TATblatt

Bankrott dank Tierversuch
 

Als Druckmittel hat die britische Tierrechtsbewegung neuerdings die Vernichtung von Unternehmen durch Belagerung von AktionärInnen entwickelt, was Aktienkurse der betroffenen Unternehmen in den Keller fallen läßt. Die Tierverbrauchsindustrie ist schwer getroffen und fordert Sondergesetze zusätzlich zu den neuen Antiterrorgesetzen der Regierung, die seit Juli gelten.

Gleichzeitig kündigte einer der bekanntesten unverbesserlichen Tierexperimentatoren, Colin Blakemore von der Oxford University an, daß wegen der Forschung über menschliche Genome die Tierversuche in den nächsten fünf Jahren nicht sinken, sondern pro Jahr um 10% zunehmen werden.
 

TATblatt

Im April hatten TierrechtlerInnen damit begonnen, vor dem Wohnhaus eines Aktionärs der größten Tierversuchsfirma Europas, Huntington Life Sciences (HLS), eine Kundgebung abzuhalten. HLS-Aktien verloren schon bei Ankündigung der Aktionen 85% ihres Wertes, nachdem etwa auch die regierende Labour Party ein Aktienpaket von HLS abgestoßen hatte. HLS ist berüchtigt für seine Tests für Kosmetika und Vivisektionen.

Mit den Demos bei AktionärInnen trafen die TierrechtlerInnen den finanziellen Nerv nicht nur einer Firma, sondern im Prinzip jeder Firma. Zugleich mit den Protesten erhielt das führende Investmenthaus bei HLS, Phillips and Drew, Bombendrohungen. Im Mai zündete die A.L.F. vier Fahrzeuge von Angestellten von HLS an. Bei den AktionärInnen wurde kurz aber gewaltfrei vorgegangen: Die DemonstrantInnen zeigten ihnen schlicht Fotos von Versuchen, die HLS vornimmt, was diese meistens schwer schockierte. Der Erfolg gegen HLS wurde auch dadurch erreicht, daß viele Personen gar nicht gewußt hatten, daß sie in HLS investiert hatten und sofort verkauften.

HLS und die gesamte Pharmaindustrie waren beunruhigt und forderten von Premierminister Blair, daß TierrechtsaktivistInnen im Rahmen der Gesetzgebung gegen Terrorismus verfolgt werden sollen. Die britische Regierung hat mittlerweile ein neues Anti-Terrorismus-Gesetz erlassen, das praktisch jedes beliebige Thema in jedem beliebigen Zusammenhang zu Terrorismus erklärt, falls es die Verfolgungsbehörden so wünschen. Außerdem wird prinzipiell jede Unterstützung und jeder Kontakt auf gleicher Stufe kriminalisiert, was sämtliche Medien als Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit verurteilt haben, da jegliche Berichterstattung davon betroffen sein kann. Strafrahmen ist generell bis zehn Jahre Gefängnis.

Zusätzlich soll es speziell strafbar sein, Personen zu nennen, die Experimente an Tieren durchführen, sowie von Bankern und AktionärInnen, die ihr Geld in Tierversuchsfirmen investieren.

Ob Kriminalisierung eine erfolgreiche Strategie im Dienste der Pharmaindustrie ist, wird sich erst zeigen. Durch das schlechte Image der Pharmaindustrie brechen derzeit die Umsätze beim Verkauf von Pharmazeutika in Großbritannien deutlich ein.

Trotz Anti-Terror-Gesetz ist die Pharmaindustrie mit der Regierung mehr als unzufrieden. Durch die Forschung über menschliche Genome sind in den beiden letzten Jahren die Anzahl der Tierversuche nach 20 Jahren Abnahme wieder gestiegen. Die Regierung, die ihren letzten Wahlkampf zum Teil mit Millionenbeträgen von Tierschutzorganisationen finanzierte und entsprechende Zusagen machte, ziert sich die Anzahl der Versuchsgenehmigungen zu steigern, versucht Genehmigungsanträge zu verschleppen, zumindest nach Aussage der Pharmakonzerne.

Da nächstes Jahr Neuwahlen sind, ist Yuppie-Labour schwer in der Zwickmühle. Das Wahlversprechen, eine Kommission mit dem Ziel der Verringerung von Tierversuchen einzusetzen, lösten Blair und Co. bis heute nicht ein.

Ob Labour HLS vor dem Bankrott bewahren kann, darf bezweifelt werden. Viele AktionärInnen verkaufen alleine deshalb nicht, weil die Aktien keinen Wert mehr haben. Die Banken haben jedenfalls die Firma bereits aufgegeben: Die deutsche WestLB beendete ihren Auftrag als Aktienhändler, die englischen Banken verkauften ihre Aktien und die Royal Bank of Scotland stellte sämtliche Kredite fällig. Schließlich sind die Demos vor ihren Bankfilialen nicht gerade gut für das Geschäft. Ausbeutung zahlt sich eben nur aus, wenn sie nicht zu bekannt wird.

Vorläufige Rettung kommt für HLS allerdings aus den USA, wo ein eigens gegründeter Investmentfonds, hinter dem Investoren 10 Mio. Pfund anonym verstecken, einspringt. Ein Sprecher von HLS teilte mit, daß darauf geachtet wurde, daß keine in der Öffentlichkeit tätigen Banken daran beteiligt sind.

Selbst diese Strategie scheint fraglich. Anfang August scheiterte der Zusammenschluß der Pharmamultis Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham an renitenten AktionärInnen, die damit eine Megaprämie an den Geschäftsführer von Glaxo in Höhe von über 150 Mio. Schilling verhinderten. Die Turbulenzen wurden nicht gerade vermindert durch lautstarke Proteste von TierrechtlerInnen vor dem Konferenzgebäude, die gegen Forschungsverträge beider Firmen mit HLS demonstrierten und die AktionärInnen beim Betreten des Gebäudes wüst beschimpften.

Nach einer Veröffentlichung in britischen Zeitungen über Versuche an Affen, die zur Erprobung der Verpflanzung von Organen von Schweinen an Menschen vorgenommen wurden, mußte die Forschungsfirma Imutran, ein Tochterunternehmen des Multi Novartis, ihre Niederlassung in Großbritannien schließen. Imutran hatte die Versuche an tausenden Schweinen und über vierhundert Affen vorgenommen, die nicht nur äußerst grausam, sondern auch Fehlschläge waren, während die Berichte der Firma auf "erfolgreich" frisiert wurden. Die Zustände bei den Imutran-Versuchen wurden durch geheim aufgenommene Videos belegt, die von der Mißachtung der einfachsten Sicherheitsmaßnahmen - immerhin konnte ein mit dem tödlichen Herpes B-Virus infizierter Affe entkommen - über Angestellte in volltrunkenem Zustand und auch im Drogenrausch bis hin zu gequälten Versuchstieren reichen. Durch die Recherchen wurde auch bekannt, daß zudem die Multis Glaxo Wellcome, Monsanto, Du Pont und Roche Toxitätsversuche an Affen bei HLS machen lassen.

Folglich fand am 6. November wiederum eine Demo mit 500 TeilnehmerInnen vor dem Gebäude von HLS statt, bei der 400 PolizistInnen anwesend waren und neun Personen festgenommen wurden. Es wird vermutet, daß die Einsätze der Polizei bei HLS-Demos bisher 100.000 Pfund, also etwa 2,3 Mio. Schilling gekostet haben.

weitere Infos: www.shac.net
 

aus TATblatt +153, S. 8
 
>> TATblatt-Inhaltsverzeichnis | >> Widerstandschronologie (Wien) | >> weitere aktuelle Meldungen

(c)TATblatt
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen und ähnlichen Medien ohne weiteres gestattet (Quellenangabe undBelegexemplar erbeten)!
In allen anderen Fällen Nachdruck nur mit Genehmigung der Medieninhaberin (siehe Impressum)