wird Verfahren gegen Nazi eingestellt?
Am 19.9.98, vor fast einem Jahr, wurde unser Genosse Holger von Nazis in
Rostock angegriffen und lebensgefaehrlich verletzt. Nach einem wochenlangen
Koma kaempft er bis heute mit den Folgen des Angriffs und wird auf
unabsehbare Zeit weiter mit den Reha- Massnahmen befasst sein.
Nachdem der Mordkommission das Verfahren entzogen wurde, bevor Gutachten
und ZeugInnenaussagen vorlagen, ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft
gegen den Taeter wegen Verursachung eines Verkehrsunfalles.
Das Gericht erwaegt jetzt, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen,
weil Holger "eine moegliche Mitschuld" unterstellt wird.
Zur Erinnerung:
Im letzten Sommer mobilisierten NPD und JN zu einem Naziaufmarsch als
Hoehepunkt ihres Bundestagswahlkampfes nach Rostock-Lichtenhagen;
dorthin, wo Faschisten gemeinsam mit dem deutschen Mob im August 1992
ueber mehrere Tage ein angekuendigtes Pogrom gegen ein Wohnhaus ehemaliger
vietnamesischer VertragsarbeiterInnen abhielten. Damals sah die Polizei
tatenlos zu und beschaeftigte sich hauptsaechlich damit, die eher spaerlich
eintreffenden AntifaschistInnen einzusammeln.
Von Seiten der buergerlichen Parteien wurde vor allem Verstaendnis fuer
die rassistischen Gewaltorgien geaeussert und die Hetze vom
"Asylmissbrauch" forciert.
Betroffenheit wurde nur fuer das Erscheinungsbild Deutschlands im Ausland
mobilisiert, ebenso wie fuer die Befuerchtung, der Tourismus in Mecklenburg
koennte Schaden nehmen.
Am 19.9.98 marschierten nun 3000 Nazis in Rostock-Dierkow, nachdem ihnen
eine Kundgebung an der Staette des Pogroms von 92 verboten worden war;
geschuetzt von einem Grossaufgebot der Polizei.
Im Verlauf des Tages kam es zu einem Ueberfall von 30 bis 40 Nazis auf
das Antifa-Infozelt am Stadthafen. Holger befand sich zu diesem
Zeitpunkt auf der Antifa-Demo. Als er von dem Nazi-Ueberfall hoerte,
versuchte er, zum Infozelt zu gelangen und wurde auf dem Weg dorthin von
einem Pkw, in dem 4 Nazis sassen, ueberfahren.
Es gibt zahlreiche Zeugen, die den Tathergang beobachtet haben. Nach ihren
Schilderungen hat der Fahrer weder versucht zu bremsen, noch
auszuweichen, obwohl dies ohne weiteres moeglich gewesen waere. Ein spaeter
erstelltes Gutachten ermittelte die Geschwindigkeit des Wagens beim
Aufprall auf ca. 80 km/h.
Die Polizei hat alles dafuer getan, den Hergang der Tat zu verwischen.
Mehrere Zeugen mussten darauf bestehen, vernommen zu werden,
Spuren wurden erst nach Tagen gesichert. Der polizeiliche Unfallbericht wurde
stark wertend und verharmlosend formuliert.
Die Staatsanwaltschaft bemuehte sich, die Tat als Verkehrsunfall
darzustellen und den faschistisch gewalttaetigen Hintergrund des Taeters zu
leugnen.
Dem scheint jetzt das Gericht folgen zu wollen. Seit
November 98 ist das Jugendgericht Tecklenburg zustaendig. Angeklagt ist
der Fahrer des Wagens wegen Koerperverletzung. Nachdem der Jugendrichter
das Verfahren an das Jugendschoeffengericht abgeben wollte, da bei der
Schwere der Tat das von ihm zu bemessende Strafmass nicht ausreichend sein
koenne, lehnte das Schoeffengericht eine Uebernahme ab.
Es erteilte die Empfehlung, das Verfahren gegen eine Geldbusse von 2000 DM
einzustellen wegen "Mitschuld des Opfers".
Hierueber muss jetzt das Jugendgericht entscheiden, wobei Holger
als Nebenklaeger kein Widerspruchsrecht hat.
Das Gericht versucht einen Mordanschlag von Nazis als Verkehrsunfall
darzustellen. Wir sehen darin den Versuch, faschistische Gewalt zu
verharmlosen und gesellschaftlich Akzeptanz hierfuer zu schaffen.
Dies findet Ausdruck
* in der Tatsache, dass der Mordkommission das Verfahren zu einem
Zeitpunkt entzogen wurde, zu dem die Ermittlungen noch gar nicht begonnen
hatten
* in der Art und Weise der Ermittlungsarbeit von Polizei und
Staatsanwaltschaft
* in der verharmlosenden Anklage wegen Koerperverletzung
* und als Kroenung in der Einstellung des Verfahrens wegen angeblicher
Mitschuld des Opfers
.
Wir werden das nicht hinnehmen!
Wir fordern die Eroeffnung des Verfahrens gegen den Taeter und seine
Verurteilung!
WIWA Wendland und SolidariTAT Hamburg fuer das bundesweite YA-Basta- Netz
Wer in den Presseverteiler aufgenommen werden moechte, mail an
wiwawend@mail.nadir.org Stichwort Holger
Rueckfragen unter 05841 5452, 040 4301451 oder 0172 411820
Neben einer kontinuierlichen Infoarbeit zum Prozess und Prozessbegleitung
planen wir eine Faxaktion an Richter und Staatsanwalt sowie eine
bundesweite Antifa- Demo am Ort des Prozesses zu Prozessbeginn.
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