Frankfurt: Erklaerung der IG-Metall zum 8.Mai
Frankfurt, den 8. Mai 2000
Erklaerung des Vorstandes der IG Metall
"8. Mai 1945 - 8. Mai 2000"
Die Zerschlagung des nationalsozialistischen Terrorregimes und die
Befreiung vom Faschismus vor 55 Jahren waren die Voraussetzungen fuer
eine rechtsstaatliche Entwicklung in Frieden und Freiheit. Die IG Metall
ist angesichts von Fremdenhass, aggressivem Rassismus und erhoehter
Gewaltbereitschaft militanter Rechtsextremisten besorgt um die
demokratische Kultur und die weltoffene Zukunftsfaehigkeit unseres
Landes.
1999 wurden knapp 10.000 rechtsextrem und fremdenfeindlich motivierte
Delikte registriert, die Anzahl gewaltbereiter Rechtsextremisten hat
sich mit etwa 9.000 auf hohem Niveau stabilisiert, die Zahl der
Gewalttaten ist weiter gestiegen, binnen weniger Jahre hat sich die Zahl
rechtsextremistischer Seiten im Internet verzehnfacht.
Der IG Metall-Vorstand ist der Auffassung, dass den politischen
Problemen und den gesellschaftlichen Entwicklungen, die auch zu
rechtsextremistischen Einstellungen und gewalttaetigem Handeln fuehren
koennen, weder durch kurzfristigen Aktionismus noch durch blindes
Verleugnen zu begegnen ist. Er sieht aber eine grosse Gefahr in einer
schleichenden Banalisierung rechtsextremistischer Taten im Alltag und in
einer Gewoehnung an rechtspopulistische Inhalte in Denken, Sprache und
Politik.
Gewaltbereite Rechtsextremisten und sich demokratisch gebende
Rechtspopulisten bemaechtigen sich auch in der Bundesrepublik immer
mehr sozialer Themen und politischer Fragen, die von der politischen
Linken und der demokratischen Mitte aufgeworfen werden. Anhaltende
Massenarbeitslosigkeit, ungerechte Reichtumsverteilung, zunehmende
Globalisierungsaengste, multiethnische Gesellschaft, europaeische
Einigung, aber auch der grundlegende Wandel der Industriegesellschaft,
gesellschaftliche Desintegration und Erosion kollektiver Leitbilder
bilden den Naehrboden fuer politische Unzufriedenheit. Sie steigern
das Misstrauen gegenueber den politischen Kraeften und
gesellschaftlichen Gruppen, die nicht fuer jedes Problem eine schnelle
Antwort haben oder fertige Loesung bereithalten. Wo sich keine
gesellschaftliche Gegenwehr politisch organisiert und mit modernen
Mitteln der politischen Arbeit wappnet, droht ein machtpolitischer
Freiraum zu entstehen, den gewaltbereite Nationalisten, aggressive
Rassisten, extreme Rechte oder populistische Vereinfacher immer leichter
glauben ausfuellen zu koennen.
Deshalb bedarf es einer ueberzeugenden politischen Arbeit auf allen
Ebenen und in allen gesellschaftlichen Feldern, um den aktuellen
Gefahren rechtsextremistischen Denkens und Tuns zu begegnen, die Chancen
demokratischer Strukturen zu staerken sowie Perspektiven fuer die
Zivilgesellschaft zu entwickeln.
Die inhaltliche Auseinandersetzung und die rechtsstaatliche Bekaempfung
des organisierten Rechtsextremismus mit allen zur Verfuegung stehenden
Mitteln ist selbstverstaendliche Aufgabe aller politischen
Entscheidungstraeger auf allen Ebenen des politischen Systems. Sie muss
aber auch Anliegen aller demokratisch denkenden Menschen und handelnden
Personen sein. Wir brauchen tatkraeftige Anstrengungen und sichtbare
Erfolge gegen rechtsextremistische Bestrebungen in allen Parlamenten und
von jeder Partei. Aber wir benoetigen auch das alltaegliche Engagement
von selbstbewussten Buergerinnen und Buergern fuer Benachteiligte,
Bedrohte und Diskriminierte: in der Schule, am Arbeitsplatz, in allen
Lebensbereichen.
Wenn Auslaenderinnen und Auslaender, Minderheiten oder einzelne
Personen diskriminiert, angegriffen, verletzt oder getoetet werden und
jene, die politische Aufklaerung darueber und politisches Vorgehen
dagegen organisieren, ebenfalls angegriffen und bedroht werden, ist die
Substanz von Buergerrechten und Demokratie in erschreckendem Masse
betroffen. Der Brandanschlag auf die Synagoge in Erfurt zeigt, dass
rechtsradikale Gewalt zunehmend wieder mit antisemitischen Inhalten
verknuepft wird. Mit grosser Besorgnis musste der Vorstand der IG
Metall feststellen, dass die Verwaltungsstelle der IG Metall Elmshorn
und der 1. Bevollmaechtigte, Uwe Zabel, und andere Gewerkschafterinnen
und Gewerkschafter Ziel von Taetlichkeiten und unmissverstaendlichen
Morddrohungen durch Neonazis sind. Wir werden rechtsextremistischen
Aktivitaeten und den Aktionen der Neonazis weiter mit aller
Entschiedenheit entgegentreten. Die IG Metall hat Lehren aus der
Geschichte gezogen. Jedes Zurueckweichen staerkt den Rechtsextremismus
und schwaecht die Demokratie. Die wirksame Bekaempfung von
rassistischem und rechtsextremistischem Denken und Handeln ist und
bleibt wichtige Aufgabe fuer unsere Arbeit auf allen
Organisationsebenen.
Der Vorstand der IG Metall fordert alle politisch Verantwortlichen in
Bund, Laendern und Kommunen auf und ermutigt ebenso alle demokratischen
Kraefte und gesellschaftlichen Initiativen, sich in vielfaeltigen
"Buendnissen fuer Demokratie und Toleranz" gegen rassistische
Ausschreitungen, fremdenfeindliche Stimmungen und undemokratische
Entwicklungen zu wehren und sich fuer Rechtsstaat, Demokratie und
Zivilgesellschaft zu engagieren. Die IG Metall-Verwaltungsstellen werden
sich vor Ort dafuer einsetzen, dass solche Buendnisse zustande kommen.
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