Wuppertal: Kemna-Prozess 23.11.00
Wir laden ein zu einer Kundgebung mit WiderstandskämpferInnen und
AntifaschistInnen anläßlich des 1.Prozesstages am 23.11.00 um 8.30 Uhr
Landgericht Wuppertal.Wir bitten die AntifaschistInnen pünktlich und zahlreich
zu erscheinen, um Naziübergriffe zu verhindern!!!!!
Am 09.07.2000 griffen 10-15 Neo-Nazis eine Gedenkveranstaltung am Mahnmal
Kemna in Wuppertal-Beyenburg an. Der Anlass für diese Veranstaltung war
die erneute Beschmierung des Mahnmals. Am Morgen des 09. Juli kamen 20
Menschen zusammen, um den in Konzentrationslagern Gefolterten und
Ermordeten zu gedenken. Die meisten TeilnehmerInnen sind Mitglieder der Vereinigung
der
Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten. Darunter viele, die
die Nazidiktatur miterlebt hatten. Wir begreifen diese Nazi-Aktion als
Angriff auf das Vermächtnis der WiderstandskämpferInnen. Die Kemna ist nicht
irgendeine der zahllosen Terrorstätten der Nazis in Deutschland. Die Kemna
wurde im Juli 1933 als eines der ersten Konzentrationslager im Deutschen Reich
installiert. In der Kemna wurden Hunderte von AntifaschistInnen aus den
umliegenden Städten inhaftiert. Nach dem Reichstagsbrand brachen alle Dämme.
Ganze Stadtteile wurden durchkämmt, immer neue Razzien der Polizei und ihrer
neuen Hilfstruppen ließen die BewohnerInnen der "roten" Stadtteile kaum zur
Ruhe kommen. Die Opfer wurden nicht in aller Stille abtransportiert, sondern
vielfach in langen Zügen zusammengestellt, blutüberströmt und mit Spottafeln
um den Hals unter den Augen der Öffentlichkeit durch die Zentren der Städte
bis zu den Gefängnissen
und "wilden" Konzentrationslagern getrieben, wo viele gefoltert und
ermordet worden.
Ihre Leichen warfen die Mörder auf Straßen und öffentliche Plätze, denn
sie wollten und brauchten ihre Taten nicht zu verheimlichen. Die Kemna
steht für diese Phase des Nazi-Terrors in Wuppertal. Über 30
AntifaschistInnen, jüdische SozialdemokratInnen und KommunistInnen wurden in dieser
Zeit in Wuppertal ermordet. Die Kemna war noch kein Vernichtungslager, sondern
in der Kemna wurde "nur" gequält, gefoltert, geprügelt, gehungert. Häftlinge
wurden in die kalte Wupper gejagt, es wurde gedemütigt und misshandelt.
Manche der Häftlinge blieben Krüppel ihr Leben lang, einige überlebten die
Misshandlungen und Verletzungen nicht wie der kommunistische Stadtverordnete
Otto Böhne.
Kurz vor dem Ende der Gedenk-Veranstaltung stürmten plötzlich mehrere
Vermummte aus dem angrenzenden Wald. Sie warfen mit faustgroßen Steinen,
sprühten mit Reizgas und schlugen mit Knüppeln auf die TeilnehmerInnen
ein. Schon wenige Sekunden bevor die Nazis angriffen wurde eine Person
gesehen, die kurz die Kundgebung beobachtete. Die Angreifer wussten also
vorher, dass sie vor allem ältere Leute und sogar ein Kind, das gerade an dem Hang
spielte, treffen würden. Zwei der Teilnehmer wurden durch Knüppelschläge,
bzw. Reizgas verletzt. Zu mehr Verletzten kam es wohl nur nicht, weil die
TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung sich u.a. mit Regenschirmen
verteidigten. Erst als die Angreifer heruntergerannt waren und den auf der Straße
postierten Streifenwagen erblickten, ergriffen sie mit den Worten "Scheiße, die
Bullen", die Flucht.
Organisator dieses Angriffes war das Schwelmer Ratsmitglied Thorsten
Crämer. Dieser war neben seiner Ratsmitgliedschaft noch Landesvorsitzender
und Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Nationaldemokraten
(Jugendorganisation der NPD). Ebenso war/ist er im NPD-Landesvorstand.
Erst mehr als einen Monat nach dem Überfall wurde er von seinen Ämtern bei den
Jungen Nationaldemokraten enthoben. Aber Thorsten Crämer ist nicht das
einzige NPD-Mitglied, das an diesem Überfall beteiligt war. Im Gegenteil: fast
jeder der Teilnehmer besitzt einen NPD-Mitgliedsausweis.
Beteiligt war u. a. Norbert Wölk. Er hat 1999 in Schwelm zur Kommunalwahl
für die NPD kandidiert, obwohl er weiterhin in Wuppertal wohnte. Um dort
kandidieren zu können verlegte er seine Meldeadresse, wie sieben andere
NPD-Kandidaten auch, in die Kantstr. 13 in Schwelm, dem Wohnort von
Thorsten Crämer. Er ist neben Andreas Weber, dem ehemaligen
JN-Landesvorsitzenden einer der führenden JNīler in Wuppertal. Ebenfalls beteiligt war
Axel-Boris Hausweiler, der schon über fünf Jahre im Gefängnis saß, u.a. wegen
sog. politischen Straftaten. Er ist ebenfalls NPD-Mitglied.
Angeklagt ist auch Ronny Plexnies, der noch am Mahnmal von den
TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung festgehalten werden konnte. Er ist
Mitglied der NPD, ebenso wie Maik Hilgert, der sich auch verantworten muß.
Festgenommen wurde auch ein weiteres Mitglied des JN-Landesvorstandes aus
Duisburg. Hierbei dürfte es sich um Nico Wedding handeln.
Die Tatsache, dass mehrere der Angreifer nicht aus Wuppertal kamen und
fast jeder einen NPD-Mitgliedsausweis in der Tasche hat, zeigt, dass es
sich bei dem Angriff nicht um eine spontane Tat mehrerer Naziskinheads
handelt, sondern um einen organisierten Angriff von NRW-JN-Strukturen.
Als "Rechtfertigung" dieses Angriffs wird von Seiten der Nazis behauptet,
es wäre ein "Antifaschistischer Stadtrundgang" im Anschluß an diese
Veranstaltung geplant. Daß dieser nie für den 9. Juli geplant war, sondern
am Samstag, dem 8. Juli wie öffentlich angekündigt stattgefunden hat
verschweigen sie wissentlich.
Es sind bereits drei Angreifer zu jeweils 7 Monaten Haft verurteilt
worden. Hierbei handelt es sich um Benjamin Stuhrmann, der zum
Tatzeitpunkt auch in der NPD war, in der Zwischenzeit aber ausgetreten ist und sich
noch vor seinem Prozeß brieflich bei der VVN entschuldigt hat. Des weiteren
wurde
Patrick Engels verurteilt, der nicht Mitglied in der NPD war, aber u.a. am
6.Mai in Essen bei einer NPD-Demonstration gesehen wurde. Als Dritter
wurde der 17-jährige Jens Bachmann, Sohn eines Oberstaatsanwalts, verurteilt. Er
ist weiterhin NPD-Mitglied und trat auch vor Gericht dementsprechend auf.
Nachdem sich Benjamin Stuhrmann und Patrick Engels in ihren
Abschlussäußerungen bei den Angegriffenen entschuldigt hatten, sagte Jens Bachmann: "Ich
werde so etwas nicht mehr tun, wenn ich weiß, dass da Frauen
und Kinder bei sind", was das im Umkehrschluss heißt muß hier nicht
erläutert werden.
Wir rufen dazu auf den Prozeß genaustens zu beobachten! Aber wir können
uns nicht darauf verlassen, daß der Staat in diesem Fall seine
antifaschistische Ader entdeckt hat und die Nazis hoch verurteilen wird.
Und wir können uns nicht darauf verlassen, daß die Nazis sich immer so
dilletantisch verhalten: sich gegenseitig verraten und in die Pfanne hauen wie
in diesem Verfahren. Auch mit einem möglichen NPD-Verbot werden die
Nazistrukturen nicht verschwinden. Die Nazi-Aufmärsche, die Nazimusikversände und
Plattenlabels, aber auch Naziclubs wie in Velbert-Neviges wird es weiterhin
geben. Wenn es nicht anständigen und unanständigen AntifaschistInnen gelingt
dem Nazi-Treiben selbstorganisiert ein Ende zu bereiten.
Antifaschistische Initiative
Kontakt:
Infoladen Wuppertal
Brunnenstr. 41
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Fax/Tel 0202/311790
Infoladenwuppertal@gmx.de
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