Berlin: Presseerklärung zur Eröffnung des Berliner "RZ-Prozesses"
Berlin, 21.3.01
Presseerklärung zur Eröffnung des Berliner "RZ-Prozesses"
Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen e.V.
Berliner Bündnis für Freilassung
Hans Branscheidt, medico international, Frankfurt
Flüchtlingsrat Niedersachsen
Flüchtlingsrat Brandenburg
Initiative - "bis gleich" - für die Abschaffung des §129a und die sofortige
Freilassung
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration
SprecherInnenrat des Bundeskongress entwicklungspolitischer Gruppen (BUKO)
Flüchtlingsrat Berlin
Am 22.3.01 beginnt der Berliner "RZ-Prozess". Die Anklage basiert im
wesentlichen auf den Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli, gegen den das
Kammergericht Berlin bereits im Dezember 2000 verhandelte. Für seine
Bereitschaft, andere Leute zu beschuldigen, wurde Tarek Mousli, der mit
einer Ausnahme der gleichen Vergehen beschuldigt war, für zwei Jahre auf
Bewährung verurteilt. Schon vor seiner Verhandlung war er im April 2000 aus
der Untersuchungshaft entlassen worden.
Im Gegensatz dazu sitzen Sabine Eckle, Axel Haug und Harald Glöde seit
nunmehr 15 Monaten, Matthias Borgmann seit elf Monaten in
Untersuchungshaft.
Es ist das Recht von Beschuldigten, keine Angaben zu machen. Dies darf
nicht
mit Untersuchungshaft bestraft werden. Dies gilt auch dann, wenn sich die
Beschuldigten, anders als Tarek Mousli, weigern, auf "Angebote" der
Bundesanwaltschaft (BAW) einzugehen und andere Personen zu belasten.
Gesetzlich ist festgelegt, dass Untersuchungshaft nicht länger als sechs
Monate dauern sollte. Gericht und Staatsanwaltschaft sind auf Grund des
"Beschleunigungsgebots in Haftsachen" zu einer schnellst möglichen
Bearbeitung von Verfahren verpflichtet. Im Falle der vier Angeklagten wurde
mit zum Teil dubiosen Begründungen jeder Antrag der Verteidigung auf
Haftverschonung abgelehnt. Obwohl die wesentlichen Ermittlungen in diesem
Verfahren schon im Frühjahr 2000 abgeschlossen waren, hat der
Generalbundesanwalt (GBA) erst Ende des Jahres Anklage gegen die vier
Beschuldigten erhoben. Ein klarer Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot.
Am 20. Februar diesen Jahres erklärte der GBA, dass er nun auch gegen
Rudolf
Schindler vor dem Berliner Kammergericht Anklage erheben wolle. Auch hier
bilden die Aussagen von Tarek Mousli die Grundlage. In seiner
Pressemitteilung sprach der GBA im Falle Schindlers gar von einer Anklage
auf "Rädelsführerschaft" im Berliner RZ-Zusammenhang.
Rudolf Schindler war zuvor wegen anderer vermeintlicher Vergehen im
Frankfurter OPEC-Prozess freigesprochen worden. Grund genug für die BAW,
eilig eine weitere Anklage hinterher zu schieben. Offensichtlich im
Gegensatz zu den Erwartungen der BAW, lehnte das Berliner Kammergericht
allerdings aus Rechtsgründen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Rudolf
Schindler ab und hob den Haftbefehl auf. Die Beschwerde des GBA gegen den
Beschluss des Kammergerichts ist vor dem Bundesgerichtshof (BGH) anhängig.
Selbst wenn der BGH entscheiden sollte, dass das Verfahren gegen Rudolf
Schindler in Berlin zu eröffnen sei, so wäre eine erneute Inhaftierung
vollkommen abwegig, zumal Rudolf Schindler bereits wieder einer Arbeit
nachgeht und nicht versucht hat, sich der Entscheidung des BGH, etwa durch
Flucht, zu entziehen. Tatsachen, die im übrigen für alle weiteren
Angeklagten auch vor ihren Verhaftungen galten.
Sabine Eckle, Harald Glöde und Axel Haug sitzen seit nunmehr 15 Monaten in
Untersuchungshaft, Matthias Borgmann seit elf Monaten. Allein schon die
Dauer der Untersuchungshaft ist in jeder Hinsicht unverhältnismäßig und
kommt einer Vorverurteilung gleich. Eine solch lange U-Haft hat zudem den
Charakter von Erzwingungshaft. Wer auf sein Recht auf Aussageverweigerung
pocht, soll durch die ungerechtfertigte lange Haftdauer zum Umdenken bewegt
werden.
Es ist absurd, angesichts des zu erwartenden Strafmaßes und angesichts der
Tatsache, dass den Angeklagten über zehn Jahre zurückliegende Straftaten
vorgeworfen werden, mit Flucht- und Verdunklungsgefahr zu argumentieren. Wir
fordern, die Angeklagten aus der Untersuchungshaft zu entlassen und die
Haftbefehle aufzuheben.
Für Nachfragen:
Berliner Bündnis für Freilassung
Gneisenaustr. 2a - 10961 Berlin
Tel: 030-6935670
Info@freilassung.de
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