Gelnhausen/Hanau: Abschiebung eines Kriegsdienstverweigerers
DFG-VK:
Kanonenfutter als Exportartikel
Nicht nur mit Waffen und Munition werden die türkischen Militärs von der BRD
massiv unterstützt, sondern auch mit der Lieferung von "Menschenmaterial".
Jüngstes Beispiel ist der 22jährige Kurde Sedat Baydemir, der seit einer
Woche in Abschiebehaft sitzt.
Er wurde am 16. Mai 2001 in der Ausländerbehörde Gelnhausen festgenommen.
Die Verhaftung erfolgte durch einen üblen Trick, der Rechtsanwältin wurde
von der Sachbearbeiterin vorher telefonisch eine Duldung für Sedat zugesagt.
Als er jedoch in der Behörde erschien, wurde er unter dem Vorwand, er solle
noch Passbilder besorgen, weggeschickt. Als er wieder kam, wartete bereits
die Polizei und nahm ihn fest. Der Abschiebung noch am gleichen Tag entging
er nur, indem er einen Schlüssel schluckte. Nun befindet er sich in
Abschiebehaft in der JVA Hanau.
1996 sollte Baydmir das Amt eines "Dorfschützers" übernehmen. Als solcher
wäre er von der PKK als Gegner eingeschätzt worden, eine Weigerung hätte ihn
hingegen in den Augen der Behörden zum PKK-Sympathisanten gemacht. Baydemir
floh in die Bundesrepublik und stellte einen Asylantrag, der im vorigen Jahr
abgelehnt wurde.
Seit zwei Jahren knüpft der junge Kurde Kontakte zu anderen Flüchtlingen und
zu pazifistischen deutschen Gruppen wie connection e. V. und der Deutschen
Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Baydemir
beteiligte sich regelmäßig an Aktionen türkischer und deutscher
Militärdienstgegner. Im Dezember 2000 erklärte er dem türkischen Konsulat in
Hannover seine Kriegsdienstverweigerung. Darin wurde das Ende des Krieges in
Kurdistan gefordert und festgehalten: "Ich möchte nicht, dass das türkische
Militär mich als eine Tötungsmaschine benutzt. Ich möchte weder töten noch
getötet werden."
Als Militärdienstgegner drohen ihm in der Türkei gleich mehrfache Anklagen:
Entweder "Separatismus-Propaganda" oder "Distanzierung des Volkes vom
Militär" - Gesinnungsparagraphen, mit denen sich die türkischen Militärs
ihren Machtanspruch sichern. Über die Aktion in Hannover hatten auch
türkische Zeitungen berichtet, allerdings derart verzerrt, dass die
Aktivisten pauschal als PKK-Mitglieder denunziert wurden. Die regierungsnahe
Hürriyet druckte gar ein Foto des angeblichen "PKK-Mitglieds" Baydmir, eine
Gegendarstellung verweigerte das Blatt. Dass Kurden, die im türkischen
Militär dienen, ohnehin mit besonders brutalen und entwürdigenden Schikanen
rechnen müssen, dokumentierte bereits eine 1998 erschienene - in der Türkei
nur illegal erhältliche - Broschüre türkischer Antimilitaristen (auf deutsch
im vorigen Jahr von der Berliner DFG-VK herausgegeben).
Ein Asylfolgeantrag wurde im April diesen Jahres abgelehnt, das Bundesamt
für die Anerkennung von Flüchtlingen will keine Gefährdung seiner Person
erkennen. Eine Einschätzung, die der bei Gerichten anerkannte Türkeiexperte
Kamil Taylan für "grob fahrlässig" hält. Taylan erklärt: "Inzwischen
verurteilen die türkischen Gerichte aus ganz anderen, juristisch 'banaleren'
Anlässen, meistens lautet die Anklage: "Unterstützung der PKK". - Zur
Kriegsdienstverweigerung erklärte das Bundesamt lapidar, dieses sei kein
international anerkanntes Recht - ohne darauf einzugehen, dass sowohl die
Vereinten Nationen wie auch das Europaparlament Kriegsdienstverweigerung als
Menschenrecht betrachten.
Organisationen wie Connection e. V., Pro Asyl und die DFG-VK fordern seine
Freilassung. PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann erklärte: "Wer diese
Abschiebung vollzieht, der muss sich bewusst sein, dass er Mitverantwortung
trägt, wenn dem Kriegsdienstverweigerer Sedat Baydemir entgegen der
Prognosen der Behörden das Befürchtete zustößt." Die Frage ist nicht, ob dem
Kurden in der Türkei eine Verfolgung droht, sondern, ob er diese von den
Militärs oder von der Polizei erdulden muss.
Sedats Asylfolgeantrag wurde vom Bundesamt nicht einmal inhaltlich geprüft,
bevor er abgelehnt wurde. Die deutschen Behörden scheinen sich zu denken:
erst mal abschieben und dann schauen, was passiert.
Wir rufen auf: Schreibt an die Ausländerbehörde Gelnhausen und fordert sie
auf, zumindest eine Duldung für Sedat zu erteilen, und zwar mindestens so
lange, bis das Verwaltungsgericht seine Klage gegen den neuesten Bescheid
des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge entschieden
hat!
Die Faxnummer der Ausländerbehörde: 06051/85 47 10
eMail: dfgvk@bamm.de
*** Bitte Beachten: Ab sofort haben wir neue Mail adressen
*** Info@bamm.de
*** dfgvk@bamm.de
Die alte Adresse wird abgeschafft:
info@dfg-vk.in-berlin.de
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