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Fackeln gegen Moschee
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Dies ist die vollständige Version des in der Printausgabe gekürzt abgedruckten Artikels.
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Rassismus
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Fackeln gegen Moschee
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Rassistische Mobilisierung im Berliner Nordosten: Die Ankündigung des Baus einer Moschee hat in Pankow-Heinersdorf, einem abgelegenen Stadtteil im Nordosten Berlins, eine regelrechte Volksbewegung in Bewegung gesetzt. Bereits Ende März 2006 ging die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde, die in Berlin knapp 200 Mitglieder zählt und derzeit in Reinickendorf ein zur Moschee umfunktionalisiertes Einfamilienhaus zur Religionsausübung nutzt, mit ihren Heinersdorfer Bauplänen in die Öffentlichkeit. Hier fand sie nach langer Suche in ganz Berlin ein geeignetes Grundstück in der Tiniusstraße: erschwinglich, direkt an einer Autobahnauffahrt und zwischen zwei Fastfood-Restaurants. Die Lage und Verkehrsanbindung schätzt die Ahmadiyya optimal ein, weil die Gemeindemitglieder in ganz Berlin verstreut leben.
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Moscheebau steht kurz bevor
In zwei Jahren will die Ahmadiyya mit dem etwa eine Million Euro teuren Projekt fertig sein und so bald wie möglich mit dem Bau beginnen. Das benötigte Geld plant die in Deutschland seit 1955 verwurzelte »Ahmadiyya Muslim Jamaat« aus Spenden ihrer bundesweit rund 30.000 Mitglieder zu finanzieren. Einen positiven Bauvorbescheid hat sie vom Pankower Bezirksamt bereits erhalten. Nun wartet sie auf die Prüfung des Bauantrages, ein positiver Bescheid ist allerdings zu erwarten. Die Moschee wäre das erste muslimische Gotteshaus im Ostteil Berlins.
Seit bekannt werden der Pläne schaukelt sich ein rassistisch gefärbter Konflikt in Heinersdorf hoch, der besonders von der »Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger« (IPAHB), einem von etwa 80 Mitgliedern unterstützten Heinersdorfer »Verein in Gründung« angeheizt wird: Über 5000 der etwa 6500 HeinersdorferInnen haben mit ihrer Unterschrift unter eine IPAHB-Liste gegen die geplante Moschee protestiert. Derzeit ist eine Postkartenaktion der Bürgerinitiative gegen die Moschee im Gange, die über 6000 UnterstützerInnen in Heinersdorf und darüber hinaus gefunden haben will. Heinersdorfer BürgerInnen pflasterten ihren Kiez regelmäßig und in Eigenregie mit spartanisch hergestellten Plakaten zu, auf denen Sprüche wie »Moschee? Nee!« oder »Keine Ahmadiyya-Sekte in Heinersdorf« zu lesen waren.
Am 14. September zogen zum dritten Mal über 1000 Menschen, darunter auch 100 Neonazis, gegen die Moschee durch Pankow. Weil sich die veranstaltende Bürgerinitiative IPAHB im Vorfeld von »Extremisten« distanziert hatte, sortierten bereits am Antrittsplatz Polizisten der Abteilung »Politisch motivierte Straßengewalt« (PMS) etwa 30 offensichtliche und bekannte Neonazis aus und zwangen sie, sich hinter der Demonstration einzureihen. Sie bildeten dort schließlich, von der Polizei geduldet, einen eigenen Block: Mit dabei Ex-Baso-Chef René Bethage, Pankows NPD-Vorsitzender Jörg Hähnel, der JN-Kader Markus Loszczynski und einige bekannte Neonazis aus Pankow und dem Südosten der Stadt. Einige Aktivisten der antisemitischen »Reichsbürger«, Mitglieder der extrem rechten Republikaner und des rechtskonservativen Pankower Ortsverbandes der »Grauen Panther« hatte die PMS übersehen oder übersehen wollen und so mischten sie sich problemlos unters »normale Volk«.
Neonazis als Trittbrettfahrer
Auch NPD-Chef Udo Voigt und der Berliner Landesvorsitzende der Partei, Eckart Bräuniger, waren anfangs dabei. Sie verließen den Aufmarsch aber kurz nachdem sich abzeichnete, dass sie hinten mitlaufen mussten. Natürlich marschiert auch die gesamte Führungsriege der Pankower CDU mit. Während der Abschlusskundgebung nahm die Polizei acht Neonazis wegen »Volksverhetzung« fest, die ein Transparent mit der Aufschrift »Heute gehört uns Kreuzberg, und morgen die ganze Welt« gezeigt hatten. Dieses Transparent war bereits am 1. April bei einem NPD-Aufmarsch gegen die Moschee kassiert worden.
Die Moscheegegner möchten ihre Demonstrationen vorwiegend als Protest gegen eine linke Bezirksregierung verstanden wissen, die mehrheitlich hinter dem Moscheebau steht und immer wieder klarmachte, dass die Ahmadiyya als legale Glaubensgemeinschaft ebenso ein Gotteshaus bauen darf wie katholische und evangelische Gemeinden. Allerdings gingen die VertreterInnen und Mitglieder von Linkspartei.PDS, Grünen und SPD immer dann auf Tauchstation, wenn antifaschistische Gruppen zu Protesten gegen die IPAHB-Aufmärsche mobil machten. Mit der Folge, dass sich maximal 150 Menschen an den Gegenaktivitäten beteiligten. Ganz im Gegensatz zur CDU: Sie vermochte jeweils große Teile ihrer Parteibasis zu den IPAHB-Demos zu mobilisieren.
Rassismus der Mitte
Ihren »Widerstand« gegen die Moschee scheint die IPAHB auch als Kulturkampf verstehen zu wollen: Die Demonstration am 14. September endete nicht, wie geplant, am Pankower Rathaus sondern vor der Kirche Alt-Pankow. Pankows damaliger Bezirksbürgermeister Burkhard Kleinert (Linke.PDS) hatte als Reaktion das Rathaus mit 60 Nationalfahnen und dem Spruch »Das ist Pankow« verhüllen lassen. Spontan verkürzte die IPAHB ihre Route, um sich nicht wegen ihrer Fremdenfeindlichkeit vorführen lassen zu müssen.
Die für Alt-Pankow zuständige Pfarrerin, Ruth Misselwitz, dürfte allerdings wenig Gefallen an den auf der Abschlusskundgebung vor ihrer Kirche gehaltenen kulturkämpferischen Hetzreden gefunden haben. Misselwitz war in den letzten Monaten massiv um einen Dialog mit der Ahmadiyya bemüht und kontrastierte damit die Aktivitäten der IPAHB und des Heinersdorfer Pfarrers Andreas Kaehler. Kaehler hatte bereits im April verkündet, dass Heinersdorf »christlich« sei und bekräftige immer wieder seine Unterstützung für die IPAHB. Er ließ sich davon auch nicht abbringen, als es scharfe Kritik an seinem Kurs in Berliner Kirchenkreisen gegeben hatte.
Der IPAHB-Vorsitzende Joachim Swietlik wandte sich in seiner Demo-Rede am 14. September gegen eine »Religionsfreiheit«, die es Gemeinden »ermöglicht, dort zu bauen, wo es ihnen beliebt« Ein anderer Redner der IPAHB stellte bei diesem bürgerlichen Aufmarsch durch Pankow einen bundesweiten 100-Moscheen-Plan der Ahmadiyya-Gemeinde in Analogie zum proklamierten »Endsieg« der Nationalsozialisten. Auch nach den Wahlen werde der »Widerstand gegen die Moschee", so Swietlik, weitergehen und der kommende Aufmarsch soll, wenn es die Behörden genehmigen, gleich ein Fackelmarsch werden.
»Hier gibt es doch keine Muslime«
Neue Argumente gegen die Moschee scheint es keine mehr zu geben. Mehrere in den letzten Monate eingereicht IPAHB-Anträge auf Bürgerbegehren gegen die Moschee sind vom Berliner Senat bzw. Pankows Bezirksamt abgelehnt worden, weil sie die grundgesetzlich verankerte Religionsfreiheit verletzten. Das Motto blieb bei den Demonstrationen im Mai, Juni und September immer identisch: »Gegen das Kalifat, gegen die Scharia, gegen den Missbrauch der Religionsfreiheit. Für die Gleichberechtigung der Frauen, für die Bürgerrechte, für Demokratie und Bürgerbegehren, für den Rechtsstaat« Fragt man in Heinersdorfer Läden nach den Gründen der Ablehnung der Bevölkerung, ist meist »hier gibt es doch keine Muslime«, »das sind doch Fundamentalisten«, »die Moschee zerstört den gesellschaftlichen Frieden« oder sie passe »nicht ins Bild« zu hören. Auch von sinkenden Grundstückspreisen und Parkplatznot ist die Rede. Weiterhin wird mit Vorstellungen von Anschlägen und zu erwartenden Kämpfen verfeindeter muslimischer Gruppen Angst geschürt.
Die Ahmadiyya-Gemeinde schätzen Islamexperten zwar als streng korantreu, aber friedfertig und nicht-islamistisch ein. In Verlautbarungen erklärte sie mehrfach, ihre Religionsarbeit stehe unter dem Motto »Liebe für alle - Hass für keinen«. Von anderen islamischen Glaubensgemeinschaften wird sie teilweise angefeindet, weil sie sich als Reformbewegung innerhalb des Islam versteht. In einigen islamischen Staaten, vorwiegend in Pakistan, werden ihre AnhängerInnen auch verfolgt. AnwohnerInnen und PolitikerInnen in Reinickendorf, wo die Ahmadiyya bisher ihre Moschee unterhält, berichten von einer unproblematischen muslimischen Gemeinde, die sich gut in die Nachbarschaft integriert habe. Dennoch hat die Beteiligung der Ahmadiyya am sozialen Leben in der BRD auch KritikerInnen: Die Sozialwissenschaftlerin Hiltrud Schröter sieht in ihr eine »Sekte«, die eine gesellschaftliche Ordnung nach dem Vorbild der Scharia (einer streng-religiösen Pflichtenlehre) auch in der Bundesrepublik durchsetzen wolle und eine Trennung von Religion und Staat nicht vorsehe. Die Sprecher der Ahmadiyya weisen diese Vorwürfe stets damit zurück, die Ahmadis unterstützten das Grundgesetz und akzeptierten die Freiheitliche demokratische Grundordnung. Schröter ist allerdings auch unter anderen Sozialwissenschaftlern höchst umstritten. Sie bediene sich in ihren Schriften »keiner wissenschaftlichen Elemente«, so viele ihre KritikerInnen.
»Volksaufstand« in Heinersdorf
Die rassistische Protestbewegung gegen die Moschee in Heinersdorf ist kein Produkt der extremen Rechten, sondern kommt aus der gesellschaftlichen Mitte. Zwar hatte die NPD in Pankow extra eine Kampagne »Nein zur Moschee« gestartet und 200 Anhänger am 1. April 2006 zur damit ersten Antimoscheedemonstration nach Pankow mobilisiert sowie immer wieder auf den IPAHB-Demos Flagge gezeigt, dennoch sind die Neonazis in Heinersdorf nur Zaungäste. Stichwortgeber ist die BürgerInneninitiative IPAHB. Sie bündelt in Heinersdorf nahezu alle mehr oder minder prominenten AkteurInnen des (Dorf-)Lebens: den Pfarrer, die Heinersdorfer Grundschuldirektorin Marina Vogel, die lokale CDU, Ärzte, Rechtsanwälte und zahlreiche Gewerbetreibende. Augenscheinlich bemüht sich die IPAHB um Abgrenzung zu »Rechts- und Linksextremismus« und sieht sich als »parteiunabhängig«. Lokale antifaschistische Gruppen verweisen jedoch auf große ideologische Schnittmengen zwischen IPAHB und Neonazis. Das Wohlwollen der Neonazis über den Heinersdorfer »Volksaufstand« wird auch in vielen Erklärungen von Republikanern und NPD deutlich. Auf der extrem rechten Internetseite Altermedia wurde die Stimmung gar mit der während des Pogroms 1991 in Hoyerswerda gleichgesetzt und entsprechend gewürdigt.
Auch CDU mischt mit
Enorme Schützenhilfe erhalten die Pankower Moscheegegner von der lokalen CDU und ihrem Chef René Stadtkewitz: Bereits ein halbes Jahr vor Bekannt werden der Moscheepläne in der Öffentlichkeit beschloss der CDU-Kreisverband auf einer Delegiertenkonferenz, die Moschee zum Wahlkampfthema zu machen. Auch die IPAHB-Gründung im April 2006 ist im wesentlichen auf Aktivitäten von Pankower CDU-Funktionären zurückzuführen. Wo es den IPAHB-AktivistInnen noch an logistischem Knowhow oder Kapazitäten fehlt, springt die CDU ein. So bei der Sammlung von Unterschriften gegen die Moschee oder beim Verteilen von Postkarten.
Der Pankower Kreisverband der CDU zählen seit Jahren zum rechten Flügel der Berliner CDU. Wenige Tage vor den am 17. September 2006 stattgefundenen Wahlen machte Stadtkewitz angesichts eines Interviews, das er der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit gab, Schlagzeilen. Darin kritisierte er, dass sich die »Politik« angeblich »zu weit vom Volk« entfernt habe, weiterhin sei man seit 1968 angeblich auf dem »linken Auge blind«. Er schloss dabei auch ausdrücklich die CDU (sic!) mit ein. Wenige Tage nach dem Interview, empfahlen die Republikaner Stadtkewitz den Eintritt in ihre Partei. Zuvor hatte es in seiner Partei verhaltene Kritik am JF-Interview gegeben, CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger nannte das Interview einen Fehler. Linke.PDS, Grüne, SPD und FDP in Pankow forderten die CDU in einer gemeinsamen Erklärung erfolglos zur Distanzierung von Stadtkewitz auf.
Doch die Verbindungen der Pankower CDU ins extrem rechte Lager sind weitaus umfangreicher: Bereits im April war bekannt geworden, dass der Pankower CDU-Schatzmeister Bernhard Lasinski beim genannten NPD-Aufmarsch gegen die Moschee am 1. April mitgelaufen war. Dem Ausschluss aus der CDU kam er durch den Parteiaustritt zuvor. Allerdings erklärte Lasinski später, doch »nur gemacht zu haben«, was die »Partei von ihm wollte«. Während des Wahlkampfes ließ sich Stadtkewitz mehrfach mit Lasinski blicken und unterhält weiter gute Kontakten zu ihm.
Offensichtlicher Fremdenhass
Bei einer Sitzung des Lokalparlaments im Mai erklärte der Pankower CDU-Kader Ulrich Eichler auf die Frage eines freien Journalisten, auch eine jüdische Synagoge hätte in Heinersdorf keinen Platz und würden ebenso auf den Widerstand seines Kreisverbandes stoßen. Bei einer außerordentlichen BVV-Sitzung am 21. August schließlich nannte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Dieter Michehl eine schwarze Frau auf einem Antirassismusplakat »Neger« Michehls gewagte Theorie zum Plakat: Heinersdorfer könnten behandelt werden, wie »Sklaven«, die man früher »verkauft hat«. Pankows CDU wird dies zu verhindern wissen.
Ungeklärt ist bisher ein Anschlag auf das Einfamilienhaus von René Stadtkewitz im Pankower Stadtteil Karow, der am frühen Morgen des 10. August verübt wurde. Es entstand geringer Sachschaden, verletzt wurde niemand. Die Spurensuche in seinem Haus war noch nicht abgeschlossen, da präsentierte Stadtkewitz bereits »Linksextreme« als mögliche Täter. In drei anonymen Briefen sei er vor dem Anschlag wegen seiner Moscheekritik bedroht worden, so Stadtkewitz. Allerdings ließ sich der ermittelnde Staatsschutz zu der Aussage hinreißen, dass die Tat »untypisch« für die linke Szene sei und die Briefe von so sehr persönlichem Inhalt seien. Einige Tage vor den Wahlen erklärte Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), dass einiges für Stadtkewitz persönliches Umfeld als Täterkreis spreche. Ähnliche Stimmen waren auch aus dem Ressorts von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) zu vernehmen.
Beispiellose Stimmungsmache
Der Protest gegen die Moschee in Heinersdorf hat jede politische Mobilisierung im Stadtteil Pankow seit 1990 in den Schatten gestellt. Aller sozialer Kahlschlag, deutsche Kriegsbeteiligung oder alltäglicher Neonaziterror scheint nichts gegen eine kleine Moschee zu sein, die das Ausmaß eines größeren Einfamilienhaus einnehmen wird. Seit nunmehr fast einem halben Jahr schweißt diese Frage fast den gesamten Stadtteil zusammen. Während die »große Volkspartei« CDU im Ostteil der Stadt bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 17. September bei etwa elf Prozent und noch hinter den Grünen landete, wurde sie in Heinersdorf mit über 40 Prozent für ihr Engagement gegen die Moschee ordentlich belohnt. Auch die Rechten sahnten in Heinersdorf ab: In mehreren Wahllokalen erreichten NPD und Republikaner zusammen über 15 Prozent. Nur durch den hohen Stimmenanteil der Reps in Heinersdorf gelang der Partei mit 3,1 Prozent der Einzug in die Pankower Bezirksverordnetenversammlung. include("../../includes/7.php"); ?>
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