Wien: Text von Anarchist Black Cross
Für die meisten von uns stellt das Leben einen regelrechten Daseinskampf
dar. In einer Gesellschaft, wo eine kleine Minderheit den Wohlstand und das
Land besitzen, die Geschäfte und die Regierung leiten, wachsen wir auf ohne
viel interessantes zu erleben, zu sehen und eine wirkliche Zukunft zu haben.
Immer im Wissen um dieses wilde und erregende Leben dort draußen, welches
aber nicht für uns, sondern für die Herrschenden bestimmt ist. Die Reichen
leben im Luxus, während wir ihnen dies erst durch unsere Arbeit ermöglichen.
Von Geburt an klassieren, belügen und kontrollieren Sie uns in jeder nur
erdenklichen Art und Weise: Schule, Arbeit, Drogen (auch Alkohol!),
Tageszeitungen, Arbeitsamt, Disneyland, MTV und Kaufhäuser. Unser ganzes
Leben lang arbeiten wir für Sie und sehen die Bosse den Profit einsacken,
und alles im Wissen, daß wir beim Aufgeben unserer Arbeit unser Haus usw.
verlieren werden. Das Leben vieler Menschen ist geprägt von Langeweile,
Depression, Streß und Armut. Die Werbung erzählt uns wie wichtig es ist die
glänzenden Produkte zu kaufen, an deren Produktion viele von uns beteiligt
waren. Rassismus, Sexismus, homophobe Vorurteile werden ausgebreitet um uns
gegeneinander aufzuwiegeln. Es scheint so als hätten wir wenig oder gar
keine Mitbestimmung über unser Leben. Wenn wir hart arbeiten, Befehlen
gehorchen, nicht meckern, erzählt mensch uns, daß wir "es eigentlich machen"
könnten, oder zumindest ein gemütliches Leben bis zur nächsten Rezension
genießen könnten. Wir können den Herrschenden helfen andere Menschen zu
unterdrücken, durch PolizistInnen, GefängniswärterInnen, SoldatInnen,
AmtsdienerInnen und im Gegenzug erhalten wir Sicherheit, eine angemessenes
Gehalt und ein Stückchen Macht über andere.
Aus all diesem ergibt sich die "Kriminalität". Wenn wir versuchen etwas von
dem Geld oder den Konsumgütern zurückzubekommen, die wir produziert haben,
aber ihren Preis nicht zahlen können oder wollen, wenn wir für angemessene
Gehälter oder Bedingungen streiken, wenn wir uns der Kontrolle und dem
Mißbrauch in unserem Leben widersetzen, enden wir auf der falschen Seite des
Gesetzes - ein Gesetz, das von der herrschenden Elite zu ihrem eigenen
Nutzen aufgesetzt wurde - und wir stehen Polizei, Gericht und Gefängnis
gegenüber.
Hinter Mauern und Eisenstäben
Das Gefängnis ist die wesentlichste Grundlage der Kontrolle der Herrschenden
über uns. Die Knäste sind voll mit FreundInnen und Verwandten aus unserer
Bewegung. Das Gefängnis zerstört unsere Familien, trennt uns, entfremdet
Menschen voneinander. Das Leben hinter Gittern ist dmoniert von Langeweile
und Routinebrutalität, Menschen werden in die Verzweiflung, Selbstmord und
Drogen gedrängt. Wenn wir die sozialen Rollen verweigern versuchen Sie uns
nach ihren Vorstellungen und Wünschen umzuformen, wie zum Beispiel Frauen
die sich nicht rücklehnen und mißhandeln lassen, Menschen die ihre
Sexualität frei ausdrücken, AktivistInnen die für die Befreiung von Tieren
ihr Leben riskieren oder sich für die radikale Schonung der Natur einsetzen,
oder einfach wenn wir unseren täglichen Streß bekämpfen, dann ist es
wahrscheinlich, daß wir vom System ausselektiert werden und nie wieder
rauskommen. 94% der registrierten Kriminalfälle sind Besitztum gebunden,
einfach weil Eigentum die Basis der Macht auf dieser Welt ist. Ungefähr ein
Drittel der Häftlinge sitzen weil sie ihre Rechnungen, Steuern oder Schulden
nicht zahlen konnten. Tausende sind auf Bewährung draußen, nur weil sie
nicht für schuldig befunden werden konnten. Viele andere, vor allem jene die
nicht das Privileg haben einen EU-Ausweis zu besitzen werden von der Polizei
eingelocht, einfach nur um die Raten der Kriminalitätsbeseitigung zu
verbessern. Gefängnisse sind Einrichtungen der Herrschenden um unseren
Widerstand gegen ihre Ausbeutung zu kontrollieren und zu unterdrücken.
Sind Sie für unsere Sicherheit da?
Draußen wird die Furcht vor dem Gefängnis propagiert, damit wir aufhören
gegen die Ungerechtigkeit in unserem Leben zu kämpfen. Mythen über Gefangene
werden kreiert um uns zu trennen und zu entsolidarisieren. Es besteht kein
Zweifel, daß die Kriminalität eine Art Krebs in unseren Gemeinden ist.
Personen, die ihre NachbarInnen abzocken, Vergewaltiger, gewalttätige
antisoziale Individuen und Gangs verbreiten Gefahr und Hass. Es ist wahr,
daß viele Inhaftierte, wie viele draußen, sehr bösartig sein können. Aber
die meisten sind genauso wie wir, nur einfache Menschen. Die bürgerliche
Presse hypt Gewalttaten, je mehr wir nämlich in Angst vor einander leben,
desto weniger werden wir uns zusammenschließen und desto mehr werden wir uns
auf den Staat und die Polizei verlassen, daß diese unsere Probleme lösen.
Wenn es ihnen gelingt uns dazu zu bringen alle Gefangene, Streikende und
Diebe, als auch Vergewaltiger und KinderschänderInnen als Abschaum
anzusehen, dann ist es ihnen auch möglich jene unter uns zu isolieren, die
gegen ihre Macht ankämpfen.
Die Gewalt und Kriminalität kommt von der Strenge, Machtteilung, Konsumption
und Mißhandlung, in welcher wir aufwachsen. Wir kontrollieren nicht unser
Leben, werden wütend, fühlen uns machtlos, und verlagern dies auf andere,
einzig und allein um auch ein kleines bißchen Macht in unserem Leben
ausleben zu können. Es besteht ein Gefühl der Kontrolle, das von Lustgewinn,
Konsumrausch, Stehlen und Waffentragen ausgeht, oder vom Übertragen unserer
Ohnmächte auf andere, auf noch schwächere. In vielerlei Hinsicht sehen es
die Herrschenden gerne, wenn wir uns gegenseitig das Leben erschweren - denn
dies hält uns unten und schwach. Es ist ihre Manipulation und Zerstörung
unseres Zusammenhalts und "Klassenbewußtseins", das es Menschen ermöglicht
es als legitim anzusehen andere auszurauben, anzugreifen oder zu
beschuldigen.
Wenn es darauf ankommt, können Polizei und Gefängnisse die Kriminalität eh
nicht stoppen. Wir alle wissen wie wenige Bestrebungen die Polizei
unternimmt wenn wir bestohlen werden. Alles was sie interessiert und um was
sie sich kümmern ist der Schutz der Herrschenden (schließlich werden sie von
denen bezahlt und nicht von uns, da die Steuern von den Herrschenden
ausgeteilt werden). Das Gefängnis stärkt die Gewalt in den Menschen, so daß
sie in einem noch desolateren und hoffnungsloseren Zustand rauskommen.
Entlassene Häftlinge sind oft arm und ohne Dach über dem Kopf, viele von
ihnen müssen notgedrungen wieder zur Kriminalität greifen um einigermaßen
überleben zu können, da ehemalige Häftlinge in unserer Gesellschaft
tabuisiert sind und gemieden werden (d.h. keinen Job und folglich nichts zum
Futtern). Es sollte an uns sein die antisozialen Kriminellen in unseren
Gemeinden "auszusortieren". Wir können einen weitaus besseren Beitrag dazu
leisten als das "Rechtssystem", das uns nur im Namen von Recht und Ordnung
kontrolliert. Es ist das kapitalistische System das in Wahrheit antisozial
ist. Solange es existiert wird es immer Gewalt und Ausbeutung geben.
Gleiches gilt für jegliche Form von Gesellschaft, die auf
Machthierarchisierung, und nicht auf Basisdemokratie (nicht zu verwechseln
mit parlamentarischer Demokratie!) und Freiheit basiert (z.B.
Staatskommunismus, Faschismus, religöse Diktaturen...)
Die wirklichen Kriminellen
Da die Herrschenden die Gesetze verfassen und durchsetzen, sind es
schlußendlich immer nur unsere Delikte die bestraft werden. Nicht die
Straftat uns täglich am Arbeitsplatz zu berauben, nicht die Straftat des
Massenmordes in nationalen Kriegen, nicht die Straftat des Erhungernlassens
von Millionen Menschen in Ländern mit enormen Schulden an die Großbanken,
oder die Straftat unseren Verstand von Geburt an zu vernebeln. Die Gesetze
existieren einzig und allein zum Schutz der Herrschenden und ihrer
Gefolgschaft. Ganz rar sieht mensch einen Bonzen vor Gericht, nicht mal wenn
es/sie das Gesetz aus purer Habgier und Profitsucht gebrochen hat. Der
Direktor von Braumulti Guinness zum Beispiel hinterging mehrere Millionen
Pfund Sterling, wurde verurteilt, aber gleich nach einigen Monaten frei
gelassen. WIR hingegen kriegen 25 Jahre!
Zurückschlagen!
Genauso wie der Klassenkampf in unserem täglichen Leben weitergeht, geht er
auch im Gefängnis voran. Viele Häftlinge widersetzen sich dem
Gefängnissystem - individuell in ihrem eigenen Fall, oder zu Hunderten
zusammen, im Streik für bessere Bedingungen, durch Essensverweigerung,
mittels Besetzung der Gefängnisdächer. Ihre Kämpfe inspirieren die unseren
und die unseren wiederum die ihren. Hinter Gittern oder außerhalb dieser
Institution werden wir von Mauern umgeben, von Türen eingeschlossen,
sichtbar oder nicht. Laßt uns sie einstürzen!
Wir sind für sie hier draußen
Jederzeit kann jemensch von uns hinter Gittern landen, da wir unser Leben
nicht selbst kontrollieren. Wir müssen Gefangene unterstützen in ihrem
täglichen Kampf für bessere Bedingungen, genauso wie wir einander im Streik
und im Gemeindekampf beistehen sollten. Wir müssen die Lügen über
Gefängnisse brechen und Ihre Definitionen über Straftaten widerlegen und
verwerfen. Die Lösungen liegen bei uns, indem wir die Kontrolle über unsere
Gemeinden übernehmen, oder Wege ausarbeiten wie wir mit antisozialen
Delikten umgehen und diese beseitigen können (sowohl Prävention als auch
Intervention). Wir können diese Gesellschaft, die Sie uns auferlegt haben,
nicht reformieren, da sie gegen uns gerichtet ist. Wir benötigen eine
soziale Revolution, welche die Gefängnisse zusammenkrachen läßt, gemeinsam
mit dem gesamten kapitalistischen System. Wir können unser Leben selbst
besser gestalten als Sie es jemals könnten.
ANARCHIST BLACK CROSS
Das ANARCHIST BLACK CROSS (ABC) ist ein internationales Netzwerk von
anarchistischen Gruppen und Individuen, die sich in der praktischen
Solidarität mit Gefangenen betätigen. Wir unterstützen: AnarchistInnen,
RevolutionärInnen und andere, die wegen ihrem Widerstand gegen die
Herrschenden und deren System inhaftiert wurden. Wir unterstützen Personen,
die gefangengenommen wurden weil sie versucht haben zu überleben oder
Menschen die von der Polizei festgenommen werden. Wir unterstützen und
publizieren die Bestrebungen der Häftlinge hinter Gittern gegen das System
zu kämpfen. Im Gegensatz zu bürgerlichen Gefangenen oder
Menschenrechts-Gruppierungen (wie zum Beispiel Amnesty International) nehmen
wir keine Urteilungen bezüglich der Validität oder Nicht-Validität von
Widerstand vor, das heißt Gewaltfreiheit ist für uns kein Kriterium der
Unterstützung. Außerdem unterstützen wir auch Gefangene, die erst aufgrund
ihrer Haft politisiert wurden, also ursprünglich nicht wegen einer
politischen Tag oder Haltung ins Gefängnis gehen mußten.
Wir arbeiten mit folgenden Mitteln: Briefverkehr, Besuche, materielle Hilfe
(wo möglich), Demonstrationen, Kampagnen und Informationsverbreitung über
Gefangene, über die Haftrealität und das Klassensystem. In allem was wir tun
versuchen wir die Verbindung zwischen innen und außen aufrecht zu erhalten.
Wir arbeiten an der Entstehung und Verfestigung einer revolutionären linken
Bewegung, welche das kapitalistische System und dessen Haftanstalten
hinwegfegen soll. In dem wir zusammenarbeiten, glauben wir daß es möglich
ist eine klassenlose, freie Gesellschaft zu gestalten, einer Welt in der
Bosse unwillkommen sind und wo wir unser Leben selbst kontrollieren können.
Wir begrüßen Kontakt und Unterstützung von Gefangenen, ihren Familien und
FreundInnen und allen die an unserer Arbeit Interesse finden. Es gibt viele
Möglichkeiten in der Gefangenen Solidaritätsarbeit aktiv und involviert zu
werden, entweder über Briefkontakt, durch Weiterleiten von Infos, Geld- und
Materialspenden (z.B. Bücher, Kleider, Briefmarken, Papier...), eigene
ABC-Gruppen gründen, Gefangene besuchen... JedeR kann seinen/ihren kleinen
Teil dazu beitragen, daß politische Gefangene nicht von unsere Bewegung
ausgeschlossen werden, denn EINE BEWEGUNG DIE IHRE GEFANGENEN NICHT
UNTERSTÜTZT WIRD IM NIRGENDWO ENDEN!
Anarchist Black Cross Innsbruck. Kontakt: LOM, Postlagernd, 6024 Innsbruck,
Austria
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