Hannover: Polizeibrutalität / Abschiebung um jeden Preis
Polizeibrutalität: Abschiebung um jeden Preis
Prison Watch International (PWI) e.V.
Bundesvorstand
Haus der Kulturen
Hagenweg 2
37081 Göttingen
Tel: 0551-6339357
Fax: 0551-63759
Göttingen / Hannover, 24. Sept. 1998
Pressemitteilung
Polizeibrutalität gegen MenschenrechtlerInnen / Nigerianische
Oppositionelle wurden den Schergen der Militärdiktatur zwangsvorgeführt
Sechs von sieben nigerianischen Oppositionellen, die sich bis zur
vergangenen Woche noch in Hannover aufhielten, seit zwei Jahren
geschützt und unterstützt von drei Kirchengemeinden im Stadtteil
Linden-Limmer, dem Rat des Stadtbezirkes und einem breiten
UnterstützerInnenkreis aus Kirchen, Parteien und Menschenrechtsgruppen,
sind nun in Abschiebehaft.
Heute wurden sie in Hannover-Langenhagen in der Zentralen Anlaufstelle
für Flüchtlinge und Asylsuchende (ZAST) polizeilich dem stellvertr.
nigerianischen Botschafter und nigerianischen Sicherheitsdienstbeamten
vorgeführt. Auch nigerianische Asylsuchende aus anderen Bundesländern
wie u.a. Hamburg wurden anschließend in dieser ZAST den Vertretern des
Diktators Abubakar zur Ausstellung der Abschiebepapiere überstellt.
In spontanen Demonstrationen vor dem niedersächsischen Innnenministerium
und der ZAST, einer ehemaligen Bundeswehrkaserne, machten die
UnterstützerInnen darauf aufmerksam, daß offenbar in einer konzertierten
Aktion von Bund und Ländern in Zusammenarbeit mit dem nigerianischen
Militärregime unter Federführung von Bundesinnenminister Kanther (CDU)
und
dem niedersächsischen Innenminister Glogowski (SPD) eine erneute
bundesweite Abschiebung in Vorbereitung ist. Die Härte des Durchgreifens
auch gegen hier seit Jahren politisch aktive nigerianische
Oppositionelle werteten die DemonstrantInnen als "Vorwegnahme der
kommenden großen Koalition, schon vor dem Wahltag"!
Um den DemonstrantInnen zu entgehen, sollten die Abschiebehäftlinge über
einen Nebeneingang der ZAST wieder abtransportiert werden. Doch auch
dort hatten sich UnterstützerInnen auf der Zufahrtsstraße eingefunden.
Ohne eindeutige Aufforderung, die Straße zu räumen, wurde in einem
kurzen Schlag- und Beißeinsatz seitens der Polizei brutal gegen die dort
stehenden MenschenrechtlerInnen vorgegangen. Eine junge Frau aus
Hannover
mußte mit Bißwunden an der Hand (durch die auf die Menschen
losgelassenen Polizeihunde) notärztlich versorgt und ins Krankenhaus
abtransportiert werden. Als dann ca. eine halbe Stunde später ein
Transportfahrzeug der niedersächsischen Polizei mit den nigerianischen
Flüchtlingen die ZAST verließ und die DemonstrantInnen an den Wagen
klopften, um sich von ihren nigerianischen Freunden zu verabschieden,
erfolgte der nächste brutale Polizeieinsatz. Wieder wurde besonders eine
junge Frau von fünf Beamtinnen und Beamten gleichzeitig gegen einen Zaun
gedrückt und da kauernd unter den Augen mehrerer Reporter und Fotografen
mit Schlägen, Tritten und Würgegriffen mißhandelt.
Als Augenzeugen und selbst von der Polizei mitbedrängt, nahmen Silke
Stokar, Mitglied des nieders. Landtages (Bündnis90 / Die Grünen), und
Rolf Köhne, Bundestagsabgeordneter (PDS), an der gesamten Aktion teil.
Beide wurden als Abgeordnete von den Polizeikräften nicht respektiert.
PressevertreterInnen wurden trotz amtlicher Presseausweise nicht in die
ZAST eingelassen.
Wir als Menschenrechtsorganisation "Prison Watch International" sehen
mit Besorgnis einerseits, wie inzwischen durch Mißhandlungen und
Unterdrückung friedlichen Protestes in diesem Lande seitens staatlicher
Organe in Wahlzeiten Stimmung für rassistische und faschistische Hetze
verstärkt wird und gleichzeitig Bund und Länder Hand in Hand mit einer
der noch immer brutalsten Diktaturen weltweit kollaborieren, um ein
"rassisch durchmischtes" (Stoiber) Deutschland zu verhindern.
Wir fordern die Herren Kanther und Glogowski auf, die Abschiebung der
nigerianischen Flüchtlinge sofort zu stoppen. Wenn der Kanzlerkandidat
Schröder zu feige ist, gegenüber seinem Innenminister in Niedersachsen
nun ein Machtwort zu sprechen und Schröder als Ministerpräsident die
Abschiebung mitträgt, erscheint er uns als künftiger Kanzler ebenso
ungeeignet wie der gegenwärtige Amtsinhaber.
Prison Watch International
-Der Bundesvorstand-
i.V.
Dr. Eckhard Fascher
Dr. Ekkehard Jänicke
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