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Dirty Dancing
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Der Heimatbund Pommern
Adrette junge Männer in weißen Hemden und schwarzen Hosen, die Frauen mit strenggebundenen Frisuren und langen Kleidern in den pommerschen Farben blau-weiss – der Anblick der Tanzformation erfreut besonders das ältere Publikum. Beim Erntedankfest, dem Dorfjubiläum, einer Weihnachtsfeier, einer Goldenen Hochzeit und anderen Gelegenheiten erntet die Truppe Beifall für Plätscherpolka und Singspiele. Auf große Politik verzichtet der Kulturkreis Pommern bei diesen Auftritten. Selbst der Namenszusatz Hans Mallon, in Erinnerung an ein Hitlerjugend-Mitglied, wurde gestrichen. Unpolitisch sind die Tänzer und Tänzerinnen aber mitnichten. Dabei ist die Pflege einer »deutschen Kultur« nur ein Teil ihres Engagements. include("../../includes/6.php"); ?> Der Kulturkreis ist eine Untergliederung des Heimatbund Pommern (HbP), einer der regesten Neonazi-Gruppierungen in Mecklenburg/Vorpommern. In den letzten Jahren organisierten oder beteiligten sich der Bundesleiter Ricardo Kaster und die etwa drei Dutzend Mitglieder und SympathisantInnen an mehr als sechzig Veranstaltungen der rechten Szenen. Seit seiner Gründung im August 2002 widmet sich der Heimatbund dabei insbesondere der rechten Jugendarbeit in den Landkreisen Uecker-Randow und Ostvorpommern. Mit mindestens drei Regionalgruppen und der Eintragung ins Vereinsregister unterscheidet sich der HbP von den üblichen Kameradschaftsstrukturen. Auch Öffentlichkeitsarbeit und Auftreten sind darauf ausgerichtet, sich bürgernah zu etablieren und sollen »Barrieren aufbrechen«. Mit Infoständen tourte der Heimatbund durch mehrere Orte und stellte sein Angebot vor. Auf Marktplätzen tanzten und trommelten die Mitglieder des HbP, stellen Schautafeln auf, legten Informationsblätter und die eigene Publikation »Stimme der Heimat« aus. Sonderausgaben für Kinder enthalten Spiele, Rätsel, Witze und Tipps bei Liebeskummer. Die Strategie scheint aufzugehen. Mit auf den ersten Blick unverfänglichen Aktivitäten wie Wanderungen, Elterngespräche, Müllsammeln, Geländespielen, Fußballturnieren oder einem Mädchenlaienspiel trifft der Heimatbund kaum auf Widerstand. Zwar distanzierten sich der Schleswig-Holsteinische Heimatbund und der Landesheimatverband Mecklenburg-Vorpommern »in aller Schärfe und Deutlichkeit von rechtsradikalen Organisationen«. In der Region selbst reagierte bislang jedoch kaum jemand. Im Gegenteil – die Teilnahme bei Festumzügen in Liepe und Ueckermünde, Einladungen von der Volkssolidarität oder Wirtsleuten, sowie die Bereitstellung von öffentlichen Sportplätzen und Campgeländen dürfte eher als Förderung empfunden werden.
Dabei ist der rechtsextreme Charakter des Heimatbund Pommern offensichtlich. Redebeiträge, Texte und Aktionen spiegeln Versatzstücke nationalsozialistischer Ideologie wieder. Die Organisation propagiert eine »nationalistische Weltanschauung« und eine »artgerechte völkische Kultur«. Die »innere Ausrichtung und Schulung« bedeutet für den Heimatbund Agitation gegen Polen, einen völkisch verbrämten Ökologiebegriff oder die Vorbereitung eines »allgemeinen Aufstandes«. Diskobesuchen, Drogengenuss, Maßlosigkeit und Spaßgesellschaft werden Treue, Freundschaft und Familie entgegengesetzt. An einer rassistischen Kampagne gegen Flüchtlingsheime beteiligten sich Kader des Heimatbund ebenso wie an Aktionen gegen die Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht«. Die Sommerlager haben mit Appellen und Uniformierung einen deutlich militaristischen Charakter. Die Ähnlichkeiten mit Theorie und Praxis anderer Neonazigruppen kommen nicht von ungefähr. Enge Kontakte bestehen beispielsweise zur Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) in Berlin/Brandenburg. Von gemeinsamen Aktivitäten zeugen Veranstaltungsberichte und die aktuelle Titelseite des HDJ-Organs Funkenflug, auf der sich der Heimatbundaktivist Tino Müller abbilden ließ. Der Berliner NPDler und Liedermacher Jörg Hähnel mit HDJ-Erfahrungen ist ein gern gesehener Gast der vorpommerschen Neonazis. Ebenso Lutz Giesen, der mittlerweile auf nahezu jeder Demonstration in Mecklenburg-Vorpommern als Redner auftritt.
Auch wenn Volkstanz nur einen geringen Coolness-Faktor bei so manchen Neonazis haben dürfte, ist der Heimatbund Pommern ein fester Bestandteil lokaler und überregionaler rechter Netzwerke. Die Kader des HbP sind fast durchgängig in Kameradschaften in Ueckermünde, Ducherow oder auf der Insel Usedom aktiv. Im »Sozialen und Nationalen Bündnis Pommern« übernimmt der HbP Ordneraufgaben und führt Demonstrationen mit den Trommlern seines »Spielmannzuges« an. Im Vorfeld der Bundestags- und Landtagswahlen orientieren sich die Kameradschaften nun auch stärker auf den Kampf um die Parlamente. Mit dem schon genannten 27-jährigen Tino Müller aus Ueckermünde und dem Heringsdorfer Michael Gielnik finden sich gleich zwei Aktivisten aus dem Umfeld des Heimatbundes auf der Landeswahlliste der NPD. Im Bundesgebiet bestehen zudem enge Beziehungen zu brandenburgischen, sächsischen und Berliner Kameradschaften. Hinzu kommen Auftritte beim NPD-Pressefest und den »Tagen der deutschen Gemeinschaft«.
Die Neonazi-Szene in Vorpommern gilt als ausgesprochen vielfältig und handlungsfähig. Im Nordosten besteht bereits eine umfassende rechte Infrastruktur aus Kameradschaften, Rockern, dem »Medienverbund«, rechten Firmen und Geschäften, Musikveranstaltungen und NPD-Kommunalpolitikern. Vor diesem Hintergrund muss der Heimatbund Pommern als Ergänzung einer Strategie verstanden werden, die in nahezu alle Lebensbereiche vordringt. Der HbP übernimmt dabei die bisher etwas vernachlässigte Nachwuchsförderung und bietet mit seiner kulturellen Ausrichtung Berührungspunkte für Familien und ältere Menschen.
Der geringe Widerstand gegen diese Entwicklung und fehlende Alternativen in Vorpommern lassen AntifaschistInnen die Zukunft der Region in dunkelbraunen Farben malen. Die lokale Verankerung der Neonazis in den ländlichen Gebieten gestaltet Interventionen schwierig, zumal der Kontakt zur Bevölkerung durch die Neonazi-Szene kontinuierlich mit eigenen Publikationen in hoher Auflage gepflegt wird. Eine Initiative, die in rund einem Dutzend Dörfer und Kleinstädten tausende Flugblätter gegen den HbP verteilte, versuchte diese Propagandahoheit der Neonazis zu stören. In der Tat führte die Aktion zu einer Reihe von Medienberichten. Da gleichzeitig Briefe an Veranstalter, Wirtsleute, Gemeindevertretungen und andere Akteure der Region gingen, dürften unbekümmerte Auftrittsangebote an den Heimatbund zumindest erschwert werden. In Pasewalk und Greifswald sah sich der Heimatbund dann auch erstmals mit Protesten gegen seine Veranstaltungen konfrontiert. So wichtig die Informationen über den neonazistischen Hintergrund des Vereins sind, ohne ein stärkeres Engagement aus der Region werden sich die HbP-Mitglieder nicht stören lassen. Eine besondere Brisanz gewinnt das HbP-Konzept, dadurch, dass es offenbar exportiert wird. Neonazis der Mecklenburgischen Aktionsfront (MAF) hospitieren bei Veranstaltungen des Heimatbundes. Die MAF agiert im Raum Neustrelitz und Neubrandenburg und konnte sich schon früher auf die Unterstützung des HbP verlassen. Die Aktivisten David Petereit aus Neustrelitz und der Burg Stargarder Stadtvertreter Norman Runge kopieren nun das Erfolgsmodell. Ein Kulturkreis Mecklenburg-Strelitz versucht sich nun auch in Dirty Dancing.
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Mitglieder der »Freien Nationalisten Mecklenburg Vorpommern« posieren vor einem Kriegerdenkmal in Stargard (Faksimile aus
Geo, Oktober 2005, Seite 117)
Der Heimatbund Pommern beim Dorffest in Liepe (Faksimile aus dem Nordkurier vom 24. März 2005)
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