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handbuch kein mensch ist illegal erschienen
22.6.1999
Heute ist das Handbuch "kein mensch ist illegal" im ID-Verlag Berlin
erschienen. Das Buch ist ab jetzt uber den normalen Buchhandel
erhaltlich. Gruppen oder Infoladen, die grosere Mengen bestellen wollen,
wenden sich bitte direkt an den Verlag. Ebenso Menschen, die
Rezensionsexemplare benotigen.
ID Verlag
Postfach 360205
10972 Berlin
tel: 030/6947703
fax: 030/6947808
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Inhaltsverzeichnis:
Appell kein mensch ist illegal
Vorwort
Tatbestand Menschenschuggel. Wie aus Fluchthelfern Schwerverbrecher
gemacht werden (Florian Schneider)
Die permanente Bedrohung. Uber das dialektische Verhaltnis von Rassismus
und sozialer Frage (Rainer Trampert)
Radikale Sozialarbeit. Viele kleine Netze als Aufbruch in eine andere
Gesellschaft (Aktion Zuflucht Freiburg)
Medizinische Versorgung fur Fluchtlinge Zwischen Luckenbuserei und
politischem Anspruch (Uta Adler)
Ohne Wenn und Aber. Fragen an die antirassistische Beratungsarbeit
Der besondere Schutz der Ehe und Familie. Ein Leitfaden zur
Heiratsschliesung (Institut XY)
Das Wanderkirchenasyl. Widerstand gegen die gewollte Rechtlosigkeit der
Illegalisierten (Albrecht Kieser)
Das Schiff durch den Strom schlingern lassen. Das Spannungsfeld von
Unterstutzung und Bevormundung. Ein Gesprach unter AktivistInnen
Fluchtlingspolitik und Nazifizierung (Detlef Hartmann)
Verblaster Mythos Grenze? Innere und ausere Widerspruche des neuen
Grenzregimes (Florian Schneider)
Von Maastricht nach Amsterdam. Europaische Asyl- und Migrationspolitik
(Karl Kopp)
Wir haben eine Stimme. Interview mit Jose Mbongo-Mingi und Bachiri
Salifou
Politische Antinomien (Joseph Vogl)
Adressen kein mensch ist illegal und Medizinprojekte
Vorwort
Alle wissen, selbst wenn sie sonst nichts wissen: Menschen ohne legale
Aufenthaltspapiere sind von sozialen und politischen Rechten
ausgeschlossen. Vor allem aber wird den sogenannten "Illegalen" das
Recht abgesprochen, uberhaupt Rechte zu haben. Was aber standig vom
Verschwinden bedroht ist, ist das Wissen darum, wie in kollektiven
Prozessen und sozialen Kampfen Rechte erobert und angeeignet werden
konnen. Die Bewegung der sans papiers, in der sich MigrantInnen ohne
Papiere in Frankreich zusammengeschlossen haben, brach mit spektakularen
Aktionen Mitte der 90er Jahre mit der Logik der staatlich verordneten
Rechtlosigkeit und kann bis heute neben einer Reihe von Erfolgen vor
allem darauf verweisen, einen neuen Typus von sozialer Bewegung
angestosen zu haben, der sich mittlerweile in vielen Landern Europas
breitmacht.
Die Kampagne kein mensch ist illegal wurde im Juni 1997 auf der
documentaX gestartet: Ziel war ein Netzwerk, das Gruppen miteinander in
Bezug setzen sollte, die illegalisierte Fluchtlinge und MigrantInnen
unterstutzen. Egal, ob diese Gruppen nun offen oder eher im Verborgenen
arbeiten, aus christlicher oder anarchistischer Motivation heraus
handeln, bereits uber jahrelange Erfahrungen verfugen oder gerade
anfangen wollen. Es ging darum, zu propagieren, und auch tatsachlich
anzubieten, was die Gesellschaft immer mehr Menschen prinzipiell
verweigert: Juristische Beratung, medizinische Versorgung, Arbeit,
Wohnung, Grenzubertritte und viele andere Formen von Unterstutzung.
Klar war, das die Kampagne unter den spezifischen, deutschen Bedingungen
keine soziale Bewegung, keine Organisation und erst recht nicht die
Selbstorganisation von Fluchtlingen und MigrantInnen ersetzen konnte und
je wollte. Beabsichtigt war aber auch nicht, in Mitleid oder
Wohltatigkeit zu verharren, sondern vielmehr als Schnittstelle zu
verschiedenen Fragmenten des sich auflosenden offentlichen Raumes zu
fungieren. Wir haben uns nie als reprasentative Einheit verstanden,
stattdessen aber versucht, zu vernetzen und zu verknupfen: Eine
Fluchtlingsgruppe zum Beispiel und einen alternativen Internet-Provider,
MedizinerInnen und Behandlung suchende Illegalisierte, Pop-Bands und
Antifa-Gruppen, Medienaktivisten und Berufskunstler, Linksradikale und
Pfarrer, und nicht zuletzt: Fluchtlinge aus verschiedenen
Herkunftslandern, Menschen mit und Menschen ohne Papiere.
kein mensch ist illegal hat keinen Kopierschutz und kann von allen
ausgeborgt und benutzt werden, denen die (fiktive) Identitat der
Kampagne nutzlich oder hilfreich erscheint. Letztlich aber basiert der
Aktivismus auf der politischen Glaubwurdigkeit einiger Dutzend lokaler
Gruppen und Netzwerke in fast jeder groseren Stadt der Bundesrepublik
und den Resten militanter Traditionen aus den sozialen Bewegungen der
70er und 80er Jahre. Die Kampagne lebt zudem von einem gewissen Grad an
Aufgeschlossenheit, die es immer wieder ermoglicht, zwischen
verschiedenen Communities, aber auch zwischen Medien- und Kunstmilieus,
popkulturell korrekten und politisch hochkodierten Umgebungen zu
vermitteln.
"Jeder Mensch hat das Recht selbst zu entscheiden, wo er leben will und
wie." Statt auf die Konjunktur der Hetzparolen oder Facetten des standig
weiter ausgebauten Repressionsapparat versucht kein mensch ist illegal
sich auf die Subjektivitat und die Kampfe der Menschen zu beziehen, die
sich nicht von Staatswegen vorschreiben lassen wollen oder konnen, wo
sie ihren Aufenthaltsort nehmen. Was in diesem Zusammenhang zu bedenken
ist, welche Erfahrungen wir in der Zwischenzeit gemacht haben, was
unsere Motive und unsere Perspektiven sind - davon handelt dieses Buch.
Neben dem Rundbrief, den Mailinglisten, den Webseiten, den
Videokassetten, den Radioprogrammen und den Kampagnenzeitungen, die wir
in unregelmasigen Abstanden anderen Publikationen beilegen, haben wir
mit diesem Buch versucht, den vielen Fragen und unterschiedlichen
Bedurfnissen nach umfassenderer Information entgegenzukommen. Was
vorliegt, ist ein "ready-made" und sicherlich weniger geeignet, die
Themenstellungen erschopfend zu behandeln, als vielmehr anzureisen und
aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Fertiggestellt zwischen
dem Beginn der Luftangriffe auf die Republik Jugoslawien und der Totung
eines Abschiebegefangenen auf dem Flug von Frankfurt nach Kairo, haben
mit diesem Handbuch versucht, einen aktuellen Zwischenstand der
Auseinandersetzungen und Diskussionen innerhalb der Kampagne und an
ihren Randern zu dokumentieren. Wir hoffen in diesem Sinne, das das
Material so schnell wie moglich uberholt ist, das Debatten angestosen,
weitergefuhrt und neu entwickelt werden, deren Verlauf am besten auf den
Webseiten der Kampagne <<http://www.contrast.org/borders> weiterverfolgt
werden kann. Wer aber wirklich eingreifen will in die konkreten,
praktischen und theoretischen Auseinandersetzungen, wird bei den
verschiedenen regionalen und uberregionalen Aktionen und nicht zuletzt
den Grenzcamps genug Gelegenheit bekommen.
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