notwendigen Arbeiten
für die unterschiedlichen Aufgabenbereiche
der CD-Produktion, der
Promotion und des Vertriebes an die
einzelnen Bandmitglieder verteilt.
Jeder einzelne übernahm bestimmte
Aufgaben und ging mit diesen auf
Dritte zu, gab sich als Beauftragter
der Band aus und betreute die Zuarbeit
der Außenstehenden. Umgekehrt
trugen die Beauftragten offene Fragen
zur gemeinsamen Entscheidungsfindung
in die Band zurück.
Landser gewannen für die komplette
Organisation der Produktion ihrer ersten
CD Jens Og aus Eichstätt und dessen
Geschäftspartner Joachim Bratz
aus Berlin. Og entstammt den NFStrukturen
nördlich von Berlin, war in
der SrA für das »Referat Sicherheitsdienst
Innen« verantwortlich und galt
noch 1995 als Führungskader der
Direkten Aktion/Mitteldeutschland. Als
Mitarbeiter des Black-Metal-Labels
Galdre-Records hatte Og auch Erfahrungen
in der Produktion von Musik.
Da die Einspielung der CD wegen der
offen rassistischen Texte nicht in
Deutschland erfolgen konnte, kontaktierte
Og den in Skandinavien
lebenden Marcel Schilf. Schilf wuchs
in Brandenburg/Havel auf und verkehrte
dort Anfang der 90er Jahre in
der örtlichen Neonaziszene.6 Er zog
später nach Skandinavien, engagierte
sich für das neonazistische Netzwerk
Blood & Honour und mauserte sich
zum führenden Produzenten von neonazistischer
Musik in Europa.
So reisten die Landser-Mitglieder
Ende 1995 nach Helsingborg (Schweden),
um ihre CD im Tonstudio des
»Club Walhalla« einzuspielen.7 Das
Tonstudio gehörte ebenso zu Schilfs
Infrastruktur wie die Firmen »NSRecords
« und »NS88-Versand«. Nach
der Einspielung der Lieder organisierte
Schilf die Herstellung der insgesamt
etwa 10.000 CDs. Von diesen CDs
bekam er zur Deckung seiner eigenen
Unkosten mehrere hundert Freiexemplare
und weitere CDs mit Rabatt zum
Weiterverkauf.
Für den Vertrieb der CD »Republik der
Strolche« bedienten sich Og und Bratz
gewachsener politischer Strukturen.
Offensichtlich ist, dass anhand der
Personen, die für die Verbreitung der
ersten Landser-CD aktiv wurden, der
Vertrieb überwiegend von ehemaligen
Kadern und Unterstützern der NF und
SrA-Strukturen organisiert wurde. In
den polizeilichen Vernehmungen gegenüber
den Ermittlern gaben Og und
Bratz an, dass Jens Hessler vom Nibelungen-
Versand aus Lingen, Harald
Theodor Mehr vom Donner-Versand
aus Lüdenscheid, Jens Pühse aus
Freising, Steffen Hupka aus Timmenrode,
Martin Stefan Richter aus Berlin,
Nico Harz aus Neubrandenburg, Ingo
Grönwald aus Weimar und Thorsten
Hollas aus Hennigsdorf in den Vertrieb
involviert waren. Das deutsche
Vertriebsnetz bekam seine CD-Lieferungen
entweder per Post, durch Kuriere
oder die entsprechenden Personen
bekamen von Bratz genaue
Instruktionen und holten sich die CDs
selbst in Schweden ab. Am 16. März
1996 wurden Horst Schott, Katrin
Horn und Peggy Baath von der Polizei
in Rostock gestellt, als sie versuchten
2.000 Landser-CDs nach Deutschland
einzuführen. Sie wollten die CDs von
Schweden nach Frankreich transportieren,
wo sie für den späteren Vertrieb
in die BRD zwischengelagert
werden sollten. In Frankreich war der
ehemalige Generalsekretär der Nouvelle
Résistance, Christian Bouchet,
der Ansprechpartner für diesen Deal.
Mit der Nouvelle Résistance arbeitete
die SrA auf internationaler Ebene ab
1994 offiziell zusammen.8
1998: Profis am Werk
Ende 1996 kam Christian Wenndorff
als Schlagzeuger zu Landser. Er
ersetzte Schott, da dieser nach seiner
Festnahme in Rostock der Band den
Rücken kehrte. Das gesamte Jahr
1997 probte die Band auf dem isolierten
Dachboden eines Mehrfamilienhauses
in Nauen. Parallel dazu suchte
die Band ein Tonstudio, da wie
bereits bei der ersten CD wegen der
neonazistischen Texte ein deutsches
Studio nicht zur Debatte stand. Die
Infrastruktur der Versorgungslinie Nord
stand nicht mehr zur Verfügung.
Grund hierfür waren Verwerfungen
mit Marcel Schilf, da dieser angeblich
unautorisiert Exemplare der CD
»Republik der Strolche« hergestellt
hatte.
So spielten Landser ihre CD »Deutsche
Wut Rock gegen oben« im Tonstudio
der amerikanischen Neonaziband
Bound for Glory (BfG) ein. Die Band
pflegte enge freundschaftliche Beziehungen
mit Landser bzw. den Vandalen
und Blood & Honour Berlin. In
ihrem 1998 veröffentlichten Lied »No
more Jagermeister« von der CD »Glory
awaits« vertonten BfG einen ihrer
Besuche in Berlin. »It was just another
trip to our favorite nation. Berlin, Germany, was our destination
(
) to drink with Luni and Fritz until
we fell (
) the Northamerican-german
Brotherhood back with a bang.
To party with blood and honour and
vandals is the best
«.9
Somit flogen Regener, Möhricke und
Wenndorff am 7. April 1998 für die
Studioaufnahmen ins amerikanische
Minneapolis. Dort nahmen sie mit
Unterstützung von BfG alle Lieder
ihrer CD auf. Als Gegenleistung unterstützten
Landser die Aufnahmen für
den Sampler »Guess whos coming to
dinner«.
Begleitet wurde Landser bei den
Aufnahmen in den USA von Joachim
Bratz, der die gesamten Organisationsfragen
der CD-Herstellung und
des Vertriebes nach Deutschland mit
dem BfG-Sänger Ed Wolbank klärte.
Denn abgemixt wurde die CD in den
USA und dann in einer 10.000er Auflage
beim kanadischen CD-Hersteller
Cinram International Inc. gepresst.
Wie bereits bei der ersten CD musste
die Einfuhr der CDs in die Bundesrepublik
verdeckt erfolgen. Somit
einigten sich Regener und Wolbank
darauf, dass jeweils 50 CDs nach
Holland geschickt werden sollten.
Dort wurden sie von Ben Oreel (Viking
Sounds), einem Aktivisten des europäischen
Blood&Honour-Netzwerkes,
und seinen Strohmännern in Empfang
genommen. Wenn der Empfang bei
Wolbank bestätigt wurde, schickte
dieser die nächste Lieferung los.
Im Aufnahmestudio wurde die Band
vom Kanadier David Allen Surette
(»Griffin«) besucht, einem guten
Freund von Regener und Mitglied der
Bands Aryan und Stonehammer. Eine
von Surettes Zeichnungen war für die
Gestaltung des Booklets der CD vorgesehen,
jedoch scheiterte dies später
an Sicherheitsbedenken, denn die
Zeichnung wurde unverschlüsselt per
eMail zum Layout nach Deutschland
geschickt.
So layoutete Jens Og in Absprache mit
der Band ein anderes Cover und gab
im Mai 1998 Tino Lau den Auftrag,
das Booklet drucken zu lassen. Lau
nutzte hierfür ein Druckstudio in
Frankfurt/Oder. Nach Fertigstellung
des Druckauftrages gab dessen
Inhaber die ZIP-Diskette mit dem
Vorlagenmotiv jedoch nicht an Lau
zurück, sondern übergab sie der
Staatsanwaltschaft. Dass er die ZIPDiskette
nicht zurück bekam, machte
Og misstrauisch. In den polizeilichen
Vernehmungen gab er gegenüber den
Ermittlern an, dass er deswegen komplett
aus dem Vertrieb der CD
»Deutsche Wut Rock gegen oben«
ausstieg.10
Mitte Oktober 1998 fuhr Martin Stefan
Richter nach Holland um einige der
CDs abzuholen. Der Berliner Neonazi
steht exemplarisch für die führende
Beteiligung von B&H-Strukturen am
Vertrieb in Deutschland, da mit dem
Ausscheiden von Og auch ein Teil der
früheren Vertriebsstruktur wegbrach.
Richter brachte etwa 500 CDs mit
nach Berlin. Pech nur, dass er und
seine Kameraden bei der Übergabe in
Berlin am 16. Oktober observiert wurden.
So nahm die Polizei ihn und
seine Freundin Dorothee Bünger fest.
Auch der Hamburger B&H-Kader
Torben Klebe und Andreas Biere aus
Sachsen-Anhalt beide sollten die
CDs zur Weiterverteilung abholen
wurden festgenommen.
Exemplarisch für B&H steht auch Jens
Hessler, der 2.000 Landser-CDs bekommen
sollte. Im Oktober wollte er
diese jedoch nicht annehmen, da er
sich von der Polizei beobachtet fühlte.
Falsch war dieses Gefühl nicht,
schließlich wurde sein Nibelungen-
Versand mit einer polizeilichen Razzia
am 26. November 1998 mehr oder
weniger zerschlagen. Die Polizei fand
bei seinem »Strohmann« Sven
Faltermeyer in Stralsund mehr als
8000 teilweise illegale CDs in
einem Erdbunker. Gefunden wurden
auch ca. 2000 Cover der CD »Rock
gegen oben«.
Nach diesen ganzen Fehlschlägen im
Vertrieb entschied sich auch Joachim
Bratz für den Ausstieg aus der
Struktur. Er übergab in Absprache mit
Michel Regener die restlichen bei ihm
gelagerten Booklets, CDs etc. an Ingo
Grönwald vom Phoenix-Versand für
den weiteren Vertrieb.
2000: Der Anfang vom Ende
Die Proben für die CD »Ran an den
Feind« begannen Landser Ende 1999.
Genutzt wurde u.a. ein Proberaum in
Potsdam-Bornim, welchen sich die
Band mit der neonazistischen Band
»Proissenheads« teilte. Dass Landser-
Mitglied Wenndorff auch bei der
Potsdamer Band trommelte, dürfte
diese Untervermietung erklären.
Für die Organisation der Produktion
der neuen CD und deren Vertrieb
gewannen Landser den Chemnitzer
Jan Werner, der das Label »Movement
Records« betrieb und zu den führenden
Protagonisten des deutschen
Blood & Honour-Netzwerkes zählte.
Da die Landser-Mitglieder in finanzieller
Hinsicht mit den Rückschlägen
beim Vertrieb der früheren CDs nicht
zufrieden waren, forderte die Band
für jedes Mitglied 10.000 DM Gage,
noch bevor die CD ausgeliefert werden
würde.
Werner sicherte dies zu, schaute noch
einige Male bei den Proben vorbei und
organisierte recht bald ein Aufnahmestudio.
Anfang Juni 2000 flogen
Regener, Wenndorff und Möhricke
nach Großbritannien, um in einem
kommerziellen Tonstudio in London
die neue CD einzuspielen. Das mitgebrachte
Masterband übergab Wenndorff
Ende Juni an einer Autobahnabfahrt
der A9 bei Potsdam an Jan
Werner. Dieser beauftragte Mirko
Hesse (Hate Records) mit der Herstellung
der CD und der Produktion
der Booklets.11
Anfang Oktober gab Hesse den
Auftrag für die CD-Herstellung an ein
kommerzielles Unternehmen in Kornwestheim12.
Am 16. Oktober wurden
die 5.000 CDs ausgeliefert. Als
Empfänger für die CDs fungierte
Torsten Lietze, ein Bekannter von
Hesse. Ohne Wissen von Landser gab
Hesse einige Zeit später die Herstellung
von 3.000 weiteren CDs in
Auftrag.
Parallel dazu layoutete Hesse auch
das Booklet der CD. Zentrales Element
ist eine rassistische Zeichnung des
Kanadiers Surette. Nachdem das
gesamte Layout von den Landser- Mitgliedern
abgenickt wurde, beauftragte
Hesse den in Cottbus wohnenden
Toni Stadler. Zu jener Zeit agierte
Stadler auch als V-Mann für den
Brandenburger Verfassungsschutz.13
Stadler organisierte den Druck in
Polen und lieferte die fertigen Book-
lets an Sandro Wagner aus Bautzen,
ein Strohmann von Hesse. Eigenen
Angaben gegenüber der Polizei zufolge,
informierte Stadler den Brandenburger
Verfassungsschutz erst dann
detailliert über den Produktionsprozess
der Landser-CD, als deren Vertrieb
angelaufen war.
Der bundesweite Vertieb wurde nach
Beendigung des gesamten Produktionsprozesses
von Jan Werner und
seinen beiden Movement Records-
Helfern Michael Häse und Sebastian
Andrä vorbereitet. Ebenfalls in den
Vertrieb involviert war Werners
Freund Thomas Starke (Dresden), der
sich mit der Bereitstellung von ca.
9.000 DM quasi in die Produktion der
CD »einkaufen« konnte.
Ende Oktober 2000 wurde ein anonym
abgefasster Brief an 19 ausgesuchte
Händler für neonazistische Musik verschickt.
Er enthielt die Bestellmodalitäten
und eine CD ohne Booklet zur
Untermauerung des Angebots. Die
Angeschriebenen bekamen am 27.
Oktober einen Anruf und ein »Otto«
fragte sie, wie viele »T-Shirts« sie
zugeschickt haben wollten. Die »TShirts« waren der Codename für die
CDs, der Anrufer war Thomas Starke.
Positive Antworten bekamen die Vertreiber
u.a. von Ingo Grönwald vom
Phoenix-Versand aus Weimar, Gunther
Lotze vom Apache-Laden aus Sachsen,
Sven Schneider vom Hatesounds-
Versand aus Borkwalde, von Markus
Thielke vom New Dawn-Laden in
Anklam, von Ralf Marschner vom Last
Ressort Shop in Zwickau und von
einem CD-Händler aus Nidda. Alle
sechs erklärten sich bereit, insgesamt
3.150 CDs abzukaufen. Die CDs wurden
umgehend rausgeschickt.
Die Bezahlung der CDs erfolgte bis
zum 12. November 2000. Dabei trafen
sich Häse und Andrä mit den Käufern
auf Autobahnraststätten und -abfahrten und sammelten das Geld ein.14
Erkennungszeichen war ein verkehrt
herum getragenes Basecap und eine
Ausgabe des Playboys, die Häse sichtbar
trug. Neben diesen deutschen
Empfängern verkaufte Jan Werner
1.000 CDs direkt nach Tschechien und
bekam dafür 11.000 DM. Mit dem
Anlaufen des Vertriebes der CD »Ran
an den Feind« konnte Jan Werner den
Landser-Mitglieder am 5. November
2000 die vereinbarte Gage von 10.000
DM pro Person bar auszahlen. Der
Vertrieb der CDs wurde jedoch von der
Polizei überwacht. Und bereits am
14.11.2000 machte Thomas Starke
gegenüber dem Landeskriminalamt
Sachsen umfangreiche Aussagen zum
Vertrieb der CD »Ran an den Feind«.
Dabei belastete er sich nicht nur
selbst, sondern verpfiff auch seine
Kameraden. Seine Aussagen dürften
wohl dazu geführt haben, dass fünf
Leute aus Sachsen später verurteilt
wurden.15 Auch von einer Geldstrafe
in Höhe von 32.000 DM war später die
Rede.16
Der Sekretär und Mann fürs Grobe
Als enger Vertrauter der Band Landser
gilt Jean-Rene Bauer. Im Gegensatz
zu den Bandmitgliedern selbst, sorgte
Bauer in den vergangenen Jahren
mehrmals für Schlagzeilen. Sein
Verkauf eines Präzisionsgewehres an
einen militanten Neonazi aus dem
Umfeld der militanten Nationalrevolutionären
Zellen flog im Sommer
2000 auf. Schon ein Jahr zuvor stürmte
die Polizei seine Hochzeitsfeier mit
Susann Starke in Berlin.17 Immer wieder
wurde sein Name im Zusammenhang
mit der Band Landser genannt
und er galt gemeinhin nicht nur
szeneintern als aktives Mitglied der
Band. Bauer war zumindest in die
Landser-Produktionsprozesse weitgehend
involviert. Auch nahm er Anrufe
für die Band entgegen oder vertrat
die Band auch schon mal bei
Verhandlungen für die Produktion
einer CD. Nicht zuletzt betreute Bauer
ein Postfach für den Landser-Sänger
Regener. Neben dieser strukturellen
Zugehörigkeit zum Projekt Landser
soll Bauer auch für die schlagkräftige
Durchsetzung von Bandinteressen
gesorgt haben. Wegen einer derartigen
Aktion stand er ab November
2003 vor Gericht, welches ihn erstinstanzlich
u.a. wegen gefährlicher
Körperverletzung zu neun Monaten
Haft verurteilte. Während er am 9.
Juni 2001 Besucher einer Geburtstagsparty
von Jana Goebel (Dresden)
war, beschloss Bauer das »Kameradenschwein« Thomas Starke zu besuchen
und ihn zur Rücknahme seiner
Aussagen zu bewegen. Antje Probst,
die Ehefrau des Sonnentanz-Laden-
Betreibers Michael Probst, lockte
Starke über die Sprechanlage heraus.
Starke öffnete die Tür und wurde von
Bauer und einer zweiten Person mit
handfesten Argumenten aufgefordert,
seine Aussagen bei der Polizei
zurückzuziehen. Starke machte dies
später auch, jedoch spielten seine
Aussagen nach wie vor eine wichtige
Rolle im Prozess gegen Landser.
Das Ende
Nach der CD »Ran an den Feind« planten
Landser u.a. die Aufnahme einer
CD mit David Allan Surette. Diese
Split-CD sollte von Anthony Pierpont,
Betreiber des Labels Panzerfaust
(USA), produziert werden. Für die
gemeinsamen Aufnahmen planten die
Landser-Mitglieder Mitte Mai 2001
nach Kanada zu fliegen. Neben den
Aufnahmen wollte man außerdem
noch ein Konzert anlässlich des
Geburtstages von Surette geben.
So flogen Regener, Möhricke und
Wenndorff am 13. Mai 2001 nach
Toronto. Begleitet wurden sie von den
beiden Vandalen Jean-Rene Bauer
und Clemens Niesar. Nur zwei Stunden
nach ihrer Ankunft in Kanada flog die
Band aber wieder unverrichteter
Dinge nach Hause, da die kanadischen
Behörden Wenndorff die Einreise
verweigerten. Auch andere
Aufnahmemöglichkeiten für die Split-
CD waren nicht in greifbarer Nähe. Als
dann auch noch der Proberaum in
Potsdam-Bornim zum August 2001
wegen Kündigung geräumt werden
musste, wurde die Split-CD auf Eis
gelegt.
Es fällt auf, dass das Jahr 2001 insgesamt
unter keinem guten Stern für die
Band stand. Dies dürfte wohl damit
zusammen hängen, dass die Ermittlungsbehörden
die Band spätestens
ab Ende 2000 observierten. Anfang
Oktober 2001 wurde die Band schlussendlich
von den Ermittlungsbehören
ausgehoben.
Einschätzung
Es würde zu kurz greifen, das
Scheitern der konspirativen Strukturen
von Landser auf die Aussagen
einzelner Neonazis zu schieben. Deren
Einlassungen gegenüber den Ermittlungsbehörden
waren nur eine Konsequenz
aus der allmählichen Ausdünnung
der Kaderdecke. Die geschulten
Kader der verbotenen Organisationen
erkannten genau, wann
die Zeit für den Ausstieg aus dem
konspirativen Projekt Landser war.
Horst Schott verließ die Band, nachdem
er im März 1996 mit 2.000 CDs
festgenommen wurde. Jens Og beendete
seine Mitarbeit im Jahr 1998, als
ihm Teile der konspirativen Struktur
zu unsicher wurden. Ähnlich Joachim
Bratz, der seine aktive Mitarbeit
ebenfalls im Jahr 1998 einstellte,
nämlich dann, als die Polizei sehr nah
an die Landser-Strukturen gekommen
war. Diese Personen konnten langfristig
nicht adäquat ersetzt werden.
Stattdessen gerieten ungeschulte,
ausschließlich auf Geld- und Profilierung
bedachte »Karrieristen«, vornehmlich
aus dem Kreis von Blood &
Honour, in Schlüsselpositionen des
Landser-Systems.
Exemplarisch hierfür steht Thomas
Starke, der sich im Jahr 2000 in die
CD-Produktion einkaufte und später
umfangreiche Aussagen bei den
Ermittlungsbehörden machte. In diese
Schublade kann auch der Landser-
Drummer Christian Wenndorff gesteckt
werden. Der prahlte gegenüber
Mädchen mit seiner Mitarbeit bei
Landser und ließ sich als deren Drummer
in einer Chemnitzer Diskothek als
»Halbgott« feiern. Gegenüber diesen
pseudokonspirativen Strukturen wirkt
Horst Schott fast schon altbacken. Im
derzeitigen Landser-Prozess verweigerte
er komplett die Aussage und
sitzt seitdem in Beugehaft.18
Ein anderer Aspekt für das Scheitern
von Landser ist auf der finanziellen
Ebene zu sehen. Der Traum vom
großen Geld machte auch vor der
Band nicht halt. Die Gagenforderungen
von 30.000 DM für die CD
»Ran an den Feind« dürften sehr
negative Auswirkungen auf den Vertrieb
gehabt haben. Der Einkaufspreis
für die interessierten Händler lag je
nach Abnahmemenge zwischen 13 DM
(1.000 CDs) und 20 DM (50 CDs) pro
Stück. Die geringe Gewinnspanne im
Verhältnis zum persönlichen Risiko
wird für einige verlässliche Vertriebshelfer
nicht verlockend gewesen sein.
Zum Vergleich: die erste CD »Republik
der Strolche« erhielten die CDHändler
für 10,- DM pro Stück zum Weiterverkauf.
Vor dem Hintergrund der
Gagenforderungen und den Produktionskosten
von weit über 14.000 DM,
war die Herstellung der CD »Ran an
den Feind« unter konspirativen
Bedingungen quasi undurchführbar.
Da der Produzent Jan Werner die weit
mehr als 44.000 DM bereits im Vorfeld
der CD aufzubringen hatte, musste er
sich zwangsläufig finanzielle Unterstützung
besorgen. Bei den Ermittlungsbehörden
gab Werner zu Protokoll,
dass er sich für die CD-Produktion
26.000 DM vom Betreiber des polnischen
Labels »SubZero«19 geborgt
hätte. Vor dem Hintergrund, dass
Landsers üble Hetzlieder gegen »Polacken-
Lümmel« und deren »Scheiß-
Volk« Kultstatus erreichten, wirken
der Kredit aus Polen und der Druck
der Booklets in Polen wie ein Treppenwitz
in der Landser-Geschichte.
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Landser - die selbst ernannte Braune Musik Fraktion
»Landser«-Sänger Michael Regener (mit Mütze) auf
der NPD-Demo am 1.Mai 2003 in Berlin
1| Der anfängliche Name war »Endlösung«, erst in der 2. Hälfte des Jahres 1992 nannte
sich die Band in »Landser« um.
2| Angriff Nr.1, o.J. (1993),
S.16: Konzertberichte.
3| Die SrA verstand sich als
Kaderstruktur und ihr Vorfeldverein
Förderwerk Mitteldeutsche
Jugend (FMJ) präsentierte
den aktionistischen Flügel. Die
Strukturen der FMJ nannten
sich später in Direkte Aktion/
Mitteldeutschland um, die am
5. Mai 1995 vom Brandenburger
Innenministerium verboten
wurde.
4| Vgl.: AIB, Nr.24, 1993, S.8-
12: Die Nachfolgeorganisationen
der Nationalistischen Front.
5| Das zwei Jahre zuvor
produzierte Demo-Tape »Das
Reich kommt wieder« hatte
nur einen sehr geringen Verbreitungsgrad.
6| vgl.: AIB, Nr.25, 1993/94,
S.13: Stadt Brandenburg. Der
Schein von Ruhe trügt.
7| Zu selben Zeit war auch der
Neonazi Thorsten Heise in
Helsingborg.
8| Lutte du Peuple, Nr.22,
1994, S. 10.
9| »Luni« ist Michael
Regener, »Fritz« ist der
Spitzname vom
Vandalen-Mitglied
Clemens Niesar.
10| In der jüngeren Zeit
tauchte Og im
Zusammenhang mit
dem Versand
heidnischer Materialien
auf, u.a. einem Pagan-
Kalender 2002.
11| Hesse soll V-Mann
des Bundesamtes für
Verfassungsschutz gewesen
sein, was dieses
in einer Erklärung am 6.
September 2002
verneinte. Hesse selbst
bestreitet eine V-Mann-
Tätigkeit, vgl.: Final
Destination Division
88, Nr.4, 2003, S.34.
12| Die Firma ließ die
CDs von einem Presswerk
in Dänemark herstellen.
13| Ausführlich zur Rolle
des Verfassungsschutz
in der Berlin-
Brandenburger
Neonaziszene und dem
Fall Stadler vgl.: AIB,
Nr.57, 2002, S.22ff:
Nazischutzgebiete
zwei beispielhafte
Biotope.
14| Gunther Lotze blieb
das Geld wohl schuldig.
15| Christian Menhorn
ist der einzige, der dies
jemals schrieb. Er
veröffentlichte das Buch
»Skinheads: Portrait
einer Subkultur« als
freier Journalist. Er gab
nicht an, dass er im
gleichen Zeitraum
offizieller Mitarbeiter
des Bundesamtes für
Verfassungsschutz war.
16| Hatesounds-
Katalog, Juni/Juli 2001.
17| Ausführlich zu
Susann Starke, vgl.: AIB,
Nr.50, 2000, S.35:
Spotlights aus einem
verbotenen Verein. Die
Wiking-Jugend.
18| Vgl. auch den Artikel
"81 meets 28?" ab
S.26.
19| SubZero Records ist
dem internationalen
Blood&Honour-
Netzwerk zuzurechnen.
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