Wien: Wie schreibe ich Gefangenen?
Wie schreibe ich Gefangenen?
Eines der Hauptprobleme, das Leute davon abhält Inhaftierten zu schreiben,
ist daß sie es nicht gewohnt sind einer fremden Person zu schreiben. Leute
glauben nicht zu wissen, was sie sagen sollen; sie glauben es gibt Dinge
über die sie nicht reden können, oder denken, daß Gefangene nicht daran
interessiert sind was sie zu sagen haben. Nun, es handelt sich dabei um ein
Problem, das die meisten von uns überwinden müssen, deshalb haben wir hier
einige Vorschläge zusammengestellt. Natürlich handelt es sich nicht um
starre Richtlinien, und wir geben auch keinesfalls vor alle Probleme gelöst
zu haben. Unterschiedliche Menschen schreiben eben auch unterschiedliche
Briefe. Hoffentlich werden diese Tips hier doch einige anregen in
Briefkontakt mit inhaftierten RevolutionärInnen und AnarchistInnen zu
treten.
Einige wichtige Dinge
Einzelne Haftanstalten begrenzen die Anzahl der Briefe, welche einE
GefangeneR schreiben oder erhalten darf. Die Inhaftierten werden womöglich
die Briefmarken und die -umschläge selber kaufen müssen, und die meisten
sind sicherlich keine MillionärInnen. Deshalb erwarte nicht unbedingt eine
Antwort auf deinen Brief oder deine Karte. Einige Gefängnisse erlauben, daß
Briefmarken oder frankierte Umschläge mit der Post hinein geschickt werden.
In solchen Fällen ist es wohl am besten dies mit der jeweiligen
Anstaltsleitung oder dem/der betreffenden Gefangenen zu klären.
Briefe werde auch aufgehalten, gelesen, verzögert oder gar "verlegt". Wenn
du glaubst, daß ein Brief von der Knastaufsicht aus dem Verkehr gezogen
worden ist, frage am besten gleich nach dem Grund dieser Zensur. Sicherer
sind natürlich eingeschriebene Briefe, weil diese in der Regel in
Anwesenheit des/der Gefangenen geöffnet werden müssen. Aber eine 100%
Sicherheit gibt es leider wirklich nie.
Auf deinen Briefumschlag solltest du stets die Adresse des/der AbsenderInnen
draufschreiben, nicht nur damit der/die Inhaftierte dir antworten kann,
sondern auch weil einige Gefängnis keine Briefe ohne AbsenderIn durchlassen.
Natürlich muß dies nicht unbedingt deine eigene Adresse sein, aber achte
darauf, daß Postfach Adressen sehr gerne nicht akzeptiert werden.
Zum ersten Mal schreiben
Sage wer du bist, und wenn nötig welcher Gruppe/Organisation du angehörst.
Ob du dich eingehender vorstellen möchtest, ist dir alleine überlassen, du
mußt eben nur bedenken, daß die Briefe auch von den staatlichen Autoritäten
gelesen werden. Sage vielleicht auch in deinem ersten Brief ein paar kurze
Worte zu deiner politischen Einstellung, so daß der/die Gefangene
entscheiden kann, ob er/sie mit dir in Kontakt bleiben möchte.
Sage wo und wann du von seinem/ihrem Fall gehört oder gelesen hast.
Versuche diesen ersten Brief recht kurz zu halten und nur die nötigsten
Sachen zu schreiben, weil es besser ist die Leute nicht beim ersten Mal zu
überwältigen. Außerdem begrenzen einige Vollzugsanstalten den Umfang der
Briefe. Ratsam sind demnach Briefe bis zu 4 DIN A4 Seiten. Sobald sich der
Briefkontakt zwischen euch beiden "eingespielt" hat, werdet ihr euch mehr zu
erzählen haben.
Wenn du einem/einer politischen Gefangenen schreibst und du ihn/sie für
unschuldig hältst, so erwähne dies auch kurz, weil es ihnen das wichtige
Gefühl vermittelt, daß du an sie glaubst.
Viele, die Gefangenen schreiben, haben Angst über Dinge aus ihrem eigenen
Leben zu sprechen, was sie so tun und denken usw., weil sie glauben, daß es
die Inhaftierten deprimieren könnte oder, daß diese gar nicht daran
interessiert sind. In einigen Fällen mag dies wohl zutreffend sein, aber
insgesamt kann ein Brief der hellste Punkt eines Tages hinter Gittern
ausmachen. Das Leben im Knast ist tot langweilig, und jegliche Nachricht die
etwas Licht bringt, egal ob sie von einer bekannten oder unbekannten Person
kommt, ist stets willkommen. Besonders wenn du sie nicht vor ihrem
Haftantritt gekannt hast, möchten sie mehr über dich wissen, wie dein Leben
aussieht usw. Benutze deinen Verstand und dein Mitgefühl, und schreibe über
nichts was den/die GefangeneN in Schwierigkeiten mit der Anstaltsleitung
bringen könnte, oder irgendwem anderen Probleme mit der Staatsmacht bereiten
könnte.
Sie sind dort drinnen für uns, wir sind hier draußen für sie
Für die Gefangenen aus unserer Bewegung, unseren Zusammenhängen und unseren
Kämpfen (wie z.B. Streiks, Kriegsdienstverweigerung, Mitglieder aus
revolutionären Gruppen usw.), also so ziemlich alle politischen Häftlinge,
ist es enorm wichtig sie in den weitergehenden Widerstand miteinzubeziehen,
das heißt ihnen von Aktionen zu erzählen, ihnen Zeitschriften zu schicken
wenn sie diese wollen und mit ihnen Strategien und Ideen zu diskutieren.
Einige wollen sicherlich nichts mehr von Klassenkampf und Revolution hören,
und möchten nur den Kopf senken und ihre Strafe absitzen. Dies müssen wir in
selbstverständlich respektieren. "Politische" werden in der Regel im Knast
selber isoliert, eben durch Angriffe der WärterInnen, durch Belästigungen
usw.
Wenn du Unterstützung oder gar eine Kampagne für eineN GefangeneN anbieten
möchtest, so ist es am besten realistisch zu bleiben, bezüglich dessen was
du auch wirklich erreichen und umsetzen kannst. Für jemenschden, der/die
eine sehr lange Zeit hinter Gittern verbringen muß, kannst du wie ein sehr
starker Hoffnungsschimmer erscheinen - es ist wichtig die Hoffnung aufrecht
zu erhalten, aber keine falschen Illusionen zu kreieren. Wenn einE Gefangen
dir glaubt, und diese Erwartungen aber nicht erfüllt werden so kann dies
durchaus in Desillusion und Depression enden.
Durch die Mauern
Schlußendlich hat das Schreiben an eineN InhaftierteN sehr viel mit gesundem
Menschenverstand und dem Benutzen des Hirns zu tun. Die meisten Gefangenen
sind eben nicht jene verrückten Bestien, wie sie uns die reißerischen
Boulevardmedien glauben lassen möchten. Es sind vielmehr ganz gewöhnliche
Menschen, eben wie du und ich. Knäste sind da um Menschen voneinander zu
isolieren, deshalb müssen wir die Verbindung nach draußen aufrechterhalten.
Direkte Kontakte mittels Briefverkehr ist einer der sichersten Wege, daß
Gefangene nicht der Staatskontrolle alleine überlassen werden.
Adressen von anarchistischen und revolutionären Gefangenen gibt es auf
Verlangen bei Anarchist Black Cross (ABC). Am besten ihr präzisiert euren
Wunsch ein klein wenig (z.B. Sprache, Region...).
Für weitere Informationen (Flugis, Poster, Zeitschriften, Adressen,
Button...) bezüglich ABC, politische Gefangene oder Repression usw. wendet
euch einfach an Anarchist Black Cross - Innsbruck:
LOM - Postlagernd - 6024 Innsbruck - Austria
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