nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Schwanewede: Bundeswehr-Arrest gegen Totalverweigerer

Bundeswehrarrest gegen totalen Kriegsdienstverweigerer in Schwanewede

Am Montag, den 02. Juli wurde in der Schwanewedener Lützow-Kaserne
Bundeswehrarrest gegen den totalen Kriegsdienstverweigerer Kai S. aus
Bremen verhängt. Er war seiner Einberufung in die Kaserne zu diesem
Datum gefolgt, hatte dort aber jeden Befehl verweigert. Noch am selben
Abend wurde er in eine Arrestzelle der angrenzenden
Weser-Geest-Kaserne verbracht.

Der 24-jährige Totalverweigerer lehnt nicht nur den Kriegsdienst mit
der Waffe, sondern auch den sogenannten Zivildienst ab, da dieser im
Rahmen der Gesamtverteidigungskonzeptes vollständig in die
Kriegsplanung eingebunden ist. Mit seiner Verweigerung wendet sich Kai
S. außerdem bewußt gegen jede Form von Zwangsdiensten, die ihrer Natur
nach zutiefst antidemokratisch sind.

Nun droht ihm wegen Befehlsverweigerung ein Disziplinararrest von
unbestimmter Dauer, obwohl ein solcher Arrest nur zur Disziplinierung
von Soldaten verhängt werden darf. Bei der Verweigerung von Kai S.
handelt es sich jedoch um eine wohlerwogene und feststehende
Gewissensentscheidung, wie unter anderem seine bereits vor der
Einberufung verfaßte Erklärung belegt (siehe Anhang). Aus diesem Grund
ist nicht von einer disziplinierenden Wirkung des Arrestes auszugehen.
Vielmehr handelt es sich um eine Schikanemaßnahme der Bundeswehr gegen
einen überzeugten Pazifisten.

Die Verhältnisse im Kasernenarrest sind menschenunwürdig und deutlich
schlechter als in "normalen" deutschen Gefängnissen. Die Arrestzellen
sind mit 2 x 3 m winzig, die Einrichtung besteht lediglich aus einem
Waschbecken und einer Toilette sowie einer Pritsche, die allerdings
nur zur Nacht ausgeklappt wird. Von der Außenwelt weitgehend
abgeschnitten und in ihren Grundrechten beschnitten, sind Arrestierte
der Willkür des militärischen Apparates ausgesetzt.

Freundinnen und Freunde von Kai S. haben sich deshalb unter dem Namen
"Non Serviam!" zusammengefunden, um ihn bei seiner
Gewissensentscheidung zu unterstützen. Die Gruppe ruft dazu auf, Kai
Unterstützungspost zukommen zu lassen und beim verantwortlichen
Kompaniechef seine sofortige Freilassung zu fordern.

Ein Mitglied der Gruppe erklärte heute: "Die Bundeswehr meint, daß sie
tun und lassen könnte, was sie will. Mit dem Arrest wollen sie
Menschen in ihrem Willen und Gewissen brechen. Deshalb ist es wichtig,
ihnen zu zeigen, daß sie nicht unbeobachtet agieren werden. Die
Verweigerung von Zwangsdiensten ist kein Verbrechen, sondern eine
Selbstverständlichkeit. Das Verbrechen sind die Zwangsdienste selbst!"

Post an Kai kann an die Adresse von "Non Serviam!" verschickt werden:
- Non Serviam!, c/o Infoladen, St.Pauli-Str. 10-12. 28203 Bremen,
E-Mail:  non.serviam@gmx.net

Adressen bei der Bundeswehr in Schwanewede
- Kompaniechef , 4. Panzergrenadierbatallion 323, An der Kaserne 41,
28790 Schwanewede, Tel.: 04209-922340
- Oberleutnant Brammer, 4. Panzergrenadierbatallion 323, An der
Kaserne 41, 28790 Schwanewede, Tel.: 04209-922340 und 04209-922347
(Stellvertretender Kompaniechef, der den Arrest gegen Kai
verhängt hat, da sich der Kompaniechef zur Zeit im Urlaub befindet).
- 4. Panzergrenadierbatallion 323, Tel.: 04209-922341
- Weser-Geest-Kaserne, Tel.: 04209-922104

Die Gruppe "Non Serviam!" würde sich über Kopien von Protestschreiben
an diese beiden Adressen freuen.

---------- Anhang: Erklärung von Kai ----------

Weshalb ich den Zwangsdienst (Wehr- oder Zivildienst) als Ganzes
ablehne und mich diesem Machtapparat verweigere

Ich habe mich bewußt dazu entschlossen, jeden mir aufdiktierten
Zwangsdienst zu verweigern, erst recht Dienste an der Waffe. Ich bin
Pazifist, ja ich gebe es zu, ich empfinde es als abscheulich Gewalt
anderen gegenüber anzuwenden, sei es nun Mensch oder Tier.
Pazifistisch zu sein bedeutet in unserer Gesellschaft, jeden Tag
erneut unterdrückt zu werden, ausgelacht zu werden. In einer
Gesellschaft in der Gewalt gegenüber anderen an der Tagesordnung
steht, ob nun im Berufsleben in subtiler Form als Mobbing oder
Ellenbogenmentalität, oder im Straßenverkehr als Androhung
körperlicher Gewalt, oder Gewalt überhaupt als Mittel seinen
Standpunkt durchzusetzen, in dieser Gesellschaft werden Pazifisten als
"Hinterwäldler" oder einfältige Dummköpfe behandelt. "Pazifismus ist
ja ein schöner Gedanke, aber was ist wenn...", so oder ähnlich
gestalten sich Gespräche über Pazifismus. Aber muß es da ein "wenn"
geben?
Gewalt begegnet uns jeden Tag, findet jeden Tag statt, toleriert und
gefördert von unserem Gesellschaftssystem. Ich stelle mich diesem
System und sage "NEIN", die Konsequenzen sind mir bekannt: Pazifismus
ist Strafbar.

Vielleicht ist daraus schon zu ersehen, weshalb ich den Wehrdienst als
solches ablehne. Ein weiterer Grund ist die hierarchische Struktur des
Militärs, der unbedingte Gehorsam ohne nachzudenken. Befehle ausführen
zu müssen, so dumm und unsinnig sie auch sein mögen. Die Bundeswehr
soll unsere Gesellschaft wiederspiegeln, und sie tut es. Was die
Mächtigen sagen stimmt. Ist das so? In der BW werden junge Menschen
noch einmal vorbereitet, um willige Untertanen zu werden, die nicht
hinterfragen und alles als richtig hinnehmen. Hier wird der Rest
persönlicher Individualität gebrochen. Nicht nur der Einheitsschnitt
auf dem Kopf wird durchgeführt, auch im Kopf wird zurechtgestutzt.
Ich lehne hierarchische Gleichmachungs-Strukturen ab und bevorzuge die
basisdemokratische Version des Zusammenlebens. Gespräche führen,
diskutieren, auch im Besonderen kontrovers, und einen Konsens finden,
seine eigenen Gedanken immer wieder neu überprüfen zu können im Alltag
mit anderen Menschen. Ob nun privat, auf der Arbeit oder in den
Kommunen, Menschen haben das Recht über ihr eigenes Leben zu
entscheiden.

Den Zivildienst als Pazifist abzulehnen, halte ich für dringend nötig.
Nicht nur, daß Zivildienstleistende im Ernstfall (Krieg) den Truppen
aktiv zuarbeiten und zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung
eingesetzt werden können, auch indirekte Waffen-Systeme können in
einem solchen Ernstfall von Zivis bedient werden. Das sind für mich
gute Gründe, Gründe die es einem Pazifisten von vornherein unmöglich
machen müssen, einen Zivildienst abzuleisten. Tod und Zerstörung aktiv
zuzuarbeiten, lehne ich strickt ab.
Ein beliebtes Argument welches Totalverweigerer sich oft anhören
müssen, ist, daß Mensch mit dem Zivildienst doch anderen Menschen - in
dieser Gesellschaft oftmals benachteiligten Menschen - hilft. Das ist
richtig, dem stimme ich zu! Doch wenn Mensch sich im sozialen Bereich
engagieren möchte, ist sicher kein Zwang nötig. Es ist möglich, ein
freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren oder einen Pflegeberuf zu
ergreifen, ganz ohne Zwang.

Zwangsdienste, egal in welcher Form, sind für mich von vornherein
abzulehnen. Mensch wird in seiner persönlichen Freiheit, in seiner
Individualität und der Möglichkeit frei Entscheidungen zu treffen
nicht nur eingeschränkt, sondern unterdrückt. Eigene Entscheidungen
werden durch Befehle und militärische Vorschriften ersetzt, denken ist
nicht erwünscht. Wer sich diesem System nicht fügt wird diszipliniert,
was nicht zuletzt in Freiheitsstrafe und psychischer Zermürbung endet,
um Mensch zu brechen und willenlos zu machen. Wer nicht hören will muß
fühlen.
Der Dienst an der Waffe ist für mich undenkbar. Alleine der Gedanke
ich würde mich an der Waffe ausbilden lassen, um im "Ernstfall" diese
gegen andere Menschen zu richten, widerspricht allem, woran ich glaube
und von dem ich zutiefst überzeugt bin.

Ich verweigere mich der Kriegsmaschinerie und nehme dafür die
willkürlichen Disziplinierungsmaßnahmen der Bundeswehr in Kauf. Selbst
im Arrest bin ich freier als ein Soldat es je sein wird.

Mit libertärem Gruß
kai

--------------------------
NON SERVIAM!
c/o Infoladen
St.Pauli-Str. 10-12
D-28203 Bremen
E-Mail:  non.serviam@gmx.net


 

03.07.2001
NON SERVIAM!   [Aktuelles zum Thema: Antimilitarismus]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht