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Hamburg: Wir alle sind Mumia

*Wir alle sind Mumia!*

Redebeitrag der Roten Hilfe Hamburg auf der Demo für
die Freiheit Mumia Abu-Jamals am 17.7.99 in Hamburg

Die Vereinigten Staaten von Amerika sprechen gerne von der Freiheit und
den Menschenrechten. Die Freiheit und die Menschenrechte waren es, von
denen sie redeten, als sie - zusammen mit anderen Nato-Staaten - in
Jugoslawien Flüchtlingstrecks, Autobusse, Schulen, Gefängnisse,
Wohnhäuser, Wasserwerke und vieles andere in Schutt und Asche
bombardierten und mehrere tausend Menschen töteten oder verwundeten.
Freiheit und Menschenrechte führten sie im Munde, als sie sich daran
machten, Vietnam in die Steinzeit zurückzubomben. Von Freiheit und
Menschenrechten sprachen sie, als sie Pinochet an die Macht putschten, als
sie einen jahrelangen völkerrechtswidrigen Krieg niedriger Intensität
gegen Nicaragua führten, als sie Grenada, Panama, Somalia überfielen - und
in unzähligen anderen Fällen, in denen sie Krieg, Elend und Leid über die
Menschen anderer Länder brachten. Wer sich diese Fälle ansieht, wird
erkennen, daß die Freiheit, die hier gemeint ist, nichts weiter ist als
die Freiheit des Kapitals - und die Menschenrechte nichts weiter als eine
Propagandafloskel, die die Entrechtung der Menschen begleitet wie das
Evangelium die Eroberung Lateinamerikas. Es wird ihn nicht wundern zu
erfahren, daß die USA auch innerhalb ihrer eigenen Grenzen tagtäglich die
Menschenrechte millionenfach verletzen.

So wie sie Milliarden von Menschen in den ärmsten Ländern um ihre
elementarsten Rechte bringen, zwingen sie in den Ghettos, Armutsvierteln
und Reservaten ihres eigenen Landes Millionen von Menschen, unter
unwürdigsten Bedingungen zu leben. Wenn die Mächtigen der Vereinigten
Staaten von Freiheit und Menschenrechten sprechen, tun sie gut daran,
nicht davon zu reden, daß auf ihrem eigenen Territorium 45 Millionen
Menschen unterhalb der Armutgrenze leben, die meisten von ihnen Menschen
mit farbiger Haut, viele von ihnen Kinder. Daß viele dieser Kinder
unterernährt sind. Daß die Säuglingssterblichkeit bei schwarzen Kindern
doppelt so hoch ist wie bei weißen. Daß 43 Millionen US-Bürger, davon 11
Millionen Kinder, über keinerlei Krankenversicherung verfügen. Daß 20% der
Bevölkerung funktionale Analphabeten sind. Daß offiziell 17 Millionen
Frauen in den USA Opfer einer Vergewaltigung oder einer sexuellen
Belästigung geworden sind. Daß ein stetig wachsender Anteil der US-
Bevölkerung arbeitslos oder im Billiglohnsektor beschäftigt ist oder sich
in der Schattenwirtschaft abrackern muß, um zu überleben. Daß, wer einen
Vollzeitjob hat, der zum Mindestlohn bezahlt wird, ein Einkommen erhält,
das mehr als 50 Prozent unter der Armutsgrenze liegt. Daß es zwei
Millionen Strafgefangene gibt - das ist der höchste Anteil von Gefangenen
an einer Bevölkerung, den es je in der Geschichte der Menschheit gegeben
hat! Daß in den Gefängnissen alle drei Tage ein Mensch hingerichtet wird,
in den meisten Fällen ein Mensch mit farbiger Haut - übrigens auch
Minderjährige und geistig Behinderte. Das ist die Realität im land of the
free, in dem elektrische Stühle, Gaskammern, Giftspritzen und
Henkersstricke vor allem auf Schwarze, Latinos und Indianer warten!

Gegen diese Zustände hat es immer Widerstand gegeben. Immer haben Menschen
mit den verschiedensten Mitteln für ihre Rechte und für eine Gesellschaft
gekämpft, in der es keine Ausbeutung, keinen Sexismus, keine Armut, keinen
Rassismus und keine Entrechtung gibt. Zu diesen Menschen gehört auch Mumia
Abu-Jamal. Mumias Waffe ist immer das Wort gewesen. Als Mitglied der Black
Panther und später als Journalist hat er es verstanden, den politischen
Kampf mit der Schreibmaschine zu führen. Mumias Beitrag zu unser aller
Kampf bestand daraus - und besteht es noch immer -, der täglichen
Verblödung, Verschleierung, Verdrehung, Hetze und Lüge der Massenmedien
ein denkendes, lebendiges, bewegliches und kämpferisches Bild von den
Zuständen in der Gesellschaft und den politischen Vorgängen in der Welt
entgegenzusetzen. Einer einflußreichen Fraktion im US-Staatsapparat war
schon das zuviel, namentlich der rassistischen und korrupten Polizei
seiner Heimatstadt Philadelphia. Und so reagierte der Staat auch hier -
wie bei Tausenden von politisch Kämpfenden in der Welt - mit Inhaftierung
und Todesandrohung. Wie Tausende andere - in den USA, in Deutschland, in
Frankreich, in Mexiko, in Peru, in Marokko, in der Türkei, in Indonesien
... in vielen, vielen Staaten - wurde auch Mumia zum politischen
Gefangenen. An ihm soll ein Exempel statuiert werden: Stellvertretend für
alle Menschen, die für die Befreiung kämpfen, soll Mumia ermordet werden,
um zu zeigen, daß jeder, der politischen Widerstand leistet, mit dem Tod
zu rechnen hat. In diesem Sinne müssen wir sagen: Wir alle sind Mumia!
Wir, die wir nicht in der Todeszelle sitzen, haben die Pflicht, dafür zu
kämpfen, daß Mumia freikommt - so wie wir die Pflicht haben, für die
Freiheit aller politischen Gefangen zu kämpfen!

WIR ALLE SIND MUMIA!
FREIHEIT FÜR MUMIA ABU-JAMAL!
FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN!

 

28.07.1999
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