Deutschland wiedergutgemacht - Aufruf zur Konferenz
Deutschland wiedergutgemacht
Aufruf zur Konferenz
Seit dem 24. März 1999 führt Deutschland wieder Krieg. Einen Krieg, der mit
der Losung NIE WIEDER AUSCHWITZ legitimiert wird: Deutschland kämpft im
Rahmen der Nato gegen die "Dikatoren" und "Völkermörder". So dokumentiert
Deutschland, daß es geläutert ist und auf die Einhaltung der Menschenrechte
pocht. Es war einer rotgrünen Bundesregierung vorbehalten, die letzten als
Fesseln empfundenen Beschränkungen aufzuheben, die einen deutschen
Angriffskrieg auf Länder, die unter der deutschen Besatzung litten,
undenkbar scheinen ließen. Eine Bundesregierung, die wie ihre
Vorgängerinnen nicht willens ist, alle NS-Opfer zu entschädigen,
beansprucht das Definitionsrecht darüber, was Auschwitz gewesen ist und was
heute "Auschwitz" sein soll. Wie geläutert dieses Deutschland ist und was
man hier aus der Vergangenheit gelernt hat, zeigt sich nicht zuletzt am
Umgang der rotgrünen Bundesregierung, der deutschen Unternehmen und der
deutschen Justiz mit den Forderungen der Überlebenden der Nazizwangsarbeit
nach finanzieller Entschädigung. Die Bundesregierung weigert sich, mit den
Organisationen der Überlebenden in Deutschland auch nur zu reden; die
deutschen Unternehmen wollen sich mit Almosen Expansionschancen auf den
internationalen Märkten sichern; die deutsche Justiz handelt in diesem
Sinne, indem zum Beispiel das Bonner Landgericht für die Sammelklage von 22
000 polnischen ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern einen
Prozeßkostenvorschuß von DM 18 Millionen forderte. Im April wandten sich
14 Überlebende der Shoah in einem offenen Brief an Außenminister Fischer
und Verteidigungsminister Scharping: "Wir Überlebenden von Auschwitz und
anderen Massenvernichtungslagern verurteilen den Mißbrauch, den Sie und
andere Politiker mit den Toten von Auschwitz, mit dem von Hitlerfaschisten
im Namen der deutschen Herrenmenschen vorbereiteten und begangenen
Völkermord an Juden, Sinti und Roma und Slawen betreiben. Was Sie tun, ist
eine aus Argumentationsnot für ihre verhängnisvolle Politik geborene
Verharmlosung des in der bisherigen Menschheitsgeschichte einmaligen
Verbrechens." Sie fordern die sofortige Einstellung der Bombardements und
verurteilen, daß zugunsten des Auftrages NIE WIEDER AUSCHWITZ die Forderung
NIE WIEDER KRIEG für obsolet erklärt wird. Das bundesweite Bündnis gegen
IG Farben setzt sich seit über zehn Jahren dafür ein, daß die
Nachfolgegesellschaft des während des letzten deutschen Krieges weltweit
größten Konzerns aufgelöst wird und alle NS-Opfer finanziell entschädigt
werden. In der Geschichte der "IG Farbenindustrie in Abwicklung AG" (IG
Farben) präsentiert sich westdeutsche Nachkriegsgeschichte wie im
Brennglas. Ihre Existenz verdankt die IG Farben-Abwicklungsgesellschaft bis
heute dem weitgehend erfolgreichen Versuch, die enge Zusammenarbeit der
deutschen Unternehmen mit dem nationalsozialistischen deutschen Staat zu
tabuisieren - seit ihrer Gründung 1954 führt sie einen Kleinkrieg gegen die
Überlebenden um jede Mark. Nach 1989 gab es auch für die Nachfolger eines
Konzerns, ohne den der zweite Weltkrieg nicht möglich gewesen wäre,
offensichtlich keine Beschränkungen mehr. Seit der deutschen Vereinigung
versuchte IG Farben mehrmals, aber bislang erfolglos, enteignete
Besitzungen zurückzubekommen. In den Monaten nach dem Regierungswechsel
hat sich die Ausgangsposition der Arbeit des Bündnisses vollkommen
verändert: Während Deutschland mit der Begründung, aus der Vergangenheit
gelernt zu haben, wieder Krieg führt, geht der Kleinkrieg gegen die
Überlebenden der Nazi-Verbrechen unvermindert weiter. Während wieder
deutsche Bomben auf Belgrad fallen, soll voraussichtlich ausgerechnet am 1.
September 1999, dem 60. Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf
Polen, der Fonds der deutschen Unternehmen gegründet werden. Damit wollen
sich diese mit finanziellen Abfindungen Rechtssicherheit gegen Klagen von
Überlebenden erkaufen, es soll endgültig ein Schlußstrich unter die
deutschen Verbrechen gezogen werden. Dieses Projekt dient in keiner Weise
dazu, den Forderungen der Überlebenden in angemessener Form gerecht zu
werden. Folglich geht es nicht mehr nur darum, für die Forderungen der
Überlebenden überhaupt eine Öffentlichkeit zu schaffen, sondern darum, die
Erpressung der Überlebenden mit ihrem hohen Alter und ihrer oft elenden
sozialen Lage zu verhindern; es geht nicht mehr nur darum, die Wahrheit der
Nazi-Verbrechen öffentlich zu machen, sondern darum, die
Instrumentalisierung dieser Verbrechen für deutsche Großmachtambitionen zu
kritisieren.
Über die Folgen der militärischen Versöhnung mit der deutschen
Vergangenheit wollen wir am 2. und 3. Juli 1999 auf der Konferenz
Deutschland wiedergutgemacht in Berlin diskutieren. Unabhängig davon, ob es
bis dahin einen Waffenstillstand gibt oder der Einsatz der Bodentruppen
näher gerückt ist: Die Ausgangsbedingungen einer dem Antifaschismus
verpflichteten Kritik der deutschen "Normalisierung" haben sich grundlegend
verändert.
Berlin und Frankfurt am Main im Mai 1999
Bundesweites Bündnis gegen IG Farben
Dem Bündnis gegen IG Farben gehören unter anderem an: Auschwitz-Komitee in
der BRD; Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre; Kampagne
Nie wieder!; Antifaschistische Aktion Berlin (organisiert in der AA/BO);
Coordination gegen Bayer-Gefahren; Vereinigung der Verfolgten des
Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten;
Antifaschistische Gruppe Frankfurt/Main; Initiative Gegen das Vergessen,
Frankfurt/Main; Antifa/Antira-AG FelS Berlin; Antirassistische Gruppe,
Würzburg; Junge Linke; Marburger Bündnis gegen IG Farben; Berliner Bündnis
gegen IG Farben, Frankfurter Bündnis gegen IG Farben u.v.a
Wir bitten um Spenden (für Fahrtkosten und Unterbringung der Referenten) auf
unser Konto bei der Berliner Volksbank: Kontoinhaberin A. Mattern,
Kontonummer 260 166 30, Bankleitzahl 100 900 00, Stichwort: Konferenz.
Veranstaltungen und Termine unter http://www.nadir.org/aab oder 030 / 2 756
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Quelle: aab@mail.nadir.org
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