Newroz 2001: Europäische Beobachterdelegationen in den kurdischen Gebieten
Hunderttausende KurdInnen werden zu Newroz am 21. März ihren Willen nach Frieden, Freiheit und Demokratie auf die Straßen tragen
Das diesjährige Newroz wird den Weg für einen Friedensmarsch nach Ankara ebnen, nach dem Vorbild der Zapatisten in Mexico.
Zur Stunde befinden sich über hundert Delegationsteilnehmer aus Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, der Schweiz und Österreich in den kurdischen Gebieten.
Seit 1993 fahren jedes Jahr Dutzende internationaler Menschenrechtsdelegationen in die kurdischen Gebiete der Türkei, um die Newrozfeierlichkeiten zu beobachten. Dies wurde notwendig als 1992 türkische Sicherheitskräfte gewaltsam in die friedlichen Newrozfeierlichkeiten eingriffen. Dabei wurden mehr als hundert Menschen getötet.
Die Menschenrechtsdelegationen konnten bislang punktuellen Schutz der kurdischen Zivilbevölkerung vor staatlichen Angriffen gewährleisten und zudem die Dimension der Menschenrechtsverletzungen sowie den Einsatz von deutschen Waffen im Krieg gegen das kurdische Volk dokumentieren. Außerdem ermöglicht diese Reise den Delegationsteilnehmern, sich ein unabhängiges Bild der politischen und sozialen Lage in den kurdischen Gebieten zu machen.
Seit 1990 wurde das Newroz-Fest durch die Widerstandsaktionen des kurdischen Volkes mit neuem Leben erfüllt. Bis vor einigen Jahren war Newroz für die kurdische Bevölkerung nicht nur ein Tag geschichtlicher Erinnerung, sondern neben dem Ausdruck ihres wachsenden nationalen Bewußtseins auch der Versuch, auf die kurdische Frage aufmerksam zu machen. Der Charakter der Newrozfeierlichkeiten hat sich in den letzten Jahren verändert. Hunderttausende Kurden nehmen nun Newroz zum Anlaß, eine Lösung der inzwischen deutlich gewordenen Probleme einzufordern. Daher wäre es nicht übertrieben zu sagen, die Newrozfeier ist inzwischen die wichtigste Friedensaktion des kurdischen Volkes.
Die Entwicklungen der letzten anderthalb Jahre ließen bei vielen Menschen die Hoffnung aufkommen, das kurdische Neujahrsfest könne als ein Zeichen des Friedens, der Völkerverständigung und des demokatischen Wandels ungestört stattfinden. Doch die Entwicklungen der letzten Monate, vor allem das staatliche Vorgehen gegen die pro-kurdische Partei HADEP sowie das erneute Verschwindenlassen von Menschen werfen Schatten auf diese Hoffnung.
Trotz all dem hoffen wir natürlich, daß die diesjährigen Delegationsteilnehmer Zeuge friedlicher Feierlichkeiten für Frieden, Freiheit und Demokratie werden.
Für die Pressevertreterinnen und Pressevertreter besteht die Möglichkeit, mit den Delegationsteilnehmern vor Ort telefonisch in Kontakt zu treten. Wir bitten interessierte MedienvertreterInnen, sich hierfür an unser Büro zu wenden.
Hintergründe zum Newrozfest:
“Newroz” heißt übersetzt “der neue Tag” und basiert auf einer Legende aus dem Jahre 612 v. Chr. Dieser Legende nach unterdrückte der assyrischer Tyrann Dahak die Völker innerhalb seines Herrschaftsgebietes, des assyrischen Reiches, u.a. auch die Vorfahren der Kurden, die Meder. Dem Tyrann wuchsen zwei blutgierige Schlangen, denen täglich das Hirn zweier junger Menschen geopfert werden mußte. Über Jahre hinweg wurden den Menschen mit Gewalt ihre Kinder weggenommen und geopfert, so geschah es auch dem Schmied Kawa. Er hatte mehrere Kinder, die bis auf eines dem Tyrannen geopfert werden mußten. Als eines Tages erneut die Häscher kamen, um ihm auch sein letztes Kind zu nehmen, entschloß er sich, diesem unerträglichen Zustand ein Ende zu bereiten. Er mußte den Tyrannen töten. Er erklärte den Häschern, aus Treue zum König werde er eigenhändig das Hirn seines Sohnes dem König übergeben. Der König, der sich von diesem Angebot bestätigt fühlte, erlaubte dem Schmied, seinen Sohn eigenhändig in seiner Anwesenheit zu opfern. Als der Tag der Begegnung kam, bereitete der Schmied das Hirn eines Tieres vor, welches er als das Hirn seines eigenen Sohnes ausgab und gelangte somit bis zu König Dahak. Die Völker, die unter der Herrschaft des assyrischen Reiches litten waren vom Vorhaben des Schmiedes unterrichtet und auch sie trafen Vorbereitungen. Die Menschen zogen sich auf die Berge zurück und warteten auf das Zeichen der Befreiung. Nachdem Kawa den Tyrannen mit einem Dolch, den er unbemerkt bei sich trug, getötet hatte, zündete er ein Feuer an, das als Signal der Befreiung dienen sollte. Daraufhin wurden als Symbol des Sieges überall auf den Bergen Feuer angezündet. Seitdem gilt dieser Tag für die Kurden als der Beginn des Neuen Jahres. Im Gedenken an das Erlangen der Freiheit entzünden seitdem Kurden am 21. März die traditionellen Newrozfeuer. Durch die jahrhundertelange Unterdrückung entwickelte sich das Newrozfest zu einem bedeutenden kurdischen Nationalfeiertag.
|