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Grimma/Sachsen: NPD-Pressefest

© junge Welt 5.9.2001
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Krauts in Grimma?
Das Pressefest der NPD-Zeitung Deutsche Stimme findet vielleicht doch statt

Vielleicht wird es einmal - angelehnt an die berühmte Sparwasser-Frage -
heißen: Wo waren Sie, als das 5:1 fiel? »Also wir waren aus Leipzig kommend
direkt hier an der Autobahnausfahrt Grimma«, könnten Ole und Flenders von der
antifa-hedonistischen Gruppe S.A.R.G. erzählen. »Wir kamen von Aktionen gegen
den Nazi-Aufmarsch sowie die städtische Anti-Antifa unter OB Tiefensee und
seinem Führer, dem gleichnamigen Pfarrer.« Einige Tage später scheint an
derselben Stelle und in der Kreisstadt Grimma, der »Perle des Muldentals«, alles wie
immer. Kommt man von der Autobahn, sieht man sofort: Der Aufschwung Ost gerät
in Fahrt. Zumindest was den Gebrauch von Apostrophen anlangt. Rechterhand
gibt es »Swimmingpool's und Gartenteiche«, auf der linken Seite ist es möglich,
in »Vogel's Ballhaus« »Essen wie bei Mutter'n« zu genießen. Und paßt man
nicht auf, ist man schon wieder raus aus dem Städtchen.

Hier in Grimma, konkret auf dem Volkshausplatz, soll kommenden Samstag das
Pressefest des NPD-Organs Deutsche Stimme stattfinden. Nachdem man sich in
Orten wie Meißen, Frauenhain oder Annaberg bereits eine Abfuhr geholt hatte, kam
die Nazi-Partei auf die kleine Stadt im Muldentalkreis. Weil das bekannte
Wurzen in der Nähe liegt? Weil dort und im Nachbarort Trebsen die NPD im Rat
vertreten ist? Weil der NPD-Landeschef um die Ecke wohnt? Das wohl weniger,
hatte doch Winfried Petzold mit seiner Kandidatur zum Bürgermeister in Trebsen
vor einigen Monaten mit 1,9 Prozent ziemlich alt ausgesehen, so daß die Partei
das Ergebnis in ihren Bilanzen glatt verschwieg.

Grimma aber dürfte die NPD noch in guter Erinnerung haben, denn für Mitte
November letzten Jahres hatten die Rechten eine Demonstration angekündigt, die
Antifaschisten verhindern wollten. Man wolle hier keine rechte oder linke
Gewalt, tönten die Stadtoberen damals kollektiv. Eine antifaschistische
Gegenaktion von Auswärtigen, meinte der allseits kompetente sächsische
PDS-Multifunktionär Peter Porsch seinerzeit, sei ein »Eingriff in die kommunale
Selbstverwaltung«. Mit aufgehängten bunten Tüchern - »Bunt statt braun« - sollten die
Einwohner damals ihre Ablehnung der Nazis bekunden, ansonsten seien die Rechten
zu ignorieren. Die Pleite war vorhersehbar. Ein halbes Dutzend Tücher können
den NPD-Zug nicht sonderlich beeindruckt haben.

Doch diesmal soll alles besser laufen. Auf einer Bürgerversammlung Ende
August erklärte Klaus-Jürgen Linke vom Landratsamt, es sei »ein Grundfehler, also
Fehler des Grundgesetzes«, daß sich hierzulande jeder frei versammeln dürfe,
nur weil er unbewaffnet sei. Man müsse sich aber auch klar darüber sein, daß
es sich bei dem Pressefest um einen »von außen auf uns hereindringenden
Rechtsradikalismus« handele. Man könne mit einem Volksfest sowie Theater und
Musik gegen die Naziveranstaltung halten, lauteten Vorschläge in der Versammlung.
Auch eine Stadtratssitzung unter freiem Himmel, welche sich mit dem Thema
beschäftige, sei denkbar, so der Bürgermeister.

Mit 2 000 und mehr Besuchern wird für das DS-Fest am Samstag gerechnet.
Neben regionalen NPD-Größen haben sich der Bombenleger Peter Naumann, Holger
Apfel, aber auch der italienische Faschist Roberto Fiore angekündigt. Dazu kommen
noch Kapellen wie Nordwind und Doitsche Werte.

Die Notbremse zog nach langem Zögern Mitte letzter Woche der Landrat mit
einem Verbot des Pressefestes. Werde das aufgehoben, so der Bürgermeister,
könnten die Veranstalter nicht damit rechnen, von der Kommune mit Wasser und Strom
versorgt zu werden oder sonstige Unterstützung zu erhalten.

Grimma/Leipzig

Aktuelle Informationen:  http://antifadresden.alturl.com/


 

05.09.2001
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