Entschädigung für alle Zwangsarbeiterlnnen im Siemens-Konzern 1939-45
Die diesjährigen Jubelfeierlichkeiten zum 150jährigen Bestehen des Familienbetriebes und Konzerns Siemens sind für die Firma mal wieder ein Anlaß, besonders die Rolle während des Nationalsozialismus zu verfälschen.
150 Jahre Konzerngeschichte wollen wir jetzt nicht aufrollen - lediglich ein paar Schlaglichter werfen: Nach dem Ersten Weltkrieg galt auch für
Siemens das Verbot der Rüstungsprock Siemens hat dieses Verbot umgangen undseine Rüstungsproduktion in andere europäische Länder verlagert und dadurch schon kurze Zeit nach dem Krieg enorme Gewinne gemacht. Als dann das Erstarken der Nationalsozialisten die Hoffnung aufkeimen ließ, daß das Pro- . duktionsverbot ausgehebelt werden könnte, gehörte Siemens zu den ersten, die diese Entwicklung stärkten. Schon 1932 forderte die Konzern-, leitung zusammen mit anderen Industriellen den: damaligen Reichspräsidenten Hindenburg die Regierung an die Nationalsozialisten zu über-tragen., 1940 begann Siemens als kriegswichtiger Konzern und mit seit Jahrzehnten ungebrochener Erfahrung in dezentraler Rüstungsproduk jüdische ZwangsarbeiterInnen einzusetzen.Die Drohung hieß: entweder Leistung oder Deporta- . tion, die seit 1941 Vernichtung bedeutete. 1942 wurde ein Siemenswerk für Rüstungs- produktion beim Frauenkonzentrationslager Ravensbrück in Betrieb genommen. In 20 nach und nach erbauten Arbeitsbaracken arbeiteten zunächst 800, 1944 dann 2300 Frauen aus dem KZ Ravensbrück und Mädchen und junge Frauen aus dem benachbarten sog. Jugendschutzlager Uckermark. Ende 1944 wurden noch 13 Schlaf-baracken aufgestellt, um den Kräfte und Zeit kostenden Arbeitsweg von den Lagern aus einzusparen. Die Profite aus der Rüstungsproduktion gingen voll in die Kassen von Siemens und SS. Die Frauen erhielten keinen Lohn. Leistung wurde durch permanente Schikanen, Druck und Drohungen erzwungen. Angetrieben wurden die Frauen ', und Jugendlichen durch KZ-AufseherInnen und,:
zivile Meister oder VorarbeiterInnen. Gearbeitet wurde in zwei 12-Stundenschich-ten. Vor und nach der Arbeit mußten die weiblichen Häftlinge noch bei jedem Wetter draußen oft dreistUndige Zählapelle im Stehen durchhalten. Bei der Arbeit galt absolutes Redeverbot. Verschiedentlich wird berichtet, daß sich Frauen bei einem Verstoß dagegen ausziehen mußten und ausgepeitscht wurden. Zur Toilette durften sie nur zu bestimmten Zeiten, was bei den weitverbreiteten Durchfall-erkrankungen sehr entwUrdigend war. Sie durften bei Fliegeralarm die Arbeitsplätze nicht verlassen, während sich die AufseherInnen in die Bunker flOchteten. Für die Frauen bedeutete das neben der Gefahr allerdings auch eine Ruhepause vor den Schikanen der AufseherInnen. Arbeitsschutzmaßnahmen gab es keine. Viele Frauen verletzten sich z.B. bei Stanzarbeiten schwer - eine Folge der ständigen Überm0dung und der schlechten Ernährung. War aus den KZ-ArbeiterInnen keine Arbeitsleistung mehr rauszupressen, wurden sie ins Lager zurückgeschickt und durch neue ersetzt. Bei Regelverstößen drohte Strafhaft im "Bunker" im KZ. All diesen Bedingungen zum 'Rotz wurde im Siemenswerk Widerstand geleistet und Sabotage organisiert. Es wurden Leistungsdiagramme gefälscht, so daß Frauen, die wenig schafften, Punkte von denen bekamen, die mehr leisten konnten. Elektrische Kontakte wurden durch Feuchtigkeit manipuliert, zeitweise auch durch Knoblauch, bis vor Arbeitsbeginn Knoblauch-Riech-Kontrollen eingerichtet wurden. Viele Frauen versuchten systematisch, die Produktivität zu senken.
Die Siemens-Produktionsstätte bei Ravensbrück paßte sich in die allgemeine Konzernstrate-gie ein: Bis 1943 stieg der Anteil von FremdarbeiterInnen. Kriegsgefangenen, jUdischen ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlingen auf ca. 30 Prozent der Siemens-Gesamtbelegschaft! Neben dem Siemenslager beim Frauen-KZ Ravensbrück gab es im "Deutschen Reich" und den besetzten Gebieten allein von Siemens mehr als 38 ZwangsarbeiterInnen-Lager.
Schon 1951 machte Siemens - nach ein paar Schwierigkeiten mit den Besatzungsmächten' - wieder erhebliche Gewinne.
Bis heute hat Siemens keine Verantwortung für die Taten während des Nationalsozialismus Obernommen. Ganz im Gegenteil wird auch zum 150jährigen Jubiläum die LOge aufgewärmt, Siemens sei vom NS-Staat zum Einsatz von ZwangsarbeiterInnen gezwungen worden. Weder politischer Druck noch juristische Wege haben bisher dazu gefOhrt, daß Siemens allen heute noch lebenden ZwangsarbeiterInnen oder deren Hinterbliebenen Löhne und materielle Entschädigungen f0r ihre geleistete Sklavenarbeit gezahlt hat. Lediglich Anfang der 60er Jahre zahlte Siemens an 2203 jOdische Überle-bende eine einmalige Entschädigung von je 3300 DM auf Druck der "Jewish Claims Conference". Jede weitere Zahlung und jegliche rechtliche und moralische Verpflichtung lehnt Siemens bis heute ab - das sei Sache der Bundesregierung.
Wir wollen im Jahr der Jubelfeiern die Forderungcn der ehemaligen Siemens-Zwangsarbei-tcrlnncn durchsetzen:
FrauenLesbenGruppe Hamburg
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