Buchbesprechung (Teil 1)
Ein Leben zwischen Hitler und Carlos: Francois
Genoud
Francois Genoud, geboren am 26.10.1915
in der Schweiz, verstarb kurze Zeit nach Erscheinen der
französischen Ausgabe des Buches. Er kam aus einer
wohlhabenden Schweizer Familie. Schon in sehr jungem Alter
entwickelte er zwei Leidenschaften, die sein gesamtes
weiteres Leben bestimmen sollten: die fanatische Begeisterung
für die Ideologie des Nationalsozialismus und eine tiefe
Verbindung zum arabischen Nationalismus.
1932 im Alter von 17 Jahren begegnete Genoud erstmals Adolf
Hitler bei einem Essen einer befreundeten Familie in Bonn.
Die Begegnung war für den jungen Genoud ein
Schlüsselereignis. Fortan entdeckte er für sich den
„deutschen Geist” und entwickelte sich zum
begeisterten Anhänger Schweizer Naziorga-nisationen.
1936 unternahm er gemeinsam mit einem Freund eine
längere Autoreise durch den gesamten Orient. Sein
Begleiter schrieb in einem Brief: „Bagdad entpuppt sich
als das Zentrum des arabischen Nationalismus. Wir haben das
Glück, dort allen großen
Palästinenserführern zu begegnen, die von England
zum Tod verurteilt wurden.” In Jerusalem wurden die
beiden vom Großmufti Hadsch Amin el-Husseini empfangen.
Diesen sah Genoud später mehrfach wieder.
Der Großmufti war eine bis heute umstrittene Gestalt.
Er fungierte jahrelang als Propagandist für die
Nationalsozialisten und half moslemische Kollaborateure
für die Kämpfe im Osten zu rekrutieren. Ab 1942
stellte er deutsch-arabische Kampfeinheiten auf, die unter
deutschem Befehl kämpften. Die mit seiner
Unterstützung gegründete moslemische
Waffen-SS-Truppe für Bosnien zählte über 20
000 Kämpfer. Diesem Beispiel folgten andere: so wurden
moslemische Waffen-SS-Einheiten in Aserbaidschan, Turkestan,
Albanien und Kroatien formiert. „Eure Division ist ein
Beispiel für die Moslems aller Länder”
schwebt als Losung el-Husseinis über diesen Divisionen.
In den letzten Kriegstagen trafen sich el-Husseini und Genoud
in offizieller Mission. Inzwischen wohl im geheimen Dienste
der Deutschen, versuchte Genoud Gelder des Großmufti
loszueisen und diesem einen Weg ins Ausland zu
eröffnen.
Die genaue Tätigkeit des Francois Genoud während
der Kriegsjahre und in den ersten Nachkriegsjahren bleibt bis
heute im Dunkeln. Jedenfalls hatte er kontinuierlich mit
deutschen Geheimdiensten zu tun, bereiste
regelmäßig das gesamte europäische Ausland
und war verschiedentlich in geheime finanzielle Transaktionen
verwickelt.
Unter anderem verhalf er einem deutschen Geheimdienstler zu
einer Legende, die diesem eine große Karriere in der
BRD sichern sollte. Im August 1942 „verschwindet”
der deutsche Geheimdienstmitarbeiter Paul Dickopf aus
Deutschland. Den Alliierten gegenüber versicherte er
später, er sei wegen seiner anti-nationalsozialistischen
Einstellung desertiert. Etliche Fakten sprechen allerdings
dafür, daß der bereits mit 23 Jahren dem
Nationalsozialistischen Studentenbund beigetretene Dickopf
unter dem Deckmantel der Flucht vor den Nazis, geheime
Transaktionen in verschiedenen europäischen Ländern
durchführte. Dabei wurde er tatkräftig von Genoud
unterstützt. Nach der Niederlage der Nazis wurde Dickopf
Präsident des Bundeskriminalamtes, anschließend
übernahm er zwischen 1968 und 1972 den Vorsitz von
Interpol. Genoud beteiligte sich am Ende des zweiten
Weltkrieges und in der Nachkriegszeit an den
Fluchthilfeoperationen für führende
Nationalsozialisten. Heute ist nicht mehr klar zu trennen,
wie groß der Anteil der Legenden an den Berichten
über seine Tätigkeit ist. Jedenfalls hat er
während des Krieges und im direkten Anschluß daran
etliche Kontakte zu Nazigrößen geknüpft, die
ihm später immer wieder nützen. Doch auch er
würde sich als treuer Verbündeter erweisen, der zur
Stelle ist, wenn er gebraucht wird.
1947 wurde er erstmals verlegerisch tätig. Aus dunklen
Kanälen erwarb er einen Teil des Archives von Martin
Bormann, 1951 den zweiten Teil. In dieser Zeit betrieb er
mehrere Firmen in Tanger und war eifrig am Schmuggel von
Nazivermögen beteiligt. Bei diesen Transaktionen traf er
vermutlich auch auf den Kriegsverbrecher und Kopf von
Nazifluchthilfeorganisationen Otto Skor-zeny, der 1973 in
Madrid behauptete, daß „Francois Genoud ein
wichtiger Mann des Nachrichtendienstes war, der Hitler direkt
unterstand”. Auch wenn solche Behauptungen mit
großer Wahrscheinlichkeit ins Reich der Legenden
gehören ist klar, daß Genoud jedenfalls in der
Nachkriegszeit ein fester Bestandteil des internationalen
Nazinetzwerkes war.
Seine besonderen Kontakte ermöglichten es Genoud, in den
folgenden Jahrzehnten etliche Nazibiographien und
-Tagebücher zu veröffentlichen. Er begann mit den
ersten Erinnerungen von Léon Degrelle in 1949 und den
sogenannten “Tischgesprächen” Hitlers,
erstritt unter anderem die Rechte an den
Goebbels-Tagebüchern und veröffentlichte das bis
heute umstrittene und vermutlich gefälschte
„Politische Testament” Hitlers. Der Tod der
Schwester Hitlers in 1960, vor einem geplanten
Vertragsabschluß, verhinderte den Traum Genouds: die
Verlegung Hitlers Gesamtwerkes - inklusive „Mein
Kampf”.
Auf dem Höhepunkt der Suez-Krise trat Genoud
öffentlich für die Interessen der arabischen
Nationalisten ein. Damit knüpfte er nicht nur an seine
persönlichen Bindungen aus seiner Jugend und seinen
offiziellen Kontakt mit dem Mufti el-Husseini an, er befand
sich in trauter Einheit mit den international agierenden
Altnazis.
Schon frühzeitig nach dem Putsch der „Freien
Offiziere” unter Nasser in Ägypten wurden in deren
Umfeld „deutsche Berater” ausgemacht. Diese
entstammten größtenteils den
Fluchthilfeorganisationen, zu deren Zielregionen unter
anderem die arabischen Länder gehörten. Unter
anderem soll der berüchtigte Otto Skorzeny selbst ein
Jahr lang als Berater Nassers fungiert haben - auf Bitte und
zur Hälfte bezahlt von dem damaligen BND-Chef Gehlen.
Die Präsenz deutscher Kriegsverbrecher, gesuchter
Offiziere, aber auch einfacher, in Afrika versprengter,
Soldaten wird so stark, daß schließlich
wöchentliche Bierabende in der Kairoer
„Union”-Brauerei abgehalten werden. Doch nicht
nur im Fluchtland Ägypten unterstützten Nazis den
arabischen Befreiungskampf. Schon im Jahr 1953 wurde in der
BRD die sogenannte „Naumann-Affaire” aufgedeckt.
Das britische Foreign Office beschuldigte Altnazis der
Verschwörung. Sie hatten systematisch die FDP
unterwandert und weitreichende politische und wirtschaftliche
Verbindungen geknüpft. Wichtige Posten im Umfeld des
FDP-Vizes Middelhauve waren von Altnazis besetzt. Sogar der
Verfasser des FDP-Programmes, Hans Fritsche, gehörte zur
„Naumann-Gruppe”, die unter anderem die heute
noch erscheinende Zeitung „Nation Europa”
finanziell unterstützte. Insbesondere die Vorstände
und Inhaber der rheinischen Stahl- und Maschinenindustrie
waren innerhalb des Verschwörungszirkels gut vertreten.
Der Kopf des Ganzen, Werner Naumann, ehemaliger
Staatssekretär unter Goebbels, war nachdem er 1949 nach
Deutschland zurückgekehrt war, schon bald Direktor
zweier großer Unternehmen geworden. Er lernte Francois
Genoud im Jahr 1952 kennen und zeigte sich insbesondere an
der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Ägypten
interessiert. Hinter der gesamten Verschwörung verbargen
sich in erster Linie wirtschaftliche Interessen.
Sämtliche Mitglieder der Gruppe waren an finanziellen
und geschäftlichen Verhandlungen im Mittleren Osten,
besonders in Ägypten, beteiligt. Die Gelder zur
Unterstützung der Gruppe stammten aus der
Schwerindustrie an Rhein und Ruhr, von den Herrschaften also,
die Jahre vorher auch Hitler und die NSDAP bedingungslos
unterstützt hatten. Ziel des ganzen war, durch die
wirtschaftliche Zusammenarbeit mit arabischen Ländern
die Position der Kolonialmacht England anzugreifen und dabei
selbst ordentlich Gewinn zu machen.
Auf ägyptischer Seite wurde unter anderem mit Wilhelm
Voss verhandelt, der eine wichtige Rolle im ägyptischen
Wirtschaftsplanungsbüro inne hatte. Vor dem Krieg war
das SS-Mitglied Voss Direktor der AG Reichswerke Hermann
Göring, dann Direktor der Skoda-Werke in der
Tschechoslowakei und schließlich bei Albert Speer im
Rüstungsministerium tätig.
Ende 1954 begann der algerische Aufstand gegen die
französische Herrschaft. Agypten unterstützte die
Aufständischen massiv. Zu dieser Zeit diente Genoud
bereits Ägypten als Mittelsmann zu Vertretern der
algerischen Befreiungsbewegung. Sein nächster Schritt
mutet auf den ersten Blick wagemutig an: er gründete die
„erste im Ausland ansässige arabische Bank”
- die „Banque comerciale arabe” (BCA).
Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bank war der ehemalige
syrische Ministerpräsident Djamil Mardam Bey,
einflußreiches Mitglied der Syrischen Volkspartei. Sein
Neffe übernahm gemeinsam mit Francois Genoud die Leitung
der Bank. Anläßlich der Gründung der BCA
wurde auch Finanzexperte Dr. Hjalmar Schacht konsultiert.
Schacht - Finanzexperte des Dritten Reiches, bis 1939
Reichsbankpräsident sowie bis 1943, als er bei der
Naziführung in Ungnade fiel, Minister ohne
Geschäftsbereich hatte nach Ende des zweiten Weltkrieges
mit seiner privaten Außenhandelsbank „Schacht und
Co” Millionen gemacht. Als Finanzberater von
Ländern wie Brasilien, Äthiopien, Indonesien, Iran,
Ägypten, Syrien und Libyen konnte er sowohl seine alten
Kontakte, als auch seine Erfahrung als
„Generalbevollmächtigter für die
Kriegswirtschaft” gewinnbringend einsetzen. Bei einem
Treffen mit Genoud und einem arabischen Diplomaten brachte er
seine Tätigkeit auf einen kurzen Nenner: Deutschland
könne die Welt auch erobern, ohne Krieg zu führen.
Als Finanzberater Indonesiens empfahl Schacht beispielsweise
die deutschen Arbeitsgesetze von 1930-1945 sowie die
„Zwangsumsiedelung bestimmter Volksgruppen”.
Solchermaßen gut beraten, und mit Hilfe der Kontakte
aus seinen Geschäften in Tanger, entwickelte Genoud die
BCA in den folgenden Jahren zu einer der zentralen
Verwaltungsstellen für die Gelder und Besitztümer
der Befreiungsbewegungen Marokkos, Algeriens und Tunesiens.
Dabei führte er das „System der Bankkonten mit
mehreren Unterschriftsberechtigten” ein, das angeblich
jenem System nachempfunden war, das die Nazis für ihre
Geheimfonds verwendet hatten.
In der nächsten Ausgabe der Enough is enough wird die
Buchbesprechung fortgesetzt..
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