TITLE>Interim 440
(Seite 1)Die Debatte zuspitzen:
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Es gab einmal eine Zeit, da war es in der linksradikalen und revolutionären Szene möglich, die Parole "Zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich ziehen" zustimmend zu zitieren (Rote Armee Fraktion, Konzept Stadtguerilla, 1971). Und es gab einmal eine Zeit, da war es möglich, ein Papier mit der Überschrift "In höchster Gefahr und Not bringt der Mittelweg den Tod" zu versehen (Revolutionäre Zellen/Rote Zora, 1983). Alldies bezog sich zwar nicht auf das Geschlechterverhältnis aber immerhin...!
Heute scheint es diese Szene eher mit Motto, "In der Mitte ist holdes Bescheiden", zu halten. Diesen Eindruck gewinnt Lesbe jedenfalls, wenn sie die Sexualitätsdebatte in der Interim aus dem vergangenen Jahr und die jetzige Debatte über das Papier der Unglücklichen verfolgt: Radikale Positionen sind nicht gefragt. Die FrauenLesben aus dem Schwarzmarkt, die die Debatte angestoßen haben, wurden in der folgenden Diskussion (außer von den Unglücklichen) totgeschwiegen. Und die Unglücklichen wiederum sind den anderen VerteidigerInnen der Aarranca Nr. 8 zu radikal, so daß diese sich von jenen vorsichtig distanzieren. 'Einerseits-andererseits' und Mittellinien - Moralismus sollen anscheinend die Harmonie der RestSzene sicherstellen:
Im vergangenen Jahr brachte es Kermit fertig, sich einerseits der "ausführlichen Begründung" der Kritik, die die Schwarzmarkt - FrauenLesben an der Arranca geübt haben, "im großen und ganzen" anzuschließen, und andererseits eben dieser Arranca zu bescheinigen: "So finde ich es lobenswert, daß sich Fels mit ihrer Ausgabe auf das Glatteis begeben, um über Sexualität zu diskutieren." (interim, Nr. 376, S. 23; Nr. 373, S. 22). Auch Carrie &. R.P. McMurphy räumten damals mit einer - wie ich zugeben muß, sehr schon geschriebenen Satire ["Ein fiktives postmodernes (Nicht-)Verkaufsgespräch im Schwarzmarkt (Hamburg)" (interim, Nr. 378, S. 25 f.)] - die Kritik der Hamburgerinnen an der Arranca Nr. 8 aus dem Weg und vermieden es, den zentralen Konflikt (Vorwurf eines antifeministischen Rollbacks gegen die Arranca; Bedeutung des Einsatzes von Machtmitteln wie Zensur für den feministischen Kampf) anzusprechen. Die Debatte wurde im folgenden halbkritisch auf dem von der Arranca vorgegeben Terrain geführt' - "die frühkindliche Vergesellschaftung" und die Feinheiten der Jessica Benjamin-Exegese ("teilweise falsche Darstellung von Jessica Benjamins pyschoanalyti-scher Studien") (ebd., S. 27). Und damit Kritik (egal an wem) ja nicht zu scharf ausfällt, immer wieder die Aufforderung ja nur die "Diskursethik" (ebd.; und in der jetzigen Debatte Kermit in interim, Nr. 437, S. 9) und die "Moral" (interim, Nr. 376, S. 21) zu beachten.
Und selbst M.O.M.B.A.K., dessen/deren Kritik an den Unglücklichen relativ deutlich ausfällt, schreibt an diese gerichtet: "Ihr scheint nicht verstanden zu haben, worum es (den Schwarzmarkt-FrauenLesben) eigentlich geht, d.h. Ihr habt den Inhalt, den Kern ihrer Kritik an der Arranca! nicht begriffen." (interim, Nr. 438, S. 26).
Ich denke demgegenüber, de die Unglücklichen (im Gegensatz zu den meisten anderen Beiträgen in der Debatte) sehr wohl den Kern der Kritik der Schwarz-markt-FrauenLesben begriffen haben. Der zentrale Konflikt ist zumindest meines Erachtens:
oder
Alle Debattenbeiträge, die auf diese zentrale Frage keine Antwort geben, haben objektiv (d.h. unabhängig von etwaig gegenteiligen Absichten!) den Effekt, das antifeministische Rollback, das Cristina Garaizabal, die Arranca und die Unglücklichen übereinstimmend propagieren, hinzunehmen, und sich auf Detailkritik zu beschränken.
Dies gilt für die Mutlosen (interim, Nr. 438, S. 16 ff.), die sich weitgehend auf "Kritik an der Form" (Hervorh. d. Verf.In) des Papieres der Unglücklichen beschränken und am Ende ebenso wie die Unglücklichen gesellschaftliche Antagonismen in bloße "Unterschiede" umdeuten. Dies gilt für Kermit (interim, Nr. 437, S. 8 ff ), der nicht den Ansatz der Unglücklichen kritisiert, sondern, daß die Unglücklichen ihren Ansatz vermeintlich mit Ausschließlichkeit" (S. 10 - Hervorh. d. Verf.In) vertreten.
Dies gilt für MY.T. (interim, Nr. 438, S. 26 f.)., die ihre(?) Kritik an den Unglücklichen zurückstellt, und sich statt dessen zunächst Kermits vorsichtige Kritik an den FriedrichshainerInnen vorknöpft. Und dies gilt auch für Sven Glückspilz (interim, Nr. 439, S. 7 ff), der den Unglücklichen vorwirft: "Ihr habt das Kinde mit Bade ausgeschüttet." Nein, die Unglücklichen haben nicht über das/ihr Ziel hinausgeschossen, sondern sie haben es getroffen. (Im Rahmen immanenter, ökologischer Kritik könnte mann ihnen allenfalls vorwerfen, daß sie auch das Wasser durch den Abfluß haben fließen lassen, um das feministische Kind los zu werden!).
(Seite 2)
Die einzige, die die Situation weitgehend richtig erfaßt hat, ist Ida F. (auch wenn ich es fragwürdig finde die Unglücklichen wegen deren 'Polemik' und 'Unsachlichkeit' zu kritisieren; im gewissen Sinne waren sie bei der Sache - bei ihrer Sache!):
"Mit der Veröffentlichung der 'Legende von Paul und Paula' nimmt das Rollback in der linken Szene weiter seinen Lauf. Auf polemische, un- sachliche Art soll der sog. Identitätsfeminismus am Beispiel der Hamburger Schwarzmarkt Frauen (HH) als überholte moralisierende Theorie entlarvt werden, die an der Perspektivlosigkeit der Szene Schuld ist. Parteilichkeit ist nicht mehr gefragt, ganz im Gegenteil, alle können endlich alles sagen, was sie schon immer mal loswerden wollten [...]." (interim, Nr. 437, S. 11).
Wenn dieses Rollback abgewehrt werden soll, wird es nicht ausreichen, jene Situation einfach nur festzustellen. Und schon gar nicht wird es ausreichen, den Unglücklichen - wie dies M.O.M.B.A.K. tut - nahezulegen: "faßt Euch bitte kürzer" (interim, Nr. 438, S. 27). Es ist vielmehr notwendig, die Argumentation der Unglücklichen einer rigorosen Kritik zu unterziehen (womit Ida F. und M.O.M.B.A.K. angefangen haben) und den Unglücklichen, ihre theoretischen Waffen aus der Hand zu schlagen.
Zu beidem möchte ich im folgenden einen Beitrag leisten. Dazu werde ich in drei Schritten vorgehen:
Das heißt, ich werde vor allem den Anfang und das Ende des Papieres der Unglücklichen diskutieren. Auf den Mittelteil (Abschnitt 4., 5. und 7.), wo die Unglücklichen die Arranca gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, sexistische Texte und Bilder verbreitet zu ha- ben, werde ich kaum eingehen. Denn das Kernargument der Unglücklichen ist, daß auch die Zensur sexistischer Texte und Bilder falsch sei. Ich zitiere im folgenden nach der von den Unglücklichen selbst vorgenommenen fortlaufenden Nummerierung der Absätze ihres Textes so- wie zusätzlich nach Seitenzahlen. Da die Seiten im Original nicht nummeriert sind, habe ich die interim, Nr. 436 beginnend mit der Ti- telseite von Seite 1 bis 28 durchnummeriert.
anmerkungen:
1 An diesem Punkt kann ich M.O.M.B.A.K. nur zustimmen: "Auf der anderen Seite haben solche revisionistischen Positionen wie die eurige [= wie die der Unglückli-chen, d. Verf.ln] ein Übergewicht auch in den linken Medien (wie z.B. in der Arran- ca!-Diskussion in der Interim), so daß es progressiv-feministischen Diskussionen im-mer mehr an Raum fehlt." (interim, Nr. 438, S. 26). Aber auch M.O.M.B.A.K. rea-giert m.E. zu defensiv bzw. unterschätzt die Bedeutung des Vorstoßes der Unglück-lichen (s. dazu oben im Haupttext).
2 Dabei ist es für mich völlig unverständlich wie die Positionen der Arranca und die in der nachfolgenden Debatte dominierenden Positionen überhaupt mit dem Begriff De-Konstruktion in Verbindung gebracht werden können. Die Arranca bezog sich gar nicht, die nachfolgende Debatte kaum auf Judith Butler. Statt dessen wurde sich vie! auf Jcssica Benjamin, die zurecht als Adorno-Schülerin (also als Anhängerin der Kritischen Theorie) vorgestellt wurde, bezogen. Foucault wurde zwar in der Arranca einmal, in der nachfolgenden Debatte otters erwahnt. DaB Foucaults Haupthese in Sexualität und Wahrheit lautet, daß Sexualität in der Moderne nicht etwa unter-drückt wird/wurde (wie die Kritische Theorie und die Arranca behaupten), daß viel-mehr in der Moderne aine explosionsartige Vermehrung der Diskurse über Sexualität stattfand, wurde in der ganze Debatte nicht deutlich! Viel wurde über die Psychoana-lyse diskutiert, der Begründer der (post)strukturalistisch-dekonstruktivistischen Psy-choanalyse, Jacques Lacari, aber überhaupt nicht erwähnt. Genauso wenig wurde auf den dekonstruktivistischen Philsophen Jacques Derrida Bezug genommen. Carrie & R.P. McMurphy haben ausgerechnet Kermit, der sich ausgiebig auf Fromm, Reich und Marcuse und wenn auf Foucault, dann var allem auf die individuelle Ethik des spiiten Foucault beruft, cine "Voliebe für Foucaults Strukturalismus" vorgeworfen (interim, Nr., 378, S. 28). Ich kenne kaum cine Position, die anti-strukturalistischer, subjektivistischer als die van Fromm, Reich und Marcuse ist; und Foucault hat sich mit zunehmendem Alter (leider) zunehmend van seinen strukturalistischen Anfängen distanziert.
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Die Unglücklichen stellen sich als die wahren VerteidigerInnen emanzipatorischer Politik dar. Sie werfen den Schwarzmarkt-FrauenLesben an verschiedenen Stellen vor, "Machtpolitik" zu betreiben', die "Zensur" (S. 5, Abs. 35) der Arranca durch die Feminismus' anzueigenen, und ihn gegen das, was sie Identitätsfeminismus nennen, in Stellung zu bringen) für ihren Versuch, sich rhetorisch gegen die Schwarzmarkt-FrauenLesben durchzusetzen fe*)
Schwarzmarkt-FrauenLesben sei eine "Herrschaftsform" (S. 4, Abs. 33). Dabei konstruieren die Unglücklichen stellenweise einen generellen Gegensatz von Emanzipation einerseits und Machtpolitik/Zensur andererseits.
Ich kritisiere die Position der Unglücklichen auf zwei Ebenen:
Erstens bestreite ich, daß sich die Unglücklichen in ihrem Umgang mit den Schwarzmarkt-FrauenLesben an ihre eigenen abstrakt emanzipatorischen Ansprüche halten. Dies ist aber das Mindeste, was man/frau/lesbe in Anbetracht jener wohltonenden emanzipatorischen Rhetorik von den Unglücklichen verlangen kann.
Aber bei dieser Feststellung bleibe ich nicht stehen! Denn dies ließe die Möglichkeit offen, daß die Kritik an der ZensurEntscheidung der Hamburgerinnen richtig wäre, wenn sie von einem Standpunkt aus erfolgen würde, der solchen abstrakt emanzipatorischen Ansprüchen selbst gerecht werden würde. Ich denke demgegenüber, de emanzipatorische Politik (zwar nicht mit dem Einsatz von illegitimen Mitteln wie sinnentstellendes Zitieren, aber) nur mit aktiver Gegenwehr und damit unter Einsatz machtpolitischer Mittel möglich ist. Diese Auffassung möchte ich gerade unter Bezugnahme auf dekonstruktivistische TheoretikerInnen! - im übernächsten Abschnitt (1.2.) begründen.
"Dann [wenn es nicht mehr um die Identität einer Person geht, d. Vef.In) ist z.B. 'Geschlechtsverrat' [...] denkbar [...] auch als Aufkündigung männer- bündischer Loyalitäten, bewußte Nutzung geschlechtshierarchisch bedingter Möglichkeiten für antipatriarchale Ziele oder Umverteilung von kulturellem Kapital, das sich geschlechtsspezifischer Sozialisation verdankt. Wir behaupten nicht, daß das leicht ist, oder daß wir es selbst erfolgreich praktizieren." Die Unglücklichen, S. 26, Abs. 302
Dem kann man/frau/lesbe nur zustimmen: Die Un- glücklichen Männer haben die antipatriarchale Umver- teilung von kulturellem Kapital nicht erfolgreich praktiziert. Vielmehr benutzen sie und auch die unglücklichen Frauen das von ihnen akkumulierte kulturelle Kapital (bspw. die Fähigkeit, sich den Begriff 'dekonstruktiver Feminismus anzuzeigen, und ihn gegen das, was sie identitätsfeminismus nennen, in Stellung zu bringen) für ihren Versuch sich rhetorisch gegen die Schwarzmarktfrauen durchzusetzten und bei ihren LeserInnen Punkte zu sammeln. Ich nenne das Machtpolitik.
"Dekonstruktion" ist ein Begriff, von dem anzunehmen ist, das auch Theorieferne Teile der autonomen Szene wissen oder zumindest gehört haben, daß er nicht nur in der feministischen Debatte ziemlich Furore macht. Versprochen wird z.B. ein Ausweg aus vermeintlichen oder tatsächlichen politischen Sackgassen der 70 er und 80 er Jahre sowie mehr Spaß beim oder statt Politikmachen. Vertreten wird dieser Ansatz beispielsweise von einer Feministin, einer Lesbe (Judith Butler), die so interessant ist, daß sich - selbst in Zeiten nachlassenden Interesses an politischen Veranstaltungen riesengroße Säle füllen, wenn sie über ein scheinbar so trockenes Thema wie die Geschlechterpolitik in antiken Dramen spricht (so geschehen im vergangenen Sommer in Berlin).
Aber was erfahren wir von den Unglücklichen über die dekonstruktivistischen Ansätze? Erfahren wir wer/welche die VertreterInnen dieser Ansätze sind? Erfahren wir etwas über die internen Kontroversen im Feld der DeKonstruktion? Erfahren wir, was wichtige Schriften der Theorie der DeKonstruktion sind, damit sich die LeserInnen der Unglücklichen ein eigenes Bild von der DeKonstruktion machen können?
Nein, alldies erfahren wir nicht. Statt dessen funktioniert der theoretische Begriff "DeKonstruktion" bei den Unglücklichen als Label, das sie ihrer politischen Position anheften. Sie nehmen keine Umverteilung von kulturellem Kapital von noch Männern an noch Frauen vor, sondern sie münzen das von ihnen (Männern wie Frauen) bereits akkumulierte kulturelle Kapital in antifeministisches politisches Kapital um. Sie wollen etwas von der Furore, die der Begriff De Konstruktion macht, abhaben!
Und sie verfügen über weiteres kulturelles Kapital: Sie kennen sich mit den "klassischen Tricks der Textar beit" aus: "Unvollständiges zitieren, Reihenfolge verdrehen, eingeschränktes wiedergeben, eigene Fragestellungen unterschieben..." (S. 21, Abs. 246). Sie werfen alldies den Schwarzmarkt-FrauenLesben var und praktizieren es selbst weidlich!
Anmerkungen: 3 S. 2, Abs. 9; S. 7, Abs. 62; S. 15, Abs. 175. 4 "Das [das Einfordern von Vertrauen durch die Hamburgerinnen, d. Verf.In] hat nichts mit Emanzipation, aber viel mit Machtpolitik zu tun." (S. 5, Abs. 39 - Her-vorh. d. Verf.ln). "Wir gehen davon aus, daß wir hinlänglich gezeigt haben, daß die Auseinandersetzung der HH [Abkürzung der Unglücklichen Für die Hamburger Schwarzmarkt-FrauenLesben, d. Verf.In] mit den Texten der Arranca geprägt ist von: machtpolitischem Auftreten, der Anwendung illegitimer Methoden und/oder krassen Mißverständnissen. [...]. Illegitime Methoden sind illegitim, weil sie eine echte in-haltliche Auseinandersetzung und damit jeden emanzipatorischen Fortschritt verhindern. Einzige Funktion solcher Mittel kann nur der Erhalt bzw. die Festigung der eigenen Machtposition sein [...]." (S. 21, Abs. 245 f.). "Zensur [hat] immer was mit Machtpolitik und nie was mit Emanzipation zu tun" (S. 21, Abs. 253). Vgl. auch S. 8, Abs. 77 f.: "sich emanzipatorisch gebende [!] Zensur"; "'emanzipatorische' [man/frau beachte die Anführungszeichen!] Zensurkonstruktion" (Anm. d. Verf.In).
Daß Sex und Sexismus nicht das Gleiche sind, sollte sich eigentlich auch im Friedrichshain rumgesprochen haben. Vielleicht solltet Ihr einige der Bücher/Broschüren, die in dem Infoladen, in dem ihr mitarbeitet, erhältlich sind, auch selbst lesen...
(Seite 4)
Auf S. 17, Abs. 198 ff. diskutieren die Unglücklichen die Kritik der Schwarzmarkt-FrauenLesben an dem Aarranca-Artikel "Die Linke und die 'sexuelle Revolution'"Die Schwarzmarkt-FrauenLesben kritisieren: "Darin [in dem genannten Artikel, d. Verf.In] wird u.a. behauptet, die 'sexuelle Revolution' beginnend /967 - wäre von den feministischen und antiautoritären Teilen der Bewegung" angeschoben worden. Dies ist glatte Geschichtsverfälschung zu Lasten einer sich erst einige Jahre später formierenden Frauenbewegung. Denn diese ist gerade aus der Notwendigkeit entstanden, sich gegen die 'sexuelle Revolution' zu wehren, in der Männer sich penetrationsorientiert den Zugriff auf möglichst viele Frauenkörper ermöglichen wollten!" (Schwarzmarkt-FrauenLesben zit. n. Die Unglücklichen, S. 17, Abs. 198 - Hervorh. i.O.).
Es dürfte jedem/r einigermaßen vorurteilsfreien Lese-rIn klar sein, daß es den Schwarzmarkt-FrauenLesben hier um die Frage geht, ob der Feminismus bzw. die Neue Frauenbewegung bereits 1967 existierten und positiver Bestandteil der 'sexuellen Revolution' waren. Die Schwarzmarkt-FrauenLesben bestreiten dies und sagen statt dessen, daß sich die Neue Frauenbewegung vielmehr erst einige Jahre nach '67 gegen die sexuelle Revolution konstituiert hat.
Zu dieser Frage sagen die Unglücklichen in ihrer Kommentierung nichts. Statt dessen knöpfen sie sich die laxe Formulierung "angeschoben worden [ist]" vor, mit der die Hamburgerinnen - so vermute ich -keine theoretischen Ansprüche erheben wollten.
Die Unglücklichen setzen hier erneut ihr kulturelles Kapital ein, um den Schwarzmarkt-FrauenLesben zu unterstellen, sie gingen davon aus, es habe ein "starkes Subjekt" gegeben, daß die 'sexuelle Revolution' angeschoben oder sogar gemacht habe. Gegen dieses konstruierte Feindbild betonen die Unglücklichen zurecht, daß es in der Geschichte nur kleine oder schwache Subjekte' gibt, die die Geschichte nicht kontrollieren und machen, sondern die selbst das Produkt je unterschiedlicher politischen Konstellationen sind.
Ich weiß nicht, ob die Hamburgerinnen dieser (auch von mir geteilten) Geschichtsauffassung zustimmen. Zumindest läßt sich ihre Erklärung der Entstehung der Neuen Frauenbewegung genau im Sinne dieser theoretischen Positionen lesen. Die Neue Frauenbewegung ist nicht daduch entstanden, daß sich einige geschichtsmächtige weibliche Subjekte hingesetzt und beschlossen haben, jetzt eine Frauenbewegung zu gründen. Sondern die Entstehung der Neuen Frauen-bewegung wurde nur möglich in einer spezifischen historischen Konstellation, von der die 'sexuelle Revolution' der MännerLinken ein Element war.
Die Unglücklichen konstruieren hier also (wahrscheinlich) eine (Schein)-Kontroverse (schieben ihre eigene Fragestellung den Hamburgerinnen unter!), um von deren tatsächlicher Position (Kritik an der Identifizierung der Neuen Frauenbewegung mit der "sexuellen Revolution") abzulenken. Ein "klassische[r] Trick der Textarbeit". Na Bravo!
Anmerkung: 5 Zur Bedeutung der Unterscheidung zwischen einem (bürgerlich-modernen) starken und einem (postmodern-marxistischen) schwachen Subjekt-Begriff vgl. als erste An-näherung FN 43 auf S. 17 des Textes der Unglücklichen sowie in diesem Text FN 29 auf S. 11; vgl. außerdem Althusser o.J., 90: "Die konkreten Menschen (Plural) sind zwangslaufig sub-jekte (Plural) in der Geschichte, denn sie agieren in der Geschichte als Subjekte (Plural). Aber es gibt kein SUBJEKT (Singular) der Geschichte." (kursive Hervorh. i.O.; Klein-/Getrennt- bzw. Großschreibung von Subjekte d. Verf.In).
(Seite 4)
Auf S. 18 führen die Unglücklichen drei Zitate aus der Arranca an, in denen gegen "einfache Antworten" etc. polemisiert wird, in denen aber der Begriff Feminismus nicht vorkommt, und werfen dann den Hamburgerinnen vor, daß sie sich trotzdem angesprochen fühlen: "wer sich nicht schuldig macht, auf komplexe Sachverhalte unangemessen vereinfachende Antworten zu geben, braucht sich nicht angesprochen zu fühlen." (S. 18, Abs. 207, s.a. Abs. 208). Genau dies ist illegitime Machtpolitik bzw. deren Rechtfertigung!
Wie Arracna und die Unglücklichen feministische Gespenster jagen
Nicht ganz uninteressant ist in dem Zusammenhang, daß die Unglückli- chen an anderer Stelle die Position der Schwarzmarkt-FrauenLesben it der Prays stalinistischer Parteien/Parteiführungen in Verbindungen bringen (S 16, Abs. 181, 189 und FN 41 S 19, Abs. 221 f ), und daß sich die Unglücklichen an wiederum anderer Stelle positiv auf den in der Kommunistischen Partei Frankreichs organisierten Philosophen Louis Althusser beziehen (S. 17, FN 43). Dies ist deshalb interessant, weil Althusser dort zur innerparteilichen Opposition gehörte und an der Parteiführung unter Georges Marchais gerade einen (post)stalinstischen Diskussionsstil (nämlich ungenannte GegnerInnen anzugreifen) kriti- sierte, den die Unglücklichen bei der Arranca verteidigen Althusser schrieb 1978 aber die Art und Weise des KPF-Generalsekretärs, die in- nerparteiliche Debatte zu führen, folgendes, [... ] jedes Mal, wenn G. Marchais einen Einwand [gegen die Politik der Parteiführung, Erg. d. Verf. In] anführt (und er kommt immer wieder darauf zurück), ist man verblüfft über sein Vorgehen Er schreibt die Einwände immer einem einzelnen oder kollektiven Unbekannten zu, ohne je Namen, Daten oder Orte zu nennen nach dem Schema 'gewisse Leute einige ein ande- rer...einige Genossen...einige Wichtigtuer ' (aber wer hat das bloß ge- sagt? Und wo und warm?) Man muß hier folgendes betonen diese An- onymitat nut der Gespenster zitiert werden macht jede Verifikation der zitierten 'Erklärungen' unmöglich Außerdem beleidigt diese Anonymi- fast alle diejenigen Genossen die ihre Überlegungen mit ihrem Namen und der Funktion innerhalb der Partei unterzeichnet haben, nachdem sich die Parteiführung geweigert hatte, ihre Stellungnahmen in der Par- teipresse zu veröffentlichen. Zugleich ist diese Anonymität verdammt bequem, denn wenn G. Marchais soviel Anstand gehabt hätte, die Na- men und den gesamten Wortlaut zu zitieren, dann bitte man die Über- legungen, die er irgendwelchen Gespenstern zuschreibt, mit den wirk- glich von Kommunisten geschriebenen und unterzeichneten Texten ver- gleichen und auf dieser Basis seine Einschätzungen beurteilen können [. ) man vermengt die ernsthaften mit den platten Einwänden, um die- jenigen de ernstzunehmende Überlegungen geäußert haben durch die Widerlegung eines imaginären Einwandes zu diskreditieren [ ] Durch solche Vorgehensweisen 'schweißt' man die Einheit der Partei 'zusam- men'. G Marchais inszeniert also - mit unschuldiger Mine, aber von vorne herein seines Ergebnisses gewiß - geradezu einen Sehauprozeß, der an andere unendlich schwerwiegendere erinnert, bei dem die An- klage zugleich auf anonymen Zeugnissen und Falschmeldungen ba- siert ' (Althusser 1978 85, 86, 81)
Erkennen war im Argumentationsstil Georges Marches die Praxis der Schwarzmarkt-FrauenLesben die öffentlich mit ihrem Namen für ihre politische Position einstehen, wieder? Oder erkennen wir in dem Argu- mentationsstil nicht vielmehr die Praxis der Arranca wieder, die unge- nannte VertreterInnen, einfacher Antworten" etc. angreift, und die Praxis der Unglücklichen, die diese Jagd auf femimstische Gespenster rechtfertigen?
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Denn es ist illegitime Machtpolitik (vgl. vorstehenden Kasten), durch eine assoziative Schreibweise anzudeuten, wer/welche gemeint ist, und dabei auf das Kontextwissen der LeserInnen zu setzen, aber nicht Ross und Reiterin zu nennen. Wer/welche wird wohl gemeint sein, wenn in einem Artikel "Die Linke und die 'sexuelle Revolution' "von" Schwarz-Weiß-Konzepte[n]" über das Psychische, von "einfachen Antworten" und "moralischen Urteilen" die Rede ist? Wird der Autor sich selbst und seine FreundInnen/Genosslnnen meinen? Oder wird er wohl die "feministische Bewegung" meinen, bezüglich der er zuvor schon behauptet hat, daß deren "Errungenschaften" (nämlich Infragestellung von Rollen) ins Gegenteil (nämlich Festschreibung eines Moralkodex) umgeschlagen ist (zit. n. die Unglückliche, S.17, Abs. 202)? Eine Schelmin, welche dabei Böses denkt..?!
Wer/welche in dieser assoziativen Weise 'argumentiert', der/die kalkuliert damit, daß das gesunde Volksempfinden mit seinem Motto "Wer sich verteidigt, klagt sich an" auf seiner/ihrer (des/r in dieser Weise 'Argumentierenden') ist. Den Kritisierten soll so die Möglichkeit genommen werden, auf die Kritik zu antwortet. Wenn sie trotzdem antworten, wird ihnen wie von den Unglücklichen - daraus endgültig der Strick gedreht: 'Es wird schon einen Grund haben, daß sie sich angesprochen fühlen...' Oder wie die Unglücklichen wörtlich formulieren: "Warum fühlen sich die HH von dieser Passage angegriffen, obwohl sie doch auch die Möglichkeit hatten zu sagen: 'Keine Ahnung, wen der meint, uns sicher nicht'?" (S. 18, Abs. 208).
So sind es nicht die Schwarzmarkt-FrauenLesben, die sich unkritisierbar machen wollen (so aber der Vorwurf der Unglücklichen auf S., 5, Abs. 35), sondern es sind die Arranca und die Unglücklichen selbst! Denn die Arranca sagt nicht, wem/welchen sie vorwerfen, "einfache Antworten" etc. zu vertreten; und die Un-glücklichen sagen nicht, wem/welchen sie außer den Schwarzmarkt-FrauenLesben vorwerfen, identitatsfe-minitische Positionen zu vertreten.
Es ist schließlich auch sehr fraglich, ob es tatsächlich ein noble Geste ist, wenn die Unglücklichen an verschiedenen Stellen' betonen, daß sie "die FrauenLesben des Schwarzmarkts weder als eine ganz bestimmte Gruppe, noch [...] als Personen" kritisieren wollen, da deren Text "lediglich ein Beispiel, ein konkreter Ausdruck einer bestimmten politischen Position [ist], die wir [die Unglücklichen, d. Verf.In] für absolut typisch in unserer Szene halten" (S. 2, FN 1). Zur Bezeich-nung der Schwarzmarkt-FrauenLesben eine "absolut inhaltsleere Abkürzung (Nummernschild)" ("HH", was auch als 'haha' gelesen werden!) zu wählen, bedeutet auch, ihnen die Sprechposition, die sie sich als FrauenLesben erobert haben, wieder wegzunehmen; sie unsichtbar zu machen, sie aus dem Bereich des 'Intelligiblen' (Wahrnehmbaren, Repräsentierbaren ), wie sich Judith Butler ausdrücken würde, zu verdrängen.
Die Unglücklichen führen drei bzw. vier Argumente für ihre Anti-Zensur-Position an:
"Der Trick ist [...] erst einen pcPappkameraden aufzubauen, um ihn dann mit viel Getöse (hier: mit dem Gestus des Verfolgten) umzuhauen."
Das, was die Unglücklichen zurecht am neokonservativen (anti)-pcDiskurs kritisieren, gilt auch hinsichtlich ihres eigenen Konstruktes einer identitäts-feministischen Hegemonie in der autonomen Szene! Eine Hegemonie einer Position, die eine "fest umrissene weibliche Identität" (die 'Frau' im Singular) - sei es auf offen biologistische oder versteckt sozialisationstheoretische Art und Weise - essentialisierte (verewigte) (S. 14, Abs. 164) die davon ausging, daß "eine gemischte Redaktion keine feministische Texte schreiben kann", (S. 16, Abs. 186) und die deshalb die Auffassung vertrat, "es sei in jeder Situation politisch richtig, vorrangig eine getrenntgeschlechtliche Organisierung einzufordern" (S. 25, Abs. 300 - Hervorh. d. Verf.In) gab es vielleicht Ende der 80er Jahre unter autonomen (FrauenLesben).'
Anmerkung: 7 Auf S. 15, Abs. 176 schreiben die Unglücklichen: Mit solchen Versuchen, Aus-einandersetzungen zu blockieren, auf einer Identität zu beharren, deren Grundlagen schon immer fragwürdig waren, ruinieren die HH und mit ihnen immer noch ein Teil der Szene-Feministinnen seit geraumer Zeit jegliche Versuche, sich aus dem Schlamm von Perspektivlosigkeit und selbstgerechtem Gehabe zu befreien." Dies ist - wie un-ten begründet - für heute Quatsch, und es war auch schon für die Zeit falsch, in der essentialistische und sektiererische Positionen in der Tat noch eine starke Stellung in der autonomen Szene hatten. Denn das, was die Unglücklichen "Identitatspolitik" nennen ist keine Erfindung von Feministinnen, sondem geht auf den Hegel Marxismus Georg Lukacs' zurück, der damit sowohl den sowjetischen als auch den westlichen Marxismus a la Frankfurter Schule (Horkheimer, Adorno, Marcuse etc.) beeinflußte. All diese Varianten konstruierten ein privilegiertes Subjekt des Erkennt-nis- und revolutionaren Prozesses (sei es die Arbeiterlnnenklasse, die Intektuellen/die Randgruppen, die Frauen etc.). Es waren also nicht Feministinnen, die etwas ruiniert haben, sondem sie haben einen Fehler nachgemacht, den gemischte Zusammenhänge ihnen längst (und unkomgiert) vorgemacht haben. Fur eine Kritik des Hegel-Marxismus und dessen feministischer Adaption vgl.: Seifert 1992, 258; Grimm 1994,
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Damals hatte der Bielefelder Ansatz von Maria Mies, Veronika Bennholdt-Thomsen und Claudia von Werlhof (u.a. Frauen, die letzte Zolonie) mit seiner Tendenz, die geschlechtliche Arbeitsteilung zu naturalisieren ("weiblicher Gegenstandsbezug zur Natur" = Produktivität des ganzen Korpers = Gebärfahigkeit)' und reduktionistische Analysen der gesellschaftlichen Verhältnisse zu liefern, in der Tat eine starke Stellung in der autonomen Szene.
Seitdem dürfte aber wahrscheinlich auch über den Ladentisch des Infoladens Daneben (aber anscheinend nicht durch den Kopf der PapierschreiberInnen) jede Menge Papier mit anderer Stoßrichtung gegangen sein. Schon das 3:1-Papier von Klaus Viehmann und - namentlich nie genannten und deshalb häufig 'vergessenen' - Genossinnen und Genosen berief sich nur noch am Rande und ausschließlich selektiv auf die Bielefelderinnen, während einige Reduktionismen autonomer Analysen aus der Zeit der Anti-IWF-Kampagne kritisiert wurden.' Später wurde in der - gerade von Frauen angestoßenen Rassismus-Debatte' - die Vorstellung von einer einheitlichen weiblichen Identität immer wieder infragegestellt. Ich erinnere mich bspw. an die Texte von radikal Frauen "Gegen das organisierte Deutschtum!" (radikal, Nr. 146, Nov. 1992, 37-42, wiederabgedruckt in: Broschürengruppe 1994, 70-74) und "Stellungnahme zu 'Ein Stein in der Sonne"' (radikal, Nr. 141, Teil I, Nov. 1990, 10-14, wiederabgedruckt in: Broschürengruppe 1994, 56-62). Auch deren Sexarbeiterinnen-Serie (radikal, Nr. 146-148) brachte neue Aspekte gegenüber den in den 80er Jahren in der autonomen Szene dominierenden Positionen zur Pornographie und Prostitution. Auch in der interim erschienen, soweit ich mich erinnere, immer wieder mal Artikel, die sich auf die (akademisch)-feministische Täter/Opfer- bzw. Mittäterinnenschafts-Debatte bezogen." (In dieser Debatte wurde die Auffassung der Frauen als bloßes Opfer eines homo-gen (weltweit gleichförmigen) Patriarchats infragestellt.). 1994 erschien im szene-nahen Verlag "ID-Archiv" das Buch "Gender Killer" von Cornelia Eichhorn und Sabine Grimm, in dem ausführlich die politische Bedeutung der Interventionen Judith Butler diskutiert wurde.
Ich will mit diesen Hinweisen keinesfalls das bloße Gegenteil der Auffassung der Unglücklichen behaup-ten (also daß die DekonstruktivistInnen die Hegemonie hatten). Sicherlich gibt es auch in neueren autonom-feministischen Texten, auch in dem Text der 12 Schwarzmarkt-FrauenLesben essentialistische Uber-hange. Und gerade die Debatte über 'Unterschiede un-ter Frauen' beinhaltet die Gefahr, den Essentialismus statt zu überwinden zu vervielfachen (statt früher 'die Frau' nun: 'die Lesbe', 'die Hetera', 'die schwarze Frau' etc.). (Diese Gefahr, die kein Automatismus ist, scheint mir bspw. in der Art und Weise deutlich zu werden, wie die Rote Zora diese Debatte - statt als (Anti) rassismus etc.-Debatte - als "Unterschiedsdiskussion" [Rote Zora 1993, 2, 22] re-zipiert hat." Eigentlich müßte unseren unglücklichen Liberalen gerade diese Vervielfachung des Essentialismus sympathisch sein. Denn die Rote Zora verbindet die Aufzählung der Unterschiede zwischen "geflüchteten Frauen, von armen Frauen, von alten Frauen, van Mädchen, von Arbeiterinnen, von Migrantinnen, von behinderten Frauen, von Frauen aus der Ex-DDR, [...], von Migrantinnen und Afrodeutschen Frauen [...], der jüdischen Frauen [:..]" mit der unverbindlichen Forderung, "Toleranz" für andere Vorstellungen und "Sichtweisen" (Rote Zora 1993, 22) zu entwickeln und damit den "Anspruch auf eine universelle feministische Theorie auf[zu]geben" [Rote Zora 1993, 33].)
Zwei Dinge scheinen mir aber wichtig zu sein:
Die Unglücklichen weisen an anderer Stelle zurecht daraufhin, de Theorie und Politik (theoretische und politische Praxis) einander nicht hundertprozentig entsprechen müssen (S. 25, Abs. 298), Dies gilt, denke ich auch hier: In der politischen Praxis wurden die problematischsten Dogmen und Sektierereien von au-tonomen FrauenLesben - ganz ohne Nachhilfe der Unglücklichen - überwunden; wenn auch noch nicht alles in eine neue - theoretisch wasserdichte - anti-essentialistische Begrifflichkeit umgesetzt wurde (was von politischen PraktikerInnen vielleicht auch nicht verlangt werden muß).
Trotz dieser Grenzen des Umdenkens haben autonome FrauenLesben früher und theoretisch reflektierter es-sentialistische Identitatspolitik infragegestellt als andere Teile der Szene. Entsprechend genau (nicht kleinkariert!) sollte etwaig notwendige Kritik erfolgen, statt eine Pappkameradin 'identitatsfeministische Übermacht in der autonomen Szene' zu konstruieren, um sie so dann um so besser umhauen zu können.
Anmerkung:
156 f. (beide zur feministischen Rezeption); Nemitz 1979a/b (S. 39 f., 59 f. bzw. 153, 160 f. zur Lukacs-Rezeption in der DDR und der Kritischen Theorie); Stedman Jones 1971 (zur Kritik an Lukacs); Therbom 1970 und 1971 (zur Kritik an der Kritischen Theorie). S "In der historischen Aneignung des eigenen Korpers hat der Geschlechterunter-schied zwischen Frauen und Männern weitreichende Konsequenzen gehabt. [...]. festzuhalten ist, daß Frauen ihren ganzen Körper als produktiv erfahren können, nicht nur ihre Hände oder ihren Kopf. Aus ihrem Körper produzieren sie neue Men-schen und die erste Nahrung für diese Menschen." (Claudia von Werlhof / Maria Mies / Veronika Bennholdt-Thomsen, Frauen, die letzte Kolonie. Zur Hausfrauisie-rung der Arbeit, Rowohlt: Reinbek bei Hamburg, 1988, 169 - Hervorh.). 9 s. bspw. Viehmann u.a. 1990/91, 31 die Kritik an der Hochstilisierung der "Gleichzeitigkeiten van Riots in Sao Paulo, Gaza, Seoul, Brixton ader Kreuzberg zu Gemeinsamkeiten", S. 40 - 43 die Rezeption schwarzer feministischer Kritik am weißen Feminismus, S. 43 f., 54 die Kritik von Theoriefeindlichkeit, S. 59 der zustim-mende Bezug auf Lynne Segals Kritik an biologistischen Feminismus-Varianten. 10 S. bspw. From Resistance to Rebellion. Texte zur Rassismus-Diskussion aus dem Englischen von Britta Grell [und] Andrea Staritz, Schwarze Risse Verlag: Berlin, 1992.
11 Frigga Haug, Frauen - Opfer oder Täter? Über das Verhalten von Frauen (1980), in: dies., Erinnerungsarbeit, Argument Hamburg/[West]berlin, 1990, 9 - 19; Christina Thurmer-Rohr, Aus der Täuschung in die Enttäuschung. Zur Mittäterschaft der Frauen (198)/87), in: dies., Vagabundinnen, Feministische Essays, Orlanda Frauen-verlag, 1988, 38 - 56 und 183 f.
12 "essentialistisch", von "Essenz" = (ewiges) Wesen. Als "essentialistisch" werden Aufassung bezeichnet, die Personen, Gruppen und gesellschaftlichen Verhältnissen ein überhistorisches, unveränderliches Wesen zu schreiben. 13 Von (Anti)rassismus, (Anti)heterosexismus etc. zu sprechen impliziert, daß über Machtverhältnisse diskutiert wird und das darin eine Parteilichkeit verlangt. Von bloßen 'Unterschieden' zwischen schwarzen und weißen Frauen, zwischen Lesben und Heteras zu reden, impliziert dies dagegen nicht. 14 Vgl. dazu Althusser 1963, 146 - 167 (152: Zu behaupten, daß die Gesellschaft ein komplex, gegliedertes Ganzes ist, heißt nicht zu behaupten, daß keine Herr-schaftsstruktur existiert, denn die Henschaftsstruktur dieses Ganzen macht gerade die Einheit dieses komplexen Ganzen aus). Problematisch an Althusser ist, daß er zwar die Klassenverhältnisse komplexer als der dogmatische Marxismus denkt, daß er aber andere Herrschaftsverhältnisse (Patriarchat, Rassismus) nicht oder nicht hinreichend komplex denkt. Da Althusser vorrangig von den Klassenverhältnissen ausgeht, spricht von "Struktur mit Dominante" ("Dominante" im Singular). Wenn wir aber - mit Althusser - davon ausgehen, daß sich die Dominante der gesellschaftlichen Struktur ver-schieben kann (es sich also nicht immer um die materielle Produition handeln muß; vgl. Althusser 1963, 157 f.), und wenn wir - über Althusser hinaus - davon ausgehen, daß dieser Verschiebungsprozeß nicht in allen gesellschaftlichen Unterdrückungsver-hältnissen gleichzeitig vorsichtig gehen muß, dann sind - im Gegensatz zu Althusser gesellschaftliche Situationen denkbar, in der die gesellschaftliche Struktur mehrere Dominanten hat. Beispiel RealSozialismus: Hauptwiderspruch/Dominante des Klassenwiderspruchs im Bereich Politik (zwischen Partei und Massen); Hauptwider-spruch/Dominante des Geschlechterwiderspruchs weiterhin in der materiellen (Re)produktion: geschlechtshierarchische Arbeitsteilung.
"Darauf läuft der ganze gegenwärtige Krieg hinaus: Wer wird siegen, wer wird die Lage schneller ausnutzen [...]? [...] Man muß dieses Wesen des Kampfes klar begreifen: 'Wer - wen? Wer wird die Oberhand gewinnen? [...] Entweder müssen diejenigen zugrunde gehen, die uns zugrunde richten wollen und von denen wir meinen, daß sie zugrunde gehen müssen - dann wird unsere Sowjetrepublik am Leben bleiben, oder umgekehrt, die Kapitalisten werden am Leben bleiben, und die Republik wird zugrunde gehen. [...]. Hier gibt es keine Wahl und kann es keine Wahl geben, ebensowenig wie es irgendwelche Sentimentalitaten geben darf."
Lenin 1921b, 45, 48, 51 f. Hervorh. d. Verf.In
(Seite 7)
"Es ist [...] nicht die Frage, ob solche Mittel [Sanktionen und Zensur - d. Unglücklichen] eingesetzt werden, sondern vielmehr die danach, wer dies tut." Schwarzmarkt-FrauenLesben zit. n. Die Unglücklichen, S. 5, Abs. 38
Theoretisch zu untermauern, versuchen die Unglücklichen ihre These von der identitätsfeministischen Hegemonie in Szene mit dem Hinweis darauf, daß die Gesellschaft ein "ungleich gegliedertes Ganzes" ist: "Der große, die Gesellschaft strukturierende Widerspruch im Geschlechterverhältnis (Geschlechterkampf) tritt nicht überall gleich auf' (S. 5, Abs. 36).
Dies ist wohl wahr, aber kein Argument gegen Zensur. Der Begriff "ungleich gegliedertes Ganzes" geht auf den französischen kommunistischen Philosophen Louis Althusser zurück; Althusser hat ihn in Bezug auf das Klassenverhältnis entwickelt. Althusser wandte sich gegen die reduktionistische Annahme, das Wa-rennverhältnis oder der Klassenkampf strukturiere in gleichformiger Weise die ganze Gesellschaft und die ganze Welt. Demgegenüber betont Althusser (1962, 59 f., 65 f., 72) die relative Autonomie des Ideologischen von der materiellen Basis und die Überdeterminierung (Überlagerung) des Klassenwiderspruchs durch andere gesellschaftliche Widersprüche (Wechselverhältnis von nationaler und internationaler Politik, klasseninterne Konflikte etc. - das Geschlechterverhältnis fiel ihm [1962 noch] nicht ein).
Aber; Als ob Althusser schon 1963 geahnt hatte, daß 1997 die Unglücklichen antreten, um seine Kategorie des "komplex" - wie es in der deutschen Übersetzung heißt - "strukturierten Ganzen", die dazu dienen sollte die analytischen Grundlagen revolutionärer Politik zu verbessern, für einen liberalen Pluralismus auszubeuten, fügte er schon damals hinzu:
"[...] man muß hinzufügen, daß er [der Widerspruch, d. Verf.In], indem er aufhört, eindeutig zu sein, deshalb nicht 'mehrdeutig' wird, ein Produkt der erstbesten empirischen Pluralität, den Umständen und den 'Zufallen' preisgegeben, [...]. Ganz im Gegenteil, indem er aufhort eindeutig zu sein, also ein für alle Mal in seiner Rolle und seinem Wesen fixiert, erweist er sich als determiniert durch die strukturierte Komplexität, die ihm seine Rolle zuweist, als - man möge mir diesen gräßlich Ausdruck verzeihen! - komplex-strukturell-ungleichmäßig-determiniert... Ich habe ein kürzeres Wort vorgezogen: überdeterminiert." (Althusser 1963, 156, s.a. 100 f. mit FN 2; 117 f., 147 f.). "demokratische[s] Abenteurertum" (Althusser 1978, 12 - 13). Ein solches "demokratisches Abenteurertum" ist es auch, wenn die Unglücklichen die Ansicht vertreten, es sei erforderlich, sexistische Artikel in Szene-Zeitschriften abzudruken).
Und als die KPF, deren Ökonomismus Althusser in den 60er Jahren noch kritisieren mußte, rund 15 Jahre später, wohl zwar nicht den Ökonomismus aufgab, aber ihren Frieden mit dem bürgerlichen Staat, den sie zuvor schon gemacht hatte, nun auch erklärte, indem sie sich von der Perspektive der "Diktatur des Proletariats" verabschiedete, war es Althusser, der dagegen hielt (für eine lesbisch-feministische Diktatur zur Überwindung des Patriarchats hat er sich leider nicht ausgesprochen):
Wer das Ziel der Zerschlagung des bestehenden Staatsapparates aufgibt, wer über das Absterben des Staates schweigt und beides durch den Begriff' der 'Demokratisierung des Staates' ersetzt, der reduziere das "ganze Ensemble des Klassenkampfs in Ökonomie, Politik und Ideologie" auf den politischen Klassen-kampf, letztlich auf "Wahl- und parlamentarische Kämpfe"; die neue Strategie der KPF seiken, damit der Sexismus "diskutierbar gemacht" und dadurch "ent-selbstverständlich[t]" werden könne (S. 8, Abs. 84). Das, was die Unglücklichen für ihren Widerstand gegen feministische Zensur in Anspruch nehmen, gilt doch wohl erst für feministischen Widerstand gegen Sexismus - nämlich: "Gegen machtpolitisch motivierte Zensur hilft nicht allein, mit den Zensor/inn/en zu diskutieren, sondern in erster Linie ebenfalls machtvolles Auftreten." (S. 7, Abs. 62).
Im Kampf gegen die zwar komplexen, aber gleichwohl vermachteten gesellschaftlichen Verhältnisse hilft gleichfalls nur ein machtvolles Auftreten
Hier sind es die Unglücklichen, die einen völlig undekonstruktivistischen bzw. undekonstruierten Begriff von Dummheit oder Ideologie haben, Im Hegel-Marxismus (und den entsprechenden feministischen Analogie-Bildungen) war es / ist es üblich den ideologischen Konsens der Massen mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen als 'falsches Bewußtsein' zu 'erklären'." Dem entspricht es, zu sagen, daß Volk sei zu "dumm" oder 'unfähig', "mit dem Bösen umzugehen".
Die Unglücklich machen nun nichts anderes, als diese These von der 'Dummheit' oder "Unfähigkeit" des Volkes einfach umzudrehen; "Das Volk" sei schlau bzw. fähig genug, die herrschenden (bspw. patriarchalen) Ideologien (von allein) zu durchschauen; zensierende Eingriffe von FrauenLesben in den politischen Meinungsbildungsprozeß seien daher überflüssig, ja sogar schädlich. Auch die Unglücklichen reduzieren damit das Verhältnis von beherrschten und herrschenden Ideologien auf ein rationalistischen" Gegensatz von Irrtum und Wahrheit ('falschem Bewußtsein' und 'objektivem Interesse'). Dieser simple Gegensatz von (bürgerlicher, patriarchaler etc.) Ideologie = falsches Bewußtsein und (feministischem, kommunistischen etc.) wahren Wissen ist nun allerdings - mit unterschiedlicher Akzentsetzung" 17 - sowohl von dem bereits erwähnten Al-thusser als auch dem postmodernen französischen Philosophen Michel Foucault de-konstruiert worden:
(Seite 8)
Ideologie ist nach Althusser nicht einfach "falsches Bewußtsein", sondern - an anderer Stelle arbeiten die Unglücklichen selbst mit einem solchen de-konstruktivistischen Ideologie-Begriff - "eine Denkform, die es den Individuen ermöglicht, in diesen [... den bestehenden, d. Verf.In] Verhältnissen zu han-deln" (S. 26, Abs. 303; vgl. Althusser 1966, 92). Ideologie ist also nicht in erster Linie ein (ungeeignetes) Mittel, um Erkenntnisse zu gewinnen; sondern ein (auch wenn der Begriff bedenklich ist) 'Instrument ', um handlungsfähig zu werden. Um (in irgendeiner Weise) handlungsfähig zu sein (zu überleben), ist Wissen über die gesellschaftlichen Strukturen (Ausbeutung und Unterdrückung etc.) zwar nicht schädlich, aber auch nicht unbedingt notwendig; es geht eher um eine grobe Orientierung, um ein Zurechtfinden in den bestehenden Verhältnissen. Ideologien sind nicht notwendigerweise falsches Bewußtsein; und die Überwindung herrschender ideologischer Vorstellungen demgemäß keine Frage von Dummheit oder Schlauheit, sondern von Macht!" Denn - und damit kommen wir zum zweiten Schritt der De-Konstruktion des traditionellen Ideologie-Begriff: Ideologie ist schließlich überhaupt nicht (sei es falsches oder richtiges!) bloßes Bewußtsein. Vielmehr materialisieren sich Ideologien in Ideologischen Staatsapparaten (Medien, Schule, Familie etc.)" und deren ritualisierter Praxis.'º
Und diese Rituale sind vermachtet; die Ideologischen Staatsapparate sind Machtapparate. Folglich ist der politische Meinungsbildungsprozeß nicht ein habermasianischer (Schone Grüße an Kermit!) 'herrschaftsfreier Diskurs', in dem sich - wenn nur (nach dem Postulat der Unglücklichen) alle alles lesen dürften - das bessere Argument durchsetzt. Vielmehr ist der Kampf der Diskurse - und dies hat Michel Foucault (De-Konstruktion) gegen Jürgen Habermas (Kritische
Theorie) herausgearbeitet, immer auch ein Kampf um Macht:" "Ohne ein System der Kommunikation, Registrierung, Anhäufung und Verlagerung, das selbst wieder eine Form der Macht darstellt und in seiner Existenz und Funktion an andere Formen der Macht gebunden ist, entsteht kein Wissen. Dagegen wird ohne die Forderung, Aneignung, Verteilung oder Einbehaltung eines Wissens auch keine Macht ausgeübt."'
Die Wahrheit "wird unter der zwar nicht ausschließlichen, aber vorherrschenden Kontrolle einiger großer ökonomischer und politischer Apparate produziert und übermittelt (Universitäten, Armee, Texte, Meden)", und sie "steht [...] im Mittelpunkt politischer Auseinandersetzungen und sozialer Zusammenstöße ('ideologischer' Kämpfe)." (Foucault 1977a, 84 = 1977b, 52 in etwas anderer Übersetzung).
Dies bedeutet allerdings, daß wir nicht einfach auf das bessere Argument vertrauen dürfen, sondern - wie sogar die Unglücklichen, in einer Fußnote versteckt zugeben - nach "Verbindungen von machtvollem und 'überzeugendem' Eingreifen" suchen müssen (S. 6, FN 23). Und - an anderer Stelle: "Veranstaltungen zu sprengen, kann sicher positive Effekte haben: Autoritäten brechen, Öffentlichkeit schaffen, Leute zusammenbringen und aktivieren." (S. 6, Abs. 48).
- Damit bringen sich die Unglücklichen allerdings in eine pikante Situation: Wenn gemischt-geschlechtliche Gruppen Veranstaltungen sprengen, auf denen Propaganda für Euthanasie gemacht wird, ist das o.K. (und ich finde das auch o.K.). Wenn sich aber Feministinnen weigern, eine sexistische Zeitung zu vertreiben, und die Redaktion und (anderen) Vertriebstellen dabei unbehelligt bleiben (also in den freien Diskussionsprozeß viel weniger intensiv eingegriffen wird), dann ist das für die Unglücklichen nicht o.K... - Die Unglücklichen kritisieren aber (m.E. zurecht) eine Anti-Euthanasie-Strategie, die sich darauf beschränkt, pro-Euthanasie-Veranstaltungen "immer wieder nur zu sprengen" (S. 6, Abs. 49 - Hervorh. i.O.). In diesem Zusammenhang betonen die Unglücklichen fast an gleicher Stelle (ein Absatz zuvor): "Uns ist klar, daß viele Aktive, die sich an solchen Aktionen [Sprengung von Veranstaltungen, d. Verf.In], beteiligen, auch anderes machen und die Position, die wir hier kritisieren z.T. eine Konstruktion ist." (S. 6, Abs. 48).
Nicht weniger ist es aber eine Konstruktion, wenn die Unglücklichen den Schwarzmarkt-FrauenLesben im-plizit" unterstellen, sie würden versuchen, den Sexismus allein dadurch aus der Welt zu schaffen, daß sie sich weigern, Zeitungen wie die Sex-Nummer der Arranca zu vertreiben. Auch die Schwarzmarkt-FrauenLesben beschränken ihre politische Praxis (richtiger wäre dann zu sagen: Passivität) nicht darauf, daß sie die Arranca Nr. 8 nicht verkaufen. Vielmehr sorgen sie dafür, daß es in ihrem Infoladen (statt dessen) möglich ist, feministi-
sche Publikationen zu kaufen. Und wahrscheinlich werden sich die Schwarzmarkt-FrauenLesben auch verhalten, wenn sie in ihrem Alltag mit sexistischen Äußerungen und Handlungen konfrontiert sind und auch ihre politische Praxis nicht nur auf den Ladendienst beschränken.
(Seite 9)
Und selbst im speziellen Fall der Zensur der Arranca Nr. 8 - und dies unterscheidet die Praxis der Hamburgerinnen deutlich von stalinistischer Zensur-Praxis, mit der die Schwarzmarkt-FrauenLesben von den Unglücklichen in Verbindung gebracht werden (S. 16, Abs. 181, 189 und FN 41; S. 19, Abs. 221 f.) - beschränken sie sich nicht auf den bloßen Akt der Zensur. Sie ziehen die Arranca nicht einfach aus dem Verkehr (in der Regel die stalinistische Praxis), sondern sie machen ihre Entscheidung öffentlichen, sie begründen sie und sie machen sie transparent, indem sie im Laden ein Leseexemplar auslegen. Die Schwarzmarkt-FrauenLesben schreiben zwar unpräzise: "Wir lassen nicht zu, daß Positionen, die Unterdrückung, in welcher Form auch immer, legitimieren, dargestellt und damit diskutierbar gemacht werden." (zit. n. die Unglücklichen, S. 6, Abs. 47).
Aber ihre tatsächliche (und richtige!!!) Praxis ist eine andere: Sie nehmen zur Kenntnis, daß es derartige Positionen gibt, und sie kritisieren (d.h. diskutieren) sie! Und: Sie delegitimieren derartige Positionen durch ihre Kritik und unterstreichen diese Kritik dadurch, daß sie sich weigern, diese Zeitung zu verbreiten. D.h. die Hamburgerinnen machen dadurch genau das, was auch die Unglücklichen in einer Fußnote für richtig halten: sie kombinieren "machtvolle[s] und 'überzeugende[s]' Eingreifen" (S. 6, FN 23)!
Die Schwarzmarkt-FrauenLesben machen durch ihren in der Tat "machtvollen", ja "machtpolitischen" (Igittigitt) Akt die in der Arranca Nr. 8 vertretenen Positionen zum Gegenstand der Diskussion und Kritik und verhindern so, de die (sexistischen) Äußerungen in der Arranca Nr. 8 als allerwelts- oder Szene-common-sense-Äußerungen durchgehen - auch wenn die nachfolgende Debatte in der interim schnell Kurs auf seichten Liberalismus nahm. Dafür, gegen diesen Liberalismus nicht (erneut) interventiert zu haben, sind die Hamburgerinnen und alle, die deren Position teilen, allerdings zu kritisieren (mich selbst eingeschlossen)!
Anmerkungen:
15 Vgl. krit. zu diesen Ansätzen: Nemitz 1979a/b; Althusser 1969/70, 134 - 136 mit FN 14.
16 Vgl. zur Kritik des Rationalismus Balibar 1976, 22: "Auf keinen Fall darf der Marxismus die (der Großbourgeoisie und der Sozialdemokratie gemeinsame) Position einnehmen und die ökonomischen und politischen Probleme in Begriffen der 'Rationalität' und der 'Irrationalität', in Begriffen der logischen Wahl zwischen rationalen 'Modellen' der Gesellschaft statt in Begriffen des Klassenkampfs formulieren."
17 Die unterschiedliche Akzentsetzung besteht in folgendem: Althusser hielt an der Unterscheidung zwischen Ideologie ("praktisch-gesellschaftliche Funktion") und' Wissenschaft (Erkenntnisfunktion"), allerdings nicht im Sinn' eines prinzipiellen Gegensatzes von Irrtum und Wahrheit, fest. Althusser (1963/65, 181) sagt: "Ohne auf das Problem der Beziehung einer Wissenschaft zu ihrer (ideologischen) Vergangenheit einzugehen, können wir sagen, daß die Ideologie als System von Vorstellungen sich von der Wissenschaft darin unterscheidet, daß die praktisch-gesellschaftliche Funktion sich in ihr gegen die theoretische Funktion (oder Erkenntnisfunktion) durchsetzt." (Hervorh. d. Verf.In). Foucault dagegen die Tendenz, die Unterscheidung zwischen Ideologie und Wisscnschaft durch einen einheitlichen Diskurs-Begriff vollständig auszulöschen. Vgl. insofem kritisch zu Foucault: Plumpe/Kammler 1980, 216 - 218.
18 Auch Foucault (1977a, 79 = 1977b, 34) kritisiert, daß der Begriff "Ideologie" "in einer virtuellen Opposition zu so etwas wie Wahrheit" steht. Auf S. 85 bzw. S. 35 schreibt Foucault: "Es geht nicht darum, das 'Bewußtsein' der Leute zu verändern, was in ihren Kopfen ist, [...]. Kurz, es geht politisch nicht um Irrtum, Illusion, entfremdetes Bewußtsein [...]." "Die politischen Probleme der Intellektuellen sind nicht in Begriffen van 'Wissenschaft/Ideologie' zu denken, sondern in Begriffen von 'Wahrheit/Macht'."
19 Althusser (1969/70, 119 f.) nennt folgende, vorläufige "empirische Liste" von Ideologischen Staatsapparaten (ISA), die er vom Repressiven Staatsapparat (RSA) unterscheidet: den religiösen ISA (das System der verschiedenen Kirchen), den schu-lischen ISA (das System der verschiedenen öffentlichen und privaten Bildungsinstitutionen), den familiaren ISA, den juristischen ISA, den politischen ISA (das politische System, zu dem u.a. die verschiedenen Parteien gehören), den ISA der Gewerkschaften, Berufs- und Unternehmerverbande, den ISA der Information (Presse, Radio, Femsehen usw.) und den kulturellen ISA (Literatur, Kunst, Sport usw.).
20 "Eine Ideologie existiert immer in einem Apparat und dessen Praxen. [.. ] diese Praxen [werden] durch Rituale, in die sie sich einschreiben, innerhalb der materiellen Existenz eines ideologischen Apparates geregelt [...] Auch wenn es sich nur um einen ganz kleinen Teil dieses Apparates handelt: ein kleiner Gottesdienst in einer kleinen Kirche, ein Tag in einer Schulklasse oder eine Versammlung oder Kundgebung einer politischen Partei usw." (Althusser 1969/70, 137, 138 - Hervorh. i.O.) 21 Vgl. dazu auch Althussers (1969/70, 119 - 123) Ausführungen zum Zusammen-wirken der ideologischen und repressiven Staatsapparate, die im übrigen nicht auf jeweils rein ideologischer oder rein repressiver Grundlage arbeiten, sondern sich durch ein unterschiedliches 'Mischungs'-/Dominanzverhaltnis ihrer ideologischen und repressiven Grundlagen unterscheiden. 22 Michel Foucault, Straftheorien und Strafinstitutionen, in: A. Kremer-Marietti, M. Foucault - Der Archäologe des Wissens, Frankfurt/Berlin/Wien, 1976,, 198 f. zit. n. Pluinpe/Kammler 1980, 209 be i FN 52.
23 Bspw. S. 5, Abs. 41: "Wir denken weiter, daß es [...] praktisch unmöglich ist, Diskussionen, die auf ein breites gesellschaftliches Bedürfnis treffen, abzuwürgen." Wenn die Unglücklichen dies als 'Argument' gegen die Zensur-Entscheidung der Schwarzmarkt-FrauenLesben anführen, dann unterstellen jene den Hamburgerinnen damit implizit, sie hatten die Illusion, sie könnten (sämtliche) sexistische Äußerungen (und vielleicht sogar Handlungen) dadurch unterbinden, daß sie die Arranca in ihrem Infoladen nicht verkaufen. Für so blöde können doch eigentlich auch die Unglücklichen die Schwarzmarkt-FrauenLesben nicht halten... 24 Ich mache hier diese Einschränkung "in einer politischen Zeitschrift", da ich mich im folgenden auf Althussers ideolagie-theoretische Überlegungen beziehen. - Künstlerische Produkte sind nach Althusser selbst nicht Ideologie, auch wenn sie ideologisches Material verarbeiten und ideologische Effekte hervorbringen (Althusser 1966, 91 f.; Balibar/Machcrey 1974, 209 ff). Inwieweit für den Umgang mit den Fotos aus der Arranca Nr. 8 etwas anderes als oben ausgeführt gelten würde, wenn sie nicht in der Arranca, sondern in einer Kunstzeitschrift erschienen waren, lasse ich hier offen. Allerdings bin ich mit Brecht der Ansicht, daß sehr wohl auch hohe Kunst nach politischen Kriterien zensiert werden kann/muß. Für eine von Althusser inspirierte Rezeption der brecht'schen Position s. Plumpe ...
(Seite 9)
Ich stimme den Unglücklichen zu, Texte und Bilder in einer politischen Zeitschrift" sind weder Ursache noch bloßes Abbild der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse (S. 7, Abs. 67 f.). Diese Auffassung trägt allerdings nicht die implizite Behauptung der Unglücklichlichen, daß Zensur nutzlod ist, weil die Zustände ohne das zu zensierende TextBild nicht besser wären. Zwar wären die Zustände in einem sehr engen, materiellen Sinn verstanden, ohne die fraglichen TextBild in der Tat nicht "besser".
Allerdings sind TextBilder auch nicht bedeutungslos (unwichtig). Diese These zu vertreten, hieße die zu-recht von den Unglücklichen abgelehnte (S. 7, Abs. 67) Auffassung zu vertreten, daß TextBilder eine scheinhafte, bloße Verdoppelung (Abbild, Widerspiegelung, Reflex) der gesellschaftlichen Realität sind. Die Unglücklichen unterstellen, daß Zensur-BefürworterInnen annehmen müßten, daß ein einzelnes TextBild unmittelbar auf ein einzelnes Individuum einwirkt, das dann dadurch beeinflußt wird und gemäß dieser Beeinflußung wiederum auf die Gesellschaft einwirkt (S. 7 f., Abs. 68 - 79),
In Absatz 75 und 78 charakterisieren sie die pro-Zensur-Argumentation zusammenfassend folgendermaßen:
a) Ein Individuum nimmt das TextBild wahr und wird dadurch verändert.
b) Diese Veränderung führt zu einem veränderten Verhalten des Individuums.
c) Diese Veränderung führt zu einer veränderten Gesellschaft. In diesem Dreischrittmodell wirkt das TextBild einfach durch die Individuen hindurch auf die Gesellschaft. [...]. Die 'emanzipatorische Zensurkonstruktion nimmt (...] an, bei der Veränderung von Gesellschaft unmittelbar am Individuum ansetzen zu können."
Es mag sein, daß es Zensur-BefürworterInnen gibt, die so reduktionistisch argumentieren. Ich gehe allerdings nicht davon aus, daß einzelne sexistische Bilder und Texte aus dem Nichts auftauchen und auf einzelne Individuen treffen, die genauso aus dem Nichts auftauchen. (Dies scheint vielmehr, auch wenn sie dagegen argumentieren, die Auffassung der Unglücklichen zu sein. Ich komme auf diesen Aspekt unten noch einmal zurück.)
Vielmehr sind einzelne (bspw. sexistische) Bilder und Texte (Sätze) immer schon Bestandteil von komplexen ideologischen Formationen (Ideologien)," die sich ih-rerseits wiederum - wie oben bereits ausgeführt - in Ideologischen Staatsapparaten materialisieren. Und diese Ideologischen Staatsapparate haben wiederum ritualisierte Praxen, in denen nur in den seltensten Falle Individuen als Einzelne einbezogen sind. Beispiele: Ein sexistische Schulbuch trifft auf eine Schulklasse, die sich jeden Morgen um 8.00 Uhr zum Unterricht einfinden muß. Ein sexistischer (oder auch feministischer) Artikel in der interim trifft auf eine Szene, die jeden Donnerstag in ihren Infoladen geht, um die neue Ausgabe zu kaufen. Damit wird - wie auch die Unglücklichen an einem anderen Beispiel und an anderer Stelle zu erkennen scheinen - reguliert, was in einem bestimmten Bereich sagbar ist. Bspw. legen die ideologischen Verhältnisse in der autonomen Szene nahe, den Satz, 'Verwaltigung ist keine Sexualität', zu sagen (vgl. Die Unglücklichen, S. 20 f., Abs. 242, 244). Die ideologischen Verhältnisse in einer anderen Szene (bspw. ein Männer-Stammtisch, der sich regelmäßig trifft) legt es demgegenüber nahe den Satz, "Frauen haben doch eigentlich Spaß, wenn sie vergewaltigt werden", zu sagen.
(Seite 10)
Die ideologischen Verhältnisse sind aber nie (kaum?) so eindeutig, wie diese Beispiele suggerieren. Denn auf den meisten Terrains bekämpfen sich unterschiedliche Ideologien (bspw. die Richtungen, die von den Unglücklichen als Identitäts- und dekonstruktiver Feminismus gegenübergestellt werden). Und die meisten (alle?) Individuen sind in die Rituale unterschiedlicher Ideologischer Staatsapparate einbezogen, in denen auch unterschiedliche ideologische Machtverhältnisse existieren (also unterschiedliche Ideologien vorherrschen).
Wir haben es also mit einem komplexen System von Institutionen (Apparaten, Ritualen) zu tun, in denen um die Bedeutung von TextBildern gekämpft wird. Gerade weil die Produktion und Rezeption derartiger TextBilder in Apparaten und deren ritualisierter Praxis (also nicht indivdiuell) erfolgt, ist ein machtvolles Eingreifen in die Debatte erforderlich! Aber ausgerechnet die Unglücklichen, die den vermeintlichen Individualismus (s. oben) der Zensur-BefürworterInnen kritisieren, beschränken sich darauf, in diesem komplexen System von Institutionen allein auf "die Menschen" setzen. Sie schreiben:
"Die Zensur schreibt dem TextBild eine Wirkungsmächtigkeit zu, die es gar nicht hat. Sie blendet alle aktive Tätigkeit der Menschen aus. Sie demonisiert das TextBild und macht die Menschen machtlos, was dann genau der Grund für die Zensur abgibt. Denn die Menschen sind zu schwach, sich dem TextBild selbst zu stellen." (S. 8, Abs. 80).
Die Unglücklichen schlußfolgern daraus, daß deshalb jedeR alles lesen können muß:
"Allein durch den Abdruck des Artikels [Sexuelle Phantasien, Pornographie und Zensur in der Arranca, d. Verf.In] werden solche Vorstellungen überhaupt diskutierbar. Nur so können wir sie entselbstverständlichen." (S. 8, Abs. 84).
Aber wissen wir wirklich erst seit dem Erscheinen der Arranca Nr. 8, daß es in der Gesellschaft, auch in der Linken, derartige Vorstellungen (bspw. Pornographie-Befürwortung) gibt? Und werden derartige Vorstellung nicht gerade selbstverständlich gemacht, indem sie unkommentiert selbst in der Arranca gedruckt und von autonomen Infoläden verkauft werden? Etwas ganz anderes wäre es gewesen, wenn die Arranca einen bereits anderweitig veröffentlichten Artikel mit ähnlichen Positionen oder ähnliche Fotos doku-mentiert hätte und diese im Detail kritisiert oder dekonstruiert hätte. Aber dies war ja gar nicht die Absicht der Arranca, denn die Arranca hielt/hält ja - wie die Unglücklichen an anderer Stelle zurecht betonen (S. 15 f., Abs. 181) - die von ihr veröffentlichten Texte für unproblematisch (und auch die Unglücklichen haben ja nur an einem Text Kritik). Wie gesagt: Eine kommentierte Dokumentation sexistischer Fotos und Texte mag in manchen Fälle sinnvoll sein. Und vielleicht wäre es sogar sinnvoll gewesen, wenn die Schwarzmarkt-FrauenLesben die Arranca unter zwangsweiser Beigabe ihrer Kritik (weiter)verkauft hätten. (Dies ist allerdings eine taktische Frage, die mit 1 1/2 Jahren Verspätung nicht
mehr diskutiert werden muß und die an der grundsätzlichen Berechtigung anti-sexistischer Zensur nichts ändert.) Eine solche kommentierte Dokumentation wäre etwas ganz andes als zu fordern, alles soll gedruckt und vertrieben - und dann den/die einzelnen LeserIn (S. 8, Abs. 80: "selbst") der Wirkung der TextBilder auszusetzen.
Dies Position der Unglücklichen verkennt einmal mehr die apparat- und teilweise machtförmige Organisation politischen Wissens und politischer Standpunkt. Den Unglücklichen, die zurecht die moderne Vorstellung von starken Subjekten kritisieren, müßte doch klar, sein, daß nicht jedes Individuum den gesamten Erkenntnis- und politischen Positionsbildungsproze0 der Menschheit von Null an noch einmal durchspielt. Vielmehr materialisieren sich deren (Zwischen)ergebnisse in Ideologischen und wissenschaftlichen Apparaten (Bibliotheken, Infoladen, Bücher, Zeitschriften etc.).
Die Auffassung von Ideologie "als pure Illusion, als reiner Traum, als Nichts" wird auch von Althusser (1969l70, 131) kritisiert Nach dessen Auffassung leisten Ideologien vielmehr einen aktiven Beitrag zur Reproduktion (oder zur Störung der Reproduktion) bestehenden Produktionsverhältnisse (vgl. ebd. 123 - 130): "[...] die Reproduktion der Arbeitskraft [erfordert] nicht nur die Reproduktion ihrer Qualifikation [.. ], sondern auch gleichzethg eine Reproduktion ihrer Unterwerfung unter die Regeln der etablierten Ordnung, d.h. für die Arbeiter die Reproduktion ihrer Unterwerfung unter die herrschende Ideologie und für die Träger der Ausbeutung und Unterdrückung eine Reproduktion der Fähigkeit, gut mit der herrschenden Ideologie umzugehen, um auch 'durch das Wort' die Herrschaft der herrschenden Klasse zu sichern "(Althusser 1969170 I 12, vgl 128 f ). Wenn also die herrschenden 1deologien nicht wirkungslos sind sondern eien aktiven Beitrag zur Reproduktion der bestehenden Verhältnisse lenten, dann sind umgekehrt aber auch oppositionelle Interventionen in den ideologischen Kampf - bspw. femistische Interventionen gegen die Unterwerfung von Frauen unter die Regeln der etablierten patriarchalen Ordnung beim Sex - nicht wirkungslos, sondern ein wichtiger Beitrag zur Störung der Reproduktion der besteheden Verhältnisse Die Ideologischen Staatsapparate sind Orte des Kampfes zwischen den anatgonistischen gesellschaftlichen Gruppen Bereich der Klassenverhältnisse drückte dies Althusser (1969/70 122, 150 f vg1 1976, 154 - 155) folgendermaßen aus ] die Ideologischen Staatsapparate [sind] nicht nur der Einsatz, sondern auch der Ort des Klassenkampfes [... ] der Staat und seine Apparate smd vom Standpunkt des Klassenkampfes zu begreifen, d h als Apparate des Klassenkampfes, [... ] Aber es gibt keinen Klassenkampf ohne antagonistische Klassen. Wer Klassenkampf der herrsehenden Klasse sagt der sagt auch Widerstand Revolte und Klassenkampf der beherrschten Klasse. Deshalb sind ISAs [= Ideologtsche Staatsapparate, d. Verf In] [...] auch nicht die reibungs1ose Realisterung der Ideologie der herrschenden Klasse [ ] Diese Installierung der ISAs erfolgt nicht von selbst, sie ist vielmehr der Ersatz eines sehr erbitterten und ununterbrochenen Klassenkampfes Zunächst gegen die alten herrschenden Klassen und deren Positionen in den alten und neuen ISAs, dann gegen die ausgebeutete Klasse."
Die Interventionen der Schwarzmarkt-FrauenLesben gegen die Arranca Nr, 8 führt zwar nicht unmittelbar zu einer 'besseren Welt', aber ist ein Akt des Widerstandes gegen die reibungslose Realisierung sexistischer Ideologie selbst in den 'Apparaten' der autonomen Szene (Zeitschriften, Infoladen etc ) ?
Deshalb gilt: Die unkommentierte Verbreitung sexistische Texte und Bilder bedeutet nicht, auf die vermeintliche Bevormundung, junger Frauen" (zu deren BeschützerInnen vor der Zensur der Schwarzmarkt-FrauenLesben sich die Unglücklichen aufschwingen, S. 5, FN 20) zu verzichten. Vielmehr bedeutet der Verzicht feministisch einzugreifen schlicht, den Raum für konkurrierende (sexistische) Position freizumachen, die mit ihren (Wissen- und Standpunkt)-'Archiven' schon bereitstehen, diesen Raum zu besetzen.27
Anmerkungen:
25 S. 7, Abs. 66 schreiben die Unglücklichen: "Die Zensur unterstellt, ohne das TextBild waren die Zustände besser." Als Zensur-GegnerInnen scheinen sie diese 'Unterstellung' nicht zu teilen. Auf S. 8, Abs. 80 schreiben sie denn auch ausdrücklich: "Die Zensur schreibt dem TextBild eine Wirkungsmächtigkeit zu, die es gar nicht hat." 26 An einer Stelle erkennen sie auch die Unglücklichen: "sooo wichtig ist die Arranca nun allemal nicht". "Vielmehr ist diese Ausgabe der Arranca Teil einer Bewegung nicht nur in der Szene, [...]" (S. S, Abs 87). Aber dadurch ist das machtvolle Eingreifen in die Debatte ja nicht weniger wichtig, sondern um so wichtiger!