Weimar: Kriegsdienstverweigerer im Jugendarrest
Ronny Spindler, (mittlerweile) Anarchistin aus Erfurt, soll vom 9. Oktober
bis 6. November 2000 wegen Verstoßes gegen § 53Zivildienstgesetz,
Kriegsdienstverweigerung, zum Dauerarrest in die Jugendarrestanstalt
Weimar.
Ronny, der zur Zeit studiert, hatte am 1.September 97 seinen Zivildienst
in einem Zentrum für körperlich beeinträchtigte Jugendliche in Altdorf bei
Nürnberg angetreten, in leisem Zweifel ob der Übereinstimmung von
Zivildienst und eigenen politischen Ansprüchen.
Durch die Beschäftigung mit dem Thema und Gesprächen mit Leuten
von der Ortsgruppe Nürnberg der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte
Kriegsdienstgegnerinnen wurde er sich der Bedeutung des Zivildienstes, Einbindung
in militärische Planungen, Unterstützung von Kriegsvorbereitungen und dessen
antisozialen Charakters bewußt und entschied sich nach achteinhalb Monaten,
den Dienst abzubrechen, was er zum 1. Juli 98 tat.
Am 20. Juli 99 fand ein Prozeß vor dem AG Hersbruck statt, bei dem auch
50 Genossinnen anwesend waren, um Ronny zu unterstützen. Das Urteil lautete
damals auf 180 Stunden gemeinnütziger Arbeit, abzuleisten bis 31. Januar
2000. Ronny leistete auch diese Arbeitstunden nicht, da sie zumindest auf
der Erscheinungsebene dem Zivildienst ähneln und wenn es schon eine Strafe
für die Verweigerung des Kriegsdienstes gibt, diese auch was kosten soll.
Als "Erziehungs- und Zuchtmittel" (Schreiben der Jugendrichterin) wurde
der Jugendarrest verhängt. Während der Zeit im Gefängnis braucht Ronny Eure
Unterstützung. Also schreibt ihm, so viel Ihr wollt/könnt. Wer will, kann
auch für Ronnys Prozeßkosten und andere Kriegsdienstverweigerer-Prozesse,
die in den nächsten Jahren in Erfurt anstehen, Geld spenden.
Post für Rony an:
Ronny Spindler
c/o Jugendarrestanstalt Weimar
Carl-von-Ossietky-Str. 60a
99423 Weimar
Und für alle, die nicht wissen, warum auch der Zivildienst und andere Ersatzdienste
verweigert werden sollten, hier noch mal kurz einige wenige Gründe:
Erst einmal gibt es in Deutschland nicht das Recht auf Kriegsdienstverweigerung.
Nach Artikel 4 Absatz 3 Grundgesetz kann nur der Kriegsdienst mit der Waffe
verweigert werden und auch nur dann, wenn eine Gewissensentscheidung nachgewiesen
wird. Wie können aber andere Menschen untersuchen, ob ich ein Gewissen habe
und inwieweit ich mich danach richte? Nach dem Umkehrschluß des Artikels
4,3 ist es möglich, daß jedeR gegen sein/ihr Gewissen zum Kriegsdienst
ohne Waffe gezwungen werden kann. Auch der zu leistende Ersatzdienst für
den Wehrdienst, der ja meist Zivildienst (ZD) ist, fördert den Krieg, unterstützt
die Ausbildung zum Töten bei der Bundeswehr, auch der "Zivi" ist militärisch
verplant. So bedeutet ZD nach § 3 Wehrpflichtgesetz Erfüllung der Wehrpflicht,
die ja der Verteidigung, also dem Krieg dient. Außerdem ist der ZD und
jeder andere Ersatzdienst auch eben ein Ersatz für den Kriegsdienst mit
der Waffe. Warum soll ich aber einen Ersatz für etwas leisten, das ich nicht
anerkenne? Der Zivildienst stellt durch die längere Dienstzeit und die vermeintlich
unangenehme Arbeit auch eine Abschreckung für Menschen dar, die sich entscheiden
müssen, welchen Dienst sie leisten. Es soll sich bitte jeder genau überlegen,
ob er sich nicht für das "Vaterland" zum Töten von Menschen ausbilden läßt.
Dr. Klaus Steinwender, Ex-Ministerialdirigent im Bundesministerium für Jugend,
Familie, Frauen und Senioren, Leiter der Unterabteilung Zivildienst, sagt
dazu: "Der Zivildienst ist ... nicht nur um der anerkannten Kriegsdienstverweigerer
willen geschaffen worden, sondern um der anderen Wehrpflichtigen willen,
die ihre Dienstpflicht bei der Bundeswehr erfüllen. Diese sollen sehen,
daß ... sie sich darum nicht als die Dummen vorzukommen brauchen, die es
nicht verstanden haben, sich zu drücken.". Weiter meint er: "Der Wehrdienst
dient dem Staatsziel der Verteidigungsbereitschaft. In gewisser Weise dient
der Zivildienst dem gleichen Ziel. Denn ohne ihn würde die Bereitschaft
der Wehrpflichtigen schnell zurückgehen, den Dienst in der Bundeswehr zu
leisten. ... Offenbar fällt es schwer, ... zu wissen, daß dieser Dienst
nur dazu bestimmt ist, die Bundeswehr ... zu erhalten." Doch die "Zivis"
haben nicht nur Bedeutung in "Friedenszeiten", sondern auch im Krieg. So
gibt es in der BRD das Konzept der Gesamtverteidung, in das auch die "Zivis"
eingebunden sind. Es besagt, daß im Kriegsfall die gesamte Gesellschaft
darauf ausgerichtet ist, den Kampf der Armee an der Front zu unterstützen
und so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Die Zivis müssen dann bis
sie 60 Jahre alt sind unbefristet Zivildienst leisten, Blindgänger entschärfen,
in der zivilen Bundeswehrverwaltung arbeiten und dort u.U. eine Waffe tragen,
Arbeitsplätze besetzen, damit Soldaten an die Front gehen können, in Bundeswehrlazaretten
Soldatinnen pflegen, damit diese wieder an die Front gehen können, ... Ein
weiterer Grund, totalzuverweigern, ist der Zwangscharakter des Zivildienstes.
Den "Zivis" werden einige Grundrechte eingeschränkt, z.B. die Unverletzlichkeit
der Wohnung, die Freiheit der Person u.a., die "Zivis" dürfen sich im Dienst
nicht politisch betätigen, Kriegsdienstverweigerer dürfen sich also nicht
gegen den Krieg aussprechen. Außerdem ist der Zivildienst ein antisozialer
Dienst. So ist der Einsatz von Tausenden "Zivis" meist im pflegerischen
Bereich für die Dienststellen sehr billig, gesamtwirtschaftlich gesehen
aber teuer. Durch den ZD entstehen hohe Kosten, es müssen für die durch
die "Zivis" arbeitslosen Fachkräfte, AltenpflegerInnen und Krankenpflegerinnen,
Arbeitslosenhilfe/-geld oder Sozialhilfe bezahlt werden, es gehen den
Sozialversicherungen und der Staatskasse Einnahmen verloren, das BAZ hat
einen riesigen Etat, ... So sind die Kosten des ZD so hoch, daß anstelle
der "Zivis" genauso gut Fachkräfte bezahlt werden könnten. Nicht zuletzt
ist der Zivildienst ein staatlicher Zwangsdienst. Es sollte hinterfragt
werden, ob der bürgerlich-kapitalistisch-patriarchale Staat, seine Widersprüche
und seine Realität, etwas erhaltenswertes sind, oder ob wir nicht für etwas
besseres kämpfen sollten, aber der Zivildienst widerspricht selbst bürgerlich-
demokratischen Prinzipien.
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Text verbreitet von Anarchist Black Cross Innsbruck:
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