Dresden: Offener Brief
ART Dresden
AntifaRechercheTeam Dresden
26. April 2001
Offener Brief
an Parteien, Gewerkschaften und Verbände im Raum Dresden
Von Eurem Umgang mit Nazis und RassistInnen
Am 1. Mai wird der dritte Naziaufmarsch diesen Jahres in Dresden
stattfinden. Bisher ist kein Zeichen ersichtlich, dass die selbsternannte
Zivilgesellschaft vor hat, etwas gegen die öffentlichen neonazistischen Aktivitäten zu
unternehmen.
Nach den rechten Demonstrationen der letzten Monate und Eurem
Nichtverhalten, haben wir uns entschlossen, nicht mehr das antifaschistische Alibi zu
liefern. Wir lehnen es ab, Euch jedes Mal auf das Stattfinden der Aufmärsche
hinzuweisen; zu recherchieren; um am Ende nur festzustellen, dass Ihr Euren
zivilcouragierten Hintern doch nicht hoch bekommt.
Ihr habt Euch immer nur dann um das äußerst Notwendige bewegt, wenn Ihr von
uns oder dem eigenen schlechten Gewissen gedrängt wurdet. Dies ist in keiner
Weise ein ernst gemeintes Engagement. Es ist notwendig zu begreifen, dass
sich nur etwas verändern wird, wenn Ihr aus eigener Überzeugung und
Notwendigkeit zu Gegenaktivitäten aufruft und Eure Mitglieder mobilisiert. Das Problem zu
erkennen, ernst zu nehmen und nicht nur mit hohlen Polit-Phrasen zu
überziehen, ist dafür Voraussetzung.
Während in Frankfurt/M., Essen, Augsburg, Mannheim und Berlin die
Initiativen gegen die Naziaufmärsche unter anderem von Parteien, Gewerkschaft und
Verbänden kommen, geht es bei Euch am 1. Mai auch in diesem Jahr um Frühschoppen
mit Blasmusik und Politgeplänkel, während wenige hundert Meter entfernt die
Nazis marschieren werden. Das kann nicht einmal als >>Gesicht zeigen-gegen
Rechts<< verstanden werden. Euer geplantes Volksfest hat nichts mit
antifaschistischer Praxis gemein.
Eine zukünftige antifaschistische Zusammenarbeit wird auf Dauer nur
funktionieren, wenn Klarheit darüber herrscht, dass es nicht ausreicht, Protest gegen
die Nazis zu organisieren, sondern es legitim und notwendig ist, Widerstand
gegen die strukturelle Gewalt von oben, den institutionalisierten Rassismus,
Neoliberalismus und Kriegstreiberei zu leisten. Ein gemeinsames Arbeiten ist
nicht möglich, solange Ihr eine Politik mittragt, die Rassismus nicht nur
toleriert, sondern tatkräftig unterstützt.
So sprach beispielsweise die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula
Engelen-Kefer im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung und der dabei geplanten
siebenjährigen Übergangsregelung für Arbeitskräfte aus den Beitrittsländern >>von
>berechtigten Ängsten der Menschen vor zu schnellen Zuwanderungen aus
Mittel- und Osteuropa und damit verbundenen Belastungen ihrer Arbeits- und
Lebensbedingungen<, die gerade in den neuen Bundesländern vorzufinden seien. Diese
Ängste müssten >ernst genommen werden<<< (junge Welt 10.4.2001). Die NPD
formuliert dieselbe Aussage nur populistischer und marschiert unter dem Motto
>>Arbeit zuerst für Deutsche<<.
Euer bisheriger Protest beschränkte sich auf, wenn von der Regierung
geforderte, opportune Kundgebungen, wie zum 9. November 2000, nicht aber gegen die
vorherrschende ausgrenzende Politik.
Wir werden uns nicht mehr in Bündnisse begeben, in denen wir
Wettbewerbsfähigkeit, Standortsicherung und andere nationale Interessen fördern.
Mit antifaschistischem Gruß!
Die unanständigen Zuständigen
ART Dresden
c/o Infoladen Dresden
http://www.antifa.net/venceremos
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Nur Unerwachsene, Schwächlinge und Feiglinge sind stolz darauf, einer
Nation anzugehören. Wer selbst gehen kann, braucht kein Vaterland.
(Wiglaf Droste)
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