Östereich: Smash Austria, Smash Nationalism!
Bei den österreichischen Nationalratswahlen
gewann am 3. Oktober die rechtsextreme FPÖ über
27% der abgegebenen Stimmen. Damit ist sie zur
zweitstärksten Partei Österreichs aufgestiegen.
In einigen Bundesländern sogar zur stärksten.
Gewonnen wurde diese Wahl mit rassistischen
Plakaten die den "Stop der Überfremdung!"
forderten. Die stärkste rechtsextreme Partei
Europas wurde nicht trotz ihres Rassismus
gewählt, sondern genau deswegen. Mit offenem
Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit
und Hetze gegen "Sozialschmarotzer" lassen sich
in Österreich immer noch Wahlen gewinnen.
Dabei ist das rechtsextreme, nationalistische
und rassistische Potential in der Bevölkerung
noch lange nicht ausgeschöpft. Es sind noch
genug SPÖ-WählerInnen vorhanden die die SPÖ
wegen der rassistischen Abschiebepolitik
Innenminister Schlögls wählten. Nicht umsonst
schnellten die Umfragewerte für die SPÖ nach der
Ermordung des nigerianischen Schubhäftlings
Marcus Omofuma im Mai 1999 kurzfristig in die
Höhe, worauf die SPÖ die Wahlen zum EU-Parlament
gewann. Schlögl selbst wurde zum beliebtesten
Politiker Österreichs. Nicht zuletzt dankte ihm
die Bevölkerung auch die Vorreiterrolle
Österreichs bei der Abschottung der "Festung
Europa".
Seit Jahren treibt die FPÖ die Regierung mit
ihrem Rassismus vor sich her. Diese wiederum
verwirklicht willig jene Vorgaben die von Seiten
Jörg Haiders gestellt werden - angeblich um
dessen Wahl zu verhindern. Daß diese Rechnung
nicht aufgeht bewiesen wieder einmal diese
Wahlen. Die rassistische Politik der
Regierungsparteien treibt nur das gesamte
politische Spektrum noch weiter nach rechts.
Gerade deshalb dürfen wir uns nicht darüber
hinwegtäuschen, daß es noch schlimmer kommen
kann. Und mit einer Regierungsbeteiligung der
FPÖ käme es noch schlimmer. Eine noch wesentlich
rassistischere Politik ist auch in der
Bevölkerung durchaus mehrheitsfähig.
Und genau darin liegt das zentrale Problem. Die
überwiegende Mehrheit der ÖsterreicherInnen ist
rassistisch, nationalistisch, antisemitisch und
schließt sich jeder dementsprechenden Hetze
begeistert an. Autoritäre Denkmuster sind das
"Übliche" und nicht die Ausnahme.
Und hier gibt es durchaus historische
Kontinuitäten. Die Geisteshaltungen des
Nationalsozialismus sind in der Österreichischen
Bevölkerung noch immer präsent. Mit der
militärischen Niederlage des Deutschen Reiches,
sahen sich jene ÖsterreicherInnen, die zuvor
begeistert der nationalsozialistischen
Machtübernahme zugestimmt hatten, plötzlich als
die "ersten Opfer des Nationalsozialismus". Mit
dieser Opferthese - welche sogar in der
Unabhängigkeitserklärung von 1945 ihren Ausdruck
fand - konnte sich die zweite Republik bequem
aus ihrer historischen Verantwortung wegstehlen.
Da es zwischen 1938 und 1945 nur marginalen
Widerstand gegen das NS-Regime im Land gegeben
hat mußte das Regime von Außen militärisch
zerschlagen werden. Im Land selbst wurde mit den
ideologischen Versatzstücken des
Nationalsozialismus nie gebrochen. Nach einer
kurzen, sehr oberflächlichen "Entnazifizierung"
saßen schnell wieder die alten NS-Funktionäre in
Amt und Würden. Eine Umerziehung der Bevölkerung
hat es nie gegeben, eine massenwirksame
Aufarbeitung der Geschichte aus sich selbst
heraus schon gar nicht.
Rassismus und Antisemitismus hatte somit auch im
Österreich nach 1945 Konjunktur. Alle damaligen
Parteien (SPÖ, ÖVP und KPÖ) buhlten bereits mit
der Wiederzulassung der alten NSDAP-Mitglieder
zur Wahlen 1949 wieder um deren Stimmen.
Gleichzeitig wurde mit dem "Verband der
Unabhängigen" (VdU) ein eigenes
parteipolitisches Auffangbecken für alte Nazis
gegründet. Nach der Spaltung des VdU gründete
der rechte Parteiflügel 1956 die Freiheitliche
Partei Österreichs (FPÖ), die nun über vierzig
Jahre später unter ihren Parteichef Jörg Haider
ihre besten Wahlergebnisse einfahren kann.
All diese Jahrzehnte bestanden gute Beziehungen
zwischen der sozialdemokratischen SPÖ und der
konservativen ÖVP mit der FPÖ. 1970 bildete die
SPÖ sogar eine Minderheitsregierung mit
Unterstützung der FPÖ. Auch danach pflegte die
SPÖ gute Kontakte zur FPÖ. Nachdem Simon
Wiesenthal* 1975 die Öffentlichkeit über die SS-
Vergangenheit des FPÖ-Obmanns Peter informiert
hatte, fühlte sich sogar der SPÖ-Bundeskanzler
Kreisky bemüßigt Peter in Schutz zu nehmen und
Wiesenthal aufs übelste antisemitisch zu
beschimpfen. 1983 kam es während der
verhältnismäßig liberaleren Phase der FPÖ unter
Norbert Steger sogar zu einer
Koalitionsregierung der SPÖ mit der FPÖ, welche
schließlich durch den FPÖ-internen Putsch unter
Jörg Haider 1986 ihr Ende fand. Die neue
Parteiführung der FPÖ brachte die Partei durch
massiv rassistische Propaganda gegen
MigrantInnen wieder auf die Gewinnerstraße.
Während die FPÖ während ihres "liberalen"
Intermezzos unter Steger fast schon aus dem
Parlament geflogen wäre, brachte der offensive
Rassismus der Partei nun kontinuierliche
Gewinne, die sie nun zur zweitstärksten Partei
werden ließen.
Aber nicht nur in Form der FPÖ lebten die
Ideologeme der alten Nazis weiter. Auch offene
Neonazis organsierten sich schon bald wieder.
Als größter und bedeutendster Zusammenschluß
dieser Art organisierte die "Volkstreue
Außerparlamentarisch Opposition" (VAPO) in den
Achzigerjahren militante "Wehrsportgruppen", die
- - von Teilen der Bevölkerung weitgehend
toleriert - für den gewaltsamen Umsturz übten.
Die rassistische Bombenserie bei der in den
Neunzigerjahren vier Roma ermordet wurden, war
trotz aller zur Schau gestellter Betroffenheit
durchaus Ausdruck eines immer offener werdenden
Rassismus. Mit der Verhaftung von Franz Fuchs
setzte auch sofort die Entpolitisierung dieser
Anschlagsserie in den österreichischen Medien
und der offiziellen Politk ein. Der
"Einzeltäter" wird bis heute als verrückter
Psychopath ohne ideologischen Hintergrund
dargestellt.
Deutschnationale Burschenschaften konnten und
können im universitären Bereich weitgehend
ungestört ihren Aktivitäten nachgehen. Ein
großer Teil der ideologischen Kader der FPÖ -
darunter Jörg Haider selbst - kamen und kommen
aus genau diesen Gruppierungen. Im März 1965
wurde bei einer Demonstration gegen den
rechtsextremen Universitätsprofessor Taras
Borodajkewycz der Kommunist und
Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von solch
einem Burschenschafter ermordet. Ernst
Kirchweger stellte damit das erste politische
Todesopfer der zweiten Republik dar.
Der österreichische Antisemitismus wurde vor
allem in der Auseinandersetzung mit der NS-
Vergangenheit Kurt Waldheims deutlich, als die
Mehrheit der ÖsterreicherInnen in einem "jetzt
erst recht"- Effekt den ehemaligen
Kriegsverbrecher 1986 zum Bundespräsidenten
wählten und alle Vorwürfe mit massiv
antisemitischen Gegenvorwürfen von sich wiesen.
Die rassistische und antisemitische Stimmung in
der Bevölkerung wird auch von der größten
österreichischen Tageszeitung, der "neuen
Kronenzeitung" gehegt und gepflegt. Dieses
Boulevardblatt, das sich insbesondere die
letzten Monate wieder einmal durch Hetze gegen
in Österreich lebende AfrikanerInnen hervorgetan
hat, erreicht einen Anteil von rund 40% der
gesamten Druckauflage österreichischer
Tageszeitungen, was einer europaweit einmaligen
Medienkonzentration entspricht.
Insgesamt konnten so die einzelnen
Ideologieelemente eines faschistischen
Weltbildes problemlos von einer Generation auf
die andere weitergegeben werden. Da mußte nur
jemand kommen der diese bündelt und wachküßt um
wieder zu einer Massenbewegung zu werden.
Haider ist kein Nazi. Der historische
Nationalsozialismus wird nicht so einfach
wiederauferstehen. Dazu ist es einfach 60 Jahre
zu spät. Aber die FPÖ ist eine Partei des
demokratisierten und modernisierten Faschismus.
Aufrund der weiten Verbreitung rechtsextremer
Ideologeme in der österreichischen Bevölkerung
ist es deshalb auch durchaus denkbar, daß es
Jörg Haider zu glauben ist, wenn er behauptet
ein "Demokrat" zu sein. Faschistische,
rassistische und antisemitische Politik ist
durchaus Teil einer parlamentarischen
Demokratie. Eine Abschaffung des
Mehrparteiensystems bedarf er nicht um eine noch
um vieles rassistischere und autoritärere
Politik zu betreiben als es die SPÖVP-Koalition
bisher praktisiert hat. Eng wird es dann nur für
jene gegen die seine Hetze läuft: MigrantInnen,
Arbeitslose,... und natürlich für jene wenigen
Menschen hierzulande, die sich ihm konsequent in
den Weg stellen wollen.
Die Wahl der FPÖ hat bereits jetzt jenen Mob
losgebunden, der schon seit Jahrzehnten darauf
wartet endlich wieder einmal zuschlagen zu
können. MigrantInnen klagen seit dem FP-Wahlsieg
vermehrt über Anpöbelungen und gewalttägige
Übergriffe. Auch Ariel Muzicant, Präsident der
Israelitischen Kultusgemeinde klagt über massiv
gesteigerte Angriffe auf Jüdinnen und Juden in
Österreich. Auch die Zahl von Drohbriefen gegen
die Kultusgemeinde habe sich gegenüber früher
verzehnfacht.
Verstärkt wird dieser Antisemitismus auch von
einer Reihe österreichischer Medien und
Politiker aus SPÖ und ÖVP, die auf Reaktionen
Israels auf den Wahlsieg der FPÖ mit sekundärem
Antisemitismus argumentierten, der sich u. a.
dadurch auszeichnet, daß er Jüdinnen und Juden
vorwirft "die Vergangenheit nicht ruhen zu
lassen" und "immer wieder alte Wunden
aufzureißen". Wenn selbst die wenigen
"liberalen" Blätter auf die Kritik des
israelischen Außenministers mit dem Hinweis
reagieren, Israel solle vor der eigenen Tür
kehren, kann mensch sich vorstellen was für
Positionen an Biertischen und anderen Foren der
"Volksseele" vertreten werden.
Von dieser Österreichischen Mehrheitsbevölkerung
mit ihrem tiefsitzenden Antisemitismus und
Rassismus ist damit nichts zu erwarten. Auch der
demokratisierte und modernisierte Faschismus
eines Jörg Haiders wird wohl kaum von plötzlich
auftauchenden antifaschistischen Massen - die es
in Österreich nicht gibt - zerschlagen werden.
Deshalb rufen wir die Internationale
Öffentlichkeit dazu auf mit Aktionen gegen
Österreich vorzugehen und Rassismus und
Antisemitismus überall dort zu bekämpfen wo er
auftritt!
Arge Kriegsdienstverweigerung und Gewaltfreiheit
- Autonome Uni-Antifa (AUA) - Basisgruppe WU
- Bündnis Antinationaler Gruppen (BANG!) -
Fachschaft Informatik - Grüne, Alternative und
Linke an der TU-Wien (GRAL) - Ökologische
Linke (ÖKOLI) - Rosa Antifa Wien (RAW)
Wir bitten um Weiterverbreitung und Publikation
dieses Textes.
Unsere Texte sind auch im Internet unter
http://swi.priv.at/antioe zu finden.
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* Simon Wiesenthal ist Leiter des jüdischen
Dokumentationsarchivs in Wien und war maßgeblich
an der Verhaftung Adolf Eichmanns und anderer
führender Nazis beteiligt.
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