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Frankfurt: TKDV-Prozess und Reflexionen zum Krieg

Prozeß

am

Montag, den 24. September 2001

um 9:15 Uhr.

am Landgericht Frankfurt/M. (Hammelsgasse 1, Gebäude E)

gegen Torsten Froese

Reflexionen

Am Freitag, dem 14.09.2001 um 10 Uhr morgens haben fast alle Radio- und TV-Stationen in der BRD gleichgeschaltet und zum sogenannten „Gedenken“ an die Toten im World Trade Center in New York und im Kriegsministerium in Washington D.C. das New York Symphonic Orchestra aufspielen lassen. Während dieser bundesweit national verordneten fünf „Gedenkminuten“ durch Kanzler Schröder ergab sich ein Massensog des verordneten Schweigens, in Betrieben, auf der Straße, im Bundestag etc.
Gedenkgottesdienste, Lichterketten und - als Höhepunkt der Schulterschlussrituale,
Mobilmachungsatmosphäre und nationalistischer Eidschwörungssymbolik - ca. 200.000 Menschen als UnterstützerInnen der Regimepropaganda am Brandenburger Tor.

Die Regierenden der NATO-Staaten haben den sogenannten „Bündnisfall“ ausgerufen und beschwören das archaisch-kriegerische Ritual „Einer für alle, Alle für Einen“. US-Kriegsminister Rumsfeld droht einen kompletten militärischen Feldzug gegen den Mythos
„internationaler Terrorismus“ an, womit in rassistischer Manier (durch die bürgerlichen Medien vervielfältigt, verkauft und vermittelt) der sogenannte „Islamismus“ gemeint ist. „Das Böse“ greife die USA an: wer in diesem dualistisch-christlich-bürgerlichen Weltbild
dann „das Gute“ sei, liefert die massenhypnotisierende Propaganda via Kulturindustrie gleich implizit mit. Angebliche in Hamburg identifizierte Attentäter (für bürgerlich-westliche Medien steht der zu denunzierende TäterInnenkreis sowieso fest: sog. „Islamisten“)
sollen laut Bildzeitung vom Freitag, dem 14.09.2001 „in der Hölle“ schmoren: Kreuzzüge der christlich-bürgerlichen Ideologie. Das „Abendland“ und die „Zivilisation“ werden gegen sogenannte „Barbaren“ verteidigt, so die Kriegsvorbereitungspropaganda.

Die systematische Vorgehensweise ist hierbei nicht neu, allerdings ist zu befürchten, daß die Auswirkungen dieser militärischen Logik verschärft werden. Der staatliche Rassismus zeigt sich in direkter Form nicht nur durch die Hetzjagd der Polizei, BKA etc. auf angebliche „Attentäter“, sondern politisch durch die weitere Abschottung der BRD und der EU: Innenminister Schilys - euphemistisch genanntes - „Zuwanderungsgesetz“ wird von ihm in direkten Zusammenhang mit der Bekämpfung des sogenannten „Terrorismus“ gebracht, und auch Vereine sollen verboten werden – warten was noch kommt!? Die rassistischen Angriffe auf den Straßen sind unmittelbares Resultat dieser Lynchpolitik. Angst wird produziert und reproduziert rassistisch entladen.
Auf dieser Angst und mit ihr, wird der nächste Krieg vorbereitet, weitere repressive polizeiliche Überwachungs- und Kontrollmethoden gerechtfertigt werden. Das von Schröder und Schily nach Göteborg und Genua geforderte harte Durchgreifen und Aufrüsten der EU-Polizeien und paramilitärischen Organisationen (BGS z.B.) wird vor dem Hintergrund der medialen Mobilmachung einfacher sein, durchzusetzen: Der Begriff „innere Sicherheit“ bedeutet das, was unter wilhelminischen Nachtwächterstaat zu verstehen ist und die untertänige autoritäre Persönlichkeit benötigt und herstellt.

Die BRD wird sich - in welchem Ausmaß auch immer - am Krieg der USA beteiligen. Mit dem Versprechen aller NATO-Staaten die USA zu unterstützen, ist Klarheit hergestellt. Die US-Army rekrutiert mittlerweile ReservistInnen und plant den Krieg: Ziel ist Afghanistan, aber auch Sudan und Libyen. Die Bundeswehr, auf dem Höhepunkt ihrer imperialistischen Umstrukturierung, wird auf ihren Erfahrungen aus 10 Jahren Militarisierung und zwei Jahren als Besatzungsmacht in Jugoslawien-Kosovo und - neuerdings - auch in Mazedonien aufbauen.

Die totale Mobilmachung für den Krieg, die derzeit ideologisch reibungslos abläuft, ist in der BRD auch rechtlich-materiell verankert. In Artikel 12a des Grundgesetzes, konkretisiert im Wehrpflichtgesetz, Zivildienstgesetz, Arbeitssicherstellungsgesetz, Katastrophenschutz-ergänzungsgesetz wird sichergestellt,
daß alle „Arbeitsfähigen“ - Männer bis zum 60sten, Frauen bis zum 55sten Lebensjahr - im sogenannten „Verteidigungsfall“ zu kriegsunterstützenden Aufgaben herangezogen werden können.

Dieses Konzept der Sicherstellung der „zivilmilitärischen Zusammenarbeit“ (vgl. Weißbuch des Kriegsministeriums 1994) ist aus der totalen Mobilmachung des nationalsozialistischen Regimes - hier konkret dem Konzept Wehrpflicht und des Reichsarbeitsdienstes - erwachsen. Die Zwangsapparate müssen allerdings nur ihre strafrechtlichen Mittel (Höchststrafen für Fahnen- und Dienstflucht 5 Jahre Knast, Arbeitsverweigerung anderer Zwangsverpflichteter 1 Jahr) in Gang setzen, wenn das aus staatlicher Sicht verfügbare Menschenmaterial sich regt und dem Staat ein einfaches NEIN! entgegensetzt. Im „Konzept der Gesamtverteidigung“ des Kriegsministeriums wird vorgegeben, daß neben der militärischen Komponente für die sogenannte „zivile Verteidigung“ im sogenannten Verteidigungsfall „unbefristet“ gilt „die Staats- und Regierungsfunktionen aufrechtzuerhalten, die Zivilbevölkerung zu schützen, die Zivilbevölkerung und die Streitkräfte zu versorgen, die Streitkräfte mit zivilen Gütern und Leistungen unmittelbar zu unterstützen.“ (Weißbuch, S.133).

Im NATO-Krieg gegen Jugoslawien wurde die zivil-militärische Zusammenarbeit durch einen Vertrag zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Kriegsministerium konkretisiert. Der Vertrag stellt „Grundsätze einer solchen Zusammenarbeit zwischen einem zivilen Krankenhaus und einer Reservelazarettgruppe der Bundeswehr“ auf, die der militärischen Logik der Triage-Regelung folgt: Während des Krieges haben Soldaten Vorrang vor allen anderen. Während des Krieges der USA gegen Irak 1991, der von der BRD u.a. auch durch Sänitätslogistik unterstützt wurde, kam es zu mehreren Streiks der zwangsverpflichteten „Zivildienstleistenden“, da diese unmittelbar in der Kriegsführungsstrategie eingebunden waren – und wie alle anderen auch, immer
noch sind.

Totale Kriegsdienstverweigerung als Konzept des Widerstands gegen Krieg, Vernichtung und Herrschaft betrifft nicht nur sogenannte „Wehrpflichtige“. Die Desertion vom und Sabotage des Herrschaftssystems ist ebenso umfassend, wie das Herrschaftssystem selbst. Der Kern dieses Herrschaftssystems ist Gewalt, die aufgezwungene gewaltförmige Ausbeutung und Vernichtung, legitimiert von einer Ideologie der Nützlichkeit und Abstraktion, durchgesetzt mit der Befehl/Gehorsams-Methode sowie schmackhaft gemacht durch Belohnungs- und Schutzversprechungen. Die kapitalistische Ausbeutungspraxis ist ebenso Bestandteil der militärischen Disziplinarlogik menschlicher Verhaltensweisen wie der bewaffnete Kampf gegen Unterdrückung, der die Herrschaftsidee imitiert und reproduziert.


Infos zum juristischen Prozeß-Prozedere bei


TKDV-Initiative Frankfurt/M.

c/o DFG-VK
Mühlgasse 13
60486 Frankfurt/M.
Tel.: 069/4980394 oder 431440
Fax: 069/4990007
E-Mail:  dfgvkffm@t-online.de

c/o Detlev Beutner (Verteidiger)
Tel/Fax: 06198/577626
E-Mail:  d.beutner@gmx.de

 

16.09.2001
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