Pressemitteilung des Infoladen Osnabrück vom 29. 9. 1999 zum Naziaufmarsch am 9. Oktober 1999 in Osnabrück 

Seit dem 15. September 1999 mobilisiert die NPD über ihre Internetseite zu einem Aufmarsch nach Osnabrück, unter dem Motto. "Stoppt die antideutsche Hetze". Der Aufmarsch richtet sich gegen die seit dem 1. September 1999 hier gezeigte Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944". Anmelder für die im Stadtzentrum von Osnabrück am 9. Oktober 1999 geplante Demonstration, ist der niedersächsische Landesverband der NPD. Mittlerweile wird auch über das "Freie Info Telefon" der "Freien Kameradschaften" zu dem Aufmarsch aufgerufen. 

"Friedens"-Provinz

Das sich dynamisch zum regionalem "Oberzentrum" entwickelnde Osnabrück, erfreute sich 1998 eines Auflaufs der europäischen Feudalreste und der inter- nationalen Regenbogenpresse, anlässlich des 350. Jahrestages des "westfälischen Friedens". Das damals kreierte Image "Friedensstadt Osnabrück" gründete sich auf die historisch zweitrangigen Nebenverhandlungen zum "Westfälischen Frieden 1648" in Osnabrück, und bescherte dem Hotel- und Gaststättengewerbe den erhofften Einnahmezuwachs. 

Für die "Friedensstadt Osnabrück" wirken ausserdem der antimilitaristische Schriftsteller Erich Maria Remarque und der Maler Felix Nussbaum traditions- bildend. Felix Nussbaum verschleppten die Nazis ins KZ, Remarque wurde vom deutschen Faschismus ins Exil getrieben. 

Um das Image "Friedensstadt" weiter zu führen, bemühte sich die Stadt um dieAusstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944". Von Anfang an beabsichtigte die Volkshochschule, als Ausrichter des Begleitprogramms, die Integration der Kritiker und Leugner in die Diskussion um die Ausstellung. 

Im Begleitprogramm werden Aspekte, wie die ökonomische Ausbeutung der okkupierten Gebiete und die strategische Planung der Wehrmacht, SS und NSDAP, die Anlass zu aktuellen Bezügen bieten würden, ausgeblendet. Diese historisierende Herangehensweise dient dazu, die Gegenwart nicht anhand von historischen Erfahrungen zu hinterfragen, und zementiert damit den kapitalistischen Normalzustand. Ins Gegenteil verkehrt wurde die Ausstellung dazu benutzt, den Krieg in Jugoslawien zu rechtfertigen (z.B. durch Hannes Heer auf der Eröffnungsveranstaltung). 

Die in Osnabrück verfolgte Strategie der Einbindung der KritikerInnen der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht nahm dem möglichen konservativen Protestpotential die Spitze. Während CDU, Landsmannschaften, Reservistenverbände der Bundeswehr sich mit ihrer revisionistischen Propaganda öffentlich bedeckt hielten, verfolgt die Stadt Osnabrück das Ziel die faschistische Mobilisierung gegen die Ausstellung totzuschweigen und ihr allein polzeistaatlich entgegenzutreten. Schon frühzeitig wurde die Polizeipräsenz um denAusstellungsort erhöht und eine Überwachungskamera installiert. 

Das versöhnlerische Konzept prägt auch die Atmosphäre im Vorfeld des geplanten NPD-Aufmarsches. Obwohl der Stadt Osnabrück die Anmeldung der Demonstration schon vor dem 15. September vorlag, ist eine umgehende Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die Parteien im Stadtrat (SPD-Grüne: Zähl- mehrheit gegenüber CDU, FDP) und die "Neue Osnabrücker Zeitung" ausge- blieben. im gegenteil wurde bekannt, dass es eine informelle Absprache zwischen der, die Region dominierenden, "Neue Osnabrücker Zeitung" und der Stadt gab, vorerst nicht über den Nazi-Aufmarsch zu berichten. 

Das Stillschweigen widerspricht der einhelligen Begrüßung der Ausstellung durch die Ratsfraktionen im Vorfeld, weil bei der faschistischen Demonstration, wie schon in anderen Städten, von einer Verherrlichung von Wehrmacht und Waffen-SS und ihrer Verbrechen ausgegangen werden kann. 

Seit dem Verbot militanter Nazi-Organisationen Anfang der neunziger Jahre dient die NPD und ihre Jugendorganisation die JN, als Organisationsstruktur und Auffangbecken für die "Freien Kameradschaften". In diesem Rahmen wird versucht Verbindungen von militanten Faschisten und rechtskonservativen Strömungen herzustellen. Ziel ist es, mit rassistischen und sozialdemagogischen Inhalten legal in der Öffentlichkeit präsent zu sein, sowie Nachwuchs in die Organisationsstruktur einzubinden. Die uniformierten Aufmärsche werden von langjährigen Kadern der "Freien Kameradschaften" organisiert. In der öffentlichen Präsentation appellieren sie an deutsche Tugenden, wie Ordnung, Sauberkeit und Disziplin, womit sie vermehrt Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen versuchen. Mittlerweile ernten sie das Lob der örtlichen Polizeiführungen und von Teilen der öffentlichen Meinung. 

Faschistische Aktivitäten im Raum Osnabrück 

Veranstaltete die JN noch 1977 ihren Bundeskongress in Osnabrück und führte im April 1993 eine Kundgebung in der Innenstadt durch, die jeweils massiven Protest und Gegenaktionen hervorriefen, verlief ein angemeldeter JN-Stand Ende Februar 1999 ohne Protest und Resonanz. Die Aktivitäten des faschistischen Nachwuchses konzentrierten sich in den vergangenen Monaten auf Fussballspiele des VfL Osnabrück, wo neben "Sieg Heil"- Rufen, die Reichskriegsflagge und der Hitlergruss zu sehen waren. 

Im Landkreis Osnabrück fanden 1995 vereinzelt Nazi-Skin-Konzerte statt, die auch überregional besucht wurden. 

In Lingen betrieb seit 1996, der zur Zeit inhaftierte Jens Hessler einen bundesweiten CD-Versand für Nazi-Musik. Hessler nahm auch an diversen faschistischen Aufmärschen, beispielsweise am Rudolf Hess Marsch teil. 

In Georgsmarienhütte bei Osnabrück betreibt Franz Josef Möllenkamp ein meist verwaistes "NPD-Zentrum". Möllenkamp gehörte im September 1998 auch zu den Mitunterzeichnern einer Zeitungsanzeige gegen die Ausstellung "Vernichtungs- krieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944", die damals in Münster zu sehen war. 

Die Polizeiführung in Osnabrück hat mittlerweile über die Presse mitgeteilt, da× der faschistische Aufmarsch nicht verboten werden könne, da keine Sicherheits- bedenken vorliegen würden. 

Antifaschistische und antirassistische Gruppen, die schon nach dem Bekanntwerden der Mobilisierung durch die NPD im Internet über dieHintergründe informierten, haben sich mit Gewerkschaftsgruppen und anderen linken Organisationen zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Sie mobilisieren zu einer Gegenkundgebung und einer Platzbesetzung des faschistischen Treffpunktes am 9. Oktober 1999 mit dem Ziel den Faschisten und ihren menschenverachtenden Parolen nicht die Straße zu überlassen. 

Platzbesetzung Ledenhof 9.00 Uhr 

Gegenkundgebung Theatervorplatz, Ecke Domhof ab 10.00 Uhr 

Infotelefon bis Sa. 7.00 Uhr: 0541-29 606