Bautzen/ Sachsen: Urteil gegen Thung aus Bernsdorf
Pressemitteilung 18.5.01
Mitte Dezember hat sich Thung D., ein fünfzehnjähriger Vietnamese, nach einem Überfall von ca. zwanzig Neonazis auf dem Bernsdorfer Weihnachtsmarkt gewehrt. Er stach mit zwei Messern auf zwei der Angreifer ein, wobei einer danach tot war.
Nach nur zwei Verhandlungstagen erging das Urteil gegen Thung: Das Landgericht Bautzen verhängte eine Jugendstrafe von 4 Jahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Eine Verurteilung ab drei Jahren führt für ihn zur Abschiebung.
Der Strafrahmen für Körperverletzung mit Todesfolge liegt für Jugendliche zwischen 6 Monaten und 10 Jahren.
Das Gericht folgte in der Tatsachenfeststellung sowie in der rechtlichen Wertung nahezu vollständig der Verteidigung. Während die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift von Tötungsabsicht ausging, ergab die Beweisaufnahme nicht nur, dass Thung die beiden Nazis nur verletzen wollte. Das Gericht erkannte endlich auch, dass Tung rassistisch angepöbelt und angegriffen wurde und ging von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aus. Obwohl diese "mildernden Umstände" vom Gericht formell anerkannt wurden, schlug sich das nicht im Strafmaß nieder.
Vielleicht ging's dem Richter ähnlich wie dem Staatsanwalt, der gegenüber der "Zeit" feststellte: "Die Tat ist für mich, für einen Deutschen, nicht nachvollziehbar." Nachvollziehbar für deutsche Juristen sind eher die Überfälle und Morde "deutscher Jugendlicher". So verhängte der Richter im Prozeß um die tödliche Gubener Hetzjagd lediglich Bewährungsstrafen und Freisprüche. Das Landgericht Bautzen verurteilte 1993 zwölf Neonazis, die auf einem linken Konzert mit den Rufen "schlagt die Zecken tot" einen Besucher ermordeten, zu Bewährungs- und Haftstrafen unter vier Jahren. Drei von ihnen waren bereits wegen rassistischer Straftaten vorbestraft.
Der in Bernsdorf getötete Neonazi wird in der Öffentlichkeit als guter Deutscher, vielleicht als Skin, aber doch immer als Opfer dargestellt. Ein Opfer, mit einem Tigerpanzer auf den Rücken und Wehrmachtssoldaten auf die Arme tätowiert. An diesem Tag war er mit einem "Rudolf Hess - Märtyrer für Deutschand"-T-shirt bekleidet.
Zwei andere an dem Überfall Beteiligte haben am 23. März zusammen mit zehn weiteren Nazis versucht, einen Angolaner aus einem fahrenden Zug zu werfen. Ein Freund des Angolaners konnte das verhindern. Eine Untersuchungshaft für die Angreifer wurde hier nicht für gerechtfertigt gehalten.
In Bernsdorf ist man derweil froh, dass wieder "Ruhe" herrscht. Die Angst, nach dem Wegzug aller VietnamesInnen als "Zweites Sebnitz" in Verruf zu kommen, hat sich gelegt und man kann sich wieder den alltäglichen Problemen zuwenden.
Thungs Wunsch, eine Ausbildung zu machen, wird jetzt schon dadurch unmöglich gemacht, dass er nicht mehr in die Schule gehen kann.
Thung hat sich gegen Rassismus gewehrt, die Reaktionen darauf sind ein Urteil, das ihn für Jahre wegschließt und anschließend abschiebt und Morddrohungen gegen ihn und seine Familie.
Damit vollstreckt das Urteil, wenn es rechtskräftig wird, den Willen der Neonazis und des Großteils der Mehrheitsdeutschen: Das "Fremde" soll weg, egal wie.
Gegen das Urteil ist Revision eingelegt.
Das Revisionsverfahren kostet Geld. Seine Familie braucht finanzielle Unterstützung. Tung soll die Möglichkeit haben, ein Fernstudium zu machen.
Spenden dafür bitte an die Antirassistische Initiative Berlin
Bank für Sozialwirtschaft
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Kontonummer 309606
Stichwort "Spende für Thung"
Kontaktadresse Antirassistische Initiative, Yorckstraße 59, 10965
Berlin tel. 030 7857281
e-mail ari@ipn.de
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