Jena: Hochschulprofessor publiziert in "Junge Freiheit"
TLZ, 05.11.2000
"Ablösung Gottes durch Holocaust" Von Thomas Stridde Jena.
(tlz) Wo befindet sich zwischen Konservatismus und Rechtsaußen ein
Grenzstrich, den Hochschullehrer an der Friedrich-Schiller-Universität
nicht überschreiten dürfen? Die Antifaschistische Hochschulgruppe der
Alma mater kritisierte in diesem Sinne am Wochenende während der
Auftakt-Demo zum antirassistischen Aktionstag "Ratschlag" vor 300
Teilnehmern die Anstellung des Bonners Günther Zehm als
Honorarprofessor am Philosophischen Institut. Prof. Zehm schreibt
unterm Pseydonym Pankraz in der rechtsnationalen Wochenzeitung "Junge
Freiheit"; dort, so sagte ein Sprecher der Antifa-Gruppe, dürfe Zehm
"über ,Ablösung Gottes durch den Holocaust´ und ,rituelle Beschwörung
des Holocaust´ schwafeln". Der entsprechende Text liegt der TLZ vor.
Prof. Gottfried Gabriel, geschäftsführender Institutsdirektor,
bestätigte, er wisse von Zehms Kolumnisten-Tätigkeit bei der "Jungen
Freiheit". Über den Vorwurf der Antifa-Gruppe werde man heute im
Kollegenkreis reden. "Wir tragen das diskursiv aus." Die
inkriminierten Äußerungen Zehms decken sich nach Gabriels Auffassung
zum Beispiel mit den Intentionen Martin Walsers, als der bei der
Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels vor der
Funktionalisierung des Holocaust warnte. Zehms Formulierungen bewegten
sich in einem Rahmen, in dem der Diskurs möglich sein muss. Es sei
völlig abwegig anzunehmen, Zehm stehe der NPD nahe. "Er hat da
überhaupt keine Sympathien." Pikant überdies: Zehm gehörte einst zum
Ernst-Bloch-Kreis, wurde zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen
inhaftiert und später vom Westen freigekauft. Nach Gabriels
Einschätzung stellt die Honorarprofessur auch ein Stück
Wiedergutmachung der Jenaer Uni dar.
Diese öffentliche Kritik an seiner Person sei ja "ein ziemlich starkes
Stück", sagte Zehm auf TLZ-Anfrage. Nein, er kenne die jungen Jenaer
Antifa-Leute nicht. "Ich bin aber nicht überrascht, dass die es für
unnötig hielten, mich vorher anzusprechen." Ob denn beim "Ratschlag"
auch aktive Rechte eingeladen gewesen seien? fragte Zehm. - Wohl
nein!? Dann, sagte er, seien ja die Diskussionen einer solchen
Veranstaltung völlig zwecklos.
Anmerkung: Nach einer Augenoperation kann Günther Zehm in diesem
Semester in Jena nicht lesen.
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